Europarecht

keine sittenwidrige Täuschung des Herstellers im sog. Abgasskandal nach Bekanntwerden des Dieselskandals

Aktenzeichen  21 U 1896/19

Datum:
27.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 659
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27
ZPO § 138 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine sittenwidrige Schädigung des Autokäufers scheidet aus, wenn der Erwerb des Fahrzeugs nach Offenlegung der maßgeblichen Aspekte der Manipulation im sog. Dieselskandal durch den Hersteller im Wege einer ad hoc Mitteilung an den Kapitalmarkt und an die Öffentlichkeit gerichteter Pressemitteilung erfolgt (OLG Stuttgart BeckRS 2019, 21326). (Rn. 21 und 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorschriften der EG-FGV sind keine Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB (OLG Braunschweig BeckRS 2019, 2737). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

43 O 1442/17 2019-03-25 Urt LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.03.2019, Az. 43 O 1442/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt aus Deliktsrecht im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal von der Beklagten primär die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkws.
Der Kläger erwarb am 06.04.2017 von privat einen Audi Q 3, der am 28.04.2014 erstmals zugelassen worden ist, mit einer Laufleistung von 27.000 km, zum Preis von 22.125,00 €, vgl. Kaufvertrag, Anlage K 1. Die Beklagte hat das Fahrzeug hergestellt.
Das streitgegenständliche Fahrzeug, das mit einem Motor vom Typ EA 189 ausgestattet ist, ist Gegenstand eines Rückrufs durch das Kraftfahrtbundesamt gewesen, da es eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielt. Im Prüfstand, der mit Hilfe einer Software erkannt wird, wird durch eine erhöhte Rückführung und Verbrennung von Abgasen ein niedrigerer Schadstoffausstoß gemessen als im normalen Fahrbetrieb. Kurz nach dem Erwerb des Fahrzeugs wurde der Kläger über die Betroffenheit seines Fahrzeugs informiert, vgl. Anlage K 5. Das vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Software-Update ließ der Kläger im Juli 2017 aufspielen.
Bereits am 22.09.2015 hatte die V. AG, die Konzernmutter der Beklagten, eine ad hoc Mitteilung herausgegeben und gab in einer weiteren Pressemitteilung bekannt, dass insgesamt 11 Millionen Dieselfahrzeuge weltweit von der Thematik betroffen seien. Dies war der Anlass für eine in der Folgezeit anhaltende, ausführliche und umfangreiche Medienberichterstattung.
Die Beklagte schaltete am 02.10.2015 eine Internetwebseite, auf der sich Fahrzeughalter mit Hilfe der Fahrzeug-Identifikationsnummer darüber informieren können, ob ihr Fahrzeug von der Manipulation betroffen ist.
Der Kläger trägt vor, dass er erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs durch das Anschreiben der Beklagten im April 2017 Kenntnis davon erlangt habe, dass sein Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist. Bei Kenntnis der „Prüfstandoptimierungssoftware“ hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erworben. Die Beklagte habe ihn vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt und dies auch billigend in Kauf genommen.
Die Beklagte hingegen bestreitet, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Abgasthematik gewusst hätte und geht davon aus, dass dem Kläger in Anbetracht der zum Kaufzeitpunkt vorhandenen umfangreichen Medienberichterstattung die Betroffenheit seines Fahrzeugs von der Abgasproblematik bekannt war. Dem Kläger stünden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Ansprüche zu.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage nach Anhörung des Klägers abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nicht mehr hätte getäuscht werden können, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug mehr als eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals gekauft hat. Die Kammer war nicht davon überzeugt, dass der Kläger beim Erwerb des Fahrzeugs keine Kenntnis von der Dieselthematik gehabt hat.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter verfolgt. Der Kläger betont erneut, dass er erst durch die Aufforderung zur Vornahme eines Updates am Fahrzeug im April 2017 positive Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselabgasskandal erlangt habe. Auf die allgemeine Berichterstattung in den Medien könne nicht abgestellt werden, da ein Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug fehle. Der Kläger habe gar nicht überprüfen können, welcher Motor in seinem Fahrzeug verbaut ist. Die Beklagte hafte dem Kläger sowohl nach § 826 BGB als auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und i.V.m. § 27 EG-FGV. Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 18.04.2019, Bl. 104 ff. d.A., Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.03.2019 (Az. 43 O 1442/17) wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges Pkw Audi Q3, Fahrzeug-Identifizierungsnr. …5743, den Betrag von 22.125,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 an den Kläger zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 18.08.2017 in Annahmeverzug befindet.
