Aktenzeichen 9 A 13/18
§ 2 Abs 4 UmwRG
§ 4 Abs 1a UmwRG
§ 6 UmwRG
§ 67 Abs 4 S 1 VwGO
§ 87b Abs 3 VwGO
§ 46 VwVfG
§ 73 Abs 2 VwVfG
§ 75 Abs 1 S 1 Halbs 1 VwVfG
§ 78 Abs 1 VwVfG
§ 2 Abs 1 UVPG 2016
§ 6 Abs 4 Nr 2 UVPG 2016
§ 14b UVPG 2016
§ 19b Abs 1 UVPG 2016
§ 16 Abs 3 UVPG
§ 74 Abs 2 Nr 2 UVPG
§ 1 Abs 1 S 1 FStrG
§ 1 Abs 4 Nr 1 FStrG
§ 4 FStrG
§ 5 FStrG
§ 17 Abs 1 S 2 FStrG
§ 1 Abs 1 FStrAusbauG
§ 1 Abs 2 FStrAusbauG
§ 4 S 1 FStrAusbauG
§ 38 Abs 1 S 1 StrG ND
§ 38 Abs 5 S 1 StrG ND
§ 38 Abs 6 StrG ND
§ 34 Abs 1 S 1 BNatSchG 2009
§ 44 Abs 1 Nr 1 BNatSchG 2009
§ 19 Abs 1 WHG 2009
§ 27 Abs 1 WHG 2009
§ 27 Abs 2 WHG 2009
§ 47 Abs 1 WHG 2009
§ 5 Abs 3 OGewV 2016
§ 5 Abs 4 OGewV 2016
§ 6 S 1 OGewV 2016
§ 7 Abs 1 S 2 OGewV 2016
§ 7 Abs 2 GrwV 2010
Art 5 Abs 1 EURL 92/2011 2013
Art 3 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 3 Abs 2 EGRL 42/2001
Art 3 Abs 3 EGRL 42/2001
Art 4 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 4 Abs 3 EGRL 42/2001
Art 5 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 5 Abs 2 EGRL 42/2001
Art 5 Abs 3 EGRL 42/2001
Art 6 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 6 Abs 2 EGRL 42/2001
Art 6 Abs 3 EGRL 42/2001
Art 6 Abs 4 EGRL 42/2001
Art 8 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 9 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 13 Abs 1 EGRL 42/2001
Art 13 Abs 2 EGRL 42/2001
Art 13 Abs 3 EGRL 42/2001
Art 1 Buchst e EWGRL 43/92
Art 1 Buchst i EWGRL 43/92
Art 6 Abs 2 EWGRL 43/92
Art 6 Abs 3 EWGRL 43/92
Art 5 EGRL 147/2009
Art 9 EGRL 147/2009
Art 4 Abs 1 EGRL 60/2000
Leitsatz
1. Notwendige Folgemaßnahmen eines Straßenbauvorhabens, auf die sich der Planfeststellungsbeschluss nach § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwVfG erstreckt, dürfen über den Anschluss des Vorhabens an das bestehende Straßennetz und dessen Anpassung nicht wesentlich hinausgehen. Eine im Zuge eines Autobahnanschlusses mitgeplante 3,5 km lange Ortsumgehung, die eines eigenen umfassenden Planungskonzepts bedarf, erfüllt diese Anforderungen nicht.
2. Eine inzidente gerichtliche Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit der SUP-Richtlinie ist nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 UmwRG ausgeschlossen.
3. Soll der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen nach § 4 FStrAbG an einen unmittelbar zuvor auf der Grundlage einer Strategischen Umweltprüfung beschlossenen Bundesverkehrswegeplan angepasst werden, so bedarf es vor der Einbringung des Bedarfsplans in das Gesetzgebungsverfahren keiner erneuten Strategischen Umweltprüfung.
