Aktenzeichen M 12 S7 16.50577
AsylG AsylG § 34a Abs. 1, § 77 Abs. 1, § 80
VwGO VwGO § 80 Abs. 7
Leitsatz
Mögliche Mängel in Bezug auf die allgemeinen Lebensbedingungen, die anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien treffen, sind nicht geeignet, systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien aufzuzeigen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen die angeordnete Abschiebung nach Bulgarien im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben am 4. Dezember 2015 in das Bundesgebiet eingereist.
Am 14. Januar 2016 ergaben sich zwei EURODAC-Treffer für Bulgarien (BG1… und BG2…).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 4. März 2016 hin hat Bulgarien mit Schreiben vom 14. März 2016 der Übernahme des Antragstellers gem. Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zugestimmt.
Am 16. Juni 2016 stellte der Antragsteller einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 16. Juni 2016 hat der Antragsteller u. a. erklärt, keine Verwandten in Deutschland zu haben. Er habe Afghanistan am 20. Oktober 2015 verlassen und sei über Pakistan, Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Kroatien und Österreich nach Deutschland gereist. Er habe in keinem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2016, zugestellt am 25. Juni 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate (Nr. 3).
Am …. Juli 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift des Gerichts Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2016 aufzuheben. Gleichzeitig hat er beantragt, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Bulgarien die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 (Az.: M 12 S 16.50475) hat das Gericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom …. Juli 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Antragsteller einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO gestellt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Asylverfahren in Bulgarien leide unter systemischen Mängeln. Der Antragsteller habe einen Rechtsanspruch, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch mache. Dem Antragsteller drohten bei einer Abschiebung nach Bulgarien Zustände, die im Hinblick auf Art. 4 EU-Grundrechtecharta nicht hinnehmbar seien. Es werde Bezug genommen auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 an das VG Stuttgart und das Gutachten von Frau … vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg. In der Entscheidung des VG München vom 18. Juli 2016 sei weder die Auskunft noch das Gutachten gewürdigt worden. Darüber hinaus wurde auf Gerichtsentscheidungen aus den Jahren 2015 und 2016 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Abänderung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses vom 18. Juli 2016 hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt kein Rechtsmittelverfahren dar, sondern ein gegenüber dem ersten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung dieser Entscheidung, sondern die Neuregelung der Vollziehung des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem abweichenden Sinn ist. Die Abänderungsbefugnis des Gerichts ist dabei nicht auf stattgebende Entscheidungen beschränkt (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 190 ff.).
Ein Anspruch auf Abänderung einer getroffenen Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist dann gegeben, wenn sich nach der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine Veränderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage ergeben hat und sich aus den veränderten Umständen zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 – 11 VR 8.98 – NVwZ 1999, 650; Kopp/Schenke, a. a. O., Rn. 197).
Dies ist hier nicht der Fall. Zur Begründung des vorliegenden Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO wird ausschließlich auf vor dem Beschluss vom 18. Juli 2016 ergangene Rechtsprechung sowie auf Erkenntnismittel aus dem Jahr 2015 Bezug genommen.
Darüber hinaus befassen sich die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2015 an das VG Stuttgart, das Gutachten von Frau … vom 27. August 2015 an den VGH Baden-Württemberg sowie die zitierte Rechtsprechung nicht mit der Situation von Dublin-Rückkehrern, sondern mit Personen, denen in Bulgarien bereits ein Schutzstatus gewährt wurde. Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall. Mögliche Mängel in Bezug auf die allgemeinen Lebensbedingungen, die anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien treffen, sind nicht geeignet, systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien aufzuzeigen. Denn hiervon ist der Antragsteller aktuell nicht betroffen. Auch wenn letztlich die Zuerkennung eines Schutzstatus Ziel des Asylverfahrens ist, kann für die Beurteilung der Frage, ob systemische Mängel im Asylverfahren vorliegen, nicht auf die tatsächliche und rechtliche Situation, die für anerkannte Schutzsuchende festzustellen ist, abgestellt werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist nämlich noch gar nicht absehbar, ob der Dublin-Rückkehrer nach Durchlaufen des bulgarischen Asylverfahrens überhaupt zu der Personengruppe der anerkannten Schutzsuchenden gehören wird oder nicht (vgl. etwa VG Düsseldorf, B.v. 17.6.2016 – 22 L 1913/16.A – juris; VG des Saarlandes, B.v. 13.5.2016 – 6 L 351/16 – juris).
Dem Gericht liegen auch nach wie vor keine aktuellen belastbaren Erkenntnisse vor, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweisen, d. h. regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Antragsteller auch im konkret zu entscheidenden Fall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Auch sind keine Anhaltspunkte für einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts ersichtlich. Auf den Beschluss vom 18. Juli 2016 wird insoweit verwiesen.
Der Abänderungsantrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).