Aktenzeichen Au 1 K 15.1486
AsylG AsylG § 55
Leitsatz
Wäre die Klage voraussichtlich erfolgreich gewesen, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der am … 1999 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger und reiste Anfang Juli 2014 als unbegleiteter Minderjähriger in die Bundesrepublik ein. Er wurde ab 14. Juli 2015 im Rahmen einer Inobhutnahme im …haus in … betreut. Am 7. August 2015 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag, über den noch nicht entschieden wurde. Am 18. August 2015 wurde er mit Wirkung zum 14. Juli 2015 bei der Meldebehörde der Beklagten angemeldet. Am gleichen Tag beantragte er bei der Ausländerbehörde der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltsgestattung.
Mit Schreiben vom 24. September 2015 teilte die Beklagte mit, dass es zur Begründung der ausländerrechtlichen Zuständigkeit einer Zuweisung des Klägers in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten bedürfe, die von der Regierung von … auszustellen sei. Solange eine solche nicht erfolgt sei, könne eine ausländerrechtliche Sachbearbeitung nicht erfolgen.
Am 8. Oktober 2015 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltsgestattung zu erteilen. Aufgrund der Besonderheiten des Asylverfahrens bei unbegleiteten Minderjährigen sei die Beklagte für die Ausstellung einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zuständig, auch wenn noch keine Zuweisungsentscheidung vorliege. Soweit gesetzlich keine anderweitige Regelung getroffen sei, sei in diesen Fällen die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Asylantragsteller tatsächlich aufhalte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie sei für die Ausstellung der Aufenthaltsgestattung nicht zuständig. Aus dem Umstand, dass der Kläger bei der Beklagten melderechtlich erfasst sei, folge keine ausländerrechtliche Zuständigkeit. Weil der Kläger nicht verpflichtet sei, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, könne er zwar geltend machen, dass nicht das Bundesamt für die Ausstellung der Aufenthaltsgestattung zuständig sei. Hieraus ergebe sich aber keine Zuständigkeit der Beklagten. Auch aus der Aufnahme in einer Jugendhilfeeinrichtung im Stadtgebiet der Beklagten folge keine Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Die entsprechende Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG sei mit der Änderung des Asylgesetzes zum 1.1.2015 weggefallen. Die Ausländerbehörde sei auch nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 2 AsylG zuständig, weil bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern keine räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung gelte. Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde entstehe allein durch die Zuweisungsentscheidung. Erst wenn diese erfolgt sei, könne durch die Beklagte die Erteilung der Aufenthaltsgestattung erfolgen. Eine gesetzliche Regelungslücke bestehe nicht.
Mit Bescheid der Regierung von … vom 15. Dezember 2015 wurde der Kläger ab 9. November 2015 der Beklagten zugewiesen. Mit Schreiben vom 13. Januar 2016 teilte der Vormund des Klägers dem Gericht mit, dass die Beklagte zwischenzeitlich dem Kläger eine Aufenthaltsgestattung erteilt habe und erklärte die Hauptsache für erledigt. Der mit Klageerhebung gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde zurückgenommen.
Die Beklagte stimmte am 19. Januar 2016 der Erledigung zu.
II.
Da die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klage voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre. Für die Erteilung der vom Kläger am 18. August 2015 beantragten Aufenthaltsgestattung war die Beklagte sachlich nach § 63 Abs. 3 Satz 2 AsylG und örtlich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen (ZustVAuslR) zuständig, auch wenn im Falle des Klägers zu diesem Zeitpunkt noch keine Zuweisungsentscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylG getroffen worden war.
1. Nach § 55 AsylG ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung zu erteilen. Dieses gesetzliche Aufenthaltsrecht (Hailbronner, Ausländerrecht (Stand Mai 2015), § 55 AsylG Rn. 2) entsteht zu dem Zeitpunkt, in dem ein förmlicher Asylantrag gestellt wurde. Am 7. August 2015 hat der Kläger beim Bundesamt Asyl beantragt. Dies wurde der Beklagten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Schreiben vom 10. September 2015 mitgeteilt. Ihm war somit ab 7. August 2015 eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG zu bescheinigen.
2. Die Beklagte wäre im vorliegenden Fall auch vor Ergehen der Zuweisungsentscheidung vom 15. Dezember 2015 für die Erteilung der Aufenthaltsgestattung zuständig gewesen.
a) Nach der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung in § 63 Abs. 3 AsylG stellt das Bundesamt die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG aus, solange ein Asylbewerber verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Im Übrigen ist die Ausländerbehörde zuständig, auf deren Bezirk die Aufenthaltsgestattung beschränkt ist (§ 63 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Im Regelfall schließt sich die Zuständigkeit der Ausländerbehörde nach § 63 Abs. 3 Satz 2 AsylG also zeitlich unmittelbar an die (Erst)Zuständigkeit des Bundesamtes an, weil Ausländer, die einen Asylantrag stellen, dem Grundsatz nach verpflichtet sind, bis zu drei Monaten in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 Abs. 1 AsylG). Nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 bis 50 AsylG ist es ihnen möglich, die Aufnahmeeinrichtung zu verlassen. Befinden sie sich noch im Asylverfahren, werden sie durch eine Entscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylG dem Bezirk einer Ausländerbehörde zugewiesen. In diesem Fall richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit unzweifelhaft nach § 63 Abs. 3 Satz 2 AsylG.
b) Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Ausländer nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen und auch keine räumliche Beschränkung aus andern Gründen besteht.
Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist die sachliche Zuständigkeit des Bundesamts auf den Zeitraum beschränkt, in dem der Ausländer verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Besteht eine solche Verpflichtung nicht oder nicht mehr, so scheidet eine Zuständigkeit des Bundesamtes nach § 63 Abs. 3 Satz 1 AsylG aus. Sachlich zuständig ist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 1. HS AsylG die Ausländerbehörde, die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus der räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung (§ 63 Abs. 3 Satz 2 2. HS AsylG). Fehlt eine räumliche Beschränkung, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den allgemeinen, in § 5 ZustVAuslR niedergelegten Grundsätzen über die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden. Danach ist die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer gewöhnlich aufhält (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ZustVAuslR), also die Beklagte. Wenn der Aufenthalt räumlich beschränkt ist oder eine Verpflichtung besteht, in einer vorher festgelegten Unterkunft zu wohnen, ist die Ausländerbehörde dieses Bezirks örtlich zuständig (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ZustVAuslR). Solange eine Zuständigkeit nach § 5 Abs. 1 ZustVAuslR nicht festgestellt werden kann, ist § 5 Abs. 2 ZustVAuslR anzuwenden. Einschlägig wäre im vorliegenden Fall § 5 Abs. 2 Nr. 3 ZustVAuslR, wonach die Kreisverwaltungsbehörde örtlich zuständig ist, in deren Bezirk sich erstmals die Notwendigkeit für eine ausländerrechtliche Maßnahme ergibt. Infolge der Antragstellung des Klägers auf Ausstellung der Aufenthaltsgestattung wäre das ebenfalls die Beklagte.
c) Diese Regelung ist im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Ausländerbehörde im Rahmen des Asylverfahrens auch sachgerecht. Nur Ausländer, die den Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben (§ 14 Abs. 1 AsylG), sind verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 Abs. 1 AsylG). Für sie ist die Außenstelle des Bundesamtes (örtlich) zuständig, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist und die im Regelfall in der Nähe dieser Einrichtung liegt. Der in § 14 Abs. 2 AsylG genannte Personenkreis, der den Asylantrag ggf. unter Einschaltung der Ausländerbehörde (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylG) bei der Zentrale des Bundesamtes einreichen muss, umfasst dagegen Personen, die typischerweise daran gehindert sind, sich zu einer Außenstelle des Bundesamtes zu begeben und dort einen Asylantrag zu stellen (s.a. Hailbronner, AusländerR, (September 2014), § 14 AsylG, Rn. 13). Es ist daher sachgerecht, dass für aufenthaltsrechtliche Angelegenheiten dieses Personenkreises die in der Regel nähergelegene Ausländerbehörde sachlich und örtlich zuständig ist.
d) Aus der Tatsache, dass durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtstellung von Asylsuchenden vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2349) § 56 Abs. 1 Satz 2 a. F. AsylVfG aufgehoben wurde, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bis zum Vorliegen einer förmlichen Zuweisungsentscheidung keine Zuständigkeit der Ausländerbehörde gegeben ist.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a. F. war in den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG a. F. (z. B. bei Aufenthalt in einer Jugendhilfeeinrichtung), die Aufenthaltsgestattung räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem sich der Ausländer aufhält. Grund für die Neufassung der Vorschrift war, dass eine räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung für Asylbewerber, für die bereits keine Wohnverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung besteht, nicht als zwingend erforderlich angesehen wurde (Hailbronner, Ausländerecht (Stand Mai 2015), § 56 AsylVfG, Rn. 3; BT-Drs. 18/3144, S. 14 zu Nr. 3). Dafür, dass mit dieser Gesetzesänderung eine Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit des Bundesamtes beabsichtigt war, bestehen keine Anhaltspunkte.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).