4. Das Unionsrecht enthält keine Verpflichtung, vorhandene Erkenntnislücken im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung durch weitere Ermittlungen zu schließen. Erforderlich ist aber, dass im Umweltbericht auf diese Lücken hingewiesen und beschrieben wird, auf welche Weise die Umweltprüfung insoweit erfolgt ist (Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Buchst. h SUP-RL).
5. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b SUP-RL verlangt lediglich, dass der Öffentlichkeit eine zusammenfassende Erklärung zugänglich gemacht wird, wie die abgegebenen Stellungnahmen berücksichtigt wurden. Eine individuelle Begründung schreibt er hingegen nicht vor.
6. Der Planfeststellungsbeschluss muss grundsätzlich alle durch das Vorhaben verursachten Konflikte lösen. Er darf bestimmte Probleme nur dann der technischen Ausführungsplanung überlassen, wenn sie nach dem Stand der Technik ohne Weiteres beherrschbar sind (hier verneint für den nachträglichen Einbau von Retentionsbodenfiltern in die Straßenentwässerung im Hinblick auf verschärfte Umweltqualitätsnormen).
7. Soweit Oberflächenwasserkörper keinen sehr guten oder guten ökologischen Zustand oder kein sehr gutes oder gutes ökologisches Potenzial aufweisen, führt eine Überschreitung der Schwellenwerte der allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten für den sehr guten oder guten ökologischen Zustand oder das höchste oder gute ökologische Potenzial (Anlage 3 Nr. 3.2 in Verbindung mit Anlage 7 Nr. 1.1.2 und 2.1.2 OGewV) nur dann zu einer Verschlechterung des ökologischen Zustands oder Potenzials, wenn sie mit einer Verschlechterung einer biologischen Qualitätskomponente einhergeht.
Tatbestand
1
Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten für den 7. Bauabschnitt des Neubaus der Bundesautobahn A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg.
2
Das planfestgestellte Vorhaben ist der südlichste Bauabschnitt einer 105 km langen Neubaustrecke der A 39, die die Lücke zwischen den Anschlussstellen Weyhausen und Lüneburg-Nord schließen soll und im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs enthalten ist. Der Bauabschnitt hat eine Länge von 14,2 km und reicht von der Anschlussstelle Weyhausen bei Bau-km 14+730 bis zur Anschlussstelle Ehra bei Bau-km 0+530. Von der Anschlussstelle Weyhausen aus führt die Trasse an Tappenbeck im Osten vorbei, kreuzt südlich von Jembke die Bundesstraße B 248, umfährt Jembke und das FFH-Gebiet “Vogelmoor” im Westen und führt zwischen Lessien und Ehra hindurch zur Anschlussstelle Ehra, die die A 39 mit der Landesstraße L 289 verbinden soll. L 289 und B 248, die sich bisher in der Ortslage von Ehra treffen, sollen zu diesem Zweck so verlegt werden, dass im Norden von Ehra eine Ortsumfahrung entsteht.
3
Das FFH-Gebiet DE 3430-301 “Vogelmoor” liegt östlich der Neubautrasse zwischen Ehra im Norden und Barwedel im Süden. Es handelt sich dabei um einen der größten Birken-Moorwald-Komplexe mit einem hohen Anteil nasser, torfmoosreicher Ausprägungen im südöstlichen Niedersachsen. Es hat eine Fläche von etwa 273 ha. Der größte Teil des Gebiets ist mindestens 700 m von der Fahrbahntrasse entfernt. Nur in einem kleinen nordwestlichen Bereich beträgt die Entfernung zur geplanten Autobahn wenig mehr als 200 m.
4
Südlich von Jembke ist im Kreuzungsbereich von A 39 und B 248 eine Tank- und Rastanlage vorgesehen, die nur in ihrem westlich der Autobahn gelegenen Bereich bewirtschaftet werden und dort über 125 LKW- und 70 PKW-Stellplätze verfügen soll. Im nicht bewirtschafteten Bereich östlich der Autobahn sind weitere 50 LKW- und 20 PKW-Stellplätze geplant.
