Europarecht

Keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Bulgarien

Aktenzeichen  B 3 S 15.30033

Datum:
5.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 26a, § 34a
GG GG Art. 16a
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

In Bulgarien läuft ein Asylbewerber keine Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, sodass keine systemischen Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen (ebenso VG Düsseldorf BeckRS 2014, 58229). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller, staatenlos und arabischer Volkszugehörigkeit, reiste eigenen Angaben zufolge am 28. März 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2014 einen Asylantrag.
In seinem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 11. April 2014 gab der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin an, dass er sich bis zu seiner Ausreise aus Syrien in der Stadt Aleppo aufgehalten habe. Am 15. Dezember 2012 habe er die syrisch/türkische Grenze überquert. Später habe er dann die türkisch/bulgarische Grenze illegal überschritten, weshalb er von der bulgarischen Polizei festgenommen worden sei und am 15. März 2013 einen Asylantrag habe stellen müssen. Am 10. Januar 2014 habe er in Bulgarien einen Flüchtlingspass bzw. eine Aufenthaltsgestattung, die einen Abschiebeschutz beinhaltet habe, erhalten. Noch am selben Tag habe er aber Bulgarien verlassen und sei nach Rumänien weitergereist. Der Antragsteller wolle nicht nach Bulgarien überstellt werden, da die Zustände dort nicht menschenwürdig seien.
Am 18. August 2014 stellte die Antragsgegnerin ein Informationsersuchen an Bulgarien mit der Bitte um Mitteilung, ob dem Antragsteller tatsächlich ein Schutzstatus zuerkannt wurde. Daraufhin erklärten die bulgarischen Behörden, dass dem Antragsteller subsidiärer Schutz gewährt worden ist (Bl. 103 der Bundesamtsakte).
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015, dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 26. Januar 2015 zugestellt, wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; widrigenfalls werde er nach Bulgarien abgeschoben. Außerdem stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller nicht nach Syrien abgeschoben werden darf. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antragsteller aufgrund des in Bulgarien gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (Az.: 10 C 7.13) entschieden, dass ein erneutes Anerkennungsverfahren unzulässig sei, wenn dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz, also Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz, zuerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG schließe eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt aus. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gelte dies für subsidiär Schutzberechtigte entsprechend. Auch die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz in Bezug auf Syrien sei unzulässig, weil dem Antragsteller aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Unzulässigkeit des Asylantrages ergebe sich aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat (§ 26a AsylvfG). Die Abschiebungsanordnung beruhe daher auf § 34a AsylVfG.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 26. Januar 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 27. Januar 2015 eingegangen, Klage. Außerdem stellte er den Antrag,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2015 trägt der Antragsteller vor, dass die Abschiebung nach Bulgarien aufgrund der dortigen Verhältnisse nicht gerechtfertigt sei. Die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Bulgarien würden nicht den maßgebenden Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft entsprechen. Unmittelbar nachdem der Antragsteller die türkisch-bulgarische Grenze überquert habe, sei er am 16. März 2013 verhaftet worden. Am 1. April 2013 sei er in eine geschlossene Unterkunft in Sofia verbracht worden. Dort seien in einem kleinen Raum über 40 Frauen und Männer untergebracht worden. In diesem Raum sei geschlafen, gegessen und teilweise gekocht worden. Die hygienischen Bedingungen seien schrecklich gewesen. Das Essen, welches er nur unregelmäßig erhalten habe, sei zudem schlecht gewesen. Als er krank geworden sei, habe er keine medizinische Betreuung erhalten. Am 15. April 2013 sei er in Handschellen in eine weitere Unterkunft in Sofia verlegt worden. In dieser Unterkunft habe er monatlich 30,00 EUR ausbezahlt bekommen. Das Geld habe aber für eine ausreichende Versorgung mit Nahrung, Kleidung und Hygieneartikeln nicht gereicht. An einem Abend sei er vor der Unterkunft von drei jungen Männern zusammengeschlagen worden. Die Sicherheitslage sei derart gefährlich gewesen, dass bereits am späten Nachmittag insbesondere Frauen und Kinder die Unterkunft nicht mehr verlassen hätten. Auch der Antragsteller habe Angst gehabt, die Unterkunft in den späten Nachmittagsstunden zu verlassen. Am 10. Januar 2014 habe er seinen Flüchtlingsausweis bekommen. Er sei aus Bulgarien ausgereist, weil er befürchtet habe, von Obdachlosigkeit bedroht zu werden sowie der Aggression und Anfeindung der Bevölkerung ausgesetzt zu sein. Der Antragsteller stehe in Kontakt mit drei Familien, die wie er in Bulgarien gewesen seien und dort einen anerkannten