Europarecht

Mangelndes Ausweisungsinteresse bei einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat

Aktenzeichen  M 27 S 19.292

Datum:
28.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4002
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1, § 38a, § 95 Abs. 1 Nr. 2
SDÜ Art. 21
RL 2003/109/EG Art. 8, Art. 14, Art. 15
StGB § 16, § 17

 

Leitsatz

1. Bei der Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 38a AufenthG für einen Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, sind die allgemeinen Grundsätze, insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wonach kein Ausweisungsinteresse vorliegen darf, zu beachten (so auch BayVGH BeckRS 2012, 60052). (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Höchstrichterlich ist bereits geklärt, dass die Fehlvorstellung des Täters, die ihm vorliegende Erlaubnis gestatte einen Aufenthalt, als Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB zu behandeln ist, welcher den Vorsatz als notwendiges subjektives Tatbestandmerkmal des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausschließt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 18. Januar 2019 wird hinsichtlich der Ziffern 2, 3, 4 und 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019 angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Verfahrenskosten tragen die Antragstellerin ⅓ und die Antragsgegnerin ⅔.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Streitgegenständlich ist ein Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019, mit dem ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG abgelehnt und die Antragstellerin unter Fristsetzung und Androhung der Abschiebung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert wurde.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine im Jahre 1965 geborene, armenische Staatsangehörige, die im Besitz eines langfristigen griechischen Aufenthaltstitels (Daueraufenthalt … vom 18.8.2017, Bl. … d. Behördenakte (BA)) ist. Der Aufenthaltstitel weist eine Gültigkeit bis zum 17. August 2022 aus (Bl. … BA). Sie reiste spätestens am … 2018 von Griechenland aus in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und hat sich unter diesem Datum im Bürgerbüro der Antragsgegnerin gemeldet (Bl. … BA). Auf den … 2018 datiert eine Meldebescheinigung zur Sozialversicherung (Bl. … BA). Die Antragstellerin ist darüber hinaus seit Januar 2018 bei der … krankenversichert (Bl. … BA). Zum 9. Oktober 2018 zeigte die Antragstellerin eine Änderung in der Meldeanschrift an (Bl. … BA). Eine Vorstellung bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin erfolgte nicht.
Am 3. Januar 2019 sprach die Antragstellerin an einem „Servicepoint“ der Antragsgegnerin vor, um sich bezüglich eines Integrationskurses zu informieren. Dabei stellte sich gegenüber der Behörde heraus, dass weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis auf den Namen der Antragstellerin ausgestellt worden sind. Unter den von der Antragstellerin an dem Tag mitgeführten Unterlagen befanden sich die beiden Meldebestätigungen sowie Gehaltsabrechnungen, ausweislich derer sie zunächst von Januar 2018 bis Juni 2018 in … beschäftigt war. Der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung vom … 2018 (Bl. … BA) weist eine Brutto-Vergütung von insgesamt EUR 2.817,50 für den Zeitraum zwischen dem 19. Januar und dem 18. Juni 2018 aus. Ausweislich eines ebenso mitgeführten Arbeitsvertrages, datierend auf den … … 2018, ist die Antragstellerin seit dem … 2018 unbefristet und in vollzeitiger Anstellung bei einem Unternehmen in M. beschäftigt und verdient hierbei EUR 2.460,00 brutto monatlich (Bl. … ff. BA).
