Aktenzeichen 17 U 3109/19
EG-FGV § 4, § 6, § 27 Abs. 1
StGB § 263 Abs. 1
Leitsatz
1. Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. §§ 4 und 6 EG-FGV sind keine Schutzgesetze zu Gunsten des Käufers oder Eigentümers eines Kfz, da es sich insoweit lediglich um öffentlichrechtliche (Zulassungs-)Vorschriften handelt, die allein die Allgemeinheit, nicht aber den Einzelnen schützen. Auch befindet sich der Käufer bzw. Eigentümer im Regelfall im Fahrzeug und bekommt die Abgase mit zu hohen NO-Werten, die das Kfz bei der Fahrt hinter sich lässt, also gerade nicht ab. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
3 O 12949/18 2019-05-17 LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.05.2019, Az. 3 O 12949/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages bzw. Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung im Rahmen des sogenannten „Dieselskandals“.
Die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Endurteil des LG München I hat keinen Erfolg.
I.
Zunächst muss Folgendes festgehalten werden:
1. In dem Fahrzeug ist ein 3-Liter Motor mit Antrieb durch sechs Zylinder eingebaut, der nach der Zulassung der Euro-V-Norm entspricht bzw. entsprechen müsste. Es handelt sich also zum Einen um keinen Dieselmotor vom Typ EA 189 (vgl. Endurteil des LG München I vom 17.05.2019, dort Seite 2 = Bl. 361 d. A.) und zum Anderen nicht um einen Dieselmotor, der die Euro-VI-Norm erfüllen müsste. Die Ausführungen des BGH in seinem Beschluss vom 08.01.2019 (VIII ZR 225/17, WM 2019, 424) hat dieser daher gerade nicht in einem sogenannten Parallelverfahren veröffentlicht.
2. Für diesen Motor gibt es keinen Rückrufbescheid des KBA, wonach durch Softwareupdate eine „Abschaltautomatik“ abzuschalten wäre (vgl. Endurteil des LG München I vom 17.05.2019, dort Seite 12 unter Ziffer B II 1 b bb = Bl. 371 d. A.).
3. Gegen beide Feststellungen wendet sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung vom 21.08.2019 nicht. Sie sind daher für den Senat verbindlich (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), zumal auch nicht ersichtlich ist, inwiefern diese Feststellungen falsch sein sollten.
II.
Es spricht alles dafür, dass die Berufung gegen die Beklagte zu 2) bereits unzulässig ist (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO):
1. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschluss vom 23.10.2012, XI ZB 25/11, NJW 2013, 174, 175, Randziffer 11; s.a. Beschluss vom 22.11.2016, XI ZB 9/13, WM 2017, 327, 334, Randziffer 66; Urteil vom 18.01.2018, IX ZR 31/15, WM 2018, 350, 351, Randziffer 7), was von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 29.05.2013, VIII ZR 174/12, NJW 2013, 2584, 2586, Randziffer 22). Der Grund hierfür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist. Ausnahmsweise kann aber der Angriff gegen einen selbständigen Abweisungsgrund genügen, wenn dieser aus Rechtsgründen auch den anderen Abweisungsgrund zu Fall bringt (BGH, Urteil vom 18.01.2018, IX ZR 31/15, WM 2018, 350, 351, Randziffer 7).
2. Auf Seiten 12 und 13 der Urteilsurkunde des Endurteils des Landgerichts München I vom 17.05.2019 (Bl. 371/372 d. A.) finden sich folgende Erwägungen des Erstgerichts: „Bei dieser Sachlage bestehen keinerlei Anknüpfungstatsachen dafür, dass in dem Fahrzeug eine Software verbaut ist, die zweierlei Betriebsmodi (für den Prüfzyklus und für den regulären Fahrbetrieb) kennt.“
Sodann führt das Erstgericht weiter aus: „Den weiteren pauschalen Vortrag, wonach auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Software verbaut sei, hat die Klagepartei durch keinerlei Tatsachenvortrag konkretisiert. Nicht ausreichend ist der Vortrag, wonach das Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb höhere Emissionswerte aufweist als die angegebenen Werte.“
3. Damit hat der Erstrichter festgestellt, dass der Vortrag des Klägers hinsichtlich eines etwaigen Schadensersatzanspruchs gegenüber der Beklagten zu 2) unsubstantiiert sei. Aus der gesamten Berufungsbegründung vom 21.08.2019 (Bl. 391/454 d. A.) ergibt sich aber nicht, inwieweit und mit welchen konkreten Rügen der Kläger hiergegen seine Berufung begründet hat.
