Europarecht

Mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehrs

Aktenzeichen  B 1 E 16.755

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143632
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GüKG § 3 Abs. 2
VO (EG) 1071/2009 Art. 4, Art. 6 Abs.1

 

Leitsatz

1 Es spricht gegen die notwendige güterkraftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit, wenn es der Unternehmer trotz bereits vor Erteilung einer EU-Lizenz erfolgten erheblichen Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten in Kenntnis der Brisanz solcher Verstöße für das Fortbestehen des Unternehmens zu weiteren Verstößen hat kommen lässt.  (Rn. 23 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein zur Führung der Geschäfte eingesetzter Verkehrsleiter kann nur dann zuverlässig die ihm insoweit obliegenden Aufgaben erfüllen, wenn er eine ausreichende körperliche Präsenz im Betrieb aufweist, die es erlaubt, den Gang der Geschäfte wirklich zu überwachen und in der Hand zu halten. Er muss in der Regel während der Geschäftszeiten am Betriebssitz präsent sein, um über die dortigen Ereignisse im Bilde zu sein und den Betriebsablauf beeinflussen zu können. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie begehrt die Erteilung einer Gemeinschaftslizenz gem. Art. 4 der VO (EG) Nr. 1072/2009 für den gewerblichen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr.
Am 13. März 2014 beantragte die Antragstellerin, vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau …, eine Gemeinschaftslizenz nach Art. 4 VO (EG) Nr. 1072/2009 für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterverkehr. Das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Oberfranken meldete im Anhörungsverfahren Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Geschäftsführerin an u.a. wegen laufender Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen schwerster Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten gemäß VO (EG) Nr. 1071/2009. In einem Gespräch mit dem Bevollmächtigten der Antragstellerin wurde daher vereinbart, dass bis zum Ausgang des laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahrens, längstens für zwei Jahre, eine EU-Lizenz erteilt werde und der Antragstellerin die Gelegenheit gegeben werde, die Firma neu zu strukturieren, z.B. durch die Einstellung eines Verkehrsleiters oder die Bestellung eines neuen Geschäftsführers (vgl. Aktenvermerk vom 12. Juni 2016). Die EU-Lizenz wurde der Antragstellerin am 12. Juni 2014 für den Zeitraum vom 18. Juni 2014 bis 17. Juni 2016 erteilt.
Am 5. April 2016 stellte die Antragstellerin einen weiteren Antrag auf Erteilung einer EU-Lizenz. Mit Schreiben des Landratsamts … vom 24. Mai 2016 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass nach Auskunft des Gewerbeaufsichtsamts wieder verschiedene Bußgelder verhängt worden seien, darunter auch ein nach Anhang IV der VO (EG) Nr. 1071/2009 schwerster Verstoß (Bußgeldbescheid vom 1. Februar 2016 Az. 268U/2015-C, rechtskräftig seit 28. April 2016). Schwerste Verstöße führten in der Regel zur Aberkennung der persönlichen Zuverlässigkeit sowohl des Unternehmers bzw. Geschäftsführers als auch des Verkehrsleiters. Die Geschäftsführerin der Antragstellerin sei als nicht mehr zuverlässig einzustufen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer zu treffenden Maßnahme sei die Anstellung eines zuverlässigen Verkehrsleiters Bedingung. Mit weiterem Schreiben vom 8. Juni 2016 wies das Landratsamt … darauf hin, dass im Gewerbezentralregister für die Antragstellerin für das Jahr 2015 insgesamt 6 Verstöße, davon ein schwerster Verstoß und im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 15 rechtskräftige Entscheidungen wegen verschiedener Verstöße eingetragen seien. Der Antragstellerin werde die Möglichkeit gegeben, einen zuverlässigen Verkehrsleiter zu benennen. Eine EU-Lizenz befristet für 3 Monate werde nach Abschluss des Anhörungsverfahrens erteilt. Sollte nach Ablauf dieser 3 Monate kein zuverlässiger Verkehrsleiter benannt werden, könne eine weitere Verlängerung der EU-Lizenz nicht mehr in Aussicht gestellt werden.
