Europarecht

Keine Zusammenlegung von selbständigen Ortsfeuerwehren durch Errichten eines gemeinsamen Feuerwehrhauses

Aktenzeichen  Au 7 K 15.488

Datum:
18.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFwG BayFwG  Art. 1 Abs. 1, Abs. 2, Art. 5 Abs. 2
BayGO BayGO Art. 112

 

Leitsatz

Die Bestandsgarantie des Art. 5 Abs. 2 BayFwG verbietet es, verschiedene Ortsfeuerwehren im Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit als eine einzige Feuerwehr mit einem gemeinsamen Standort anzusehen. Allein die 10-Minuten-Hilfsfrist, innerhalb derer die für den Einsatz zuständige Feuerwehr am Schadensort eintreffen soll, ermöglicht die bestmögliche Brandbekämpfung und zeitgerechte technische Hilfeleistung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Landratsamtes … vom 11. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihrem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 112 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung/GO) kann die Rechtsaufsichtsbehörde rechtswidrige Beschlüsse und Verfügungen der Gemeinde beanstanden und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Bei Nichterfüllung öffentlich-​rechtlicher Aufgaben oder Verpflichtungen kann die Rechtsaufsichtsbehörde die Gemeinde zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen auffordern. Rechtswidrig sind Gemeinderatsbeschlüsse nur dann, wenn sie inhaltlich den bestehenden Rechtsvorschriften widersprechen.
Bei einer Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis – wie hier beim Brandschutz (Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung, Art. 7, 109 GO), der zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung gehört – liegt es zwar im Ermessen der Gemeinde, wie sie den Brandschutz und technischen Hilfsdienst sicherstellt. Allein die Unzweckmäßigkeit gemeindlicher Maßnahmen oder Beschlüsse berechtigt die Rechtsaufsichtsbehörde daher nicht zum Einschreiten. Eine pflicht- und sachgemäße Ermessensausübung liegt aber nicht mehr vor, wenn die beschlossene Maßnahme dazu führen würde, dass die Erfüllung der Pflichtaufgabe (das „ob“) nicht mehr möglich ist.
So liegt der Fall hier.
Der Beklagte hat den Gemeinderatsbeschluss vom 29. September 2014 zu Recht gemäß Art. 112 GO beanstandet, da die Errichtung eines gemeinsamen Feuerwehrgerätehauses für die beiden Freiwilligen Ortsfeuerwehren an einem zentralen Standort, also die Reduzierung auf einen Ausrückbereich, zur Folge hätte, dass die Klägerin die ihr durch Art. 1 Abs. 1 und 2 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (BayFwG) übertragenen Pflichtaufgaben, für den abwehrenden Brandschutz sowie den technischer Hilfsdienst im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit ausreichend bzw. wirksam zu sorgen, nicht mehr erfüllen wird bzw. nicht mehr erfüllen kann.
1. Der Neubau eines gemeinsamen Feuerwehrhauses für die beiden Ortsfeuerwehren … und … an einem zentralen Standort innerhalb des Gemeindegebiets, also die Reduzierung auf nur einen Ausrückbereich, würde dazu führen, dass einige grenznahe Bereiche der Gemeinde … nicht einmal mehr theoretisch innerhalb der „10-Minuten-Hilfsfrist“ (vgl. Nr. 1.2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zum Vollzug des Bayerischen Feuerwehrgesetzes vom 28. Mai 2013 – Vollz. B.ekBayFwG) erreicht werden könnten.
Dies hat bereits der Brandschutzbedarfsplan vom Mai 2013 im Hinblick auf einen (angedachten) gemeinsamen Standort …, der innerhalb der Gemeinde sehr zentral gelegen ist, festgestellt.