Damit wird die Klageabweisung gegenüber der Beklagten zu 2) allein hierdurch getragen, wobei das Berufungsgericht bei der Zulässigkeitsprüfung der Berufung nicht prüft, ob die Entscheidungsgründe des Erstgerichts hierzu materiellrechtlich richtig sind. Entscheidend ist, dass die Berufungsbegründung des Klägers insoweit unzureichend ist und deswegen auch diesbezüglich keine Sachprüfung durch das Berufungsgericht stattfindet.
Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) ist unbegründet:
1. Dass etwaige Gewährleistungsansprüche gegenüber der Beklagten zu 1) wegen deren fehlender Unkenntnis ohne Zurechnung des Verhaltens der A. AG verjährt wären, stellt der Kläger selbst nicht in Abrede.
2. Ein etwaiges Verhalten der Beklagten zu 2) im Sinne von arglistiger Täuschung durch diese (dass diese tatsächlich nicht vorliegt, dazu sogleich) ist der Beklagten zu 1) nicht zuzurechnen:
a) Der Vorlieferant eines Verkäufers ist grundsätzlich nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer im Sinne des § 278 BGB (BGH, Urteil vom 18.10.2017, VIII ZR 86/16, NJW 2018, 291, 293, Randziffer 24; vgl. auch Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13, NJW 2014, 2183, 2185, Randziffer 31; Urteil vom 29.04.2015, VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244, 2244, Randziffer 13).
b) Damit ist aber auch eine etwaige Kenntnis des Vorlieferanten dem Verkäufer als eigenes Wissen nicht zuzurechnen, so dass die Verjährungsvorschrift des § 438 Abs. 3 BGB nicht greift, weshalb die Regelverjährung von 2 Jahren nach Übergabe der Kaufsache weiterhin gilt (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Da nach eigenem Vortrag des Klägers das Fahrzeug am 16.10.2014 übergeben wurde (Anlage K 72), greift die Verjährungseinrede der Beklagten zu 1) durch.
3. Der Kaufvertrag ist auch nicht nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative, § 142 Abs. 1, § 123 BGB):
a) Ein am Zustandekommen eines Vertrages Beteiligter ist dann nicht als Dritter im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, wenn sein Verhalten dem des Anfechtungsgegners gleichzusetzen ist. Dies ist über den Bereich der gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretung hinaus auch bejaht worden bei einem vom Erklärungsempfänger beauftragten Ver handlungsführer oder -gehilfen sowie bei einem Beteiligten, dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss (BGH, Urteil vom 20.11.1995, II ZR 209/94, NJW 1996, 1051, 1051, Ziffer 3). Als Dritter gilt nicht, wer bei Abgabe der täuschenden Erklärung mit Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners als dessen Vertrauensperson oder Repräsentant auftritt. Diese Voraussetzungen entsprechen denjenigen, die für eine Erfüllungsgehilfenstellung nach § 278 BGB gefordert werden (BGH, Urteil vom 30.03.2011, VIII ZR 94/10, WM 2011, 1760, 1762, Randziffer 15).
b) Die Beklagte zu 1) ist selbständiger Händler und dürfte rahmenvertraglich mit der Beklagten zu 2) allenfalls durch einen Vertragshändlervertrag verbunden sein. Dies stellt jedoch nicht eine dermaßen enge Beziehung zwischen den beiden Beklagten her, so dass die Beklagte zu 2) nicht mehr als Dritter im Sinn des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen wäre. Das gilt hier umso mehr, als der Kläger selbst nicht behauptet, dass die Beklagte zu 1) positive Kenntnis oder auch nur fahrlässige Unkenntnis von den Vorgängen bei der Beklagten zu 2) um eine etwaige Abschaltautomatik beim streitgegenständlichen Pkw gehabt hätte. Diesbezüglich ist Gegenteiliges auch nicht ersichtlich.
Das Urteil des BGH vom 22.01.1990 (II ZR 25/89, NJW 1990, 1915) ist hier nicht einschlägig, da im dortigen Fall Anfechtungsgegner und potentieller Dritter im gleichen Lager standen, was hier jedoch auch im Falle eines Vertragshändlervertrages der Beklagten nicht der Fall ist. Die Beklagte zu 1) vertritt auch gegenüber dem Kläger grundsätzlich lediglich eigene Interessen und auch nicht im Verborgenen diejenige der Beklagten zu 2).
4. Der Kaufvertrag ist auch nicht nach § 27 Abs. 1 EG-FGV, § 134 BGB nichtig (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB):
a) Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot setzt nicht voraus, dass die betreffende Norm ein Verbot ausdrücklich ausspricht. Ob eine Norm ein Verbotsgesetz darstellt, ist vielmehr durch Auslegung nach ihrem jeweiligen Sinn und Zweck zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 19.06.2013, XII ZB 357/11, FamRZ 2013, 1392, 1393, Randziffer 12). Fehlt eine ausdrückliche Regelung, so ist die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftli chen Erfolg. Letzteres und damit das Vorliegen eines Verbotsgesetzes wird von der Rechtsprechung regelmäßig bejaht, wenn beide Vertragsparteien mit dem Vertragsschluss ein gesetzliches Verbot verletzen. Die Prüfung des Vorliegens eines Verbotsgesetzes hat sich daher auf die Frage zu erstrecken, ob hier ein Verbot missachtet ist, das sich nicht nur an die einen Vertragspartner, sondern an beide richtet. Sollte das Verbot nur einen Vertragspartner treffen, so führt ein Verstoß nur dann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert (BGH, Urteil vom 17.01.2003, V ZR 137/02, WM 2003, 788, 791, Ziffer II 2 c bb (1)).
b) Schon wenn man sich den Wortlaut des § 27 Abs. 1 EG-FGV ansieht, ist klar, dass sich diese Norm ausschließlich an den Verkäufer von neuen Kraftfahrzeugen richtet, nicht jedoch an den Käufer. Dort ist lediglich davon die Rede, dass Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr nur unter bestimmten Voraussetzungen feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Darüber hinaus legt der Kläger in der Berufung selbst die entsprechende Übereinstimmungsbescheinigung vor (Anlage BB 7). Dass die darauf beruhende Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt gegenüber der Beklagten zu 2) widerrufen worden wäre, behauptet der Kläger demgegenüber selbst nicht. Ob im Einzelnen tatsächlich die Übereinstimmungsbescheinigung inhaltlich richtig ist, besagt nichts darüber, ob Fahrzeuge zugelassen werden dürfen oder nicht. Gerade aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 EG-FGV ergibt sich Letzteres nämlich nicht. Dort ist nur die Rede, dass das Fahrzeug mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen sein muss.
Jedenfalls führt dies nicht dazu, dass ein Verstoß seitens der Beklagten zu 2) der vom Kläger behaupteten Art gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts mit der Beklagten zu 1) erfordert.
c) Auf ein Aufspielen eines Software-Updates kommt es im vorliegenden Fall also gerade nicht an, so dass die Frage einer möglichen Heilung hier unerörtert bleiben kann.
5. Schon mangels positiver Kenntnis der Beklagten zu 1) oder auch nur wegen deren (nicht bestehender) fahrlässiger Unkenntnis scheitern jede Art von vertraglichen Schadensersatzansprüchen bzw. solchen aus unerlaubter Handlung (§ 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, 823 Abs. 2, § 826 BGB). Diesbezüglich trägt der Kläger auch nichts Gegenteiliges vor.
IV.
Die Berufung des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2) als zulässig unterstellt, stehen dem Kläger trotzdem keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2) zu:
1. Vertragliche Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) sind nicht ersichtlich, werden vom Kläger selbst auch nicht behauptet, weshalb entsprechende Anspruchsgrundlagen ausscheiden. Das gilt auch für etwaige vorvertragliche Schadensersatzansprüche.
2. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV, § 37 Abs. 1 EG-FGV:
Wie bereits oben (vgl. Ziffer III 4) ausgeführt, war das klägerische Fahrzeug mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen. Der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV ist eindeutig: Dort steht nicht inhaltlich richtige Übereinstimmungsbescheinigung, sondern gültige. Dies kann nur so verstanden werden, dass es darauf ankommt, dass der Hersteller die erteilte Übereinstimmungsbescheinigung als weiterhin gültig ansieht und nicht, aus welchen Gründen auch immer, zurückgezogen hat.
3. §§ 4 und 6 EG-FGV sind keine Schutzgesetze zu Gunsten des Klägers (§ 823 Abs. 2 BGB):
a) Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten (und hinreichend klargestellten: BGH, Urteil vom 11.12.2018, II ZR 455/17, WM 2019, 445, 448, Randziffer 32) Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH, Urteil vom 14.05.2013, VI ZR 255/11, NJW 2014, 64, 64, Randziffer 7; Urteil vom 13.03.2018, VI ZR 143/17, WM 2018, 778, 780, Randziffer 27; Urteil vom 05.04.2018, III ZR 211/17, NJW 2018, 2264, 2267, Randziffer 24; s.a. Urteil vom 09.12.2014, VI ZR 155/14, NJW 2015, 1174, 1174, Randziffer 10; Urteil vom 11.01.2005, VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, 673, Ziffer II 1 a; Urteil vom 13.03.2018, II ZR 158/16, WM 2018, 858, 859, Randziffer 14). Zudem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Sinne des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, geprüft werden muss, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktsrechtliche Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zu Gunsten des Geschädigten gegebenen Beweiserleichterungen zu knüpfen (BGH, Beschluss vom 09.04.2015, VII ZR 36/14, NJW 2015, 2737, 2738, Randziffer 20; Urteil vom 13.03.2018, II ZR 158/16, WM 2018, 858, 859, Randziffer 14; Urteil vom 05.04.2018, III ZR 211/17, NJW 2018, 2264, 2267, Randziffer 24; s.a. BGH, Urteil vom 06.05.2008, XI ZR 56/07, WM 2008, 1252, 1256, Randziffer 51 a.E.; Urteil vom 17.09.2013, XI ZR 332/12, WM 2013, 1983, 1985, Randziffer 23; Urteil vom 11.06.2013, II ZR 80/12, WM 2013, 1511, 1514, Randziffer 35; Urteil vom 10.02.2011, I ZR 136/09, WM 2011, 999, 1001, Randziffer 18). Dann allerdings kann eine im Gesetz angelegte drittschützende Wirkung der Norm auch zu Schadensersatzansprüchen führen, wenn sie in Bezug auf die im Einzelfall zu erlassenden Ge- und Verbote noch der Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt bedarf (BGH, Urteil vom 18.11.2003, VI ZR 385/02, NJW 2004, 356, 357, Ziffer II 2 a aa).
b) Da es sich insoweit lediglich um öffentlichrechtliche (Zulassungs-)Vorschriften handelt, die aber nicht dazu gedacht sind, den Einzelnen entsprechend zu schützen, sondern lediglich die Allgemeinheit, liegen keine Schutzgesetze vor. Der Eigentümer/Käufer eines solchen Kraftfahrzeugs soll schon deshalb durch §§ 4 und 6 EG-FGV nicht geschützt werden, weil er sich im Regelfall im Fahrzeug befindet, bei der Fahrt aber gerade zu hohe NO-Werte hinter sich lässt, also gerade nicht abbekommt.