IV. Die Beklagte wird verpflichtet, die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten i.H.v. 1.711,70 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie sieht keinen deliktischen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte, insbesondere weil keine sittenwidrige Täuschung vorliege und die Beklagte den streitgegenständlichen Motor auch nicht entwickelt habe. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden, da das Fahrzeug mangelfrei sei und sein Marktwert nicht durch die ursprüngliche Motorsteuerungssoftware oder die Notwendigkeit eines Software-Updates negativ beeinträchtigt sei. Die Beklagte bestreitet weiterhin, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm die Notwendigkeit eines Software-Updates bewusst gewesen wäre. Im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderung vom 23.07.2019, Bl. 133 ff. d.A., Bezug genommen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 06.12.2019 hat die Beklagte ihren Sachvortrag vertieft und ergänzt und – vom Kläger im Nachgang nicht bestritten – vorgetragen, dass die ab dem 02.10.2015 geschaltete Website der Beklagten, mit der Möglichkeit anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer die Betroffenheit jedes Audi-Fahrzeugs von der Software-Thematik abzufragen, Anlage BE 9, in der Presse thematisiert und über Presse- und Interneterklärungen der Beklagten bekannt gemacht worden ist, Anlage BE 10. Die Presseerklärung der V. AG am 22.09.2015 enthielt den Hinweis, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Dieselfahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist, Anlage BE 8. Am 23.09.2015 informierte die Beklagte ihre Vertriebspartner über die Abweichungen bei den Abgaswerten, Anlage BE 11. Weiter informierte die Beklagte am 30.09.2015 den Handel. Nach Erhalt der Halterdaten vom Kraftfahrtbundesamt unterrichtete die Beklagte die Halter der von ihr hergestellten Fahrzeuge mit dem Motortyp EA 189 im Februar 2016 postalisch über das Update und den abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan, vgl. Musteranschreiben BE 13.
Die Beklagte habe damit jedenfalls zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertragsschlusses durch den Kläger am 06.04.2017 alles unternommen, was ihr möglich und zumutbar gewesen sei, um die Öffentlichkeit bzw. potentielle Kaufinteressenten von der Diesel-Thematik sowie der individuellen Betroffenheit einzelner Fahrzeuge zu informieren. Ihr könne nicht der Wille unterstellt werden, dem Kläger das Vorhandensein der Umschaltlogik und deren Beseitigung mittels Software-Updates zu verheimlichen, bei ihm einen Irrtum oder einen Schaden herbeizuführen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Einzelnen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat zunächst einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO erlassen, vgl. Beschluss vom 03.09.2019, hat dann aber von einer Sachbehandlung nach § 522 ZPO Abstand genommen, vgl. Bl. 162 d.A., und den Rechtsstreit am 27.01.2020 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bl. 192 ff. d.A. verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist zutreffend und hält den Berufungsangriffen des Klägers stand. Dem Kläger steht gegen die Beklagte bei der hier vorliegenden Fallkonstellation kein Schadensersatzanspruch zu. Die vom Kläger begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages kommt hier nicht in Betracht.
