Aktenzeichen B 6 S 17.50926
Leitsatz
1. Einer Überstellung nach Rumänien kann nicht mit Erfolg mit dem Einwand entgegentreten werden, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Rumänien systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung iSd Art. 4 GRCh, Art. 3 EMRK mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Rumänien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO). (Rn. 31 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die unionsrechtlichen Vorgaben zur uneingeschränkten Achtung der Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls, die auch im Zusammenhang mit Überstellungen nach der Dublin III-VO einzuhalten sind sowie der Schutz der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 6 GG gebieten es, dass das Bundesamt im Hinblick auf die beiden Kleinkinder und insbesondere des Neugeborenen in Abstimmung mit den rumänischen Behörden sicherstellt, dass die rumänischen Behörden von ihrer Befugnis Gebrauch machen, die Antragsteller nicht zu inhaftieren, sondern dafür zu sorgen, dass sie als Familie zusammen außerhalb einer Haftanstalt in einer Art und Weise untergebracht werden, dass ihre elementaren Bedürfnisse gesichert sind. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin W., Bamberg, beigeordnet.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11.08.2017 (Az. B 6 K 17.50927) gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 03.08.2017 wird angeordnet.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung ihrer Überstellung nach Rumänien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Die Antragsteller, ein Ehepaar und zwei ihrer minderjährigen Kinder, sind afghanische Staatsangehörige und sunnitische Muslime. Sie sind Tadschiken und stammen aus einem Dorf in der Provinz Kabul. Nach eigenen Angaben verließen sie ihr Herkunftsland am 20.09.2016 und durchreisten den Iran, die Türkei, Griechenland, Albanien, Kosovo und Serbien. Von dort gelangten sie nach Rumänien. Am 03.05.2017 stellten der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 nach Angaben der rumänischen Behörden in Timisora für sich und ihre Kinder Asylanträge, die am 26.06.2017 abgelehnt wurden. Dagegen legten sie keine Rechtsbehelfe ein, sondern fuhren, versteckt auf einem Lkw, nach Deutschland weiter, wo sie am 02.07.2017 ohne Visa und Identitätspapiere einreisten.
Eine Eurodac-Recherche am 02.07.2017 gab Aufschluss über die Asylantragstellung der Antragsteller zu 1 und 2 am 03.05.2017 in Timisora (Rumänien) (RO 1…).
Am 06.07.2017 stellten die Antragsteller zu 1 und 2 für sich und die Antragsteller zu 3 und 4 in Bamberg Asylanträge. Bei seiner in Dari durchgeführten Anhörung am 10.07.2017 erklärte der Antragsteller zu 1, ein Mafiaboss, der ihm bereits im Zusammenhang mit einem gescheiterten Bauprojekt in Afghanistan nachgestellt habe, habe ihn auch in Rumänien bedroht. Die Antragstellerin zu 2, die im Anschluss daran angehört wurde, ergänzte, ein Afghane habe sie in Rumänien davor gewarnt, dieselben Leute, die ihnen in ihrem Herkunftsland Schwierigkeiten bereitet hätten, seien nun auch in Rumänien, um ihnen Probleme zu machen. Daraufhin seien sie so schnell wie möglich nach Deutschland weitergereist.
Am 18.07.2017 stellte die zuständige deutsche Dublin-Einheit ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO für die Antragstellerin zu 2 und ihre Kinder an die rumänischen Behörden. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zu 2 voraussichtlich am 01.08.2017 ein Kind erwarte. Am 20.07.2017 wurde ein entsprechender Antrag für den Antragsteller zu 1 gestellt. Am 01.08.2017 erklärte sich die rumänische Dublin-Einheit zur Rückübernahme der Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO bereit. Auf die ihr mitgeteilte Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2 ging die rumänische Behörde nicht ein und äußerte sich insbesondere auch nicht dazu, wie die Antragsteller in Rumänien untergebracht werden würden.
Mit Bescheid vom 03.08.2017 lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziff. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1
AufenthG auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4). Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.
In einem Vermerk vom 03.08.2017 geht das Bundesamt davon aus, dass die Zuständigkeit auf die Republik Rumänien am 01.08.2017 übergegangen ist und die Überstellungsfrist am 01.02.2018 endet. Am 11.08.2017 kam in Bamberg ein weiterer Sohn als drittes Kind der Antragsteller zu 1 und 2 zur Welt.
Mit Telefax ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.08.2017 haben die Antragsteller Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.08.2017 aufzuheben sowie über den Antrag auf Asyl neu zu entscheiden (Az. B 6 K 17.50927).
Ebenfalls am 11.08.2017 haben ihre Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides vom 03.08.2017 anzuordnen.