In Kapitel 8 „Soll-Struktur“ wird die Gebietsabdeckung zum einen ausgehend von der aktuellen Struktur der beiden Feuerwehren mit zwei Standorten (Grafik 8.0.1) zum anderen unter der Annahme eines (angedachten) gemeinsamen Standortes … (Grafik 8.0.2) dargestellt. Beide Darstellungen legen, ausgehend von der 10-Minuten Hilfsfrist (1,5 Minuten Dispositionszeit, 5 Minuten Ausrückzeit), eine maximal verbleibende Anfahrzeit von 3,5 Minuten zugrunde. Dabei wird aufgezeigt, dass mit der aktuellen 2-Standorte-Struktur innerhalb der Hilfsfrist planerisch alle Bereiche mit geschlossener Bebauung und bedeutende Straßen erreicht werden können. Lediglich der … und der östliche Abschnitt der B… auf 1.100 m können planerisch nicht innerhalb von 3,5 Minuten erreicht werden. Bei einem gemeinsamen Standort … könnten bei einer Anfahrzeit von 3,5 Minuten dagegen sechs Bereiche mit geschlossener Bebauung (…, …, …, … inkl. Gewerbegebiet, … und …) sowie drei Straßenabschnitte (790m der B… im östlichen Gemeindegebiet, 1.270m der B12 im westlichen Gemeindegebiet und 2.290 m der B… im nördlichen Gemeindegebiet) nicht erreicht werden. Als Ergebnis wird u. a. festgehalten, dass ein (gemeinsamer) Standort in … die Leistungsfähigkeit der örtlichen Feuerwehr erheblich verschlechtere und mindestens zwei Ausrückbereiche bestehen sollten.
Zum selben Ergebnis kommt auch das von der Klägerin in Auftrag gegebene Gutachten vom 30. Juni 2015, dessen Kern eine Ausrückzeitsimulation für die beiden bestehenden Standorte („Ist-Zustand …“ und „Ist-Zustand …“) sowie für den angedachten gemeinsamen Standort … und weitere mögliche (gemeinsame) Standorte (u. a. „… NEU“) ist. In der abschließenden Bewertung wird festgestellt, dass sich die planerische Gebietsabdeckung durch die Zusammenlegung an einem Standort verschlechtern würde, unabhängig davon, ob der Standort … oder der Standort … NEU umgesetzt würde (Kapitel 5, 5.3). Durch einen gemeinsamen Standort würden sich im Vergleich zum Ist-Zustand Erhöhungen der Hilfsfristen ergeben. Zur Einhaltung der derzeitigen (engen) bayerischen Vorgaben zur Feuerwehrbedarfsplanung könne nicht empfohlen werden, die beiden Einheiten an einem gemeinsamen Standort zusammenzufassen. Bei einem Vergleich mit den (nicht ganz so engen) Empfehlungen zur Feuerwehrbedarfsplanung in Baden-Württemberg könne die bestehende 2-Standorte-Struktur als bedarfsgerecht bezeichnet werden (Kapitel 6, 6.3).
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen zur Einhaltung der Hilfsfrist im angefochtenen Beanstandungsbescheid vom 11. März 2015 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Dabei enthalten dessen Anlagen 1 (Standort …) und 6 (Standort …/…) Berechnungen anhand der Vorgaben zur Hilfsfrist und zeigen die (rein rechnerisch ermittelten) Überschreitungen der Hilfsfrist bei verschiedenen Zielen in den Randbereichen der Gemeinde auf. Zudem wird im Bescheid u. a. noch darauf hingewiesen, dass bei einem gemeinsamen Standort, sei es … oder …/…, zumindest in den Abend- und Nachtzeiten sowie am Wochenende (Alarmierung am Wohnort) auch längere Ausrückzeiten zu erwarten seien, was wiederum die Hilfsfrist verlängere. Denn bei der Mehrzahl der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren … und … lägen die Wohnorte näher am jeweiligen derzeitigen Standort als an einem geplanten gemeinsamen Standort.
Die Richtigkeit der o.g. Darstellungen bzw. Berechnungen zu den Erhöhungen der Hilfsfrist im Falle eines gemeinsamen Standortes, d. h. eines einzigen Ausrückbereiches, hat auch die Klägerseite nicht angezweifelt, zumal auch angesichts der geographischen Gegebenheiten unstreitig ist, dass sowohl bei einem gemeinsamen Standort …, der bereits sehr zentral gelegen ist, als auch bei anderen angedachten Standorten für ein gemeinsames Feuerwehrhaus ein längerer Anfahrtsweg zu bestimmten grenznahen Bereichen der Klägerin entsteht.
2. Nicht gefolgt wird der Auffassung der Klägerseite, dass die Bedeutung der Hilfsfrist für die Bedarfsplanung der Feuerwehr deswegen zu relativieren sei, weil der Wohnungsbrand, der der Berechnung der Hilfsfrist als dimensionierendes Schadensereignis zugrunde liegt, nur ein seltenes Schadensereignis sei, dessen Relevanz für die Bedarfsplanung der Feuerwehr überaus fraglich sei.