Der Senat schließt sich bei den sog. Fällen „Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals“ einer Vielzahl anderer obergerichtlicher Entscheidungen an, denen ähnliche Fallgestaltungen zugrunde lagen, so u.a. OLG Frankfurt, Urteil vom 06.11.2019, Az. 13 U 156/19; OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.08.2019, Az. 2 U 94/18; OLG Stuttgart, Urteil vom 07.08.2019, Az. 9 U 9/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2019, Az. 10 U 199/19; OLG Köln, Urteil vom 06.06.2019, Az. 24 U 5/19; OLG Dresden, Urteil vom 24.07.2019, Az. 9 U 2067/18; OLG Celle, Urteil vom 29.04.2019, Az. 7 U 159/19; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.11.2017, Az. 7 U 69/17; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.11.2019, Az. 1 U 32/19 und OLG Koblenz, Urteil vom 25.10.2019, Az. 3 U 948/19.
1. Ein Anspruch des Klägers nach § 826 BGB scheitert bereits daran, dass der Senat keinen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Eintritt eines etwaigen Schadens beim Kläger sieht und zudem auch zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Erwerbs des Fahrzeugs, hier am 06.04.2017, ein entsprechender Schädigungsvorsatz bei der Beklagten nicht (mehr) angenommen werden kann. Auf eine konkrete Kenntnis des Klägers, dass gerade der von ihm erworbene Wagen vom Abgasskandal betroffen war, kommt es damit nicht an.
Es kann dahinstehen, ob der Beklagten ein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen ist oder nicht, denn die Beklagte hatte jedenfalls im Zeitpunkt als der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat, ausreichende Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Schadenseintritts getroffen. Die V. AG als Konzernmutter der Beklagten hat am 22.09.2015 eine an den Kapitalmarkt gerichtete ad hoc Mitteilung herausgegeben, in der sie über die Dieselproblematik informiert und mitgeteilt hat, dass „die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diese-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden“ ist. Ferner hat die Beklagte selbst unmittelbar anschließend die Öffentlichkeit informiert und sowohl am 02.10.2015 eine Pressemitteilung herausgegeben als auch eine in zahlreichen Medien erwähnte Internetwebseite geschaltet, über die sich die Fahrzeughalter informieren können, ob ihr konkretes Fahrzeug mit der fraglichen Software-Konfiguration ausgestattet ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Thematik Gegenstand einer sehr intensiven Berichterstattung in nahezu allen Zeitungen sowie Fernsehsendern und Onlinemedien in Deutschland. Die Berichterstattung erfolgte zwar überwiegend unter dem Stichwort „VW-Abgasskandal“, regelmäßig wurde aber auch über die Abfragemöglichkeiten für Audi berichtet. Die Beklagte hat weiter die Händler und Vertriebspartner informiert und flächendeckend im Februar 2016 unter Nutzung der Datei des Kraftfahrtbundesamts alle betroffenen Halter angeschrieben und informiert, soweit diese in Deutschland ansässig sind. Dies hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 06.12.2019 ab Seite 5 ausführlich dargestellt, was der Kläger nicht bestritten hat und damit als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.
Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertrages sieht der Senat keinen Schädigungsvorsatz der Beklagten, weil im Hinblick auf die Offenlegung der maßgeblichen Aspekte der Manipulation durch die Pressemitteilungen und die Information an die Halter von betroffenen Fahrzeugen nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, dass die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten die Schädigung des Klägers in ihren Willen aufgenommen, für möglich und billigend in Kauf genommen haben, vgl. BGH, Teilversäumnis- und Endurteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15 Rdnr. 25 zum Vorsatz bei § 826 (Wissens- und Wollenselement). Die Beklagte hat vielmehr – wie oben ausgeführt – ausreichende Maßnahmen getroffen, um die weiteren Auswirkungen ihres – unterstellt – sittenwidrigen Verhaltens einzudämmen, so dass der Zurechnungszusammenhang in Bezug auf Schäden wegen nach Bekanntwerden der Diesel-Thematik verkaufter Fahrzeuge auf diese Weise unterbrochen worden ist, vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.08.2019, Az. 9 U 9/19.