Außerdem haben sie beantragt,
den Antragstellern Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin …, B., beizuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung sei anzuordnen, weil Rumänien nicht zuständig sei, weil die Antragsteller dort keinen Antrag gestellt hätten. Außerdem wiesen das Asylverfahren und die Unterbringung in Rumänien systemische Schwachstellen auf, so dass Deutschland von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen habe. Weiter bestehe ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK, weil Rumänien keine Zusicherung abgegeben habe, dass die Familie mit den inzwischen drei minderjährigen Kindern kindgerecht untergebracht werde. Darüber hinaus habe die Abschiebung nach Rumänien zu unterbleiben, weil die Gefahr bestehe, dass der Antragsteller zu 1 dort von der afghanischen Mafia getötet werde. Schließlich sei die Antragsgegnerin gehindert, die Antragstellerin zu 2 während der achtwöchigen Mutterschutzfrist nach der Geburt ihres dritten Kindes abzuschieben.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie beruft sich auf die Begründung des Bescheides vom 03.08.2017.
Mit Bescheid vom 02.10.2017 wurde der Asylantrag des dritten Kindes ebenfalls als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, die Abschiebung nach Rumänien angeordnet und das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Gegen diesen Bescheid wurde ebenfalls Klage erhoben (Az. B 6 K 17.51093) und ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (Az. B 6 S 17.51092).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin …, B., beigeordnet.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, verspricht der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung, den die Antragsteller, die Leistungen nach dem AsylbLG beziehen, gestellt haben, Aussicht auf Erfolg. Deshalb wird gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe bewilligt und gemäß § 121 Abs. 2 ZPO die für eine Vertretung erforderliche Rechtsanwältin beigeordnet.
2. Der nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen.
Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich bei der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig dar. Deshalb hat das Aussetzungsinteresse der Antragsteller hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 AsylG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind, also feststeht, dass der andere Staat zuständig ist und die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht – wenn auch nur vorübergehend – aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
a) Zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens ist zwar die Republik Rumänien.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
aa) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist dann, wenn festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Grenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig.
Zuständig für die Prüfung des Antrags der Antragsteller auf internationalen Schutz ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO Rumänien, weil festgestellt wurde, dass die Antragsteller aus einem Drittstaat (Serbien) kommend die Landgrenze Rumäniens illegal überschritten haben. Seit dem illegalen Grenzübertritt bis zur Antragstellung in Rumänien am 03.05.2017, auf die gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO abzustellen ist, waren die zwölf Monate noch nicht vergangen, mit deren Ablauf gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit Rumäniens endet.
bb) Gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO ist der zuständige Mitgliedstaat (Rumänien) verpflichtet, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO einen Drittstaatsangehörigen wieder aufzunehmen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden. Zum einen liegt ein Eurodac-Treffer der Kategorie 1 vor. Mittels dieses Beweismittels ist festgestellt, dass die Antragsteller in Rumänien bereits Anträge gestellt haben und nicht lediglich ein Grenzübertritt vorliegt (Art. 24 Abs. 4, Art. 9 Abs. 1 Eurodac-VO). Zum zweiten hat die rumänische Dublin-Einheit mitgeteilt, dass die rumänischen Behörden die Anträge am 26.06.2017 abgelehnt haben. Zum dritten haben die Antragsteller selbst angegeben, dass sie nicht während der Prüfung, sondern erst nach der Ablehnung der Anträge nach Deutschland weitergereist sind.
cc) Die Zuständigkeit Rumäniens ist nicht gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO entfallen. Danach ist der Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn nicht innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO festgesetzten Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung ein Treffer am 02.07.2017 gemeldet und die Wiederaufnahmegesuche am 18. bzw. 20.07.2017 gestellt wurden, ist diese Frist eingehalten worden. Rumänien hat dem auf Angaben aus dem Eurodac-System gestützten Gesuch vom 01.08.2017 binnen zwei Wochen stattgegeben (Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO).
dd) Die Zuständigkeit Rumäniens ist auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die sechsmonatige Überstellungsfrist, die gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO mit der Stattgabe des Wiederaufnahmegesuchs durch die rumänische Dublin-Einheit am 01.08.2017 zu laufen begann, endet am 01.02.2018 und ist damit noch nicht abgelaufen.
ee) Weiter ergibt sich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrages der Antragsteller auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO. Insbesondere können die Antragsteller einer Überstellung nach Rumänien nicht mit Erfolg mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Rumänien systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtscharta, Art. 3 EMRK mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Rumänien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 UnterAbs. 2 und 3 Dublin-III-VO).
Bei der dazu anzustellenden Prüfung kommt es nur darauf an, ob im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen systemische Mängel bestehen, nicht jedoch darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob der Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung, hier Rumänien, vorliegen (BVerwG, B. v. 06.06.2014 – 10 B 35/14 – NVwZ 2014, 1677/1679 Rn. 6).
