Aktenzeichen 23 O 3719/19
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 28.617,68 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen vertraglichen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe und des Fahrzeugs, noch einen entsprechenden deliktischen Anspruch auf Schadensersatz.
1. Vertragliche Ansprüche bestehen zwischen den Parteien nicht. Der Kläger hat den streitgegenständlichen PKW … bei der „…“ gekauft, die nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten nicht die gleiche Gesellschaft wie die Beklagte ist.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen deliktischen Verhaltens nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
Gemäß § 826 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (Palandt-Sprau, BGB 79. Aufl., § 826 Rz. 4).
Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB ist erforderlich, dass der Betrugstatbestand des § 283 StGB erfüllt ist. Dieser setzt voraus, dass das Vermögen des Geschädigten durch die vorsätzliche Vorspiegelung falscher Tatsachen durch den Täter mit der Absicht geschädigt wurde, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
In subjektiver Hinsicht erfordern die beiden vorstehenden Anspruchsgrundlagen die Feststellung eines Schädigungsvorsatzes auf Seiten des Schädigers. Dieser enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben (BGH, NJW 2020, 1962 Rdn. 61). Etwaiges Wissen ihrer Organe müssen sich juristische Personen gemäß § 31 BGB analog zurechnen lassen (BGH, NJW 2020, 1962 Rdn. 29).
Die Klagepartei hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Beklagten gemessen an den oben genannten Maßstäben und bezogen auf das streitgegenständliche Fahrzeug ein solches Verhalten zum Vorwurf gemacht werden kann.
Es fehlt bereits an einem ausreichenden Vortrag der Klagepartei, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhanden ist. Die Klage beruht letztlich auf dem bloßen Verdacht, die Beklagte habe ebenso wie andere am „Dieselskandal“ beteiligte deutsche Auto – Hersteller die Abgasreinigung „manipuliert“. Ein derartiger letztlich pauschaler und einer General- und Vorverurteilung gleichkommender Vortrag wird den Anforderungen der ZPO an einen substantiierten Klagevortrag nicht gerecht. Der Beweisantrag der Klagepartei, ein Sachveständigengutachten allein zur Behauptung des Vorliegens einer den Schadstoffausstoß manipulierenden Abschalteinrichtung zu erholen, war als Ausforschungsbeweis zurückzuweisen.
Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Konzeption und Funktionsweise des in seinem Fahrzeug eingebauten Motors einschließlich des Systems zur Verringerung des Stickstoffausstoßes keine genaueren Kenntnisse von dem Vorhandensein und der konkreten Wirkung einer Abschalteinrichtung haben kann. In einem solchen Fall würde es genügen, wenn der Kläger ausreichend greifbare Anhaltspunkte für die Ausstattung seines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorbringen würde (vergleiche BGH Beschluss vom 28.01.2020, AZ. VIII ZR 57/19, RZ 9.). In diesem Fall ist es dem Kläger jedoch nicht gelungen, einige ausreichend greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtungen in seinem Wagen mit dem Motor des Typs N 47 vorzutragen.
Dass nicht nur nach den verschiedenen Herstellern von Diesel-Fahrzeugen, sondern auch innerhalb der Produktpalette eines Herstellers zwischen den verschiedenen Modellen zu differenzieren ist, ergibt sich bereits aus den im Tatbestand erwähnten und zwischen den Parteien unstrittigen Pressemitteilungen des Kraftfahrtbundesamts, wonach dieses bei dem Modell BMW 320d Euro 6 im Gegensatz zu den Modellen BMW 750 und BMW M550 (Limousine und Touring) 3.0 Diesel Euro 6 keinen Gesetzesverstoß erkannte.
