Europarecht

Rechtmäßige Abschiebungsandrohung nach Mazedonien

Aktenzeichen  B 4 S 16.42

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 59 Abs. 1
Schengener Grenzkodex Schengener Grenzkodex Art. 11

 

Leitsatz

Die Ausreisepflicht ergibt sich aus dem fehlenden Nachweis, dass der Ausländer sich in den 180 Tagen vor dem Ausreisebescheid insgesamt nicht mehr als 90 Tage im Schengen-Raum aufgehalten hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Androhung seiner Abschiebung nach Mazedonien.
Der Antragsteller, geboren am … 1985 in … (Republik Mazedonien), ist mazedonischer Staatsangehöriger und besitzt einen am 13.07.2012 ausgestellten Pass, der bis 12.07.2017 gültig ist. Am 31.08.2014 reiste er über Slowenien in das Gebiet der Schengen-Staaten ein. Am 20.01.2016 wurde er im Rahmen der Schleierfahndung auf der Autobahn A 9 im Bereich B. (Landkreis B.) kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass sein Pass für den Zeitraum seit Ende August 2014 keine weiteren Ausreise- und Einreisestempel aufweist. Bei seiner polizeilichen Vernehmung machte er über seinen Aufenthalt seit Ende November 2014 keine näheren Angaben.
Mit Bescheid vom 20.01.2016 forderte das Landratsamt B. den Antragsteller auf, bis zum 24.01.2016 aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen (Ziff. 1). Für den Fall, dass er nicht oder nicht fristgerecht ausreise, drohte die Ausländerbehörde ihm die Abschiebung nach Mazedonien an. Zur Begründung führte die Behörde aus, dem Antragsteller werde die Abschiebung angedroht, weil er sich seit Ablauf des erlaubten Aufenthaltszeitraums von drei Monaten am 30.11.2014 unerlaubt in Deutschland aufhalte und keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe, so dass er kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig sei. Der Ausreisepflicht könne er unverzüglich nachkommen, weil er über einen gültigen Pass verfüge.
Mit Telefax vom 22.01.2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Landratsamtes B. vom 20.01.2016 vollumfänglich aufzuheben (Az. B 4 K 16.43).
Zugleich hat er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage herzustellen,
hilfsweise anzuordnen.
Zur Begründung führt er aus, der Antragsteller sei erst kurz vor der Polizeikontrolle nach Deutschland eingereist. Zur Glaubhaftmachung legte er in Mazedonisch und Albanisch sowie in deutscher Übersetzung eine kopierte Bestätigung des Bürgermeisters seines Geburtsortes vom 22.01.2016 vor, aus der sich ergibt, dass er am 08.01.2016 dort den Antrag gestellt habe, einen Schwarzbau nachträglich zu legalisieren. Außerdem brachte er ein kopiertes Attest eines Facharztes in Mazedonisch und in deutscher Übersetzung bei. Laut dieser Bescheinigung wurde er am 08.01.2016 in … (Mazedonien) wegen Magenkoliken zehn Tage krankgeschrieben.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus, der Antragsteller halte sich seit 31.08.2014 in Deutschland auf, so dass der visumfreie Aufenthalt von 90 Tagen abgelaufen sei. Denn der Antragsteller habe nicht durch entsprechende Stempel der Grenzkontrollbehörden an den Außengrenzen der Schengen-Staaten nachgewiesen, dass er seither aus dem Gebiet der Schengen-Staaten aus- und wieder eingereist sei. Seine Einlassung bei der Aushändigung des Bescheides am 20.01.2016, die ungarischen Grenzbehörden, wo er in den Schengen-Raum eingereist sei, hätten es bei seiner Einreise versäumt, einen Stempel anzubringen, sei nicht glaubhaft. Außerdem fehle es auch an einem entsprechenden Ausreisestempel. Die statt der Stempel vorgelegten Bescheinigungen seien keine Originale. Weder ihr Inhalt noch ihre Echtheit könne überprüft werden. Deshalb seien sie nicht dazu geeignet, eine Ausreise des Antragstellers nachzuweisen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 22.01.2016 gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 20.01.2016 ist zulässig, aber unbegründet. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist von der Rechtmäßigkeit des Bescheides auszugehen.
Die Androhung der Abschiebung gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG ist rechtmäßig, weil der Antragsteller kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig ist.
Gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Für die Einreise und für den Aufenthalt im Bundesgebiet ist ein Aufenthaltstitel erforderlich, sofern nicht u. a. durch Recht der Europäischen Union etwas anderes bestimmt ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Nach Art. 20 Art. 1 des Schengener Durchführungsabkommens (SDÜ), das als Recht der Europäischen Union gemäß § 15 AufenthV die Befreiung vom Erfordernis eines deutschen Aufenthaltstitels bei Kurzaufenthalten gemeinschaftsrechtlich regelt, können sichtvermerksfreie Drittausländer sich im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten frei bewegen, höchstens jedoch 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen und soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a) c) d) e) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen. Drittausländer ist gemäß Art. 1 SDÜ eine Person, die nicht Staatsangehöriger eines der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist. Von diesen Drittausländern sind gemäß Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO die Angehörigen der in Anhang II zu dieser Verordnung aufgeführten Länder für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, sichtvermerksfrei.
Der Antragsteller ist als Staatsangehöriger der in dieser Liste genannten ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien von der Sichtvermerkspflicht befreit, jedoch nur für. Kurzaufenthalte von 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen (Art. 20 Abs. 1 SDÜ).
Wie der Nachweis geführt werden kann, dass die Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen im Bezugszeitraum eingehalten ist, ist in Art. 11 Abs. 1, Abs. 4 Schengener Grenzkodex(SGK) geregelt. Danach können die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber eines Reisedokuments die Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt, wenn sein Reisedokument nicht mit einem Einreise- und Ausreisestempel versehen ist. Diese Vermutung kann der Drittstaatsangehörige durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegen, insbesondere durch Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebietes der Schengen-Staaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat (Art. 11 Abs. 2 SGK).
Das Reisedokument des Antragstellers enthält keine Stempel, aus denen sich eine Ausreise aus dem oder eine Einreise in das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten seit seiner Einreise in den Schengen-Raum Ende August 2014 ergibt. Die Verantwortung dafür, dass die rechtzeitige Ausreise aus dem Schengen-Raum nach Ablauf der zulässigen Dauer eines visumfreien Kurzaufenthalts dokumentiert wird, trifft den Antragsteller, der schon im Eigeninteresse auf Abstemplung seines Reisedokuments durch die Grenzbehörden zu drängen hat, die gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 SGK dazu verpflichtet sind (vgl. dazu Zeitler in HTK-AuslR, Stand Feb. 2016, Art. 20 SDÜ, § 15 AufenthV Ziff. 5.3). Er kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, die ungarischen Grenzbehörden hätten es versäumt, sein Reisedokument bei der von ihm behaupteten Ausreise und Wiedereinreise abzustempeln.
Die sich aus dem Fehlen der Stempel ergebende Vermutung, er habe die zulässige Höchstaufenthaltsdauer für einen Kurzaufenthalt im Schengen-Raum überschritten, hat der Antragsteller durch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen nicht widerlegt. Denn selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, die Nachweise seien echt und belegten einen Aufenthalt in seinem Geburtsort und in … am 08.01.2016, ist damit lediglich glaubhaft gemacht, dass er sich an diesem Tag und ggf. zusätzlich an einem oder mehreren Anreise- und Rückreisetagen in Mazedonien aufgehalten hat. Den erforderlichen darüberhinausgehenden Nachweis, er habe sich in den 180 Tagen vor dem 20.01.2016, als er von der Polizei aufgegriffen wurde und der Bescheid erlassen wurde, insgesamt nicht mehr als 90 Tage im Schengen-Raum aufgehalten, hat er mit den Bescheinigungen, die nur ein kurzfristiges Verlassen belegen, nicht erbracht.
Damit hatte die Ausländerbehörde davon auszugehen, dass sich der Antragsteller über die Dauer eines zulässigen Kurzaufenthalts hinaus und damit widerrechtlich im Bundesgebiet aufhält, so dass er kraft Gesetzes ausreisepflichtig ist. Da er die erstmalige Erteilung der erforderlichen Aufenthaltserlaubnis nicht beantragt hat, ist die Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG auch vollziehbar.
2. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
3. Der Höhe des Streitwertes für die isolierte Abschiebungsandrohung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich nach § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern 8. 3 und 1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).

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