Die 10-Minuten-Hilfsfrist entspricht den einschlägigen Erfahrungen bei der Brandbekämpfung und ist eine allgemein anerkannte Richtschnur für die Beurteilung, ob die Feuerwehren rechtzeitig am Schadensort sind. Denn nur wenn die für den Ersteinsatz zuständige Feuerwehr innerhalb dieses Zeitraums am Schadensort eintrifft, ist eine bestmögliche Brandbekämpfung und zeitgerechte technische Hilfe möglich (vgl. BayVGH, B. v. 2.8.2010 – 4 ZB 08.3007 – juris Rn. 9; Forster/Pemler, Bayerisches Feuerwehrgesetz, Art. 1 Rn. 54). Zur (gestiegenen) Bedeutung der Hilfsfrist wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass sie entsprechend Nr. 1.2 der aktuellen Vollzugsbekanntmachung vom 28. Mai 2013 nicht nur für den abwehrenden Brandschutz, sondern auch für den technischen Hilfsdienst gilt, während sich die Hilfsfrist noch in der letzten, bis 30. Juni 2013 gültigen Fassung dieser Verwaltungsvorschrift nur auf den abwehrenden Brandschutz bezogen hat. Die Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF bund) zu den Qualitätskriterien für die Bedarfsplanung der Feuerwehren in Städten vom 15. September 1998, Fortschreibung vom 19. November 2015, sehen für den Ersteinsatz sogar einen Zeitraum von nur 9,5 Minuten (1,5 Minuten Dispositionszeit und 8 Minuten Ausrück- und Anfahrzeit) vor.
Damit hat der Beklagte auch die Bedeutung der 10-Minuten-Hilfsfrist, wie sie in Nr. 1.2 Vollz. B.ekBayFwG definiert ist, nicht verkannt, sondern sein Hauptaugenmerk bei der Beurteilung der gemeindlichen Standortentscheidung zu Recht auf diese gelegt, denn die Einhaltung oder Überschreitung der Hilfsfrist ist ausschlaggebend für die Frage, ob die notwendigen Feuerwehren aufgestellt sind bzw. die Gemeinde in die notwendigen Ausrückbereiche gegliedert ist.
3. Die im Falle eines gemeinsamen Standortes eintretende Verschlechterung der Leistungsfähigkeit der Ortsfeuerwehren im Hinblick auf die Einhaltbarkeit der Hilfsfrist wird auch nicht durch bessere Ergebnisse im Hinblick auf das (gleichwertige) Qualitätskriterium der erforderlichen Funktionsstärke (für ein erstes Ausrücken) kompensiert. Denn entgegen dem Vortrag der Klägerseite würde sich bei einem gemeinsamen zentralen Standort, insbesondere im derzeit sehr kritischen Bereich der werktäglichen Tagesverfügbarkeit (Alarmierung der Feuerwehrangehörigen am Arbeitsort), die Ausrückzeit nicht verkürzen, d. h. ein schnelleres Erreichen der erforderlichen Funktionsstärke für einen ersten Abmarsch der Ortsfeuerwehren ist nicht zu erwarten.
a) Die Klägerseite ist unter Berufung auf die im Gutachten vom 30. Juni 2015 dargestellte Ausrückzeitsimulation (Kapitel 4) der Auffassung (vgl. S. 9/10, Punkt 2.5 der Klagebegründung vom 14.1.2016), dass an einem gemeinsamen Standort … ein erstes Ausrücken (Erreichen von mindestens 6 Funktionen/Staffelstärke) bereits nach nur vier Minuten, bei den beiden bestehenden Standorten dagegen erst nach fünf Minuten möglich sei. Hierzu verweist der Klägerbevollmächtigte zum einen auf Seite 29 des Gutachtens („Ausrückzeitsimulation, Ergebnisse der Berechnungen vom Arbeitsort zum jeweiligen Standort“), wonach nach vier Minuten am Standort … 4 Feuerwehrangehörige und