Aktenzeichen M 9 S 16.50781
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 13 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 lit. a, Art. 21 Abs. 1 Uabs. 2, Art. 22 Abs. 1, Abs. 7
Leitsatz
Es ist nicht davon auszugehen, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge bestehen, dass Asylbewerbern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der am … geborene Antragsteller reiste nach eigenen Angaben am … Dezember 2015 aus Bulgarien kommend in das Bundesgebiet ein (Bl. 5 des Behördenakts – i.F.: BA -). Er beantragte am … Mai 2016 Asyl (Bl. 14 des BA). Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Pakistans.
Aufgrund eines Eurodac-Treffers (Bl. 35f. des BA) wurde am … Juli 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien gerichtet (Bl. 43ff. des BA). Die bulgarischen Behörden haben bis dato nicht geantwortet.
Mit gegen Postzustellungsurkunde vom … September 2016 zugestelltem Bescheid vom … September 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Nr. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4).
Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schriftsatz vom … Oktober 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom …9.2016 anzuordnen und der Antragsgegnerin aufzugeben, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat u. a. aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, v.a. nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bulgarien ist hier für die Prüfung zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 22 Abs. 1 und Abs. 7 Dublin III-VO. Terminologisch handelt es sich bei der Aufforderung vom … Juli 2016 zwar nicht um ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23ff. Dublin III-VO, sondern um ein Aufnahmegesuch nach Art. 21f. Dublin III-VO; dies ändert aber nichts an der daran anknüpfenden fiktiven (Wieder-) Aufnahmebereitschaft Bulgariens. Die bulgarischen Behörden haben sich inhaltlich zum Aufnahmegesuch vom … Juli 2016 nicht eingelassen; damit ist auch die 2-Monats-Frist des Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO verstrichen. Das Aufnahmegesuch wurde auch innerhalb der 2-Monats-Frist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO – welche am … Mai 2016 begann und am … Juli 2016 endete – und damit rechtzeitig, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin III-VO, gestellt. Wie aus der Mitteilung der bulgarischen Behörden vom … Juni 2016 hervorgeht, wurden und werden alle Übernahmeersuchen empfangen, nur die automatische Eingangsbestätigung wird nicht immer verschickt. Unabhängig von den Erkenntnissen des Eurodac-Verfahrens gab auch der Antragsteller an, dass er Ende November 2015 nach Bulgarien eingereist sei, wo ihm nach eigener Aussage Fingerabdrücke abgenommen worden seien.
Die Überstellung an Bulgarien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Bulgarien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Grundsätzlich erhalten auch Rückkehrer eine Unterkunft, medizinische Behandlung und sonstige Versorgung. Sofern sie einen Asylantrag stellen, wird ein Asylverfahren durchgeführt. Es stehen ausreichende Aufnahmekapazitäten zur Verfügung. Aktuelle Erkenntnisse diesbezüglich liegen den neuen Entscheidungen und Berichten zugrunde (z. B. BayVGH, U.v. 29.1.2015 – 13a B 14.50039 – juris; OVG LSA, B.v. 29.3.16 – 3 L 47/16 – juris; VGH BW, U.v. 18.3.2015 – A 11 S 2042/14 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 17.6.16 – 22 L 1913/16.A; VG München, B.v. 10.11.2016 – M 3 S 16.50868 -; B.v. 11.10.2016 – M 24 S 16.50485 -; B.v. 1.12.2016 – M 18 S 16.51054 – m. w. N.; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30.11.2015 und an das VG Aachen vom 27.1.2016 – abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes). Unter Auswertung der Erkenntnislage sind keine strukturellen Mängel des bulgarischen Asylsystems erkennbar, die landesweit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung befürchten lassen. Früher bestehende Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht behoben worden. Aus diesen Gründen bestand für die Antragsgegnerin auch keine Veranlassung, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) wurden darüber hinaus nicht belegt. Der Antragsteller hat in seiner Zweitbefragung vom … September 2016 (Bl. 61 des BA) zwar angegeben, Schmerzen am Hinterkopf und am Bein zu haben. Atteste o.Ä. habe er aber laut eigener Aussage nicht. Unabhängig davon haben weder der Antragsteller noch sein Bevollmächtigter dargelegt, dass diese Schmerzen eine Reiseunfähigkeit bedingen könnten. Schmerzmittel – wie das mit der Angabe „Brophin“ (Bl. 61 des BA) wohl gemeinte Ibuprofen bzw. Brufen – sind auch in Bulgarien und auch für den Antragsteller erhältlich.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.