Die Klagepartei bezieht sich bei ihren Ausführungen zur angeblichen „illegalen Abschalteinrichtung“ auf Veröffentlichungen und Presseartikel (Anlage K12, 14, 18, 21), wobei nur die Anlagen K 18 und K 21 schwerpunktmäßig die Beklagte betreffen. Derartige pauschale Bezugnahmen auf Presseberichte können in einem Zivilprozess konkrete, auf den jeweiligen Sachverhalt bezogene Tatsachenbehauptungen nicht ersetzen. Gleiches gilt für den als Anlage K9a vorgelegten Wikipedia-Auszug zu „BMW N47“. Bei Wikipedia handelt es sich nach eigenen Angaben zufolge, um eine private Enzyklopädie, welche von freiwilligen und ehrenamtlichen Autoren verfasst wird, wobei ausdrücklich jedermann dazu berufen ist, an dem Verfassen der Texte mitzuwirken. Ebensowenig ist der als Anlage K 6 vorgelegte Untersuchungsbericht des Deutschen Umwelthilfe e.V. geeignet, die klägerseits behauptete „Manipulation“ zu stützen. Gegenstand der dort veröffentlichten Testergebnisse war ein BMW 320d, Euro 6. Bei dem hier streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich jedoch um einen … Euro 5. Zudem hatte das getestete Fahrzeug eine Leistung von 140 kW (Anlage K 6a, S. 14), während das streitgegenständliche Fahrzeug lediglich über 129 kW (Anlage K2) verfügt. Folglich enthält die Anlage K 6 Messwerte eines anderen Fahrzeugs. Zudem erfolgten, bereits ausweislich des Titels des Untersuchungsberichts, die Tests im realen Fahrbetrieb. Im vorliegenden Fall geht es allerdings um die Frage, ob nach dem für die Norm Euro 5 anzuwendenden sogenannten „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) die Messwerte eingehalten sind. Hierfür gibt die Anlage K 6a nichts her. Dasselbe gilt für die Messwerte in Anlage K 27 hinsichtlich einem dem streitgegenständlichen vergleichbaren Fahrzeug, da auch hier lediglich Nox und CO2 Messungen im realen Betrieb vorgenommen wurden.
Die Klagepartei beruft sich zudem auf die Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamts für die Modelle … und … (Limousine und Touring) 3.0 Diesel Euro 6 der Beklagten. Im Rahmen dieses Rückrufs ist weder das hier streitgegenständliche Fahrzeug Gegenstand der Aktion noch ging es um das hier ebenfalls streitgegenständliche „Thermofenster“.
Das Ergebnis der Untersuchung durch das Kraftfahrtbundesamt spricht vielmehr für das Gegenteil. Dieses ergab nur, dass eine fehlerhafte „Bedatung“ des für die Abgasreinigung zuständigen Bereichs der Motorsteuerungssoftware ab dem Erreichen einer gewissen Wärmemenge die Regeneration des NOX-Speicherkatalysators bis zum nächsten Zündungswechsel unterbinde, was zu einem Anstieg der Stickoxidemissionen bis zum nächsten Zündungswechsel führt, wenn und sobald die Kapazität des NOX-Speicherkatalysators erreicht sei.
Verdeutlicht wird dies durch die amtlichen Auskünfte des Kraftfahrtbundesamts gegenüber Anfragen des OLG Münchens unter anderem zu dem hier streitgegenständlichen Fahrzeugtypen … Euro 5 vom 02.07.2018 (Anlage K 30), sowie zum BMW 520d vom 17.10.2019 (Anlage K 31). Beide Fahrzeugtypen sind mit demselben Motor ausgestattet, dem Motor des Typs N47. Das Kraftfahrzeugbundesamt teilte im Schreiben vom 17.10.2019 mit, dass der genannte Fahrzeugtyp (hier BMW 520 d mit dem Motortyp 47) durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) überprüft worden sei. Es seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden. Das Fahrzeug sei im Rahmen des „Nationalen Forum Diesel“ Teil einer freiwilligen Servicemaßnahme der Firma BMW gewesen; es habe sich nicht um einem von Kraftfahrbundesamt angeordneten Rückruf gehandelt, sondern um eine Maßnahme des Herstellers zur Verbesserung der Emissionen. Die Teilnahme sei freiwillig gewesen.
Auch die Ergebnisse sonstiger Untersuchungsmaßnahmen sprechen gegen die Ausstattung von Motoren des Typs in 47 mit einer illegalen Abschalteinrichtung zur Manipulation des Schadstoffausstoßes.
In Einer Pressemitteilung von 25.02.2019 (Anlage B 2) im Rahmen eines Bußgeldverfahrens gegen BMW hat die Staatsanwaltschaft München mitgeteilt, dass die umfangreichen Ermittlungen, die in enger Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrbundesamt erfolgt seien und Ermittlungsmaßnahmen im europäischen Ausland umfasst hätten, weder Nachweise dafür ergeben hätten, dass bei den Modellreihen tatsächlich prüfstandsbezogene Abschalteinrichtungen verbaut worden wären, noch dass Mitarbeiter der BMW AG diesbezüglich vorsätzlich gehandelt hätten. Der Vorwurf des Betrugs wegen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung wurde durch die Staatsanwaltschaft München I nicht bestätigt (Anlage B 2).