am Standort … ebenfalls 4 Kräfte zur Verfügung stehen (nach fünf Minuten 9 und 8 Kräfte). Zum anderen wird unter Verweis auf Seite 33 des Gutachtens („Ausrückzeitsimulation, Ergebnisse der Berechnungen vom Wohnort zum jeweiligen Standort“) für einen gemeinsamen Standort … herausgestellt, dass an diesem nach vier Minuten bereits 13, nach fünf Minuten sogar 22 Feuerwehrangehörige zur Verfügung stünden. Hieraus zieht der Bevollmächtigte, ausgehend von der 10-Minuten-Hilfsfrist, den Schluss, dass daher bei einem gemeinsamen Standort … 4 Minuten Anfahrzeit zum Schadens-/Brandort zur Verfügung stünden (10-Minuten-Hilfsfrist – 2 Minuten Gesprächs-/Dispositionszeit – 4 Minuten Ausrückzeit = 4 Minuten Anfahrzeit), während es bei den bestehenden beiden Standorten (nur) drei Minuten seien (10-Minuten-Hilfsfrist – 2 Minuten Gesprächs-/Dispositionszeit – 5 Minuten Ausrückzeit = 3 Minuten Anfahrzeit). Damit könnte von dem geplanten gemeinsamen Standort … aus nahezu das gleiche Gemeindegebiet abgedeckt werden wie bei den beiden bestehenden Standorten. Die Ausrückzeit im Hinblick auf das Erreichen einer Gruppenstärke (oder auf das Erreichen von 10 Funktionen) spreche zusätzlich für einen gemeinsamen Standort …
Nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere anhand der Übersicht auf Seite 53 des Gutachtens (Einwohnererreichbarkeit /Zielerreichungsgradsimulation – Zusammenfassung), die die Ausrückzeitsimulation für den Fall der Alarmierung am Arbeitsort sowohl für die beiden bestehende als auch für einige angedachte gemeinsame Standorte darstellt, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die derzeitige 2-Standortestruktur auch im Hinblick auf die Ausrückzeit bzw. das Erreichen der für ein erstes Ausrücken erforderlichen Funktionsstärke einem gemeinsamen Standort überlegen ist:
Die o. g. Darstellung auf Seite 53 des Gutachtens (Zusammenfassung der Darstellungen von S. 29 und 34 des Gutachtens) zeigt für die derzeitige 2-Standortestruktur auf, dass bei Alarmierung am Arbeitsort nach vier Minuten am Feuerwehrhaus … vier Angehörige der Ortsfeuerwehr …, am Feuerwehrhaus … vier Angehörige der Ortsfeuerwehr … eintreffen, insgesamt also acht Feuerwehrangehörige zur Verfügung stehen. Dagegen wären an einem gemeinsamen Standort … nach vier Minuten insgesamt lediglich sechs Feuerwehrangehörige vorhanden, an einem gemeinsamen Standort … wären es sogar nur vier Personen, wobei davon auszugehen ist, dass von diesen sechs bzw. vier Personen einige der Feuerwehr … und einige der Feuerwehr … angehören (insofern schlüsselt die Ausrückzeitsimulation nicht auf, welche der am gemeinsamen Standort nach einer bestimmten Zeit eingetroffenen Personen zur Ortsfeuerwehr … bzw. zur Ortsfeuerwehr … gehören).
Für den Bereich von fünf Minuten zeigt diese Darstellung auf, dass am Feuerwehrhaus … acht Angehörige der Ortsfeuerwehr …, am Feuerwehrhaus … neun Angehörige der Ortsfeuerwehr … eintreffen, insgesamt also siebzehn Feuerwehrangehörige zur Verfügung stehen. An einem gemeinsamen Standort … stünden dagegen nach fünf Minuten insgesamt lediglich neun Feuerwehrangehörige bereit, an einem gemeinsamen Standort … wären es zehn Personen.