Der Antragstellerin wurde daraufhin am 16. Juni 2016 eine Lizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr für den Zeitraum 18. Juni bis 17. September 2016 erteilt.
Am 29. August 2016 stellte die Antragstellerin einen weiteren Antrag (für 3 LKW). Die Antragstellerin benannte zuletzt (Schreiben vom 23. September 2016) Herrn R., …, als Verkehrsleiter und legte einen mit diesem geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag vor (Bl. 294 f. der Behördenakte).
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 31. Oktober 2016 ließ die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen und beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterverkehr samt zwei beglaubigten Abschriften zu erteilen, hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, über diesen Antrag der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Die Antragstellerin sei als absolut zuverlässig einzustufen. Die vom Antragsgegner angesprochenen Verstöße hätten ganz überwiegend vor der Erteilung der EU-Lizenz im Jahr 2014 gelegen und könnten nicht mehr zum Anlass genommen werden, ihre Zuverlässigkeit zu verneinen. Bei dem später liegenden Verstoß habe das Gericht die Geldbuße um 90% reduziert. Es sei absolut ermessensfehlerhaft, wenn das Landratsamt …im Jahr 2014 die Lizenz erteilt habe, danach aber nicht mehr, obwohl sich die Verstöße drastisch reduziert hätten und die Antragstellerin entsprechende Konsequenzen gezogen habe (wird ausgeführt). Nach langer und intensiver Suche habe die Antragstellerin einen äußerst kompetenten Verkehrsleiter gefunden, der selbst über eine EU-Lizenz verfüge und seit dem 1. Oktober 2016 im Wege eines Geschäftsbesorgungsvertrags für die Antragstellerin tätig sei. Beigefügt war u.a. eine „Abtretungserklärung“ der Frau … vom 23. September 2016, in der sie sämtliche Aufgaben eines Verkehrsleiters an Herrn R. abtritt. Er nehme eigenverantwortlich die tatsächliche und dauerhafte Leitung der Verkehrstätigkeit des Unternehmens wahr.
Mit Bescheid vom 8. November 2016 lehnte das Landratsamt … den Antrag vom 29. August 2016 auf Erteilung einer Gemeinschaftslizenz gem. VO (EG) Nr. 1072/2009 ab.
Die erforderliche Zuverlässigkeit des Verkehrsunternehmens sei nicht gegeben. Im Zeitraum vom 20. Mai 2015 bis 2. März 2016 seien weitere Verstöße, davon ein schwerster Verstoß wegen der Nichteinhaltung der Lenk- und Ruhezeiten erfolgt. Durch die auf 2 Jahre befristete EU-Lizenz habe man der Antragstellerin eine letzte Gelegenheit gegeben, ihre Zuverlässigkeit künftig unter Beweis zu stellen. Eine längere Erkrankungszeit der Geschäftsführerin (von 2014 bis 2016) sei nicht gemeldet worden. Frau … habe während dieser Zeit die geforderte dauerhafte Leitung des Unternehmens nicht erfüllen können, ein Vertreter sei nicht bestellt gewesen. Auch dies spreche gegen die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit. Das Bundesamt für Güterverkehr und das Gewerbeaufsichtsamt hätten in den eingeholten Stellungnahmen gegen die Zuverlässigkeit von Frau … äußerste Bedenken angeführt (wird weiter ausgeführt). Die Aberkennung der Zuverlässigkeit stelle keine unverhältnismäßige Reaktion dar, weil das Unternehmen bereits in 2014 als Unternehmen mit erhöhtem Risiko eingestuft worden sei. In dem auf zwei Jahre befristeten Zeitraum seien weitere Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten, darunter ein schwerster Verstoß, erfolgt. Der von der Antragstellerin benannte externe Verkehrsleiter Herr R. könne die geforderte dauerhafte und tatsächliche Leitung der Verkehrstätigkeit des Unternehmens bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 12 Stunden und einer Entfernung von ca. 300 km zwischen Wohnort und Betriebsstätte nicht leisten. Diese Bedenken hätte auch die IHK Oberfranken, das Gewerbeaufsichtsamt und der Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen e.V. geäußert.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 29. November 2016 Klage erhoben (Az. B 1 K 16.844).