In diesem Zusammenhang wurde der Antragstellerin am 3. Januar 2019 eröffnet, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, sie auszuweisen und eine Strafanzeige wegen illegalen Aufenthalts und illegaler Beschäftigung zu stellen, weil ein Aufenthalt und eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland nur mit einem entsprechenden Aufenthaltstitel umgesetzt werden könne. Der Antragstellerin wurde hierbei noch an demselben Tag ein Schreiben übergeben (Bl. .. BA), wonach sie sich illegal im Bundesgebiet aufhalte und illegal beschäftigt sei. In dem Schreiben wurde die Antragstellerin darüber informiert, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, sie auszuweisen und zur Ausreise aufzufordern. Mit der Ausweisung sei darüber hinaus ein Wiedereinreiseverbot verbunden. Die Antragstellerin erhielt dabei Gelegenheit, sich schriftlich bis zum 7. Januar 2019 zu äußern (Bl. … BA). Darüber hinaus wurde, ebenso datierend auf den 3. Januar 2019, eine Grenzübertrittsbescheinigung (Bl. … BA) auf den Namen der Antragstellerin ausgestellt, in der eine Frist zur Ausreise bis zum 8. Januar 2019 festgesetzt worden ist. Der Reisepass wurde sogleich einbehalten (Bl. … BA) und eine zwischenzeitliche Erwerbstätigkeit untersagt (Bl. … BA).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Januar 2019 bestellte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin und äußerte sich zu dem Vorgang am 3. Januar 2019 (Bl. … BA). Er wies in dem Schreiben unter anderem darauf hin, dass die Antragstellerin stets in gutem Glauben gehandelt habe und davon ausgegangen sei, die notwendigen Anträge gestellt zu haben. Die Maßnahmen der Antragsgegnerin würden in dem vorliegenden Fall gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen und eine besondere Härte darstellen. Insofern beantragte er in dem Schreiben sowohl die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als auch eine Arbeitserlaubnis für die Antragstellerin. Hilfsweise wurde zur Abwendung der Vollziehung von aufenthaltsbeenden Maßnahmen eine Duldung beantragt. Darüber hinaus wurde für den Fall einer abschlägigen Entscheidung beantragt, bei gleichzeitiger freiwilliger Ausreise innerhalb einer angemessenen verlängerten Frist kein Wiedereinreiseverbot zu verhängen bzw. die Wiedereinreisefrist auf „0“ zu setzen.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2018 (Bl. … BA), der Antragstellerin an demselben Tage im Beisein ihres Bevollmächtigten persönlich übergeben (Bl. 69 BA), ordnete die Antragsgegnerin an, dass die Antragstellerin aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wird (Ziff. 1), die Wiedereinreise für die Dauer von 3 Jahren untersagt ist, wobei die Frist mit der Ausreise beginnt (Ziff. 2). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 6. Januar 2019 werde abgelehnt (Ziff. 3). Unter Fristsetzung bis zum 8. Januar 2019 wurde die Antragstellerin aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen (Ziff. 4) und in diesem Zusammenhang die Abschiebung nach Griechenland angedroht, sofern die Antragstellerin das Bundesgebiet nicht fristgerecht verlassen sollte (Ziff. 5).
Zur Begründung führt die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus: Die Antragstellerin habe sich bis zu der Vorsprache am 3. Januar 2019 nicht in der Ausländerbehörde gemeldet, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen sei. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass es ihr als ausländischer Bürgerin obliege, sich selbstständig vor einer Einreise und gegebenenfalls einer Arbeitsaufnahme in einem anderen Land über die dort geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu informieren, entsprechende Anträge fristgerecht zu stellen sowie die erforderlichen Angaben zu machen. Die Straffälligkeit, der illegale Aufenthalt und die unerlaubte Beschäftigung würden die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Im Rahmen einer Abwägung der privaten Interessen der Antragstellerin für einen Verbleib im Bundesgebiet gegen das öffentliche Interesse an ihrer Ausreise überwiege im Ergebnis das öffentliche Interesse an der Ausreise. Das Ausweisungsinteresse wiege bei der Antragstellerin schwer, da sie nicht nur einen vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen, sondern die Tatbestandsvoraussetzungen des illegalen Aufenthalts verwirklicht habe. Die Antragstellerin besitze kein gesteigertes Bleibeinteresse. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Antragstellerin die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften in Deutschland so massiv umgehe. Vielmehr hätte sich die Antragstellerin als erwachsene Person vor ihrer Ausreise aus Griechenland der Verantwortung bewusst sein müssen, die aufenthaltsrechtlichen Bedingungen für einen geplanten längerfristigen Aufenthalt in Deutschland vorher abzuklären und die entsprechenden Genehmigungen einzuholen. Sie habe sich durch ihren unerlaubten Aufenthalt und die unerlaubte Beschäftigung gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht und ihr Verhalten sei sowohl ausländerrechtlich als auch strafrechtlich von erheblichem Gewicht. Durch ihren illegalen Aufenthalt, dessen sich die Antragstellerin zwar nicht bewusst gewesen sei, den sie aber aufgrund der aufgezeigten Tatsachen hätte erkennen müssen, habe sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet erheblich beeinträchtigt. Das bisherige Verhalten lasse die Vermutung zu, dass die Antragstellerin auch künftig erneut gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen werde, indem sie sich auf Aussagen Dritter verlassen und so nachlässig wie in diesem Fall mit der Erledigung wichtiger Handlungen, deren Unterlassung noch dazu strafrechtlich bewehrt sei, umgehen werde. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 6. Januar 2018 sei insofern abzulehnen gewesen. Ein Aufenthaltstitel werde in der Regel nicht erteilt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliege. Dieser Tatbestand sei bei der Antragstellerin erfüllt. Diese sei insofern vollziehbar ausreisepflichtig.