2. Im Übrigen fehlt es hier auch an einem Nachweis, dass eine etwaige Täuschungshandlung durch Vertreter der Beklagten konkret kausal für die Willensentschließung des Klägers geworden ist. Die entsprechende Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Kläger, vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage 2020, Rn. 18 zu § 826 BGB. Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht, vgl. Protokoll vom 13.02.2019, Bl. 83 d.A., eingeräumt, im Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs allgemein vom Diesel-Skandal gehört zu haben und sich vor dem Kauf bezüglich des Abgasskandals informiert zu haben. Er lese sowohl privat zu Hause, als auch dienstlich als Mitarbeiter des Zolls regelmäßig Tageszeitungen und schaue zudem Nachrichten im Fernsehen. Vor dem Kauf habe er sich noch eingehender informiert und z.B. die ADAC-Zeitung und die Zeitung „Auto, Motor und Sport“ gelesen. Der Kläger räumte auch weiter ein gewusst zu haben, dass Audi im selben Konzern wie VW ist. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger aber nachvollziehbar darlegen müssen, aus welchen Gründen er davon ausgegangen ist, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Problematik nicht betroffen ist, wobei darauf hinzuweisen ist, dass einer Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss im Regelfall bereits entgegensteht, dass ein objektiver Verdacht bestand, dass der Pkw betroffen sein könnte, der Kläger aber keine Veranlassung gesehen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären. Der Kläger hat zwar angegeben, dass sich der Diesel-Skandal seines Wissens immer auf VW bezogen habe, angesichts der Tatsache, dass dem Kläger aber die Verbundenheit beider Hersteller auf Konzernebene bekannt war, ist dies keine hinreichende Darlegung.
3. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ebenfalls nicht in Betracht.
4. Auch ein Anspruch des Klägers nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheidet aus. Die Vorschriften der EG-FGV sind nicht als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, weil sie nach Zweck und Inhalt nicht auch dazu dienen, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Die EG-FGV setzt die Richtlinie 2007/46/EG um, so dass es zur Auslegung auf den Inhalt und Zweck dieser Richtlinie ankommt. Nach deren Erwägungsgründen bezweckt die Richtlinie die Vollendung des Binnenmarktes und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis darauf finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV ausgeführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV zur Rechtsvereinfachung und Bürokratieabbau beitragen soll, vgl. BR-Drucksache 190/09, S. 36. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des OLG Braunschweig im Urteil vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17 an. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem geänderten Anhang IX der RL 2007/46/EG, weil nicht angenommen werden kann, dass hierdurch der Schutzzweck der Richtlinie durch die Kommission geändert werden sollte.
5. Nachdem ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht besteht, haben auch die weiteren Anträge auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten und auf Feststellung des Annahmeverzugs keinen Erfolg.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO. Der Senat hat hier einen Einzelfall entschieden und folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Deliktsrecht. Eine Grundsatzbedeutung lässt sich auch nicht darauf stützen, dass derzeit zahlreiche „Diesel-Klagen“ bundesweit bei Gerichten anhängig sind. Grundsatzbedeutung hat eine Sache nur dann, wenn entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist, vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.2002, Az. VII ZR 101/02. Daran fehlt es hier, weil der Rechtsstreit lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall betrifft. Weder die Entscheidung des OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, Az. 13 U 149/18 noch die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 14.10.2019, Az. 7 U 85/19, zwingen den Senat zu einer Zulassung der Revision. In beiden Entscheidungen waren primär die konkreten Angaben der Käufer streitentscheidend. Ferner wurde aufgrund des dortigen Sachvortrags der Parteien ein geringeres nachträgliches Aufklärungsverhalten der Beklagten zugrunde gelegt (allein ad-hoc Mitteilung und Abfragemöglichkeit im Internet), so dass auch insoweit der Entscheidung eine andere Fallgestaltung zugrunde lag. Zudem liegt hier der Erwerbszeitpunkt deutlich später als in den zuvor zitierten Entscheidungen.

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