Mit Schriftsatz vom 10. November 2016 beantragte das Landratsamt … für den Antragsgegner,
die Ablehnung des Antrags.
Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Wie dem zwischenzeitlich erlassenen Bescheid vom 8. November 2016 zu entnehmen sei, könne keinesfalls von der erforderlichen Zuverlässigkeit der Antragstellerin ausgegangen werden. Seit 2007 lägen insgesamt 26 Eintragungen im Gewerbezentralregister vor, allein in 2016 seien 8 Entscheidungen erfolgt, ausschließlich wegen Nichteinhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sowie Zuwiderhandlungen gegen die Fahrpersonalverordnung und das Fahrpersonalgesetz.
Auch ein Anordnungsgrund bestehe nicht. Der Antragstellerin sei mehrfach Gelegenheit gegeben worden, sich künftig gesetzestreu zu verhalten. Sie habe auch jetzt noch die Möglichkeit, die wirtschaftliche Existenz durch die Bestellung eines zuverlässigen Verkehrsleiters zu sichern und diesem die tatsächliche und dauerhafte Leitung der Verkehrstätigkeit des Unternehmens zu übertragen (wird näher ausgeführt).
Darauf entgegnete die Antragstellerin, dass Herr R. die eigenverantwortliche und dauerhafte Tätigkeit als Verkehrsleiter und die Leitung der Verkehrstätigkeit ausübe. Ob er es auf sich nehme, täglich von … nach … und zurück zu fahren, oder ob er in … übernachte, sei ihm überlassen. Die im Vertrag genannten 12 Wochenstunden könnten bei Bedarf nach oben angepasst werden, wenngleich zu berücksichtigen sei, dass die Antragstellerin nur einen kleinen Betrieb mit drei LKW führe. Ein Fahrer arbeite nur Teilzeit. Wie Herr R. seine Tätigkeit für die Antragstellerin mit seinem eigenen Betrieb koordiniere, sei ihm selbst überlassen. Herr R. betreibe einen Auto- und Baumaschinenhandel und kooperiere mit einer Firma in …, weshalb er eigenen Angaben zufolge mindestens 10 Mal im Monat in … sei. Daher könne er mehrfach im Monat/in der Woche im Unternehmen der Antragstellerin vor Ort sein. Derzeit habe die Antragstellerin nur zwei angemeldete Fahrzeuge. Bei den Verstößen handele es sich um Altlasten. Die Antragstellerin habe den Fahrer, der die Verstöße überwiegend verursacht habe, entlassen. Sofern das Landratsamt … meine, die Antragstellerin müsse sich bewähren, könne eine weitere befristete Lizenz ausgestellt werden.
Darauf entgegnete das Landratsamt …, dass der Bescheid vom 9. November 2016 darauf gründe, dass die Antragstellerin als Geschäftsführerin der GmbH und als Verkehrsleiterin unzuverlässig sei und dass Herr R. als Verkehrsleiter nicht akzeptiert werden könne. Herr R. biete auf seiner Homepage zudem an, als Verkehrsleiter für eine Vielzahl von Unternehmen, bevorzugt im Raum Leipzig, Berlin und Magdeburg, aufzutreten. Der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin müsse entnommen werden, dass derzeit der Betrieb der …*ohne gültige EU-Lizenz weiter betrieben werde, was für sich genommen eine Ordnungswidrigkeit darstelle, unabhängig davon, dass kein zuverlässiger Geschäftsführer/Verkehrsleiter bestellt sei. Die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin stehe fest. Sie dürfe derzeit noch Fahrzeuge bis 3,5 t betreiben. Die allgemeine gewerbliche Zuverlässigkeit werde überprüft.
Dem entgegnete der Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass aus dem Schriftwechsel nicht entnommen werden könne, dass die EU-Lizenz wegen der persönlichen Unzuverlässigkeit der Geschäftsführerin versagt werde. Vielmehr habe man der Antragstellerin mitgeteilt, dass die Lizenz bei Bestellung eines zuverlässigen Verkehrsleiters erteilt werde. Die Vorwürfe gegen die Geschäftsführerin lägen allesamt in der Vergangenheit. Zum jetzigen Zeitpunkt sei sie als zuverlässig zu beurteilen. Durch die lange Verfahrensdauer stehe die Existenz der Antragstellerin auf dem Spiel.