Die Antragstellerin, die am 18. Januar 2019 (M 27 K 19.284) beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2019 mit dem wesentlichen Ziel erhoben hat, den Bescheid aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu erteilen, stellte an demselben Tag und mit demselben Schriftsatz einen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Darin beantragt die Antragstellerin sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und wiederherzustellen.
Darüber hinaus beantragt die Antragstellerin die Außervollzugsetzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen anzuordnen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, für die Dauer des Verfahrens der Antragstellerin eine Duldung zu erteilen.
Zur Begründung trägt der Bevollmächtigte der Antragstellerin vor, dass sie bereits seit 27 Jahren in Griechenland lebe. Die Einreise am … 2018 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und die daran anschließende Meldung bei der Antragsgegnerin sei in der Annahme geschehen, dass dies für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ausreichen würde. Die griechischen Behörden hätten der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie mit dem Titel einer langfristig Aufenthaltsberechtigten nach Deutschland einreisen und dort arbeiten dürfe. Während des Aufenthaltes im Bundesgebiet seit dem … 2018 habe die Antragstellerin am 16. Juli 2018 Arbeit gefunden, diese Beschäftigung ordnungsgemäß angemeldet und Sozialbeiträge in diesem Zusammenhang entrichtet. Darüber hinaus habe sie eine Steuernummer bei dem zuständigen Finanzamt beantragt, widerspruchslos erhalten und sich stets während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland sowohl gesetzestreu als auch straffrei verhalten. In Unkenntnis von weiteren Umständen und weil die Antragstellerin der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sei sie in gutem Glauben davon ausgegangen, dass diese Handlungen für die Berechtigung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis im EU-Gebiet ausreichend seien. Die Antragstellerin hätte zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, sich in … illegal aufzuhalten. Sie sei stets in der Annahme gewesen, dass die lange Aufenthaltsberechtigung in einem EU-Staat, wie vorliegend Griechenland, für die Fortsetzung des legalen Aufenthaltes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, also in einem anderen EU-Staat, ausreichen würde und übertragbar sei. Dieses Rechtsverständnis sei auch durch vermeintliche Versäumnisse der Ausländerbehörde und der gesetzlichen Krankenkasse bzw. des Sozialversicherungsträgers bekräftigt worden, da die Antragstellerin in keiner Begegnung mit diesen Behörden je über die Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis informiert worden sei. Zwar sei es die Pflicht eines Ausländers, sich über den Rechtsstatus in dem jeweiligen Zielland zu informieren; die Antragstellerin habe in dem vorliegenden Fall jedoch in gutem Glauben gehandelt. Wäre die Antragstellerin lediglich im Rahmen des visafreien Touristenverkehrs für 90 Tage in das Bundesgebiet eingereist, hätte sie einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit stellen können. Auf diese Möglichkeit hätten sie die Behörden jedoch nicht hingewiesen. Die beabsichtigte Ausweisung mit Wiedereinreiseverbot verstoße insofern gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und stelle eine besondere Härte dar. In einer Gesamtschau unterscheide sich somit das Verhalten der Antragstellerin von dem eines vorsätzlich oder gar grob fahrlässig handelnden Bürgers eines Drittstaates. Alleine aus diesem Grund sei die Verhängung eines Wiedereinreiseverbotes unverhältnismäßig und somit widerrechtlich. Es komme nunmehr für die Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis nicht auf die Dauer des „illegalen“, mangels Kenntnis des Rechtsstatus, veranlassten Aufenthalts an, sondern vielmehr auf die persönlichen Verhältnisse und die gesetzlichen Bedingungen der Antragstellerin. Es sei vorliegend aktenkundig, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine mindestens befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erfülle, wenn sie diese fristgerecht und zeitig beantragt hätte. Sie habe durch den über einjährigen Aufenthalt in Deutschland bereits bewiesen, dass sie nicht auf fremde oder staatliche Hilfe angewiesen sei.
Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und beantragt mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019, den gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Sie bezieht sich zur Begründung dabei im Wesentlichen auf den Inhalt des Bescheides vom 8. Januar 2018. Sie halte auch an der darin festgelegten Sperrfrist der Ausweisungsverfügung von 3 Jahren fest, da diese Frist die Regel bei entsprechend gelagerten Verstößen sei und hier keine ausreichende Begründung für ein Absehen von diesem regelmäßigen Verwaltungshandeln vorliege. Es bestehe kein Grund für einen weiteren Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet. Da diese derzeit nicht berechtigt sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, sei im Übrigen auch nicht anzunehmen, dass ihr Lebensunterhalt im Bundesgebiet gesichert sei. Im Übrigen bestehe derzeit für die Antragstellerin kein Krankenversicherungsschutz.
Im Zuge einer an das Schreiben des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 6. Januar 2019 anschließenden Korrespondenz wurde die Frist zur Ausreise auf der Grenzübertrittsbescheinigung mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 12. März 2019.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Behördenakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist teilweise zulässig und begründet. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
1. Der Antrag ist zulässig, soweit er sich gegen die Ziffern 2, 3, 4 und 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019 richtet. Insoweit ist der Antrag auch statthaft (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO), da eine Klage gegen die Versagung der begehrten Aufenthaltserlaubnis und das Verbot der Wiedereinreise gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 AufenthG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Darüber hinaus ist auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen der Regelung des § 81 Abs. 3 AufenthG zu versagen, da die mit der Antragstellung am 6. Januar 2019 eingetretene Fiktion in dem vorliegenden Fall nicht eintritt. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 21 Abs. 1 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen) liegen nicht vor, weil die Antragstellerin nicht rechtzeitig einen entsprechenden Antrag innerhalb der 90-Tages-Frist in dem 180-Tages-Zeitraum gestellt hat und sich somit gegenwärtig nicht rechtmäßig in dem Bundesgebiet aufhält. Unstreitig reiste sie bereits am … … 2018 in das Bundesgebiet ein und stellte erst am 6. Januar 2019 erstmalig einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Darüber hinaus ist die Entscheidung der Ausländerbehörde bereits am 8. Januar 2019 ergangen, so dass auch die Duldungsfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG durch die Antragstellung nicht eintritt. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO genügt dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin daher, weil bei Stattgabe des Antrages die belastende Wirkung der Ablehnung bis zur Hauptsacheentscheidung suspendiert wird. Die Anordnung des Suspensiveffekts der Klage war insofern gegenüber einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO vorrangig (§ 123 Abs. 5 VwGO) und für den Ausspruch einer Duldung besteht wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziff. 1 des Bescheides vom 8. Januar 2019 insofern kein Raum. Im Übrigen wurde eine Duldung in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht abgelehnt und kann durch das Gericht selbst nicht angeordnet werden.
aa) Das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch hinsichtlich der angefochtenen Ziff. 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019. Eine Klage gegen ein auferlegtes Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Zwar birgt der Regelungsgehalt der Ziff. 2 des Bescheides gegenüber der Antragstellerin noch keine Beschwer, weil das Wiedereinreiseverbot erst mit der Ausreise greift und die Antragstellerin sich noch im Bundesgebiet aufhält. Ein Vorgehen im Rahmen des Eilrechtsschutzes ist jedoch diesbezüglich bereits jetzt geboten, da nach § 50 Abs. 1 AufenthG derjenige zur Ausreise verpflichtet ist, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel nachweisen kann. Ginge die Antragstellerin nicht bereits jetzt gegen das Wiedereinreiseverbot vor, würde sich in dem Falle einer Ablehnung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Ziff. 3, 4 und 5 und einer folgenden Ausreise die Notwendigkeit ergeben, erneut einen Antrag gegen die Ziff. 2 des Bescheides zu stellen. Dies gilt es im Sinne der Prozeßökonomie zu vermeiden.
bb) Der Antrag war entsprechend seines Wortlautes, „die aufschiebende Wirkung der Klage […]“ anzuordnen, dahingehend auszulegen, dass damit im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO sämtliche in dem Bescheid von der Antragsgegnerin getroffenen Anordnungen angegriffen werden sollen und somit auch Ziff. 1 des Bescheides davon umfasst ist, wonach die Antragstellerin aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wird.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist jedoch hinsichtlich der Ziff. 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019 als unzulässig abzulehnen. Bei der Regelung in Ziff. 1 des Bescheides vom 8. Januar 2019 handelt es sich nicht um einen durch Gesetz vorgeschriebenen Fall, wonach die aufschiebende Wirkung der Klage entfällt (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), da kein Fall des § 84 AufenthG vorliegt. Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um einen Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wonach die Behörde eine sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder in dem überwiegenden Interesse eines Beteiligten gesondert anordnen kann. Der Bescheid vom 8. Januar 2019 weist keine Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziff. 1 auf, so dass ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ins Leere läuft und mithin unzulässig ist.
2. Der insoweit zulässige Antrag ist auch begründet.
a) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Lässt sich bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen bzw. wiederherzustellen, weil aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich dagegen die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung das private Aufschubinteresse überwiegt. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
b) Nach der im Eilverfahren gebotenen, summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs wenigstens offen. Eine von dem Gericht insofern vorgenommene Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug streitenden Interessen führt in dem vorliegenden Fall zu der Begründetheit des zulässigen Teils des Antrages und der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 2, 3, 4 und 5 des Bescheides vom 8. Januar 2019. Hierzu im Einzelnen:
aa) Der Bescheid der Antragstellerin vom 8. Januar 2019 begegnet bereits in formeller Hinsicht rechtlichen Bedenken. Ausweislich der Aktenlage (Bl. … BA) wurde der Antragstellerin am 3. Januar 2019 Gelegenheit eingeräumt, sich im Rahmen der Anhörung (Art. 28 BayVwVfG) zu den beabsichtigten Maßnahmen zu äußern. Die für sie günstigen Umstände oder berücksichtigenswerten Belange sollte sie bis spätestens 7. Januar 2019 schriftlich gegenüber der Ausländerbehörde … geltend machen. Weder § 82 Abs. 1 AufenthG noch Art. 28 BayVwVfG sehen eine ausschließliche schriftliche Äußerungsmöglichkeit vor. Wenn die Antragsgegnerin schon eine kurze Frist von nur 4 Tagen setzt, wobei dazwischen noch ein Wochenende, inklusive Feiertag (6. Januar 2019) lag, hätte der Antragstellerin zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, ihre Belange zur Niederschrift bei der Behörde geltend machen zu können. Im Übrigen handelt es sich bei einer solch kurzen Frist über ein Wochenende und einen Feiertag nach Ansicht der Kammer um eine nicht mehr angemessene Frist im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
bb) Auch in materieller Hinsicht bestehen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019 Bedenken.
§ 38a AufenthG, der Art. 14 und Art. 15 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16, S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist (Daueraufenth-RL), umsetzt, begründet grundsätzlich einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, ohne die Bindung an einen bestimmten Aufenthaltszweck. Danach wird einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten will. Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist dabei nach § 2 Abs. 7 AufenthG ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Daueraufenth-RL verliehen und nicht entzogen wurde. Ausweislich des § 2 Abs. 8 AufenthG wird vorbezeichnete Rechtsstellung etwa durch eine langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU verliehen (Aufenthaltstitel nach Art. 8 der Daueraufenth-RL).