5
Die Straßenentwässerung soll in sieben Entwässerungsabschnitten erfolgen. Soweit eine Versickerung wegen der zu geringen Bodendurchlässigkeit oder des zu geringen Grundwasserabstands nicht möglich ist, wird das auf der Fahrbahn anfallende Niederschlagswasser über fünf Regenrückhaltebecken mit vorgeschalteten Absetzbecken und Flüssigkeitsabscheidern gedrosselt in die Oberflächenwasserkörper Bruneitzgraben und Kleine Aller eingeleitet.
6
Für den Neubau der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg wurde ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das mit der Landesplanerischen Feststellung vom 24. August 2007 endete. Die Linienbestimmung erfolgte mit Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 31. Oktober 2008.
7
Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 23. Oktober 2014 bis zum 5. Dezember 2014 aus. Im Frühjahr 2017 wurde ein Planänderungsverfahren eingeleitet, nachdem insbesondere die Verkehrsuntersuchung aktualisiert und auf den Prognosehorizont 2030 fortgeschrieben worden war. Die geänderten Planunterlagen lagen in der Zeit vom 3. Mai 2017 bis zum 2. Juni 2017 aus. Die Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. April 2018 wurde durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt. Der Planfeststellungsbeschluss lag in der Zeit vom 14. Mai 2018 bis zum 28. Mai 2018 zur Einsichtnahme aus.
8
Zur Begründung seiner am 28. Juni 2018 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend:
9
Die Verlegung und der Neubau der L 289 und der B 248 im Bereich der Anschlussstelle Ehra seien zu Unrecht als notwendige Folgemaßnahme in die Planfeststellung einbezogen worden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehlerhaft, weil sie nicht die Auswirkungen der vorhabenbedingten Steigerung der Treibhausgasemissionen auf den Klimawandel und ein dem Bau der Autobahn dienendes Sandabbauvorhaben in unmittelbarer Nähe der geplanten Tank- und Rastanlage bei Jembke einbeziehe. Außerdem fehle die Planrechtfertigung. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung sei nicht bindend, weil die dem Bundesverkehrswegeplan zugrunde liegende Strategische Umweltprüfung unionsrechtswidrig sei. Die Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet “Vogelmoor” sei hinsichtlich der Auswirkungen der Klimakrise auf die künftige Gebietsentwicklung, der Beurteilung der Stickstoffeinträge und der Gebietsabgrenzung fehlerhaft. Eine Verträglichkeitsprüfung bezüglich der Natura 2000-Gebiete südlich von Weyhausen sei zu Unrecht unter Berufung auf den Bestandsschutz für die bestehende A 39 unterblieben. Der Planfeststellungsbeschluss verstoße darüber hinaus gegen das Artenschutzrecht und das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. Schließlich sei das Abwägungsgebot verletzt. Die Verkehrsinteressen seien fehlerhaft gewichtet worden. Die Variantenprüfung für die Gesamttrasse sei ebenso unzureichend wie die Wahl des Standorts der Tank- und Rastanlage bei Jembke. Darüber hinaus seien die vorhabenbedingten Lärmsteigerungen im übrigen Straßennetz nicht fehlerfrei berücksichtigt worden.
10
In der mündlichen Verhandlung vom 25. und 26. Juni 2019 hat die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 2018 durch mehrere Protokollerklärungen geändert oder ergänzt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
11
Der Kläger beantragt,
1. den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 30. April 2018 über den Neubau der Bundesautobahn A 39, 7. Bauabschnitt von Ehra bis Wolfsburg, in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung vom 25./26. Juni 2019 zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen aufzuheben,
2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
3. weiter hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zu ergänzen, die zur Vermeidung von nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt oder andere Rechte erforderlich sind.
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Sie verteidigt den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss und tritt dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.