Es werde hilfsweise beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin im Weg der einstweiligen Anordnung eine Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr samt zwei beglaubigten Abschriften befristet auf mindestens sechs Monate zu erteilen.
Mit Schreiben vom 13. März 2017 übermittelte das Landratsamt … eine Kurzmitteilung der Polizeistation … vom 10. März 2017. Bei einer Polizeikontrolle sei die Fahrt eines LKW der Antragstellerin wegen fehlenden Versicherungsschutzes und der abgelaufenen EU-Lizenz unterbunden worden. Durch diesen Vorfall werde die Unzuverlässigkeit der Geschäftsführerin als auch des benannten Verkehrsleiters untermauert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dies jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke, VwGO, § 123, Rn. 13 f. m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben bleibt der Antrag ohne Erfolg, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass sie eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, die hieran zu stellenden Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst Bezug auf den Bescheid des Antragsgegners vom 8. November 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist zum weiteren Vorbringen im laufenden Verfahren Folgendes auszuführen:
Nach § 3 Abs. 1 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) ist der gewerbliche Güterkraftverkehr erlaubnispflichtig, soweit sich nicht aus dem unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht etwas anderes ergibt. Die Erlaubnis wird einem Unternehmer, dessen Unternehmen den Sitz im Inland hat, erteilt, wenn er u.a. die in Art. 3 Absatz 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 vom 21. Oktober 2009 genannte Voraussetzung der Zuverlässigkeit erfüllt. Welche Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen sind, ergibt sich wiederum aus Art. 6 der genannten Verordnung. Bei der Entscheidung, ob ein Unternehmen das Zuverlässigkeitskriterium erfüllt, sind das Verhalten des Unternehmens, seines Verkehrsleiters und ggf. anderer maßgeblicher Personen zu berücksichtigen. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) i) der VO (EG) 1071/2009 darf gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen in keinem Mitgliedstaat ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion verhängt worden sein wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere im Bereich Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, Arbeitszeit, etc.
Es trifft zwar zu, dass eine Reihe der Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten, darunter auch sog. schwerste Verstöße, bereits vor Erteilung der ersten EU-Lizenz am 18. Juni 2014 erfolgt sind. Dies kann die Antragstellerin aber nicht entlasten, da sie dies offensichtlich zugelassen hat bzw. nicht dagegen eingeschritten ist und es in der Folgezeit zu weiteren Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten kam, darunter wieder ein schwerster Verstoß nach Anhang IV Nr. 1 b der VO (EG) Nr. 1701/2009. Insbesondere wurde ausweislich des Aktenvermerks des Antragsgegners vom 12. Juni 2014 dem Bevollmächtigten der Antragstellerin in einem Gespräch am 5. Juni 2014 deutlich gemacht, dass bei weiteren schwersten Verstößen der Entzug der EU-Lizenz wegen Unzuverlässigkeit im Raum stehe. Die Erteilung der Lizenz auf zunächst längstens zwei Jahre sollte auch dazu dienen, das Unternehmen umzustrukturieren, was offensichtlich nicht erfolgte. Vielmehr kam es auch in 2015 zu Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten.
Nach den dem Gericht zuletzt übermittelten Unterlagen des Gewerbeaufsichtsamtes bei der Regierung von Oberfranken vom 25. Januar 2017 wurde gegen die Antragstellerin mit Bußgeldbescheid vom 1. Februar 2016 (Verfahren 268U/2015-C) eine Geldbuße wegen insgesamt vier Verstößen in Höhe von 706,39 EUR verhängt, wobei es sich hierbei um einen sog. schwersten Verstoß nach Art. 6 Abs. 2 lit. a der VO (EG) Nr. 1701/2009 handelte wegen Verstoßes gegen die Lenk- und Ruhezeiten im Februar bzw. März 2015 durch den Fahrer R. der Antragstellerin (vgl. Bl. 81 ff der Gerichtsakte). Dem Bußgeldverfahren 777U/2015-C ist zu entnehmen, dass gegen die Antragstellerin wegen weiterer Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten im Juli 2015 durch den Fahrer R. eine Geldbuße verhängt worden ist. Im Verfahren 1043U/2015 hat das Gewerbeaufsichtsamt für den Zeitraum Oktober und November 2015 weitere Bußgelder verhängt (vgl. Bl. 95 ff. der Gerichtsakte).