Dass die Antragstellerin vorliegend über einen langfristigen Aufenthaltstitel verfügt, ist unstreitig der Fall. Sie ist im Besitz einer langfristigen, griechischen Aufenthaltsberechtigung (Daueraufenthalt – … vom 18.8.2017, Bl. … BA), die noch eine Gültigkeit bis zum 17. August 2022 ausweist (Bl. … BA).
cc) § 38a AufenthG enthält zwar selbst keine weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den vorgenannten Personenkreis. Jedoch sind die allgemeinen Grundsätze für die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu beachten. Somit darf der antragstellende Drittstaatsangehörige als Negativmerkmal keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellen.
(1) Bereits aus Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Daueraufenth-RL folgt, dass die Mitgliedstaaten einem langfristig Aufenthaltsberechtigten oder seinen Familienangehörigen den Aufenthalt versagen können, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt. Trifft ein Mitgliedstaat eine entsprechende Entscheidung, so berücksichtigt er die Schwere oder die Art des von dem langfristig Aufenthaltsberechtigten oder seinem bzw. seinen Familienangehörigen begangenen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit bzw. die von der betreffenden Person ausgehende Gefahr (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Daueraufenth-RL).
Vorbezeichnetes findet einfachgesetzlich Niederschlag in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, der für die Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass kein Ausweisungsinteresse vorliegt, und der im Rahmen des § 38a AufenthG anwendbar ist (BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 10 CS 12.803 – juris Rn. 5). Nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 AufenthG besteht ein Interesse an einer Ausweisung, sofern ein Ausländer die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In diesem Zusammenhang wiegt nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
Da alleine auf das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis abzustellen ist, kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine Abwägung des Bleibeinteresses gegenüber dem Ausweisungsinteresse an. Denn nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels lediglich voraus, dass kein Ausweisungsinteresse vorliegt und stellt damit auf einen Tatbestand ab, der in §§ 53, 54 AufenthG definiert ist. Entsprechend der Rechtslage vor dem 1. August 2015 ist mithin keine hypothetische Ausweisungsprüfung in der Weise vorzunehmen, dass zu klären ist, ob nach Erteilung eines Aufenthaltstitels eine Ausweisung des Antragstellers rechtmäßig wäre (BayVGH, B.v. 16.3.2016 – 10 ZB 14.2634 – juris Rn. 12; Maor in BeckOK AuslR, 20. Aufl. November 2018, AufenthG § 5 Rn. 8a).
Die Antragsgegnerin geht in ihrem Bescheid vom 8. Januar 2019 davon aus, dass der Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet ohne einen Aufenthaltstitel die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland gefährde. Auf den Seiten 4 u. 5 des Bescheides vom 8. Januar 2019 führt sie insofern aus, dass die Straffälligkeit, der illegale Aufenthalt und die unerlaubte Beschäftigung der Antragstellerin zu dieser Annahme führen würden. Der Verstoß gegen die ausländerrechtlichen Regelungen und eine damit einhergehende vorsätzliche Verwirklichung des Straftatbestandes des § 95 I Nr. 2 AufenthG sei als eine vorsätzliche, schwere Straftat anzusehen.
(2) Dem kann nicht gefolgt werden. Die Erfüllung der Voraussetzungen des Straftatbestandes des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhaltes jedenfalls offen, was insgesamt dazu führt, dass auch die Erfolgsaussichten des Rechtsstreites in der Hauptsache zumindest offen sind und insofern eine Interessenabwägung vorzunehmen war.
Ausweislich des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Bundesgebiet aufhält, wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist.
Zwar verfügt die Antragstellerin nicht über einen gültigen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland, so dass die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt sein dürften. Ob sie sich dadurch jedoch nach Maßgabe des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht hat, muss nach der derzeitigen Aktenlage in dem Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zumindest als offen beurteilt werden.
i) Zunächst ergibt sich aus den vorliegenden Akten und dem Vortrag der Beteiligten nicht, dass bereits eine Verurteilung der Antragstellerin auf der Basis von § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfolgte. Bislang wurde ausweislich der Akten (Bl. 32 BA) lediglich Strafanzeige durch die Antragsgegnerin gestellt. Hieraus kann nicht auf eine Strafbarkeit des Verhaltens der Antragstellerin geschlossen werden.