Dementsprechend lautet auch die gutachterliche Bewertung der Darstellung auf Seite 53 des Gutachtens: „Auch hinsichtlich der Arbeitsorte ergeben sich höhere Werte bei 2 Standorten (4 Minuten: 8 Kräfte versus 3 bis 6 Kräfte; 5 Minuten: 17 Kräfte versus 9 bis 15 Kräfte).“
Noch deutlicher zeigt sich die Überlegenheit der bestehenden 2-Standortestruktur im Vergleich zu einem potentiellen gemeinsamen Standort, wenn man die Ausrückzeitsimulation ausgehend vom Wohnort der Feuerwehrangehörigen betrachtet, was auf Seite 52 des Gutachtens dargestellt wird. Hier lautet die (zusammenfassende) gutachterliche Bewertung: „Die Vorteile der derzeitigen Standortstruktur werden in der Gegenüberstellung der Aufsummierungen noch einmal deutlich. Im entscheidenden Bereich von 4 und 5 Minuten sind bei einer 2-Standorte-Struktur rund doppelt so viele Kräfte verfügbar (4 Minuten: 20 Kräfte versus 11 bis 13 Kräfte; 5 Minuten: 42 Kräfte versus 20 bis 32 Kräfte). Anders formuliert stehen an ungünstigeren Standorten in Summe weniger Kräfte zur Verfügung.“
b) Nicht mit der geltenden Rechtslage zu vereinbaren ist die auch in der mündlichen Verhandlung betonte Auffassung der Klägerseite, dass bei einem gemeinsamen Standort deswegen ein schnellerer erster Abmarsch möglich sein werde, weil davon auszugehen sei, dass im Falle eines Schadensereignisses immer beide Feuerwehren gleichzeitig alarmiert würden, so dass im Ergebnis an einem gemeinsamen Standort schneller eine größere Zahl Feuerwehrangehöriger zusammenkäme, und diese nach aller Lebenserfahrung auch dann (gemeinsam) ausrücken würden, wenn die einzelne Ortsfeuerwehr die ausreichende Einsatzstärke (zumindest Staffelstärke) noch nicht erreicht haben sollte.
Es gibt zwar keinen Bestandsschutz für den Standort von Feuerwehrgerätehäusern. Die Klägerseite verkennt aber, wie schon der Beklagte ausgeführt hat, dass auch bei einem gemeinsamen Feuerwehrgerätehaus immer noch zwei Ortsfeuerwehren existieren, für deren organisatorische Selbstständigkeit die Bestandsgarantie des Art. 5 Abs. 2 BayFwG gilt. Danach ist es unzulässig, die beiden Ortsfeuerwehren im Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit als eine einzige Feuerwehr mit einem gemeinsamen Standort anzusehen, also das Personal beider Ortsfeuerwehren z. B. insoweit gemeinsam einzusetzen, dass ein Fahrzeug durch Mitglieder beider Feuerwehren besetzt würde. Die Argumentation der Klägerseite wird hier augenscheinlich von der Erwartung (Hoffnung) getragen, dass der Vereinigung in einem gemeinsamen Feuerwehrgerätehaus auch ein freiwilliger Zusammenschluss der beiden Ortsfeuerwehren nachfolgen werde. Abgesehen davon, dass ein solcher freiwilliger Zusammenschluss weder im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Beanstandungsbescheids zu erwarten war und eine entsprechende Bereitschaft hierzu auch in der mündlichen Verhandlung nicht geltend gemacht wurde bzw. erkennbar war, wurde bereits unter a) aufgezeigt, dass an einem gemeinsamen Standort gerade kein Vorteil im Hinblick auf eine schneller erreichte Funktionsstärke für einen ersten Abmarsch zu erwarten ist.
4. Die Klägerin hat zwar unter Bezugnahme auf den Brandschutzbedarfsplan, insbesondere auf Kapitel 9, Ziffern 9.1.1 und 9.2.1 (Ist/Soll-Vergleich der Feuerwehren in …, Personal), zu Recht darauf hingewiesen, dass die Pflichtaufgabe Brandschutz bereits im Ist-Zustand, insbesondere im Falle der Alarmierung der Feuerwehrangehörigen am Arbeitsort, aufgrund mangelnder personeller Einsatzfähigkeit nur schlecht erfüllt wird (zu geringe Mannschaftsstärke im Tagesalarm bei der Feuerwehr …; zu geringer Ausbildungsstand bei der Feuerwehr …). Wie unter 3. dargelegt, würde diese mangelnde Einsatzfähigkeit aber durch die Reduzierung auf nur noch einen Ausrückbereich (gemeinsamer Feuerwehrstandort) weder verbessert noch gar behoben. Vielmehr hat die Klägerin die personellen Ursachen für eine mangelnde Einsatzfähigkeit mit den in Kapitel 10, Ziffer 10.2, genannten Maßnahmen (allgemeine Mitgliederwerbung, Fortbildungsmaßnahmen etc.) anzugehen.
5. Gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beanstandung spricht auch nicht der Vortrag der Klägerin, sie plane interkommunale Vereinbarungen, um die Versorgungslücken in den Randbereichen, die bereits heute bestehen und nicht erst durch einen gemeinsamen Feuerwehrstandort entstehen werden, abzudecken. Die Klägerin hat hierzu weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren, auch nicht in der mündlichen Verhandlung, substantiierte bzw. konkrete Ausführungen gemacht, aus denen erkennbar wäre, dass sie mit benachbarten Gemeinden (überhaupt) in entsprechenden Verhandlungen steht oder gar deren Abschluss in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Dementsprechend hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit, die Versorgungslücken über kommunale Zusammenarbeit zu schließen, erst dann berücksichtigt werden müsse, wenn sich diese hinreichend konkretisiert habe; andernfalls könne sich eine Gemeinde ihrer Aufgabenerfüllung immer mit dem Argument entziehen, dass ja eine interkommunale Zusammenarbeit (theoretisch) möglich sei. Der Auffassung der Klägerin, für eine rechtsaufsichtliche Beanstandung bestehe keine Veranlassung, solange das planerischen Brandschutzkonzept nicht gescheitert sei, kann daher mangels jeglicher Konkretisierung eines solchen Konzepts, nicht gefolgt werden.
6. Die Pflichtaufgaben „abwehrender Brandschutz“ und „technischer Hilfsdienst“ (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayFwG) sind den Gemeinden zwar nicht unbeschränkt zugewiesen, sondern nur im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Kommune zu erfüllen. Es sind hier aber keine Anhaltspunkte ersichtlich geworden, dass der erforderliche Neubau des Feuerwehrhauses … und die erforderliche Sanierung (oder Neubau) des Feuerwehrhauses … die Klägerin finanziell überfordern würden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid (S. 9/10), denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist, verwiesen.
7. Mit Blick auf die obigen Ausführungen ist daher festzustellen, dass die Entscheidung der Klägerin, beide Ortsfeuerwehren in einem gemeinsamen Gerätehaus unterzubringen, egal ob dieses am sehr zentral gelegenen Standort … oder einem anderen Standort errichtet würde, sich auf die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren nicht etwa neutral oder gar verbessernd auswirken, sondern ausschließlich zu einer Verschlechterung ihrer Leistungsfähigkeit führen würde. Denn das Ziel, den Einsatzort mit einem Erst- oder Basiseinsatz möglichst schnell, insbesondere innerhalb der 10-Minuten-Hilfsfrist zu erreichen, kann mit der bestehenden 2-Standorte-Struktur besser erfüllt werden als mit der von der Klägerin beabsichtigten Reduzierung auf einen Ausrückbereich, zumal die Unterbringung beider Feuerwehren an einem gemeinsamer Standort sogar dazu führen wird, dass wesentlich mehr grenznah gelegene Ortsteile und Straßenbereiche als bisher nicht einmal mehr theoretisch innerhalb der Hilfsfrist erreicht werden können, die Hilfsfrist also in diesen Bereichen immer überschritten werden wird. Anders als die Ursachen einer mangelnden Funktionsstärke oder bestimmter fehlender Ausbildungsfunktionen lassen sich die Folgen einer falschen Standortentscheidung aber nicht mehr korrigieren.
Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid (S. 8/9 sowie Anlagen 2 bis 5) dargelegt, dass bereits im Ist-Zustand (zwei Standorte) von beiden Feuerwehren nur ein weit unterdurchschnittlicher Zielerreichungsrad von bestenfalls 37,5% (Feuerwehr …) bzw. 25% (Feuerwehr …) erreicht wird (prozentualer Anteil der Einsätze, bei dem die Zielgrößen Hilfsfrist und Funktionsstärke eingehalten werden). Ausgehend von diesem jetzt schon sehr kritischen Zielerreichungsgrad, der durch eine Reduzierung auf nur einen Ausrückbereich noch weiter sinken würde, und unter Berücksichtigung, dass bei einem gemeinsamen Standort ein Erst- oder Basiseinsatz in etlichen grenznahen Gemeindegebieten innerhalb der Hilfsfrist überhaupt nicht mehr möglich sein wird, kann von einer nur unzweckmäßigen Entscheidung nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr ist von einer nicht mehr ausreichenden Aufgabenerfüllung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und 2 BayFwG auszugehen.
Der Beklagte hat daher die von Klägerin beschlossene Standortentscheidung zutreffend als rechtswidrig gewertet. Auch begegnet die Ermessensentscheidung für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten, nämlich den Gemeinderatsbeschluss zu beanstanden, seine Aufhebung zu fordern und gemäß Art. 113 GO die Ersatzvornahme anzukündigen, keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte hat seine Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid ausführlich und nachvollziehbar dargelegt.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung folgt § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 in Nr. 22.5 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn.14).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

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