Soweit der Bevollmächtigte vorträgt, dass eine Reihe der verhängten Geldbußen im gerichtlichen Verfahren erheblich abgesenkt worden seien, ist dem entgegenzuhalten, dass dies der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin geschuldet war, der Tatvorwurf bzw. das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Verstöße war hiervon nicht betroffen.
Schließlich kann im Rahmen der Zuverlässigkeitsprognose auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Geschäftsführerin in den Bußgeldverfahren zur Entschuldigung für eine Reihe von Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten vorgetragen hat, dass sie seit Januar 2013 wegen einer schweren Erkrankung nicht im Unternehmen anwesend gewesen sei und ihre Aufgabe als Geschäftsführerin deshalb nicht habe wahrnehmen können. Man habe eine Vertretung eingesetzt, auch zur Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten. Wer dies gewesen ist, wurde weder im Bußgeldverfahren gegenüber dem Gewerbeaufsichtsamt noch zeitnah dem Antragsgegner mitgeteilt. Nach den Ausführungen der Antragstellerin (Schriftsatz 13. Juni 2016, Bl. 111 der Behördenakte) habe die schwere Erkrankung zu einer erheblichen Gesundheitseinschränkung geführt, allein in 2015 habe sich Frau … vier Operationen unterziehen müssen. Nunmehr (2016) liege wieder uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit vor. Dem Antragsgegner als Genehmigungsbehörde nach dem GüKG war diese Tatsache, die im Hinblick auf Art. 4 der VO (EG) Nr. 1071/2009 (Bestellung eines Verkehrsleiters) Auswirkungen hat, nicht mitgeteilt worden. Damit stand offensichtlich während dieses langen Zeitraums kein gegenüber dem Landratsamt benannter Verkehrsleiter zur Verfügung, der die Voraussetzungen des Art. 4 der VO (EG) Nr. 1071/2009 erfüllt hätte. Zudem hätte es der Geschäftsführerin von sich aus oblegen, dem Landratsamt Mitteilung zu machen und eine Vertretung mit der notwendigen Qualifikation zu benennen.
Gegen die Zuverlässigkeit der Geschäftsführerin der Antragstellerin spricht nicht zuletzt, dass sie es in Anbetracht der bereits vor Erteilung der EU-Lizenz erfolgten erheblichen Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten in Kenntnis der Brisanz solcher Verstöße für das Fortbestehen des Unternehmens (vgl. Gespräch mit dem Bevollmächtigten am 5. Juni 2014) zu weiteren Verstößen hat kommen lassen. Von dem Fahrer, auf den die weit überwiegende Zahl der Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten entfallen sind, hat sich die Antragstellerin erst nach drei Abmahnungen (18.08.2014, 05.02.2015, 20.02.2016) im Jahre 2016 getrennt. In einer Stellungnahme gegenüber dem Gewerbeaufsichtsamt hat dieser Fahrer angegeben, dass er selbst entscheide, wie und wann er fahre oder schlafe. Damit hat es die Antragstellerin in der Vergangenheit offensichtlich sehenden Auges im Kauf genommen, dass es zu weiteren Verstößen gekommen ist.
Schließlich sprechen auch die im Verfahren nach § 3 Abs. 5a GüKG eingeholten negativen Stellungnahmen der Fachbehörden und sonstigen Stellen (Industrie- und Handelskammer vom 30. September 2016, Gewerbeaufsichtsamt vom 21. Oktober 2016, Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen vom 30. September 2016) gegen einer weitere Erteilung einer EU-Lizenz.
Für die Konstellation, dass einem Unternehmen oder einem Verkehrsleiter die Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften untersagt werden kann, bestimmt § 3 Abs. 5a GüKG, dass auf Antrag dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter die Führung von Güterkraftverkehrsgeschäften wieder zu gestatten ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Satzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Bestandskraft der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.