ii) Darüber hinaus handelt es sich bei § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG um ein Vorsatzdelikt (Gericke in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2018, AufenthG § 95 Rn. 47; Hohoff in: BeckOK AuslR, 20. Aufl. November 2018, AufenthG § 95 Rn. 25; Senge in: Erbs/Kohlhaas, StGB, 222. EL Dezember 2018, AufenthG § 95 Rn. 16). Zwar genügt insofern auch bedingter Vorsatz. Höchstrichterlich ist jedoch bereits geklärt, dass die Fehlvorstellung des Täters, die ihm vorliegende Erlaubnis gestatte einen Aufenthalt, als Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB zu behandeln ist, welcher den Vorsatz als notwendiges subjektives Tatbestandmerkmal ausschließt (zur Anwendbarkeit des § 16 StGB auf § 95 AufenthG: BGH, B.v. 25.10.2017 – 1 StR 426/17 – juris Rn. 21). Grundsätzlich liegt ein Fall des § 16 StGB, der auf den § 95 AufenthG als Strafvorschrift Anwendung findet, wegen seiner besonderen Tatbestandsstruktur bereits dann vor, wenn ein Handeln ohne behördliche Erlaubnis bereits Tatbestandsmerkmal ist. (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, Vorb. §§ 32 ff. Rn. 61; grundlegend: BGH, U.v. 22.07.1993 – 4 StR 322/93 – NStZ 1993, 594 (595) m. Anm. Puppe (596)). Ob es sich bei einem Irrtum über das tatsächliche Vorliegen einer Genehmigung um einen Tatbestand des § 16 StGB oder einen solchen des § 17 StGB handelt, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden (hierzu: Sternberg-Lieben/Schuster in: Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 30. Aufl. 2019, § 17 Rn. 12a m. w. N. und Darstellung des Streitstandes; zum Irrtum im Zusammenhang mit einer EU-Fahrerlaubnis: OLG Stuttgart, B.v. 19.11.2007 – 2 Ss 597/07 – NJW 2008, 243). Jedenfalls kann ein Verhalten dann nicht wegen der Störung öffentlicher Sicherheit und Ordnung behördlich geahndet werden, wenn noch offen ist, ob selbiges überhaupt strafrechtlich sanktionierbar ist, die Behörde zur Begründung ihrer Maßnahme jedoch bereits an die Straffälligkeit des Betroffenen, wie in dem vorliegenden Fall, anknüpft.
iii) Ohne in dem vorliegenden Zusammenhang eine abschließende Entscheidung zu treffen und ohne dass es darauf ankommt, ist nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Antragstellerin offen, ob überhaupt der (subjektive) Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt ist.
Bereits bei der Vorsprache am 3. Januar 2019 gab die Antragstellerin in Begleitung ihrer Bekannten an, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass sie in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis benötigt. Die griechischen Behörden hätten ihr gesagt, sie dürfe mit dem Titel nach Deutschland einreisen und hier arbeiten (Bl. … BA). Ausweislich der Meldeunterlagen hat sich die Antragstellerin darüber hinaus bereits an dem Tag ihrer Einreise nach Deutschland bei der Meldestelle der Antragsgegnerin gemeldet (Bl. … BA) und sich am 9. Oktober 2018 dort noch einmal umgemeldet (Bl. … BA). Obwohl die Meldebehörde bei der Antragsgegnerin funktional angesiedelt ist, wurde die Antragstellerin ausweislich der derzeitigen Aktenlage nicht darauf hingewiesen, dass sie sich auch ausländerrechtlich zu erfassen habe. Vielmehr hat die Antragstellerin durch die Meldung bei der Sozialversicherung (Bl. … BA), dem Abschluss einer Krankenversicherung (Bl. … BA) und der Meldung bei dem Finanzamt das aus ihrer Sicht Notwendige getan, um sich ordnungsgemäß in Deutschland aufhalten und ein Arbeitsverhältnis eingehen zu können. Dies lässt in einer Gesamtschau darauf schließen, dass es die Antragstellerin aus bloßer Verkennung der Rechtslage versäumt hat, sich bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin zu melden. Deshalb ist der Einwand der Antragstellerin, sie sei davon ausgegangen, ihr ausländerrechtlicher Status sei mit der An- und Ummeldung des Wohnsitzes ordnungsgemäß geregelt, nicht nur als eine Schutzbehauptung zu werten. Insofern ist, ohne hier eine abschließende Entscheidung zu treffen, jedenfalls offen, ob der (subjektive) Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt ist.
