Aktenzeichen M 18 K 14.4992
AMG § 67 Abs. 7 Satz 3 AMG
VO (EG) 726/2004 Art. 71 VO (EG) 726/2004
VO (EG) 297/95 Art. 8 Nr. 3 VO (EG) 297/95
VO (EG) 297/95 Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 297/95
Leitsatz
Gebühren, die die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die Prüfung der Anträge auf Parallelvertrieb zentral zugelassener Arzneimittel in Rechnung stellt, dürfen nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt werden, sondern müssen gerichtlich geltend gemacht werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2014 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin als belastender Verwaltungsakt damit in ihren Rechten.
Der Beklagte stützt den streitgegenständlichen Bescheid auf die Befugnisnorm des § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Nach dieser Vorschrift treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.
Der Beklagte nimmt im streitgegenständlichen Bescheid einen Verstoß im vorgenannten Sinn gegen § 67 Abs. 7 Satz 3 AMG i. V. m. Art. 8 Nr. 3 VO (EG) 297/95 an.
Nach § 67 Abs. 7 Satz 1 AMG hat, wer beabsichtigt, gewerbs- oder berufsmäßig Arzneimittel, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Inverkehrbringen durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer zugelassen sind, erstmalig aus diesem Mitgliedstaat in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck des Inverkehrbringens im Geltungsbereich des Gesetzes zu verbringen, dies dem Inhaber der Zulassung vor der Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Nach § 67 Abs. 7 Satz 2 AMG gilt Satz 1 für Arzneimittel, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der VO (EG) 726/2004 erteilt worden ist, mit der Maßgabe, dass die Anzeige dem Inhaber der Genehmigung der Europäischen Arzneimittelagentur zu übermitteln ist. Nach § 67 Abs. 7 Satz 3 AMG ist an die Agentur eine Gebühr für die Überprüfung der Einhaltung der Bedingungen, die in den unionsrechtlichen Rechtsvorschriften über Arzneimittel und den Genehmigungen für das Inverkehrbringen festgelegt sind, zu entrichten; die Bemessung der Gebühr richtet sich nach den unionsrechtlichen Rechtsvorschriften.
§ 69 Abs. 1 Satz 1 AMG ist bei einem angenommenen Verstoß gegen § 67 Abs. 7 Satz 3 AMG schon deshalb keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für eine Gebührenfestsetzung durch Bescheid, da das Unionsrechtrecht insoweit speziellere Regelungen vorsieht. Auf die Frage, ob überhaupt eine unionsrechtliche Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr durch die EMA in den Fällen der Überprüfung der erforderlichen Informationen für den Parallelvertrieb zentral zugelassener Arzneimittel besteht, was die Klägerin bestreitet, kommt es für das vorliegende Verfahren daher nicht mehr an.
Art. 55 Abs. 1 VO (EG) 726/2004 bestimmt, dass eine europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) geschaffen wird. Gemäß Art. 57 Abs. 1 lit. o) VO (EG) 726/2004 nimmt die EMA die Aufgabe wahr, bei Parallelvertrieb von gemäß dieser Verordnung genehmigter Arzneimittel die Einhaltung der Bedingungen, die in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Arzneimittel und den Genehmigungen für das Inverkehrbringen festgelegt sind, zu prüfen. Nach Art. 71 VO (EG) 726/2004 besitzt die Agentur Rechtspersönlichkeit sowie in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt ist. Sie kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern sowie vor Gericht stehen.
Die Gebührenerhebung durch die EMA ist durch die VO (EG) 297/95 geregelt. Nach Art. 8 Abs. 3 Unterabsatz 1 VO (EG) 297/95 wird eine Verwaltungsgebühr u. a. erhoben, wenn die im Fall des Parallelvertriebs erforderlichen Informationen geprüft werden müssen. Nach Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 297/95 kann, wenn eine gemäß dieser Verordnung geschuldete Gebühr nicht fristgerecht gezahlt wird, der Verwaltungsdirektor der Agentur unbeschadet der Fähigkeit der Agentur, aufgrund von Art. 71 VO (EG) 726/2004 ein Gericht anzurufen, beschließen, entweder die geforderten Leistungen nicht zu erbringen oder die Leistungen insgesamt oder die laufenden Verfahren bis zur Zahlung der Gebühr, …, einzustellen.
Es existieren also unionsrechtliche Spezialvorschriften für den Fall der Geltendmachung nicht gezahlter Gebühren durch die EMA. Aus Art. 10 Abs. 3 VO (EG) 297/95 ergeben sich insoweit abschließend zwei Möglichkeiten, zum einen die Anrufung eines Gerichts, zum anderen die geforderten Leistungen nicht zu erbringen oder einzustellen. Der Umstand, dass diese Regelung die EMA insoweit auf ein Beschreiten des Rechtswegs verweist, hat zur Folge, dass diese Gebühren nicht durch Verwaltungsakt erhoben werden können. Ein solcher Verwaltungsakt würde einen Vollstreckungstitel schaffen und damit den Adressaten zwingen, seine Rechte durch aktives Handeln zu wahren (vgl. NdsOVG vom 26.3.2014 Az: 13 ME 21/14 – juris, Rn. 17). Dies ist nicht mit der gesetzlichen Vorgabe zu vereinbaren, die umgekehrt ein aktives Handeln in Form der Anrufung eines Gerichts durch die EMA vorsieht.
Die von der EMA gegenüber der Klägerin geltend gemachten Gebühren können nach alledem nicht vom Beklagten durch eine auf § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG gestützte Regelung festgesetzt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung wurde nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen. Die Frage, ob Gebühren der EMA durch Verwaltungsakt festgesetzt werden können, ist obergerichtlich bzw. höchstrichterlich nicht geklärt und hat daher grundsätzliche Bedeutung.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 295.940,- festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.