Aufenthaltsstatus erhalten hätten. Diese Familien hätten in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt und seien – im Gegensatz zum Antragsteller – von der Antragsgegnerin als Flüchtlinge anerkannt worden. Insoweit sei von einer Ungleichbehandlung auszugehen. Es liege aber zumindest eine unterschiedliche Auslegung durch die Antragsgegnerin hinsichtlich der flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und Verfahrenspraxis zu Bulgarien vor. Der Antragsteller wünsche sich sehr, dass die Erkenntnislage, die zur positiven Entscheidung der Antragsgegnerin über die Asylanträge der von ihm erwähnten Familien geführt habe, auch auf seien Asylantrag angewandt werde. Die Überstellung nach Bulgarien verstoße gegen Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. gegen Art. 3 EMRK. In einem Artikel vom 30. Dezember 2014, den der Antragsteller im Internet gefunden habe, werde durch den Sprecher des UNHCR dargelegt, dass die Integration von anerkannten Flüchtlingen in Bulgarien nicht erfolgreich sei und deshalb deren Situation in Bezug auf Wohnung, Arbeit und Sprachkurs verbessert werden müsse. Die bisherige Integrationsstrategie Bulgariens habe bisher nicht umgesetzt werden können. Dem Internetartikel zufolge hoffe der Sprecher des UNHCR, dass die bulgarische Regierung einen Weg finden werde, einen anderen Plan zur Umsetzung der Integrationsstrategie aufzustellen.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren B 3 K 15.30034 und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Eilantrag ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist – wie sich auch aus § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann. Die Antragstellung bei Gericht am 27. Januar 2015 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe – hier: Zustellung am 26. Januar 2015 – erfolgt, § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
2.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Bulgarien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union sicherer Drittstaat im Sinne von § 26 a AsylVfG. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller in Bulgarien bereits ein Asylverfahren durchgeführt. In Bulgarien erhielt er bereits die Zuerkennung internationalen Schutzes. Dem Antragsteller wurde ausweislich der Mitteilung der bulgarischen Behörden subsidiärer Schutz in Bulgarien gewährt (Bl. 103 der Bundesamtsakte).
Ob in einem solchen Fall die Dublin-III-VO zur Anwendung gelangt, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7.13 – juris) hat offen gelassen, ob auf den Asylantrag eines Ausländers, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als Flüchtling anerkannt ist, die Zuständigkeitsregelungen der Union nach den Verordnungen über das sogenannte Dublin-Verfahren anwendbar sind. Dabei hat der erkennende Senat allerdings angedeutet, dass er zu der Auffassung neigt, dass auf Ausländer, die in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt sind, die Regelungen zum Dublin-Verfahren nicht anwendbar sind. Das Bundesamt sei bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag sei deshalb bereits nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG a. F. unzulässig gewesen und dem entspreche die nun geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Dies sei jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar, denn Art. 33 Abs. 2a der Richtlinie 2013/32/EU eröffne dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d. h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz (Art. 2i der EU-Richtlinie) zuerkannt hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 14.05.1996 (Az.: 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93, juris) ausgeführt, dass in den Konstellationen wie der vorliegenden, nicht geltend gemacht werden kann, dass in Bulgarien trotz der formalen Zuerkennung internationalen Schutzes kein hinreichender Schutz gewährt werde. Des Weiteren geben die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts keine Veranlassung, in Deutschland in eine Prüfung von § 3 und § 4 AsylVfG oder von § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG einzutreten, denn es ist nicht ersichtlich, dass beim Antragsteller ein Sonderfall vorliegt, der geeignet wäre, ausnahmsweise Hinderungsgründe für die Rückverbringung in den sicheren Drittstaat zu begründen. Die Sonderfälle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln im Sinne der Ausführungen in den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes vom 21.12.2011 – C 411/10 – NVwZ 2012, 417 sowie vom 10.10.2013 – C 394/12 – NVwZ 2014, 208, wonach ein Asylsuchender eine Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden und die zugunsten des Mitgliedstaates streitende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht, widerlegt ist.
Die Angaben des Antragstellers im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 11. April 2014 und die Ausführungen des Antragstellers im Schriftsatz vom 2. Februar 2015, wonach die Zustände in Bulgarien während der Durchführung seines damaligen Asylverfahrens nicht menschenwürdig gewesen seien, lassen in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nicht die Annahme zu, dass der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien immer noch systemische Mängel entgegenstehen.
Das Gericht geht zwar davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern, die u. a. wegen des bereits lange dauernden Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem zwischenzeitlich total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Der Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. war – wie auch der Antragsteller berichtet – nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit und Qualität erreichbar. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. nur Human Rights Watch, Containment Plan – Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff.).
Derartige systemische Mängel können für Asylbewerber in Bulgarien aber nach der aktuellen Erkenntnislage nicht mehr festgestellt werden (VG Minden, B.v. 14.10.2014 – 1 L 759/14.A – juris Rn. 18 ff.; VG Hannover, B.v. 22.10.2014 – 13 B 12064/14 – juris Rn. 31; VG Augsburg, B.v. 25.8.2014 – Au 7 S 14.50199, Au 7 K 14.50198 – juris Rn. 23 ff.; VG Augsburg, U.v. 13.11.2014 – Au 2 K 14.50042 – juris Rn. 18).
Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist in seinem Urteil vom 10.11.2014 (- A 11 S 1778/14 – juris, Rn. 30 ff.) unter eingehender und zutreffender Würdigung der aktuellen Auskunftslage betreffend Bulgarien (insbesondere aller UNHCR-Erkenntnismittel) zu dem Ergebnis gekommen, dass jedenfalls bei nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden bzw. Ehepaaren oder Partnern ohne kleine Kinder keine systemischen Mängel oder Schwachstellen des Asylsystems oder der Aufnahmebedingungen (mehr) vorliegen, die eine Überstellung nach Bulgarien zur Durchführung des Asylverfahrens hindern.
Hat der Ausländer – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist zudem vielmehr darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4/Art. 19 Abs. 2 Grundrecht der Charta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 27.10.2014 und 11.11.2014, a. a. O.).
Dass die Verhältnisse in Bulgarien diesbezüglich hinter den unionsrechtlich vorgesehenen Schutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen. Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
Zwar sind die Lebensbedingungen für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus in Bulgarien nicht leicht. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Bulgarien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigen, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und dem Antragsteller müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien ausgesetzt sind, nicht (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 27.10.2014 – 17 L 2200/14.A – juris). Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B. v. 02.04.2013 – 27725/10 – juris). Der UNHCR berichtet in seinen Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien – April 2014 – zwar, dass der Zugang zu einer stabilen Beschäftigung Flüchtlingen in Bulgarien schwer fällt und es an angemessenen und erschwinglichen Unterkünften mangelt (vgl. Ziffer 2.7). Diese genannten Probleme treffen jedoch offensichtlich auf eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten zu. Mögen sie zwar in Bulgarien ausgeprägter sein, ist hierin jedoch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu sehen.
Schließlich ist das Gericht zwar aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel und dem vom Antragsteller vorgelegten Internetartikel vom 30. Dezember 2014 davon überzeugt, dass derzeit in Bulgarien ein wirklich vielversprechendes Integrationsprogramm für Flüchtlinge noch nicht existiert bzw. noch nicht erfolgreich praktiziert wird. Auch die aktuelle Aussage des Sprechers des UNHCR, wonach die Situation der bereits anerkannten Flüchtlinge in Bulgarien in Bezug auf Wohnung, Arbeit und Sprachkurse unbefriedigend und daher zu verbessern sei, macht zwar deutlich, dass die Lage der anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien weiterhin prekär ist und dass die bulgarischen Behörden noch nicht alle Missstände (vollständig) beseitigt haben. Ein Verstoß gegen Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union oder ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK lässt sich daraus jedoch nicht ableiten (vgl. VGH BW, U.v. 10.11.2014 a. a. O. juris Rn. 59).
Anderweitige Vollzugshindernisse liegen nicht vor. Insbesondere ist eine Abschiebung des Antragsstellers nicht nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG wegen rechtlicher Unmöglichkeit unzulässig. Nach Angaben des Antragstellers hätte die Antragsgegnerin anderen Asylantragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, obwohl diese bereits zuvor in Bulgarien einen anerkannten Aufenthaltstitel erhalten hätten. Eine solche Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin wäre, selbst wenn diese Behauptung des Antragstellers zutreffend sein sollte, rechtswidrig. Hieraus folgt im Hinblick auf die von Art. 20 Abs. 3 GG angeordnete Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aber kein Anspruch eines Asylantragstellers auf ein ebenso rechtswidriges Verhalten der Behörde ihm gegenüber und damit auf eine “Gleichbehandlung im Unrecht”.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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