(3) Ausweislich der Aktenlage hat sich die Antragstellerin darüber hinaus sowohl im Bundesgebiet, als auch zuvor im Ausland straffrei verhalten und stellt außerhalb des ausländerrechtlichen Sachverhaltes keine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Es kommt insofern auch nicht darauf an, dass vorsätzlich begangene Straftaten grundsätzlich keinen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.1998 – 1 C 27.96 – BVerwGE 107, 58 – juris Rn. 27 noch zu § 55 Abs. 2 Satz 2 AufenthG a. F.).
dd) Im Übrigen findet auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Rahmen des § 38a AufenthG Anwendung (BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 10 CS 12.803 – juris, Rn. 5; VGH BW, B.v. 18. 3. 2008 – 11 S 378/07 – juris), der als allgemeine Erteilungsvoraussetzung vorsieht, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Ausreichenden Krankenversicherungsschutz hat ein Ausländer bereits dann, wenn er in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert ist (§ 2 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Ausweislich des von der Antragstellerin vorgelegten Auszuges der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung war diese zunächst zwischen dem … 2018 und dem … 2018 als Arbeitnehmerin tätig und verdiente in dem gesamten Zeitraum EUR 2.818,00 brutto. Hierbei bestand zwar auch spätestens seit dem … 2018 Krankenversicherungssschutz bei der …; aus dem durchschnittlichen Bruttoarbeitslohn von ca. EUR 560,00 monatlich konnte jedoch nicht geschlossen werden, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme weiterer Sozialleistungen alleine bestreiten kann.
Die hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes hätte die Antragstellerin jedoch durch die Vorlage des Arbeitsvertrages vom … 2018 (Bl. … ff. BA), der in § 4 Abs. 1 ein Brutto-Arbeitsentgelt von EUR 2.460,00 monatlich vorsieht, nachweisen können. Bei der Höhe dieses Arbeitsentgelts darf davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt als Alleinstehende ohne die Inanspruchnahme weiterer staatlicher Mittel zu bestreiten ist.
Da den Akten der Arbeitsvertrag vom …) beiliegt und die Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung vom 18. Januar 2019 auf Seite 2 vorträgt, dass sie seit dem 16. Juli 2018 Arbeit gefunden habe, diese Beschäftigung ordnungsgemäß angemeldet sei und sie auch Sozialbeiträge entrichte, geht das Gericht davon aus, dass weiterhin Krankenversicherungsschutz besteht. Eine endgültige Abklärung der gegenwärtigen Verhältnisse bleibt jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
ee) Im Übrigen kann § 11 Abs. 1 AufenthG nicht als Rechtsgrundlage für die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels in dem vorliegenden Fall herangezogen werden, weil dieser daran anknüpft, dass ein Ausländer bereits ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist. Da die Antragstellerin gegen ihre Ausweisung Klage erhoben hat und diese Suspensivwirkung entfaltet, kann nicht bereits jetzt auf eine erfolgte Ausweisung abgestellt werden.
ff) Das Gericht sieht insofern kein besonderes öffentliches Interesse an einem Sofortvollzug. Bei zumindest offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache überwiegt vorliegend das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Ein Vollzug der Ausreiseverpflichtung in Verbindung mit dem Verbot der Wiedereinreise würde insofern vollendete Tatsachen schaffen, obgleich nach der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht auszuschließen ist, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Wegen des teilweise unzulässigen Antrages hat die Antragstellerin ⅓ der Kosten und die Antragsgegnerin wegen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Übrigen ⅔ der Kosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung bemisst sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Die Anträge in Bezug auf die Ausweisung und die Anträge in Bezug auf die Aufenthaltserlaubnis werden mit jeweils 5.000,00 EUR Auffangstreitwert angesetzt (Ziff. 8.1 und Ziff. 8.2 des Streitwertkataloges BVerwG 2013), wobei davon in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der Streitwert zu ½ bemessen wird (Ziff. 1.5 des Streitwertkataloges BVerwG 2013).

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