Europarecht

Maßnahmen nach dem Tierseuchengesetz – Rindertuberkulose

Aktenzeichen  Au 1 S 18.886

Datum:
29.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16805
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
TierGesG § 37
BayVwZVG Art. 32, Art. 34, Art. 36
RindTbV § 4, § 4a

 

Leitsatz

Eine möglicherweise rechtswidrig durchgeführte Untersuchung führt nicht zu einer Unverwertbarkeit der Testergebnisse. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die anstehende Tötung von neun Rindern seines Bestands wegen Rindertuberkulose.
Er führt eine landwirtschaftliche Betriebsstätte im … und hält dort derzeit 25 Rinder. Seine Schwester gibt an, Eigentümerin der Rinder zu sein. Mit Erklärung vom 5. Februar 2018 ist sie vom Antragsteller bevollmächtigt worden, gegenüber dem Landratsamt … Entscheidungen, Willenserklärungen etc. hinsichtlich seines Tierbestandes abzugeben.
Am 2. und 5. Februar 2018 wurde durch das Veterinäramt des Landratsamtes … bei sämtlichen Rindern des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers eine Tuberkuloseuntersuchung durchgeführt. Bei einem Tier zeigte sich eine stark auffällige, zweifelhafte Reaktion im Sinne der Nr. 2.2.5.3.2 der Richtlinie 64/432/EWG an der Grenze zur positiven Testbewertung. Bei 15 weiteren Rindern war das Testergebnis negativ. Das Tier mit der stark auffälligen, zweifelhaften Reaktion wurde am 8. Februar 2018 getötet und am 16. Februar 2018 im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit untersucht. Im Ergebnis wurde Rindertuberkulose bei dem Tier festgestellt. Am 15. und 18. Mai 2018 erfolgte im landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers die erste Nachuntersuchung, bei der 23 Rinder getestet wurden. Bei der Beurteilung der Hautreaktion (Ablesen der Hautdickenzunahme) am 18. Mai 2018 wurde bei fünf Tieren eine positive Hautreaktion ermittelt. Weitere vier Tiere wiesen eine zweifelhafte Hautreaktion auf. Das Veterinäramt des Landratsamtes … forderte mit Schreiben vom 18. Mai 2018 neben der Tötung der fünf positiv getesteten Tiere auch die Tötung der zweifelhaft getesteten Tiere, um eine weitere Ausbreitung des Seuchengeschehens zu verhindern.
Eine mit Anordnung vom 18. Mai 2018 verfügte Tötung der Tiere durch das Landratsamt, die für den 24. Mai 2018 vorgesehen war und gegen die die Schwester des Antragstellers im Namen des Antragstellers sowohl eine Klage (Au 1 K 18.848) als auch einen Eilantrag (Au 1 S 18. 849) erhob, wurde nicht durchgeführt.
Mit einer neuen Anordnung vom 25. Mai 2018 verpflichtete das Landratsamt … den Antragsteller, die fünf Tiere mit positiver Hautreaktion sowie die vier Tiere mit zweifelhafter Hautreaktion töten zu lassen (Ziffer I.). Er wurde aufgefordert, die Tiere fixiert in der Stallung bereitzuhalten und zum Abtransport zur Keulung an der Tierkörperbeseitigungsanstalt … an den Vertreter des Veterinäramts … sowie an die Mitarbeiter des beauftragten Transportunternehmens herauszugeben (Ziffer II.). Für die Durchführung der angeordneten Tötung wurde der 30. Mai 2018, 7:30 Uhr bestimmt (Ziffer III.). Für den Fall, dass er der Aufforderung der Ziffern II. und II. (gemeint wohl I.) nicht nachkomme, werde die Entnahme der neun Tiere aus dem Betrieb auf Kosten des Antragstellers durchgeführt und die Ersatzvornahme insoweit angedroht (Ziffer IV.). Für den Fall, dass gegen die unter Ziffer IV. angedrohte Ersatzvornahme Widerstand geleistet oder die Durchführung behindert werde, werde die Entnahme der neun betroffenen Rinder durch das Landratsamt … durch Anwendung des unmittelbaren Zwangs vollzogen (Ziffer V.). Die Schwester des Antragstellers wurde verpflichtet, die unter den Ziffern I. bis VI. (gemeint wohl V.) getroffenen Anordnungen zu dulden (Ziffer VI.). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die positiv getesteten Tiere gem. § 4a der Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (RindTbV) zwingend zu töten seien. Hinsichtlich der Rinder, bei denen die Testreaktion zweifelhaft gewesen sei, sei nach fachlicher Abwägung des Veterinäramts zum TBC-Geschehen im Betrieb die Tötung auch der zweifelhaft getesteten Rinder, bei denen der Verdacht bestehe, dass sie sich ebenfalls bereits infiziert haben könnten, gefordert worden. Aus fachlicher Sicht sei es zwingend erforderlich, jedweden möglichen weiteren Infektionsherd auszuschalten. Dies entspreche dem öffentlichen Interesse an der Seuchenbekämpfung als auch dem Interesse von Halter und Eigentümer. Es bestehe die Gefahr, dass sich weitere Tiere anstecken könnten und damit die Sanierung immer aufwendiger und langwieriger werde. Nachdem der Antragsteller und seine Schwester als mutmaßliche Eigentümerin nicht bereit oder in der Lage seien, die Tötung und die vorgeschriebenen Untersuchungen selbst zu organisieren, sei der Ablauf zur Entlastung der Betroffenen durch das Veterinäramt … organisiert worden. Maßnahmen im Tierseuchenfall seien unverzüglich durchzuführen. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die erforderliche Unterstützung nicht geleistet werde und die Tiere dem Veterinäramt … nicht übergeben werden, sei die Ersatzvornahme anzudrohen gewesen. Eine Zwangsgeldandrohung ließe bei der Schwester des Antragstellers, die sich auch für ihren Bruder erkläre, nicht erwarten, dass die Maßnahme zeitnah umgesetzt werden könnte. Als möglicherweise folgebedingtes weiteres Zwangsmittel sei unmittelbarer Zwang angedroht worden.
Gegen die anstehende Tötung der Rinder ließ der Antragsteller unter Vorlage einer Vollmacht durch seine Schwester am 28. Mai 2018 einen Eilantrag sowie eine Klage erheben. Gleichzeitig erhob die Schwester des Antragstellers auch im eigenen Namen einen Eilantrag (Au 1 S 18.888) und eine Klage (Au 1 K 18.887). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Untersuchungen der Tiere nicht rechtmäßig gewesen seien. Die Richtlinie 64/432 EWG bestimme, dass bei der Untersuchung für jedes Tier eine sterile Kanüle zu verwenden sei. Dies sei nicht geschehen. Die Anordnung des Sofortvollzugs der Tötung der Tiere sei nicht gerechtfertigt. Die positiv und zweifelhaft getesteten Tiere könnten getrennt gehalten werden. Dies sei ein milderes Mittel. Die Schwester des Antragstellers sei zudem die Eigentümerin der Tiere. Mit Quittungen könne dies nachgewiesen werden.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Antragsgegner äußerte sich nicht zum Verfahren.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist einerseits die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 37 Nr. 5 TierGesG) sofort vollziehbare Tötungsanordnung samt der Mitwirkungshandlungen und der Duldung begleitender Maßnahmen (Ziffern I. bis III. des Bescheids vom 25.05.2018). Der Antrag richtet sich weiter gegen die Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer IV. des Bescheids vom 25.05.2018) sowie gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall des Widerstands gegen die Ersatzvornahme (Ziffer V. des Bescheids vom 25.05.2018), die als Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen ebenso sofort vollziehbar sind (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21 a VwZVG). Darüber hinaus war der Antrag dahingehend auszulegen, dass die in Ziffer VI. verfügte Duldungsanordnung gegenüber der Schwester des Antragstellers vom Antrag nicht erfasst sein sollte, weil sich dieser Verwaltungsakt ohnehin lediglich an die Schwester des Antragstellers richtet und den Antragsteller nicht beschwert.
2. Der Antrag ist unbegründet, da überwiegende Interessen des Antragstellers nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben sind.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessensabwägung vorliegend zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Tötungsanordnung sowie der Androhung der Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwangs. Die diesbezüglich in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos sein.
a) Die auf Aufhebung der Tötungsanordnung gerichtete Klage wird aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, da die Tötungsanordnung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Rechtsgrundlage für die Tötungsanordnung hinsichtlich der positiv getesteten Tiere im Sinne der Nummer 2.2.5.3.2 Buchst. a des Anhangs B der Richtlinie 64/433/EWG ist § 4a Nr. 1 der Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (RindTbV).
bb) Nach § 4a Nr. 1 RindTbV sind die mit Tuberkulinprobe positiv getesteten Rinder zu töten. Bei den in Ziffer I. des Bescheids vom 25. Mai 2018 aufgeführten fünf Rindern war das Ergebnis des Tb-Simultantests positiv, sodass die Rinder zu töten sind. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die vom Antragsteller vorgebrachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der durchgeführten Untersuchung mittels Tb-Simultantest mangels Verwendung einer sterilen Kanüle nach jedem Tier durchgreifen, weil für das Gericht jedenfalls keine Anhaltspunkte erkennbar sind, dass die Testergebnisse in Zweifel zu ziehen wären. Eine möglicherweise rechtswidrig durchgeführte Untersuchung führt daher nicht zu einer Unverwertbarkeit der Testergebnisse. Gegen eine Unverwertbarkeit spricht schon das hohe öffentliche Interesse an einer möglichst schnellen und effizienten Seuchenbekämpfung.