4. Dem Kläger stehen aber auch keine Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB zu:
a) Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 04.12.2012, VI ZR 378/11, WM 2013, 306, 308, Randziffer 16; BGH, Urteil vom 18.01.2018, I ZR 150/15, Randziffer 30; Urteil vom 24.01.2019, IX ZR 110/17, WM 2019, 452, 457, Randziffer 46; vgl. a. Urteil vom 08.01.2014, WM 2014, 1143, 1145, Randziffer 17; s.a. BGH, Urteil vom 24.10.2014, V ZR 45/13, WM 2015, 230, 232, Randziffer 22; Urteil vom 19.05.2016, III ZR 274/15, WM 2017, 347, 351, Randziffer 40). Eine sekundäre Darlegungslast besteht aber nicht, soweit für die primär beweisbelastete Partei eine weitere Sachaufklärung möglich und zumutbar ist (BGH, Beschluss vom 05.01.2017, VII ZR 184/14, BauR 2017, 721, 723, Randziffer 19). Begegnet im Einzelfall die nicht beweispflichtige Partei im Hinblick auf eine ihr obliegende Substantiierungslast ebenfalls Schwierigkeiten, weil sie die entsprechenden Tatsachen nicht kennt und auch nicht in Erfahrung zu bringen vermag, kann von ihr eine solche Substantiierung nicht gefordert werden. Andernfalls würde in einem solchen Fall, in dem sowohl der darlegungs- und beweisbelasteten Partei als auch der Gegenpartei Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, letztlich die Darlegungslast vollständig umgekehrt und der Gegenpartei – unabhängig von ihren Kenntnissen und Erkenntnismöglichkeiten – auferlegt (BGH, Urteil vom 19.10.2017, III ZR 565/16, WM 2017, 2191, 2193, Randziffer 23). Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Es spielt dabei weder eine Rolle, dass es sich bei dem als verletzt in Rede stehenden Schutzgesetz um eine strafrechtliche Norm handelt, noch, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht (BGH, Urteil vom 10.02.2015, VI ZR 343/13, WM 2015, 743, 744, Randziffer 11). Das ist jedoch nicht der Fall, wenn beide Parteien Außenstehende sind, mag die eine Partei auch über besseres Fachwissen verfügen, solange sie nicht Einblick in die Verhältnisse im Zusammenhang mit den zu beweisenden Tatsachen hat (BGH, Urteil vom 04.12.2012, VI ZR 378/11, WM 2013, 306, 308, Randziffer 16). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH, Urteil vom 03.06.2014, VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797, 2798, Randziffer 20; s.a. Beschluss vom 09.01.2018, II ZB 14/16, WM 2018, 556, 558, Randziffer 41).
b) Im vorliegenden Fall trifft die Beklagte zu 2) keine sekundäre Darlegungslast: Erstinstanzlich hat der Kläger nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen und entsprechende Nachweise vorgelegt, woher er die Erkenntnis bezieht, dass im Rahmen eines (seiner Ansicht nach rechtswidrigen) Thermofensters die Beklagte in den Motor seines Fahrzeugs eine sogenannte „Abschaltautomatik“ eingebaut hat. Das jetzt mit der Berufungsbegründung vorgelegte Gutachten der Deutschen Umwelthilfe vom 11.10.2018 (Anlage BB 31) stellt neuen Sachvortrag dar, der Kläger teilt jedoch nicht mit, inwieweit es ihm erstinstanzlich nicht möglich gewesen wäre, dieses (Privat-)Gutachten in den Rechtsstreit einzuführen (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Es bleibt daher im vorliegenden Rechtsstreit unberücksichtigt.
5. Darüber hinaus ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 2) bzw. ihre verantwortlichen Vorstände (§ 31 BGB) oder ihre Verrichtungsgehilfen (§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB) bei einer etwaigen „Abschaltautomatik“ hier vorsätzlich gehandelt hätten:
a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Auch hier müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, WM 2016, 1975, 1977, Randziffer 16; s.a. BGH, Urteil vom 19.10.2010, VI ZR 124/09, WM 2010, 2256, 2257, Randziffer 12; Urteil vom 20.11.2012, VI ZR 268/11, WM 2012, 2377, 2379, Randziffer 25; Urteil vom 04.06.2013, VI ZR 288/12, WM 2013, 1310, 1312, Randziffer 14; Urteil vom 19.11.2013, VI ZR 336/12, WM 2014, 17, 18, Randziffer 9; Urteil vom 03.12.2013, XI ZR 295/12, WM 2014, 71, 72f., Randziffer 23; Urteil vom 20.07.2017, IX ZR 310/14, WM 2017, 1559, 1560, Randziffer 16). Bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 07.05.2019, VI ZR 512/17, WM 2019, 1262, 1263, Randziffer 8).
b) Dass bei bestimmten Außentemperaturen die Abgasrückführung zur Vermeidung von Schäden am Motor abgeschaltet werden darf, ist zwischen den Parteien unstrittig. Höchst strittig mag dann sein, wie umfänglich eine solche Abschaltung tatsächlich vorgenommen werden darf, dies mag auch zu (öffentlichrechtlichen) Auseinandersetzungen mit dem Kraftfahrtbundesamt wegen entsprechender Abstellungsbescheide führen. Eine tatsächlich sittenwidrige Schädigungsabsicht oder Betrugsabsicht der Beklagten zu 2) bzw. ihrer Verantwortlichen oder ihrer Verrichtungsgehilfen lässt sich damit jedoch seitens des Klägers nicht ansatzweise darlegen.