Zwar ist im vorliegenden Fall diese Konstellation wegen des Ablaufs der zuletzt erteilten Lizenz zum 17. September 2016 nicht gegeben, d.h. es liegt derzeit keine gültige Lizenz vor, die zu widerrufen wäre. Jedoch könnte sich aus dem Rechtsgedanken des § 3 Abs. 5a GüKG ergeben, dass unter bestimmten Umständen bei in der Vergangenheit liegenden Verstößen eine Lizenzerteilung möglich sein könnte. Gerade dies kann aber derzeit im Fall der Antragstellerin nicht angenommen werden. Wie das Landratsamt zuletzt mitgeteilt hat, betreibt die Antragstellerin trotz fehlender Lizenz weiter einen an sich genehmigungspflichtigen Güterkraftverkehr, zudem wurde ein LKW ohne gültigen Versicherungsschutz betrieben.
Aus dem gesamten Verhalten der Geschäftsführerin der Antragstellerin über die letzten Jahre hinweg muss daher geschlossen werden, dass ihr die Brisanz der Lage für die Existenz des Unternehmen nicht bewusst war bzw. ist, sie die Einhaltung der Rechtsvorschriften als nicht notwendig erachtet und es ihr an der nötigen Rechtstreue mangelt. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie trotz Ablaufs der Lizenz weiter unerlaubten Güterkraftverkehr durchführen hat lassen. Eine positive Zuverlässigkeitsprognose bereits im Eilverfahren schließt dies aus. Angesichts der Gefahren, die mit der Teilnahme am Straßenverkehr durch übermüdete LKW-Fahrer verbunden sind, kann das Risiko, dass es erneut zu schwerwiegenden Verstößen kommt, im Interesse der Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer nicht hingenommen werden.
Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin darauf verweist, der Antragsgegner habe im Schreiben vom 24. Mai 2016 signalisiert, dass eine Verlängerung der Lizenz erteilt werde, wenn ein zuverlässiger Verkehrsleiter angestellt werde, führt dies im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht dazu, der Antragstellerin zu der begehrten Lizenz, auch nicht auf eine befristete Zeit, zu verhelfen. Daraus zu schließen, es käme einzig und allein auf die Person des Verkehrsleiters an, ist dem Schreiben indes nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Antragsgegner ausgeführt, man gehe von der Unzuverlässigkeit der Frau … aus und prüfe nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, ob durch die Bestellung eines zuverlässigen Verkehrsleiters die Bedenken ausgeräumt werden könnten.
Das Gericht teilt die Bedenken des Antragsgegners, dass bereits durch die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen nachgewiesen sei, Herr R. könne tatsächlich zuverlässig die ihm als Verkehrsleiter obliegenden Aufgaben erfüllen.
Den Begriff des Verkehrsleiters definieren Art. 2 Nr. 5 i. V. m. Art. Art. 4 Abs. 1 lit. a der VO (EG) Nr. 1071/2009 dahingehend, es sich dabei um eine von einem Unternehmen beschäftigte natürliche Person oder, falls es sich bei diesem Unternehmen um eine natürliche Person handelt, diese Person selbst oder gegebenenfalls eine von diesem Unternehmen vertraglich beauftragte andere natürliche Person handeln muss, die tatsächlich und dauerhaft die Verkehrstätigkeiten dieses Unternehmens leitet. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass es in Anlehnung an die Leitung eines Gewerbebetriebs nach § 35 GewO notwendig ist, dass die zur Führung der Verkehrsgeschäfte bestellte Person eine ausreichende körperliche Präsenz im Betrieb aufweist, die es erlaubt, den Gang der Geschäfte wirklich zu überwachen und in der Hand zu halten. Jemand, der ein Unternehmen wirklich leiten will, muss in der Regel während der Geschäftszeiten am Betriebssitz präsent sein, um über die dortigen Ereignisse im Bilde zu sein und den Betriebsablauf beeinflussen zu können (VG Oldenburg, U.v. 15.07.2008 -, VG München, B.v. 21.01.2015 – M 23 K 13.2441 -, VG Berlin, B.v. 07.01.2016 – 11 L 492.15 -). Dass die Anwesenheit des Verkehrsleiters vor Ort erforderlich ist, ergibt sich im Übrigen auch aus der Aufgabenbeschreibung dieser Tätigkeit in Art. 4 Abs. 2 lit. b und Art. 6 Abs. 1 lit. b der VO (EG) Nr. 1071/2009. Zu den Aufgaben gehören insbesondere das Instandhaltungsmanagement für die Fahrzeuge, die Prüfung der Beförderungsverträge und -dokumente, die grundlegende Rechnungsführung, die Zuweisung der Ladung oder die Fahrdienste an die Fahrer und Fahrzeuge, die Prüfung des Sicherheitsverfahrens sowie des Weiteren die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, die Arbeitszeiten, der Einbau und die Nutzung der Kontrollgeräte, das höchstzulässige Gewicht und die Abmessungen der Nutzfahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr, die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer, die Verkehrstüchtigkeit der Nutzfahrzeuge einschließlich der vorgeschriebenen technischen Überwachung der Kraftfahrzeuge, der Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrs, der Einbau und die Benutzung von Geschwindigkeitsbegrenzern in bestimmten Fahrzeugklassen sowie die Führerscheine. Zwar sind die Anforderungen an eine tatsächliche und dauerhafte Leitung der Verkehrstätigkeit immer in Bezug auf die konkrete Unternehmensstruktur zu prüfen, so dass hier mit in den Blick zu nehmen ist, dass es sich beim Unternehmen der Antragstellerin um eine sehr überschaubare Größe mit nur einigen LKW handelt. Dennoch erscheint es durchaus zweifelhaft, ob eine derart umfassende Tätigkeit und damit auch die Notwendigkeit der Präsenz vor Ort kompatibel ist mit dem 300 km entfernten Wohnort des Herrn R. und darüber hinaus auch mit dessen Tätigkeit in … vor Ort (Auto- und Baumaschinenhandel). Zudem bewirbt er seine Tätigkeit als externer Verkehrsleiter selbst für den Raum Leipzig/Berlin/Magdeburg.
Es kann der Antragstellerin auch nicht egal sein bzw. die Antragstellerin kann ihre grundsätzliche Verantwortung für den Betrieb nicht dadurch abwälzen, dass sie in einem Geschäftsbesorgungsvertrag die zu übernehmenden Aufgaben festschreibt, sich aber kein konkretes Bild davon macht, ob der von ihr bestellte Verkehrsleiter seine Tätigkeit tatsächlich so organisieren kann, dass er den an ihn gestellten Anforderungen auch gerecht werden kann. Zwar trägt er die volle Verantwortung für die von ihm erwarteten Tätigkeiten, jedoch erscheint es problematisch, allein durch die Vorlage eines Vertrags ohne Darlegung eines konkreten Konzepts zu meinen, die notwendigen Voraussetzungen erfüllt zu haben. Ob ein externer Verkehrsleiter in der Lage ist, im konkreten Fall die ihm obliegenden Aufgaben auch tatsächlich zu erfüllen und vor Ort zu sein, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab (Anzahl der LKW, Art des Transportgeschäfts, welche Zielorte werden angefahren, wie lange dauern die Fahrten, d.h. in welchen zeitlichen Abständen sind die LKW wieder vor Ort, etc.).
Schließlich zeigt auch der Verstoß vom 9. März 2017, dass durchaus begründete Zweifel daran bestehen, dass Herr R. seinen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen kann, wenn er ein Fahrzeug ohne Versicherungsschutz zum Einsatz kommen lässt.
Bei dieser Sachlage gebietet es auch die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 GG nicht, wegen unzumutbarer Nachteile den Antragsgegner zu verpflichten, einstweilen die begehrte Lizenz zu erteilen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die von der Antragstellerseite geltend gemachte Dringlichkeit zwar bestehen mag – obwohl die Antragstellerin derzeit noch mit nicht unter die Genehmigungspflicht fallenden Fahrzeugen Transporte ausführen darf und sie zudem laut Internet-Eintrag eine Waschanlage betreibt – diese aber nach Sachlage von ihr selbst maßgeblich verursacht worden ist.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 47.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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