Gegen das Vorliegen systemischer Mängel spricht zunächst, dass die EU-Kommission die nach dem EU-Beitritt Rumäniens zum 01.01.2007 die Entwicklung des Landes weiter überwacht hat und in jährlichen Monitoring-Berichten die Ergebnisse festgehalten hat, im Zeitraum von 2007 bis 2017 in keiner Form auf noch bestehende Defizite des Asylverfahrens eingegangen ist. Auch die Aktivitäten des UNHCR und anderer NGOs, mit denen Rumänien zusammenarbeitet, lassen keine grundlegenden Verletzungen der GFK oder der EMRK erkennen (VG Düsseldorf, B. v. 10.04.2017 – 22 L 668/17.A – juris Rn. 32).
Einen systematischen Mangel begründet insbesondere nicht, die trotz der wesentlichen Erhöhung in den letzten zwei Jahren immer noch im Vergleich zum deutschen Niveau geringe Höhe der Barbezüge von Asylsuchenden. Denn die finanzielle Hilfe von insgesamt 114,00 EUR monatlich fällt nicht deutlich gegenüber dem durchschnittlichen Monatslohn von 462,00 EUR und dem gesetzlichen Mindestlohns von 275,00 EUR in Rumänien deutlich ab (VG Düsseldorf a.a.O., juris Rn. 52-63). Auch die sonstigen vorliegende Informationen lassen nicht den Schluss zu, dass gegenwärtig in Rumänien systematisch gegen die Vorschriften der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie) verstoßen wird oder menschenrechtswidrige Aufnahmebedingungen vorherrschen ( in diesem Sinne neuestens auch VG Karlsruhe, B. v. 12.09.2017 – A 1 K 10625/17 – juris Rn. 5-11; Österreichisches BVerwG, Erkenntnis v. 28.09.2017 – W 1538 2164766-1 – abrufbar unter www.ris.bka,gv.at; VG Göttingen, B. v. 04.10.2017 – 2 B 683/17 – juris Rn. 12 -19).
Soweit Gerichte demgegenüber systemische Mängel bejahen, stützen sie sich dabei auf (jedenfalls nunmehr) veraltete Erkenntnismittel (VG Schwerin, B. v. 27.03.2015 – 3 B 236/15 Asjuris Rn. 14f.: Bericht des UNHCR von 2012) oder die Entscheidungen betreffen die von der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern zu unterscheidende Rücküberstellung von subsidiär Schutzberechtigten (VG Bremen, B. v. 02.02.2017 – 5 V 131/17 – juris Rn.12f.).
b) Die aufschiebende Wirkung der Klage ist jedoch anzuordnen, weil der Rücküberstellung zum derzeitigen Zeitpunkt ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m.Art. 3 EMRK entgegensteht.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot setzt dabei voraus, dass ernsthafte, durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Ausländer Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. von. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere auch darauf, ob der Ausländer der Gruppe der besonders verletzlichen Personen zuzuordnen ist.
Zur Gruppe der besonders verletzlichen Personen gehören Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern. Insbesondere minderjährige Asylbewerber bedürfen, auch wenn sie von ihren Eltern begleitet werden, eines besonderen Schutzes, weil sie besondere Bedürfnisse haben und extrem verwundbar sind. Sie dürfen deshalb unter Wahrung der Familieneinheit nur in Aufnahmeeinrichtungen Einrichtungen untergebracht werden, die dem Alter der Kinder entsprechen, so dass keine Situation von Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche der Kinder entsteht. Andernfalls wird die Schwere erreicht, die erforderlich ist, um unter das Verbot in Art. 3 EMRK zu fallen (EGMR, U. v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2014, 127131 Rn. 119f. Tarakhel).
Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren in Rumänien bestandskräftig erfolglos beendet war, können nach Erkenntnissen des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich, die am 19.09.2016 schriftlich festgehalten wurden (wiedergegeben in ÖBVerwG, Erkenntnis v. 28.09.2017, a.a.O. unter Länderfeststellungen 2. und 3.) und z.T. auf den Angaben des für Asylfragen zuständigen Generalinspektorats für Immigration beruhen (abrufbar unter http://igi.mai.gov.ro), einen Folgeantrag stellen, werden aber als illegale Fremde für längstens 18 Monate in Gewahrsam genommen. Bei einigen Vulnerablen, zu denen nach Art. 5 Rumänisches Asylgesetz 122/2006 auch begleitete Minderjährige gehören, wird nach einer Änderung im Fremdengesetz auf Haft verzichtet, wenn sie eine alternative Unterbringung nachweisen können, wobei sie von NGOs unterstützt werden. Die übrigen werden in Haft genommen und, sofern möglich, in einem in limitierter Anzahl vorhandenen separaten Haftraum untergebracht. Auch Minderjährige, die mit ihren Familien reisen, können in Haft genommen werden, wenn die Behörden zu der Einschätzung kommen, dass es dem Interesse des Kindes im Interesse der Familieneinheit eher dienlich ist, inhaftiert zu werden, als außerhalb der Haftanstalt untergebracht zu werden. Kommt das Generalinspektorat für Immigration dagegen zu der Auffassung, dass es geboten erscheint, den Minderjährigen nicht zu inhaftieren, kann er mit Zustimmung der Familie von NGOs getrennt von der Familie untergebracht werden. Inwieweit die Hafteinrichtungen Bedürfnisse von Kindern berücksichtigen, wird unterschiedlich beurteilt: Während im November 2012 noch die Rede davon war, die Hafteinrichtungen seien nicht speziell auf Kinder ausgerichtet und es gebe dort weder speziell geschulten Mitarbeiter noch einen Zugang zur Bildung (so der Bericht über Rumänien seitens des Dublin Transnational Project, wiedergeben in ÖBVerwG, Erkenntnis vom 08.02.2017 – W1682127455-1 – abzurufen über www.ris.bka.gv.at), wird nunmehr davon ausgegangen, die Minderjährigen verfügten in den Haftanstalten über sämtliche Kindesrechte (ÖBVerwG, Erkenntnis vom 28.09.2017 a.a.O.).
Die in Rumänien geltenden Regelungen und ihre Handhabung in der Verwaltungspraxis erlauben eine Rückführung der Antragsteller, eine Familie mit zwei Kleinkindern im Alter von drei und vier Jahren und einem vor drei Monaten geborenen Säugling nur dann, wenn zuvor verlässliche Schutzvorkehrungen getroffen wurden.
Nach Art. 8 Richtlinie 2013/33/EU (AufnahmeRL) ist es zwar nicht von vornherein untersagt, Antragsteller auf internationalen Schutz während des Verfahrens in Haft zu nehmen. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 AufnahmeRL verlangt jedoch, dass Minderjährige nur im äußersten Fall in Haft genommen werden dürfen, nachdem festgestellt worden ist, dass weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam angewandt werden können. Weiter schreibt die Aufnahmerichtlinie vor, dass eine derartige Haft für den kürzestmöglichen Zeitraum angeordnet wird und alle Anstrengungen unternommen werden, um die in Haft befindlichen Minderjährigen aus dieser Haft zu entlassen (Art.11 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL). Erwägungsgrund 20 AufnahmeRL verlangt weiter, dass alle Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen darauf geprüft worden sind, ob sie besser geeignet sind, die körperliche und geistige Unversehrtheit des Antragstellers sicherzustellen. Erwägungsgrund 22 fordert dazu auf, dass bei der Entscheidung über die Unterbringungsmodalitäten dem Wohl eines Kindes Rechnung zu tragen ist.
Diese unionsrechtlichen Vorgaben zur uneingeschränkten Achtung der Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls, die auch im Zusammenhang mit Überstellungen nach der Dublin III-VO einzuhalten sind (Erwägungsgrund 16 zur Dublin III-VO) sowie der Schutz der berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 GG gebieten es, dass das Bundesamt im Hinblick auf die beiden Kleinkinder und insbesondere des Neugeborenen in Abstimmung mit den rumänischen Behörden sicherstellt, dass die rumänischen Behörden von ihrer Befugnis Gebrauch machen, die Antragsteller nicht zu inhaftieren, sondern dafür zu sorgen, dass sie als Familie zusammen außerhalb einer Haftanstalt in einer Art und Weise untergebracht werden, dass ihre elementaren Bedürfnisse gesichert sind (vgl. für eine entsprechende Garantie bei Rückführungen nach Italien BVerfG, B. v. 17.09.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn.16).
Eine derartige individuelle Garantieerklärung liegt nicht vor. Denn das Bundesamt hatte zwar in seinem Übernahmeersuchen vom 18.07.2017 auf die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2 hingewiesen, die rumänische Dublin-Einheit hat aber in ihrer Antwort vom 01.08.2017 nicht ausdrücklich darauf reagiert, sondern sich lediglich darauf beschränkt, die deutschen Behörde zu ersuchen, sieben Tage vor der Rückführung den rumänischen Behörden die Einzelheiten der Rücküberstellung zu klären.
Ohne eine entsprechende Zusicherung der rumänischen Behörden steht der Abschiebung aber derzeit ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK entgegen, so dass die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist.
3. Als unterliegender Teil trägt die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Hinweis:
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.