Auch der Bericht der Untersuchungskommission„Volkswagen“ (Anlage K 5), die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bereits am 20.09.2015 nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen VW wegen Abgasmanipulationen in den USA auch zur Untersuchung von Dieselfahrzeugen anderer Hersteller, darunter auch BMW beauftragt hatte, hat keinen Hinweis auf eine Vorrichtung zur Manipualtion des Schadstoffausstoßes beim Motortyp N 47 ergeben. Der hier streitgegenständliche …, Euro 5 war Gegenstand der Untersuchung (Seite 26 f. des Berichts der Untersuchungskommission). Das Ergebnis lautet wörtlich: „Das geprüfte Fahrzeug hält im NEFZ kalt den Grenzwert von 180 mg/km ein. Bei der Prüfstandmessung mit warmem Fahrzeug (NEFZ warm) wird der Wert leicht überschritten. In den PEMS-Messungen werden Werte um den doppelten Grenzwert gemessen. Lediglich bei der Messung NEFZ + 10 % mit 10 % erhöhter Geschwindigkeit wird der Faktor 2,1 überschritten. Damit liegen die Messwerte des Fahrzeugs in unauffälliger Höhe.“
Nach alledem haben keine der genannten, von offiziellen Stellen durchgeführten Untersuchungen ergeben, dass der im klägerischen Fahrzeug verbaute Motor des Typs N 47 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zur Manipulation des Schadstoffausstoßes ausgestattet ist.
Die Beklagte hat damit einer sekundären Darlegungslast- und Beweislast Genüge getan. Die Klagepartei hat dem keine greifbaren Anhaltspunkte entgegengesetzt, die dennoch für die Ausstattung des streitgegenständlichen PkW mit einer Manipulationssoftware oder sonstigen Einrichtung zur vorsätzlichen Beeinflussung des Schadstoffausstoßes spricht.
Die Frage des Gerichts in der Sitzung vom 16.07.2020 an die Klagepartei, ob Sachvortrag zu ergänzen sei, verneinte der Klägervertreter und bezog sich auf den bisherigen Sachvortrag und auf den Beweisantrag zur Erholung eines Sachverständigengutachtens. Dem war mangels greifbarer Umstände, die für den Vortrag einer wissentlichen Abgasmanipulation durch die Beklagte sprechen könnten, nicht nachzugehen.
Auch der Vortrag der Klagepartei, es sei ein so genanntes „Thermofenster“ im streigegenständlichen Wagen verbaut, das geeignet sei, die Abgaswerte zu beeinflussen, führt nicht zu einer deliktischen Handlung der Beklagten. Unabhängig davon, ob überhaupt ein solches „Thermofenster“ in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut ist und ein solches als eine unzulässige Abschalteinrichtung qualifiziert werden könnte, fehlt es schon an einem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten. Denn ein solcher verbauter Funktionsmechanismus ist eine Einrichtung, die durch die Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG zumindest gedeckt sein kann. Die Ausnahmetatbestände sehen vor, dass Einrichtungen zulässig sind, die notwendig sind, um den Motor vor Beeinträchtigungen zu schützen. Ob eine derartige Notwendigkeit besteht, ist Frage der Auslegung der Verordnung. Jedenfalls ist bei der Einrichtung „Thermofenster“ zumindest ein Schutzzweck einschlägig, der in der Verordnung grundsätzlich als geeignet angesehen wird eine Abschalteinrichtung ausnahmsweise zu gestatten.
Damit besteht eine andere Sachlage als bei den Abschalteinrichtungen, welche ausschließlich dem Zweck dienen, bei erkannten Prüfungssituationen ein verändertes Emissionsverhalten herbeizuführen, um auf diese Weise eine Einhaltung der Grenzwerte zu gewährleisten. Bei der Einrichtung „Thermofenster“ ist für den Hersteller nicht ohne weiteres erkennbar, dass die Einrichtung aufgrund ihrer möglichen Motorschutzgründe nicht von den Ausnahmetatbeständen des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG umfasst sein könnte. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass ein Hersteller durch Verbau eines solchen „Thermofensters“ bewusst ein sachmangelbehaftetes Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat.
Nach Alledem fehlt es schon am objektiven Vorliegen einer deliktischen Handlung der Beklagten.
Die Klage war daher abzuweisen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt § 709 S. 1 ZPO.