Aktenzeichen W 3 K 15.132
BGB BGB § 278
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 23
VO (EG) Nr. 1122/2009 Art. 72
Leitsatz
Mit der Verwendung des Begriffs “anzulasten” in Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 73/2009 wird in stärkerem Umfang als früher auf einen gegen den Betriebsinhaber zu erhebenden Schuldvorwurf verwiesen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Streitgegenstand sind die Bescheide des Beklagten vom 12. Dezember 2012 und vom 19. März 2013, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2015, soweit eine Kürzung der Betriebsprämie und der KULAP-Förderung in Höhe von mehr als insgesamt 3% vorgenommen wurde. Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung von 19% wegen Verstoßes gegen Vorschriften im Bereich Lebensmittelsicherheit und die Kürzung von 2% im Bereich Kennzeichnungspflichten. Die Kürzung von 1% im Bereich Tierische Gesundheit und Tierschutz greift der Kläger nicht an.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 12. Dezember 2012 und vom 19. März 2013, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Betriebsprämie bzw. eine höhere Förderung nach dem KULAP-Programm (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Kürzung der entsprechenden Subventionen um jeweils 24% ist zu Recht erfolgt. Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und der festgestellten Verstöße folgt das Gericht den zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2015 und sieht insoweit von einer Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Zu Recht hat der Beklagte die mehrmaligen Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene und die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs als vorsätzlichen Verstoß gewertet.
Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Gewährung der Betriebsprämie ist gem. Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 – nachfolgend: VO (EG) Nr. 73/2009 – an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (Cross-Compliance) geknüpft. Nach Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 73/2009 wird der Gesamtbetrag der Direktzahlungen gekürzt oder gestrichen, wenn diese grundlegenden Anforderungen in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt worden sind und dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem Betriebsinhaber anzulasten ist. Mit der Verwendung des Begriffs „anzulasten“ wird in stärkerem Umfang als früher, als von einer dem Betriebsinhaber unmittelbar zuzuschreibenden Handlung oder Unterlassung die Rede war, auf einen gegen den Betriebsinhaber zu erhebenden Schuldvorwurf verwiesen (vgl. VG Augsburg, U.v. 22.3.2011 – Au 3 K 10.1782 – juris). Dem Kläger als Betriebsinhaber ist auch das Verhalten von Hilfspersonen zuzurechnen (§ 278 BGB). Dem Kläger waren die Probleme mit den erhöhten Zellzahlen bekannt. Durch die Schlachtung mehrerer Kühe wurde das Problem nicht beseitigt. Bei den Vor-Ort-Kontrollen äußerte der Kläger gegenüber den Kontrolleuren mehrmals, dass sein Mitarbeiter in letzter Zeit nicht mehr zuverlässig sei (vgl. Aktenvermerk Bl. 84 Rs). Vom Veterinäramt wurde der Kläger wiederholt auf verschiedene Möglichkeiten der Abhilfe hingewiesen, insbesondere auch auf die Möglichkeit, bei jedem Tier vor dem Melken einen Schalmtest vorzunehmen. Mit der Vornahme eines Schalmtestes wäre sicher zu verhindern gewesen, dass Milch mit erhöhter Zellzahl in den Verkehr gelangt. Zwar hätte ein solcher Test eine Mehrarbeit verlangt, der finanzielle Aufwand hätte sich aber – vor allem in Relation zu den zu erwartenden finanziellen Verlusten bei einem Milchlieferungsverbot – in Grenzen gehalten. Wenn der Schalmtest durchgeführt worden wäre, hätte sich auch die vom Kläger behauptete Verwechslung von Kühen durch seinen Mitarbeiter A. bei der LKV- Kontrolle nicht ausgewirkt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, er habe seinen Mitarbeiter zwar angewiesen, dass dieser einen Schalmtest machen solle, der Mitarbeiter habe sich aber geweigert. Diese Weigerung des Mitarbeiters hat der Kläger offensichtlich widerspruchslos, also ohne Konsequenzen zu ziehen, hingenommen. Dies bedeutet, dass der Kläger „sehenden Auges“ in Kauf genommen hat, dass sich an dem Problem nichts ändert. Insbesondere wusste der Kläger, dass es nicht ausreicht, wenn er Kühe mit erhöhten Zellzahlen aus der Produktion nimmt, denn auch nach Schlachtung mehrerer Kühe hatte sich das Problem nicht erledigt (vgl. Aktenvermerk Bl. 84 Rs.). Deshalb wurden die wiederholten Verstöße gegen die einzuhaltenden Vorschriften vom zuständigen Veterinäramt zu Recht als vorsätzlicher Verstoß bewertet.
Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Eine Absicht, d.h. der zielgerichtete Wille, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, ist insoweit nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass der Erfolg durch wissentliches Handeln herbeigeführt wird („direkter Vorsatz“), oder dass der Täter den Taterfolg für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat – sog. „Eventualvorsatz“ – (Fischer, StGB und Nebengesetze, 57. A. 2014, § 15 Rn. 5, 9).
Die Kammer ist aufgrund des Verhaltens des Klägers (dokumentiert in der Behördenakte) und aufgrund seiner Einlassungen in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Kläger durch sein Verhalten in Kauf genommen hat, dass weiterhin Milch mit erhöhten Zellzahlen in den Verkehr gelangen kann, sich aber letztendlich damit abgefunden hatte. Dass der Kläger nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen nicht in der Lage war, seinen Mitarbeiter vernünftig anzuleiten bzw. keine Konsequenzen aus dessen Weigerung, den Schalmtest durchzuführen, gezogen hat, entlastet den Kläger nicht. Persönliche/familiäre Probleme stellen keineswegs eine Entschuldigung für Verstöße gegen die einzuhaltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher dienen, dar. Spätestens nach dem Warnschreiben des Landratsamtes Würzburg vom 21. August 2012 hätte der Kläger reagieren müssen. In diesem Schreiben waren dem Kläger die Konsequenzen künftiger Verstöße aufgezeigt worden. Dass er weiterhin das Verhalten seines Mitarbeiters hingenommen hat, ist ursächlich für die eingetretenen Verstöße gegen die lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Aufgrund des bisherigen Geschehensablaufes musste der Kläger mit den erhöhten Zellzahlen in der Milch rechnen und hätte tätig werden müssen.
Auch die Bewertung des Verstoßes gegen die Kennzeichnungspflicht mit 3% ist rechtmäßig, da es sich um einen Wiederholungsverstoß handelte.
Somit ist die Kürzung der Betriebsprämie und der KULAP-Förderung zu Recht in der vorgenommenen Höhe (24%) erfolgt. Deshalb konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.