cc) Rechtsgrundlage für die Tötungsanordnung hinsichtlich der Tiere mit dem Testergebnis zweifelhaft im Sinne der Nummer 2.2.5.3.2 Buchst. b des Anhangs B der Richtlinie 64/433/EWG ist § 4 Nr. 1 Buchst. a RindTbV.
dd) Nach § 4 Nr. 1 RindTbV sind die mit Tuberkulinprobe zweifelhaft getesteten Rinder entweder zu töten (Buchst. a), mittels Tuberkulinprobe frühestens sechs Wochen nach Abschluss der vorangegangenen Tuberkulinprobe erneut zu untersuchen (Buchst. b) oder mittels Interferon-Gamma-Freisetzungstest zu untersuchen (Buchst. c). Bei den in Ziffer I. des Bescheids vom 25. Mai 2018 aufgeführten vier Rinder war das Ergebnis des Tb-Simultantest zweifelhaft. Die Entscheidung des Antragsgegners, auch hier die Tötung der Tiere anzuordnen, statt weiterer Untersuchungen durchzuführen und weitere Zeit verstreichen zu lassen, ist angesichts des bisherigen Seuchengeschehens in der Betriebsstätte des Antragstellers nicht zu beanstanden. Ursprünglich war lediglich ein Rind an Tuberkulose erkrankt (auch hier war das Testergebnis nur zweifelhaft) und wurde aufgrund dessen getötet. Bei der Nachuntersuchung wurden weitere fünf Tiere positiv getestet. Die bisherige Ausbreitung legt daher nahe, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch die Tiere mit zweifelhaftem Testergebnis erkrankt sind und weitere Tiere anstecken könnten. Um die Tierseuche (endgültig) einzudämmen, konnte der Antragsgegner – ohne dass ihm ein Auswahlermessensfehler anzulasten wäre – die zeitnahe Tötung auch dieser Tiere anordnen.
b) Nachdem die Tötungsanordnung voraussichtlich rechtmäßig ist, bestehen auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in den Ziffern II. und III. verfügten Anordnungen, die die ordnungsgemäße Mitnahme und Tötung der betroffenen Tiere sicherstellen sollen sowie den Zeitpunkt der Maßnahmen vorgeben.
c) Auch die Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer IV.) ist voraussichtlich rechtmäßig. Die missverständliche Formulierung „seiner Verpflichtung zur Keulung der betroffenen Tiere“ ist im Hinblick auf die Anordnungen in Ziffer I. bis III. sowie dem Zusatz in Ziffer IV. „in der Form, dass die betroffenen neun Tiere am 30. Mai 2018, 7:30 Uhr (…) nicht bereit stehen und herausgegeben werden“ dahingehend auszulegen und auch auslegungsfähig, dass der Antragsteller die Tiere nicht selbst zu töten hat, sondern die Tiere entsprechend bereitzuhalten, herauszugeben und die Tötung zu dulden hat. Hinsichtlich dieser Mitwirkungshandlungen konnte für den Fall der Verweigerung die Ersatzvornahme nach Art. 32 Satz 1 VwZVG i.V.m. Art. 36 Abs. 1 VwZVG angedroht werden. Die Ersatzvornahme ist auch nach Art. 32 Satz 2 VwZVG zulässig, weil angesichts der bisherigen beharrlichen Weigerung des Antragstellers und seiner von ihm bevollmächtigten Schwester davon ausgegangen werden durfte, dass ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lassen werde.
d) Die in Ziffer V. verfügte Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall,
dass gegen die unter Ziffer IV. angedrohte Ersatzvornahme Widerstand geleistet wird, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig. Denn nach Art. 34 Satz 2 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde unmittelbaren Zwang auch dann anwenden, wenn gegen die Ersatzvornahme Widerstand geleistet wird.
e) Überwiegende Interessen des Antragstellers, die gleichwohl eine Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigten, bestehen nicht. Zwar ist der Wunsch der Schwester des Antragstellers, kein Tier töten zu lassen und jedem Tier bis an sein Lebensende ein gutes Leben unter besten Bedingungen zu ermöglichen, nachvollziehbar, verständlich und anerkennenswert. Das öffentliche Interesse an einer voraussichtlich rechtmäßigen Eindämmung einer sich bereits ausgebreiteten Tierseuche wiegt allerdings schwerer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Unterbindung einer weiteren Ausbreitung von Rindertuberkulose in dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragsstellers letztlich auch in seinem Interesse und im Interesse seiner Schwester ist. Denn nach wie vor gab es bei der Nachuntersuchung auch Tiere, bei denen das Testergebnis negativ ausgefallen ist.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen