Europarecht

Schadensersatz wegen mangelnder Bestimmung beim Spezifikationskauf

Aktenzeichen  23 U 1877/15

Datum:
16.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 105412
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 375 Abs. 2
BGB § 280, § 281
EuZustVO Art. 8
ZPO § 167

 

Leitsatz

1. Der Fünf-Jahres-Liefervertrag für Solarzellen ist dahingehend auszulegen, dass die Vertragsparteien keine Wahlschuld im Sinne des § 262 BGB, sondern einen Spezifikationskauf nach § 375 HGB vereinbart haben. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 375 Abs. 2 HGB iVm §§ 280, 281 BGB setzt voraus, dass der Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Bestimmung gesetzt hat. Es ist nicht erforderlich, dass die Nachfristsetzung unmittelbar nach Fälligkeit erfolgt. Sie darf jedoch nach Eintritt der Fälligkeit nicht in treuwidriger Weise (illoyal) verzögert werden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Berechnet der Verkäufer – wie hier – seinen Schaden abstrakt, kann er den Unterschied zwischen dem Vertragspreis und dem niedrigeren Marktverkaufspreis berechnen. (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Auslandszustellung ist der Kläger nicht gehalten, von vornherein eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen. Verweigert der Empfänger die Annahme gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZustVO, kann die fehlende Übersetzung nachgereicht werden. Die Zustellung ist auch ohne Übersetzung fristwahrend im Sinne des § 167 ZPO. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 HK O 18725/11 2015-04-17 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I, 15 HK O 18725/11, vom 17.04.2015 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.740.634,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2014 zu zahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. PVQ SE Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung für den Zeitraum 01.02. bis 31.03.2010 sowie Vertragsstrafe geltend.
Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte schlossen am 04./10.06.2008 einen Fünf-Jahres-Liefervertrag für Solarzellen (Anlage K 1), der für das Jahr 2010 eine Mindestliefermenge von 10 MWp vorsah. Die Preise für die jeweiligen Zelltypen und Leistungsklassen ergeben sich aus Anlage 4 des Liefervertrages.
Die vertraglich vorgesehenen Liefermengen wurden weder im Jahr 2009 noch in Jahr 2010 erreicht. Im Jahr 2010 bezog die Beklagte Solarzellen mit einer Leistung von insgesamt 1.064.136,00 Wp zu einem Preis von € 1,12 pro Wp (vgl. Anlagen K 6 – K 8). Für die Monate Februar und März 2010 erfolgten keine Bestellungen seitens der Beklagten. Sie nahm in diesem Zeitraum keine Solarzellen ab. Auch für die Monate Juni bis September 2010 erfolgten keine Bestellungen.
Die Beklagte übersandte am 23.12.2010 ein Schreiben mit dem Betreff „Rücktritt“ (Anlage B 19).
Dem widersprach die Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 04.04.2011 (Anlage K 4), in dem sie die Beklagte aufforderte, bis zum 21.04.2011 die ausstehenden Bestellungen nachzuholen, insbesondere ihr Wahlrecht hinsichtlich der Zelltypen und Zellklassen für die zu liefernden Solarzellen im Hinblick auf die Außenstände auszuüben. Mit Schreiben vom 14.06.2012 (Anlage K 9) übte die Insolvenzschuldnerin das Wahlrecht hinsichtlich der zu liefernden Solarzellen für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2009 aus und forderte die Beklagte zur Abnahme dieser Solarzellen auf.
Der Kläger behauptet, die Beklagte sei ab 2009 nicht mehr bereit gewesen ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Er ist der Ansicht, die Schuldnerin sei nur verpflichtet gewesen, die Bestellungen der Beklagten auszuführen, wenn diese nach § 4 Abs. 2 und 3 des Vertrages erfolgten. Mit der Bestellung werde der Liefergegenstand erst konkretisiert. Er trägt vor, bei einem vertragsgemäßen Abruf wäre die Schuldnerin in die Lage gewesen, die vereinbarten Liefermengen zu erbringen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.740.634,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, es sei von Anfang an zu Lieferschwierigkeiten gekommen. Nicht sie habe ihre Pflichten verletzt. Sie habe vielmehr die Insolvenzschuldnerin inständig um Erfüllung des Vertrages gebeten. Die Insolvenzschuldnerin sei jedoch zur Lieferung von Solarzellen nicht in der Lage gewesen. Im November 2009 habe der Zeuge Dr. M. darauf hingewiesen, dass die Vertragsparteien sich in Ansehung der erheblichen Lieferdefizite im Jahr 2009 zunächst über die Kapazitäten der Insolvenzschuldnerin unterhalten müssten, bevor Vorauszahlungen für 2010 geleistet werden könnten. Die Vertragsparteien hätten sich am 10.06.2010 über eine Vertragsaufhebung geeinigt.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Zeugen B. und Dr. M. hätten sich am 10.06.2010 auf der Intersolar getroffen; nach deren übereinstimmenden Aussagen habe der Zeuge B. keine Lieferungen von weiteren Solarzellen für das Jahr 2010 in Aussicht stellen können. Für das Gericht stehe daher fest, dass die Gemeinschuldnerin ihrer vertraglichen Pflicht zur Lieferung in dem streitgegenständlichen Zeitraum Februar und März sowie Juni bis September 2010 nicht habe nachkommen können. Der Aufforderung der Gemeinschuldnerin vom 04.04.2011 nunmehr die für das Jahr 2010 geschuldeten restlichen 8,9 MWp abzunehmen, stehe der Einwand der Verletzung von Treu und Glauben entgegen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Er rügt, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 280 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 281 Abs. 1 BGB nicht zu. Unzutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass die Beklagte der Insolvenzschuldnerin am 24.02.2010 einen Lieferplan für die Lieferung von Solarzellen im ersten Quartal vorgelegt habe. Zu Unrecht nehme das Landgericht weiter an, die Insolvenzschuldnerin habe ihren vertraglichen Pflichten in Form von Belieferungen mit Solarzellen in dem streitgegenständlichen Zeitraum Februar und März 2010 sowie Juni bis September 2010 nicht nachkommen können und sei dem Einwand eigener Vertragsuntreue nach § 242 BGB ausgesetzt. Dabei lasse das Landgericht auch außer Acht, dass die Beklagte selbst von Anfang an vertragsuntreu gewesen sei. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handle es sich um einen echten Sukzessivlieferungsvertrag. Aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung gehe das Landgericht zu Unrecht davon aus, ein Verschulden der Beklagten liege deshalb nicht vor, weil diese nach dem Treffen der Zeugen Dr. M. und B. auf der Intersolar 2010 davon ausgegangen sei, dass der Liefervertrag vom 10.06.2008 jedenfalls für das Jahr 2010 nicht mehr unverändert fortbestehe. Zu Unrecht meine das Landgericht, die Insolvenzschuldnerin habe treuwidrig gehandelt, als die Beklagte mit Schreiben ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten zur Abnahme der rückständigen Mengen aufforderte. Rechtsfehlerhaft sei das angefochtene Urteil auch insoweit, als das Landgericht den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von verwirkten Vertragsstrafen gemäß § 10 Abs. 2 und Abs. 3 des streitgegenständlichen Liefervertrags verneine.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 17.04.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 15 HKO 18725/11, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.740.634,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt.
die Berufung zurückzuweisen und
vorsorglich
die Zulassung der Revision.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Insolvenzschuldnerin sei im streitgegenständlichen Jahr 2010 weder in der Lage noch willens gewesen, die Beklagte mit Solarzellen im vertraglich vereinbarten Umfang zu beliefern. Es sei im Verhältnis zur Beklagen irrelevant, ob die Insolvenzschuldnerin nicht habe liefern können oder nicht habe liefern wollen. Eine formale Bestellung durch die Beklagte habe sich angesichts der Äußerungen der Insolvenzschuldnerin erübrigt. Der Zeuge Dr. M. habe bis Juni 2010 versucht, die Insolvenzschuldnerin zu weiteren Lieferungen zu bewegen. Die dann im Jahr 2011 erfolgte pro forma Fristsetzung an die Beklagte habe sowohl in Ermangelung der Lieferfähigkeit der Schuldnerin als auch aufgrund der falschen Bepreisung keine Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten auslösen können. Aus den Zeugenaussagen und der vorgelegten Korrespondenz ergebe sich, dass die Abstimmung über die im damaligen Zeitpunkt stark sinkenden Preise laufend erfolgt sei. Die ursprünglich vereinbarten Vertragspreise seien unter den Vertragsparteien bereits seit dem Jahr 2008 nicht mehr das Maß der vertraglichen Beziehung gewesen; die Preise seien sukzessive nach unten korrigiert worden, bis zu dem im Jahr 2010 vereinbarten Preis von € 1,12 pro Wp. Die Insolvenzschuldnerin hätte jedenfalls diesen angepassten Preis zugrunde legen müssen. Es sei Ausfluss der §§ 313, 242 BGB, dass aufgrund der zurückliegenden Übung der Insolvenzschuldnerin, sich auf Nachverhandlungen über die Preise einzulassen, nicht auf die ursprünglichen Preise zurückgegriffen werden dürfte. Der Zeuge Dr. M. habe unwidersprochen dargelegt, dass er mit dem Zeugen B. am 10.06.2010 eine Vertragsaufhebung dahingehend vereinbart hätte, dass wechselseitige Forderungen für das Jahr 2010 getilgt seien.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen Dr. M.; insoweit wird auf das Protokoll vom 04.02.2016 (Bl. 361 – 364 d. A.) Bezug genommen. Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind kraft der in § 19 Abs. 2 des Liefervertrages getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung international zuständig (Art. 25 Abs. 1, Art. 1 EuGVVO).
Auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestehen gegen die Klage keine Bedenken. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche, die er nunmehr auf € 2.237.868,73 beziffert (Seite 12 des Schriftsatzes vom 03.03.2016, Bl. 383 d. A.) nur in Höhe von € 1.233.192,24 als „Mindestschaden“ geltend, und zwar jeweils in Höhe von € 616.596,12 für die Monate Februar und März 2010 (Seite 14 des Schriftsatzes vom 19.12.2013, Bl. 61 d. A.). Ist die Höhe des Anspruchs im Streit, kann grundsätzlich ein ziffernmäßig oder sonst wie individualisierter Teil davon Gegenstand einer Teilklage sein, sofern erkennbar ist, um welchen Teil des Gesamtanspruchs es sich handelt (vgl. BGHZ 124, 164/166).
2. Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
2.1. Auf das Vertragsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten ist kraft Rechtswahl in § 19 Abs. 1 des Liefervertrages deutsches Recht ohne UN-Kaufrecht anwendbar (Art. 27 EGBGB a. F. i. V. m. Art. 28 Rom-I-Verordnung).
2.2. Dem Kläger steht nach § 375 Abs. 2 HGB i. V. m. §§ 280, 281 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von € 1.233.192,24 zu.
2.2.1. Der Fünf-Jahres-Liefervertrag ist dahingehend auszulegen, dass die Vertragsparteien – entgegen der von dem Kläger vertretenen Ansicht – keine Wahlschuld im Sinne der § 262 BGB, sondern einen Spezifikationskauf nach § 375 HGB vereinbart haben.
Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, in dem die Beklagte berechtigt und verpflichtet war, im Rahmen eines bestimmten jährlichen Kontingents von Gasheizkesseln den jeweiligen Lieferzeitpunkt und die Zusammensetzung der einzelnen Lieferungen zu bestimmen, dabei jedoch lediglich zwischen verschiedenen, sich offenbar im Wesentlichen nur durch die Heizleistung unterscheidenden Ausführungen eines einheitlichen Kesseltyps auszuwählen hatte, entschieden, es liege nahe, dass es sich nicht um die Wahl zwischen verschiedenen Leistungen und damit um eine Wahlschuld im Sinne des § 262 BGB, sondern lediglich um die Verpflichtung zur Bestimmung von „Formen, Massen und ähnlichen Verhältnissen“ im Rahmen einer einheitlich geschuldeten Leistung handele, mit der Folge, dass der Klägerin bei einer schuldhaften Verletzung dieser Bestimmungspflicht gemäß § 375 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 326 BGB a. F. ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zustehe (BGH, Urteil vom 10.12.1975, VIII ZR 201/74, juris Tz. 7 m. w. N.).
Die zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten getroffene Vereinbarung ist damit vergleichbar.
§ 375 HGB setzt eine Abnahmepflicht des Käufers voraus (Grunewald in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., § 375 Rn. 6). Diese ergibt sich aus § 4 Abs. 2 des Fünf-Jahres-Liefervertrages, wonach die Beklagte verpflichtet ist, die Mindestliefermenge während des Kalenderjahres abzunehmen. Nach § 4 Abs. 3 hat die Beklagte eine verbindliche Bestellung für die monatlichen Liefermengen gemäß § 4 Abs. 2 einzureichen, wobei die Anzahl der Zellen nicht unter 40.000 liegen darf. Einen Lieferplan im Sinne des § 4 Abs. 2 für das Kalenderjahr 2010 gab es – wie die Parteien in der Sitzung vom 08.10.2015 klargestellt haben – unstreitig nicht, so dass eine gleichmäßige Verteilung der Liefermengen als vereinbart gilt. Aus § 3 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 ergibt sich eine jährliche Mindestabnahmemenge in Höhe von 10 MWp für das Jahr 2010, die Beklagte hatte somit monatlich Zellen mit einer Nennleistung in Höhe von 833.300,00 Wp abzunehmen.
Die nähere Bestimmung der Zelltypen und Leistungsklassen der abzunehmenden Solarzellen oblag der Beklagten. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägers hängt die Anzahl der von Beklagten abzunehmenden Solarzellen von den einzelnen Zelltypen und Leistungsklassen innerhalb der Zelltypen ab (Seite 19 des Schriftsatzes vom 19.12.2013, Bl. 66 f; Seite 13 des Schriftsatzes vom 14.07.2014, Bl. 110a d. A.). Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages ist die Insolvenzschuldnerin bestrebt, die Beklagte mit den Zellen aus den Zellklassen zu beliefern, wie die Beklagte dies angefordert hat.
2.2.2. Die Beklagte traf somit nach dem Fünf-Jahres-Liefervertag eine Bestimmungspflicht im Sinne des § 375 Abs. 1 HGB, der sie unstreitig für die streitgegenständlichen Monate Februar und März 2010 nicht nachgekommen ist.
Ohne Bedeutung ist der Vortrag der Beklagten, die Insolvenzschuldnerin habe 2008 bis 2010 nicht auf die Einhaltung der im Vertrag verankerten formalen Abfolge der Bestellung bestanden, sondern die Lieferungen seien entsprechend der Lieferkapazitäten der Schuldnerin erfolgt (Seite 3 des Schriftsatzes vom 05.11.2014, Bl. 184 d. A.; Seite 3 der Berufungserwiderung vom 24.09.2019, Bl. 317 d. A.). Dass die Parteien den Vertrag geändert hätten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Nachträgliche mündliche Individualvereinbarungen hätten allerdings auch vor der in § 19 Abs. 3 enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel Vorrang (vgl. BGH, Urteil vom, 21.09.2005, XII ZR 312/02, juris Tz. 13 ff.).
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, einer formellen Order hätte es nicht bedurft, nachdem die Insolvenzschuldnerin dem Zeugen Dr. M. gegenüber dargelegt hatte, die Beklagte nicht beliefern zu können (Seite 2 des Schriftsatzes vom 25.02.2016, Bl. 367 d. A.). Dass die Insolvenzschuldnerin – bei einer Bestellung durch die Beklagte – ihre vertragliche Lieferpflicht nicht hätte erfüllen können, steht nach Einvernahme des Zeugen Dr. M. nicht zur Überzeugung des Senats fest. Der Zeuge hat vielmehr bekundet, es sei seitens der Insolvenzschuldnerin gesagt worden, es könne nicht geliefert werden, er wisse aber nicht, was dies im Einzelnen bedeutete. Die Beklagte habe bis auf 1 MWp [im Jahr 2010] nichts erhalten. Die Insolvenzschuldnerin habe die Ware aber am Markt angeboten. Es sei wohl so gewesen, dass andere Kunden beliefert worden seien, nicht aber die Beklagte. Es habe bei der Insolvenzschuldnerin einen Milliardenumsatz gegeben. Das gehe nur, wenn Ware vorhanden sei (Seite 3 f. des Protokolls vom 28.01.2016, Bl. 361 f. d. A.). Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Beklagten, das Ergebnis der Beweisaufnahme sei ohne Interpretationsspielraum, dass die Insolvenzschuldnerin die Beklagte für das Jahr 2010 nicht beliefern konnte, möglicherweise sogar nicht beliefern wollte (Seite 3 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 412 d. A.). Dass die Insolvenzschuldnerin andere Kunden belieferte, ist – mangels einer Bestellung der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum – kein Indiz für eine fehlende Vertragstreue der Insolvenzschuldnerin.
2.2.3. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass sie den Vertrag mit der Insolvenzschuldnerin zum 10.06.2010 aufgehoben hat.
Das Landgericht hat zu dieser Frage zwar Beweis erhoben (vgl. Beweisbeschluss vom 08.12.2014, Bl. 215/216 d. A. Protokoll vom 09.02.2015, Bl. 223/230 d. A.), jedoch keine Feststellungen getroffen. Letztlich kann aber dahinstehen, ob sich Herr Dr. M. und Herr B. am 10.06.2010 darauf geeinigt haben, dass für die Minderlieferungen im ersten und zweiten Quartal 2010 keine Ansprüche geltend gemacht werden und der Vertrag für die Zukunft aufgehoben wird, da der Zeuge B. keine Vertretungsmacht für die Insolvenzschuldnerin hatte. Vor dem Landgericht bekundete er, er persönlich hätte keine Vertragsänderungen zu dem langjährigen Liefervertrag vornehmen dürfen, das hätte über den Vorstand laufen müssen. Er habe keine entsprechende Vollmacht der Insolvenzschuldnerin gehabt (Seite 5 f. des Protokolls vom 09.02.2015, Bl. 227 f. d. A.). Der Vortrag der Beklagten dazu beschränkt sich darauf, der Zeuge B. habe versucht, eine vermeintliche fehlende Zustimmung seinerseits durch fehlende Vollmacht zu „suggerieren“. Dies sei vor dem Hintergrund der Anscheinsvollmacht jedoch irrelevant; nachdem der Zeuge B. bereits zuvor die Bepreisung mit der Beklagtenseite ausgehandelt und zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen habe, dazu nicht bevollmächtigt zu sein, habe der Zeuge Dr. M. davon ausgehen dürfen, der Zeuge B. sei auch zur Vertragsaufhebung bevollmächtigt (Seite 8 der Berufungserwiderung vom 24.09.2015, Bl. 322 d. A.).
Damit hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. Schubert im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. § 167, Rn. 121) einen objektiven Rechtsscheintatbestand jedoch nicht dargetan, worauf der Senat in der Sitzung vom 08.10.2015 auch hingewiesen hat. Dass der Zeuge B. eine Verhandlungsvollmacht bezüglich der Preise einzelner Lieferungen hatte, setzt keinen Rechtsschein dahingehend, dass er auch zu einer Aufhebung eines Fünf-Jahres-Liefervertrages berechtigt ist.
2.2.4. Die Beklagte ist nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten.
2.2.4.1. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass sie berechtigt war, am 23.12.2010 von dem Vertrag zurückzutreten. Die Beklagte, die ihren Rücktritt auf die nicht vertragsgemäße Erfüllung durch die Insolvenzschuldnerin stützt (Seite 8 des Schriftsatzes vom 08.08.2014, Bl. 132 d. A.) übersieht, dass sie zunächst zur Spezifikation verpflichtet war (s.o. 2.2.2). Bis zu dem am 23.12.2010 erklärten Rücktritt stand mangels einer Spezifikation durch die Vertragsparteien noch nicht fest, was geschuldet ist. Die Insolvenzschuldnerin war daher noch nicht zur Lieferung verpflichtet.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht (Seite 3 des Schriftsatzes vom 08.08.2014, Bl. 127 d. A.) ergibt sich aus der E-Mail der Insolvenzschuldnerin vom 29.03.2010 (Anlage B 12) nicht, dass die Beklagte überhaupt keine Wahl über den zu liefernden Zelltypus hatte. Der Beklagten wird vielmehr ein Angebot für Lieferungen im 2. Quartal 2010 übermittelt, die unstreitig erfolgten; ferner wird die Beklagte um eine Prognose für die zweite Jahreshälfte gebeten.
Hinsichtlich der Argumentation, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Insolvenzschuldnerin die Beklagte (über die gelieferten 1 MWp hinaus) nicht habe beliefern können (Seite 3 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 412 d. A.) wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.2.1 Bezug genommen.
2.2.4.2. Im Übrigen fehlt es an einer Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB. Entgegen der von der Beklagten im Schriftsatz vom 25.02.2016 (Seite 2, Bl. 367 d. A.) vertretenen Ansicht hat die Insolvenzschuldnerin nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die Beklagte nicht mehr beliefern kann. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.2.1 Bezug genommen. Der Umstand, dass es die Insolvenzschuldnerin – mangels Bestellungen durch die Beklagte – vorzog, andere Kunden zu beliefern, macht eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht entbehrlich.
In der E-Mail vom 06.07.2010 (Anlage B 5), die eine zusammenfassende Stellungnahme des Zeugen Dr. M. enthält, kann entgegen der Ansicht der Beklagten (Seite 3 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 412 d. A.) keine Fristsetzung gesehen werden.
2.2.5. Die als Anlage B 6 vorgelegte E-Mail der Insolvenzschuldnerin vom 07.03.2011 ist nicht als Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages zu verstehen. Das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags muss unmissverständlich erklärt werden (BGH, Urteil vom 10.05.2001, VII ZR 356/00). Selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH Urteil vom 15.01.2002, X ZR 91/00, juris Tz. 25). Hier lässt sich der Anlage schon nicht entnehmen, auf welche Anfrage geantwortet wird. Bei der Aussage, es bestünden zum 31.12.2010 keine offenen Positionen, handelt es sich allenfalls um eine Auskunft der Buchhaltung. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Beklagten, es handele sich insoweit um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (Seite 8 des Schriftsatzes vom 08.08.2014, Bl. 132 d. A.).
2.2.6. § 375 Abs. 2 HGB i. V. m. §§ 280, 281 BGB setzen voraus, dass der Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Bestimmung gesetzt hat.
Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob eine solche Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB im Hinblick auf den von der Beklagten mit Schreiben vom 23.12.2010 erklärten unberechtigten Rücktritt (Anlage B 19) entbehrlich war, wovon der Senat ausgeht (s.u. Ziffer 2.3.1.1). Denn die Insolvenzschuldnerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 04.04.2011 (Anlage K 4, Seite 12) aufgefordert, die ausstehenden Bestellungen nachzuholen, insbesondere ihr Wahlrecht hinsichtlich der Zelltypen und Zellklassen für die zu liefernden Solarzellen im Hinblick auf die Außenstände aus dem Jahr 2009 bis März 2011 auszuüben, und hat der Beklagten dazu eine Frist bis 21.04.2011 gesetzt.
Dass die Insolvenzschuldnerin die Frist zur Bestellung für die streitgegenständlichen Monate Februar und März 2010 erst im April 2011 gesetzt hat, ist nicht treuwidrig. Es ist nicht erforderlich, dass die Nachfristsetzung unmittelbar nach Fälligkeit erfolgt. Sie darf jedoch nach Eintritt der Fälligkeit nicht in treuwidriger Weise (illoyal) verzögert werden (Ernst im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 281 Rn. 29 m. w. N.). Die Voraussetzungen dafür hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie argumentiert zwar dahingehend, die Parteien hätten einen Vertrag über mehrere Teillieferungen geschlossen, das Hinauszögern der Fristsetzung über den Zeitraum von nahezu einem Jahr mit der dann erfolgen Aufforderung, die Zellen für die Vergangenheit in toto abzunehmen, sei treuwidrig (Seite 8 des Schriftsatzes vom 05.11.2014, Bl. 189 d. A.). Die Mindestabnahmemengen für einen Zeitraum von fünf Jahren waren jedoch vertraglich vereinbart. Aufgrund welcher Umstände die Beklagte hätte darauf vertrauen dürfen, dass die Insolvenzschuldnerin ihre vertraglichen Rechte nicht mehr geltend macht, hat die Beklagte nicht dargetan.
2.2.7. Der Verkäufer kann seinen auf der Nichtdurchführung des Vertrages beruhenden Schaden abstrakt oder konkret berechnen (Grunewald, Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl., § 375 Rn. 22). Berechnet der Verkäufer – wie hier – seinen Schaden abstrakt, kann er den Unterschied zwischen dem Vertragspreis und dem niedrigeren Marktverkaufspreis berechnen (Emmerich in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., vor § 281 Rn. 31). Dies sind hier € 2.237.868,73 (Vertragspreis in Höhe von € 3.383.197,87 abzüglich Marktpreis in Höhe von € 1.145.329,14). Davon macht der Kläger € 1.233.192,24 als „Mindestschaden“ geltend (Seite 14 des Schriftsatzes vom 19.12.2013, Bl. 61 d. A.).
Bei der vom Kläger gewählten abstrakten Schadensberechnung kommt ihm die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zugute. Bei der Anwendung dieser Vorschrift sind auch die besonderen Umstände des Handelsverkehrs zu beachten. Ist der Schadensersatzgläubiger Kaufmann – wie hier die Insolvenzschuldnerin -, so entspricht es dem „gewöhnlichen Lauf der Dinge“, dass er marktgängige Waren jederzeit zum Marktpreis absetzen kann (BGH, Urteil vom 29.06.1994, VIII ZR 317/93, juris Tz. 9, BGHZ 126, 305/308 m. w. N.).
2.2.7.1. Der Kläger ging bei seiner Berechnung zunächst von einem Kaufpreis in Höhe von € 1,12 pro Wp und damit von einer Kaufpreisforderung für die in den Monaten Februar und März 2010 abzunehmenden Solarzellen in Höhe von € 1.899.453,12 aus (Seite 14 des Schriftsatzes vom 19.12.2013, Bl. 61). Hintergrund war, dass die Insolvenzschuldnerin die Beklagte aufgrund des ab dem Jahr 2009 eingetretenen Preisverfalls zu günstigeren als den vertraglich vereinbarten Konditionen belieferte (vgl. Seite 16 der Berufungsbegründung, Bl. 297 d. A.). In seinem Schriftsatz vom 03.03.2016 (Seite 10 f., Bl. 381 f. d. A.) geht der Kläger bei seiner Schadensberechnung von einem gemäß § 8 Abs. 2 i. V. m. der Anlage 4 vertraglich vereinbarten Preis in Höhe von € 2,03 pro Wp aus. Dass dieser Preis bei Anwendung des schriftlichen Vertrages zutreffend ist, stellt die Beklagte nicht in Abrede.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte jedoch darauf, die Parteien hätten für die noch ausstehenden Lieferungen keine konkrete oder definitive Absprache über die Preishöhe getroffen, daraus folge jedoch nicht die Geltung der ursprünglichen Vertragspreise (Seite 8 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 417 d. A.).
Dass die Vertragsparteien, die im schriftlichen Vertrag getroffene Preisabsprache insgesamt aufgehoben oder abgeändert hätten, hat die Beklagte nicht dargetan. Unstreitig haben die Parteien für das Jahr 2010 zwar Preisverhandlungen geführt. Für die tatsächlich erfolgten Lieferungen im Jahr 2010 wurden der Beklagten € 1,12 pro Wp in Rechnung gestellt (Rechnungen vom 13.01.2010, K 6; vom 05.05.2010, K 7; vom 26.05.2010, K 8). Dass die Parteien sich für die noch ausstehenden Lieferungen, insbesondere die streitgegenständlichen Lieferungen für die Monate Februar und März 2010 auf einen Preis in Höhe von € 1,12 geeinigt haben, hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Im Schriftsatz vom 08.08.2014 (Seite 4, Bl. 128 d. A.) erwähnt die Beklagte eine E-Mail-Korrespondenz vom 13./15. und 17./18.11.2009, die dem Gericht jedoch nicht vorgelegt wurde und die der Zeuge Dr. M. bei seiner Einvernahme vor dem Senat auch nicht erwähnt hat (vgl. Seite 3 ff. des Protokolls vom 28.01.2016, Bl. 361 ff. d. A.). Der im Schriftsatz vom 05.11.2014 (Seite 4, Bl. 185 d. A.) erwähnte E-Mail-Verkehr von Ende März/Anfang April 2010 (Anlagen B 12/B 13) und das Beweisangebot beziehen sich nur auf die tatsächlich im Jahr 2010 gelieferten Mengen, nicht dagegen auf die streitgegenständlichen im Februar und März 2010 abzunehmenden Mengen. Dies ergibt sich schon daraus, dass Betreff des als Anlage B 13 vorgelegen E-Mail-Verkehrs „Lieferungen 2. Quartal/2010“ bzw. „Bisol Preise 2. Quartal/2010“ ist. Der Zeuge Dr. M. hat dazu vor dem Senat bekundet, es seien zunächst € 1,05 vereinbart gewesen, kurz vor der Lieferung sei der Preis auf € 1,12 erhöht worden. Im Mai 2010 sei dieser Preis gezahlt worden (Seite 5 des Protokolls vom 04.02.2016, Bl. 363 d. A.). Die im Schriftsatz der Beklagten vom 05.11.2014 (Seite 4 f., Bl. 185 f. d. A.) weiter erwähnten E-Mails vom 13.01.2010 und 06.01.2010 wurden nicht vorgelegt. Insoweit behauptet die Beklagte lediglich, aus den E-Mails ergebe sich eine Verhandelbarkeit der Preise. Eine Einigung der Vertragsparteien auf einen niedrigeren Preis als den ursprünglich vereinbarten hinsichtlich der ausstehenden Lieferungen behauptet die Beklagte damit nicht. Eine solche Einigung ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen Dr. M., der vor dem Senat bekundete, die Angebote seien immer von Herrn B. gekommen; er hätte auch für 2010 schreiben müssen „diese Menge und jener Preis“; dies wäre ein Angebot gewesen, die Beklagte habe keine Ware bekommen (Seite 3 und 5 des Protokolls vom 28.01.2016, Bl. 361 und 363 d. A.). Der Vortrag der Beklagten in der Berufungserwiderung vom 24.09.2015, die Abstimmung über die damals stark sinkenden Preise sei laufend erfolgt (Seite 6 der Berufungserwiderung, Bl. 320 d. A.), bzw. die Vertragsparteien seien ausweislich der Korrespondenz und Zeugenaussagen „in regen Verhandlungen“ über die Preise und Lieferkapazitäten gewesen (Seite 4 der Berufungserwiderung vom 24.09.2015, Bl. 318 d. A.), spricht gegen eine Vertragsänderung für die noch ausstehenden Liefermengen. Eine dahingehende Einigung ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen Brand, der vor dem Landgericht bekundete, die Beklagte sei 2009 auf die Insolvenzschuldnerin zugekommen und habe gesagt, sie könne weder die vertraglich vereinbarte Menge für 2009 noch den vertraglich vereinbarten Preis bezahlen. Er persönlich habe keine Vertragsänderungen zu bestehenden langjährigen Liefervertrag vornehmen können. Es sei richtig, dass die Insolvenzschuldnerin aufgrund der Flutung des Marktes mit Photovoltaikprodukten versucht habe, auch ihren Abnehmern einen günstigeren Preis zu machen. So seien auch die E-Mails vom 30.03.2010 bzw. 08.04.2010 (Anlage B 13) zu verstehen (Seite 5 f. des Protokolls vom 09.02.2015, Bl. 227 f. d. A.).
Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Beklagten (Seite 10 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 419 d. A.), aus der von den Zeugenaussagen bestätigten ständigen Übung der Preisanpassung, ergebe sich eine laufende Vertragsanpassung im Sinne des § 313 BGB. Die Insolvenzschuldnerin hätte die Beklagte daher zur neuen Preisvereinbarung auffordern müssen oder allenfalls die aktuellen Marktpreise berechnen dürfen.
Bei gegenseitigen Verträgen gehört der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zwar zur Geschäftsgrundlage (BGH, Urteil vom 23.05.2014, V ZR 208/12, juris Tz. 18 m. w. N.). Hier hat die Beklagte jedoch nicht dargetan, der Vertrag müsse wegen einer durch unvorhergesehene Umstände eingetretenen schwerwiegenden Äquivalenzstörung angepasst werden. Sie beruft sich vielmehr darauf, die Preise seien insgesamt anzupassen, da die Insolvenzschuldnerin hinsichtlich einzelner Lieferung niedrigere Preise akzeptiert habe.
Das Risiko der Entwertung der Sachleistung trägt im Übrigen generell der Sachleistungsgläubiger (Grüneberg in Palandt, BGB, 75, Aufl., § 313, Rn. 29). Dementsprechend geht auch die Beklagte davon aus, ursprünglich das „Preisrisiko“ übernommen zu haben. Die Vertragsparteien haben in Anlage 4 zu § 8 jeweils einen Preisverfall gegenüber dem Vorjahr zwischen 4% und 5% vereinbart. Das Risiko, dass es zu einem größeren Preisverfall kommt, trägt die Beklagte, so dass für die Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage kein Raum ist. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Beklagen, das Preisrisiko sei wegen der Verhandlung von beiden Parteien „gleichfalls geschultert“ worden (Seite 10 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 419 d. A.).
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf § 8 Abs. 3 des Vertrags (Seite 6 der Berufungserwiderung, Bl. 320 d. A. Seite 11 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 420 d. A.). Danach hat die Insolvenzschuldnerin bei einer Preisanpassung zwar die Interessen der Beklagten zu berücksichtigen. Die Vorschrift gibt indes der Beklagten kein Recht, die Preise nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Auch wenn sich die Insolvenzschuldnerin unstreitig auf eine Verhandlung der Preise eingelassen hat, ist es nicht treuwidrig, hinsichtlich der streitgegenständlichen, nicht abgerufenen Liefermengen an dem vertraglich vereinbarten Preis festzuhalten. Insoweit verhält sich die Insolvenzschuldnerin nicht widersprüchlich. Die Beklagte hat insbesondere nicht dargetan, dass die Insolvenzschuldnerin den schriftlichen geschlossenen Vertrag über einen längeren Zeitraum abweichend von seinem Wortlaut interpretiert hätte. Ein Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Verkäuferin nicht mehr an den ursprünglichen Preisen festhält, wird entgegen der Ansicht der Beklagten (Seite 10 des Schriftsatzes vom 11.05.2016, Bl. 419 d. A.) durch die Preisverhandlungen für konkrete Lieferungen nicht geschaffen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hätte.
Bei der Schadensberechnung ist somit von einem Kaufpreis für die streitgegenständlichen Liefermengen (1.666.599,94 Wp) in Höhe von insgesamt € 3.833.197,97 auszugehen.
2.2.7.2. Hinsichtlich des bei der abstrakten Schadensberechnung vom Vertragspreis abzuziehenden Marktverkaufspreises, geht der Senat – zugunsten der Beklagten – davon aus, dass es einer Fristsetzung der Insolvenzschulderin nach § 281 Abs. 2 BGB nicht bedurfte.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schadensberechnung ist in erster Linie der der Entstehung des Schadensersatzanspruchs, also in der Mehrzahl der Fälle der Zeitpunkt des Ablaufs der Nachfrist oder – wie hier – im Falle der Erfüllungsverweigerung der des Übergangs zum Schadensersatzanspruch (Emmerich in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., vor § 281 Rn. 31, Rn. 33.).
Während der Kläger zunächst auf einen Marktpreis am 27.06.2012 in Höhe von € 0,38 pro Wp abstellte (Seite 14 des Schriftsatzes vom 19.12.2013, Bl. 61 d. A.), trägt er aufgrund des Hinweises des Senats vom 03.02.2016 (Bl. 358 d. A.) im Schriftsatz vom 03.03.2016 vor, der Marktpreis für multikristalline Solarzellen habe im Januar 2011 höchstens € 0,69 pro Wp betragen (Seite 7 Tz. 27, Bl. 378 d. A. und Seite 12 Tz. 50, Bl. 383 d. A.) und am 21.04.2011 höchstens € 0,62 pro Wp betragen (Seite 20, Tz. 85, Bl. 391 d. A.). Dem ist die Beklagte im Schriftsatz vom 11.05.2016 nicht entgegengetreten. Es ist daher bei der Schadensberechnung von einem Marktpreis im Januar 1011 für die streitgegenständlichen Liefermengen in Höhe von € 1.145.329,14 auszugehen.
2.2.8. Der Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt.
Der Verjährungsbeginn hängt davon ab, ob eine Nachfristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich war, wovon der Senat hier – ebenfalls zugunsten der Beklagten – ausgeht. Denn der Anspruch aus § 281 Abs. 1 BGB entsteht im Sinne des Verjährungsrechts mit dem Ablauf der Frist, während in den Fällen des Abs. 2 die Entstehung mit dem Umstand zusammenfällt, der den Gläubiger nachfristlos berechtigt, Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen (Ernst in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 281, Rn. 170).
Somit sind die geltend gemachten Schadensersatzansprüche mit Zugang der Rücktritterklärung vom 23.10.2010 (Anlage B 19) entstanden, so dass die Verjährungsfrist frühestens Ende des Jahres 2010 zu laufen begann und am 31.12.2013 endete. Die geänderte Klage ging am 20.12.2013 bei Gericht ein (Bl. 48 d. A.) und wurde der Beklagten am 04.04.2014 zugestellt (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 06.06.2014, Bl. 90 d. A.). Die verjährungshemmende Wirkung trat nach § 167 ZPO bereits mit Eingang der Klage ein. Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO beschreibt keinen festgelegten oder festzulegenden Zeitraum. Vielmehr ist im Einzelfall zu würdigen, ob der Gläubiger alles Erforderliche und Zumutbare für eine Zustellung getan hat und ob der Rückwirkung schützenswerte Belange des Schuldners entgegenstehen. Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs dürfen dem Gläubiger nicht zum Nachteil gereichen, da er auf diesen keinen Einfluss hat. Hingegen sind dem Gläubiger Verzögerungen zuzurechnen, die er bei gewissenhafter Vorbereitung hätte vermeiden können (BGH, Urteil vom 10.09.2015, IX ZR 255/14, juris Tz. 15 m. w. N.).
Die durch die erforderliche Auslandszustellung eingetretene Verzögerung fiel nicht in die Risikosphäre des Klägers. Die Verantwortung für die korrekte und effiziente Durchführung des Verfahrens bei Zustellungen im Ausland liegt nach der gesetzlichen Regelung allein bei den Justizbehörden (BAG, Urteil vom 13.11.2014, 6 AZR 872/13, juris Tz. 21). Hier wurde der Kläger mit Verfügung vom 29.01.2014 (Bl. 73 d. A.) gemäß Art. 5 und 8 EuZustVO unterrichtet und gebeten, innerhalb von zwei Wochen einen weiteren Auslagenvorschuss für die Übersetzung einzuzahlen. Der Auslagenvorschuss wurde am 06.02.2014 überwiesen. Entgegen der von der Beklagten im Schriftsatz vom 06.06.2014 vertretenen Ansicht (Seite 3, Bl. 90 d. A.) war der Kläger nicht gehalten, von vornherein eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen. Wie sich aus Art. 8 EuZustVO ergibt, ist die Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks nicht immer erforderlich. Verweigert der Empfänger die Annahme gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZustVO, kann die fehlende Übersetzung nachgereicht werden. Die Zustellung ist auch ohne Übersetzung fristwahrend (Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Anh II B Art. 8 EuZustVO, Rn. 4).
2.3. Die Beklagte ist nach § 10 Abs. 2 des Fünf-Jahres-Liefervertrages, auf den der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Vertragsstrafe in erster Linie stützt, zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von € 507.441,94 verpflichtet.
2.3.1. Nach § 10 Abs. 2 hat die Insolvenzschuldnerin das Recht, eine Vertragsstrafe in Höhe von höchstens 5% des Kaufpreises der betreffenden Liefermenge zusätzlich zu dem Kaufpreis zu beanspruchen, wenn die Beklagte mit der Bestellung der Mindestbestellmenge nach § 4 Abs. 3 im Verzug bleibt. Die Regelung setzt somit voraus, dass die Beklagte mit der Bestellung in Verzug ist und die Insolvenzschuldnerin sie erfolglos zur Vornahme der Bestellungen aufgefordert hat. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
2.3.1.1. Die Beklagte war nach § 4 Abs. 3 verpflichtet, unter Angabe des Liefertermins mit einer Frist von einem Monat eine verbindliche Bestellung für die monatlichen Liefermengen einzureichen. Solche Bestellungen sind für die Monate Februar, März, Juni, Juli, August und September 2010 unstreitig nicht erfolgt. Eine Mahnung der Insolvenzschuldnerin erfolgte zunächst nicht. Mit Zugang der Rücktritterklärung vom 23.12.2010 geriet die Beklagte jedoch gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug. Mit diesem Schreiben hat sie entgegen ihrer im Schriftsatz vom 11.05.2016 vertretenen Ansicht (Seite 3 des, Bl. 412 d. A.) die Erfüllung ihrer Verpflichtung, Solarzellen verbindlich zu bestellen, ernsthaft und endgültig verweigert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 281 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB zwar strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (BGH, Urteil vom 01.07.2015, VIII ZR 226/14, juris Tz. 33 m. w. N.). Sie ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner grundlos zurücktritt oder sich sonst vom Vertrag lossagt (Ernst in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 323, Rn. 101 und 103; BGH, Urteil vom 22.10.1999, V ZR 401/98, juris Tz. 12). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Erfüllungsverweigerung dagegen dann nicht vor, wenn der Schuldner sich um eine gütliche Regelung auftretender Meinungsverschiedenheiten bemüht, denn wer ernsthaft Verhandlungen über Streitpunkte anbietet, bringt sein Interesse an der Fortsetzung des Vertrages zum Ausdruck. (BGH, Urteil vom 12.01.1993, X ZR 63/91, juris Tz. 15).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier von einer endgültigen Erfüllungsverweigerung auszugehen. Dass die Beklagte sich nach ihrem Rücktrittsschreiben von einer Fristsetzung der Insolvenzschuldnerin hätte umstimmen lassen, erschien ausgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, dass die Insolvenzschuldnerin ihr Schreiben vom 04.04.2011 (Anlage K 4) mit „Letzte Mahnung“ überschrieben hat, denn sie musste der Beklagten schon im Hinblick auf die Regelung in § 10 Abs. 2 des Vertrages nochmals eine Frist setzten. Die Beklagte hat sich vom Vertrag losgesagt, war zum Rücktritt jedoch nicht berechtigt (s.o. Ziffer 2.2.4). Der letzte Absatz des Rücktrittsschreibens lautet zwar „Um eine außergerichtliche Einigung über diesen Streitgegenstand zu erzielen, bitte ich Sie hiermit um einen Vorschlag zur friedlichen Beilegung des Streits“, dies bezieht sich jedoch auf die davor stehenden Ausführungen, das Recht Schadensersatz zu verlangen werde durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen und die Beklagte beanspruche Schadensersatz in Höhe von € 3,14 Mio. sowie Vertragsstrafe in Höhe von € 360.000,00. Dass die Beklagte ihren Vertragspflichten endgültig nicht mehr nachkommen will, wird dagegen an verschiedenen Stellen des mit „Rücktritt“ überschriebenen Schreibens deutlich. Es wird ausgeführt, dass die Insolvenzschuldnerin ihre Vertragspflichten durch Nichterfüllung verletzte und der Beklagten ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten sei. Die Beklagte habe am 10. Juni und Anfang Juli die Beendigung des Vertrages erbeten. Dass die Beklagte – wie sie auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 11.05.2016 (Bl. 413 d. A.) ausführt – gar keine andere Wahl hatte, als im Interesse der Rechtsklarheit den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, steht der Annahme einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung nicht entgegen.
Bei Zugang des Rücktrittschreibens war der sich aus § 4 Abs. 3 des Vertrages ergebende Anspruch der Insolvenzschuldnerin fällig (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2007 V ZR 139/06, juris Tz. 11) und die Bestellung für die streitgegenständlichen Monate noch nachholbar. Die Parteien haben zwar jährliche Mindestliefermengen vereinbart; dass bei einer verspäteten Leistung im Folgejahr der Vertragszweck nicht mehr erreicht werden könnte, hat die Beklagte jedoch nicht dargetan. Ihr Vortrag beschränkt sich darauf, Sinn und Zweck des sukzessiven Lieferungsvertrages sei es gewesen, über einen längeren Zeitraum Liefermengen zu Verfügung zu stellen, um so den laufenden Bedarf der Beklagten sicher zu stellen (Seite 5 des Schriftsatzes vom 06.06.2014, Bl. 92 d. A.), es habe ein Fixgeschäft vorgelegen und die Teillieferungen hätten im Interesse beider Parteien gelegen (Seite 8 des Schriftsatzes vom 05.11.2014, Bl. 189 d. A.).
2.3.1.2. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Insolvenzschuldnerin habe ihr keine einwöchige Frist zur Aufgabe der Bestellung gesetzt (Seite 6 des Schriftsatzes vom 05.11.2014, Bl. 187 d. A.). Die Fristsetzung erfolgte im Schreiben vom 04.04.2011 (Anlage K 4). Dass die Frist länger als eine Woche (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages) war, ist unschädlich. Auch nach Fristablauf am 21.04.2011 nahm die Beklagte keine Bestellungen vor, so dass die Vertragsstrafe verwirkt ist.
2.3.2. Dass die Beklagte das Unterlassen der Bestellungen nicht zu vertreten hätte, hat sie nicht dargetan (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 339, Rn. 15; BGH, Urteil vom 10.02.2011, VII ZR 53/10, juris Tz. 15, zu § 286 Abs. 4 BGB).
2.3.3. Gegen die Wirksamkeit des Strafversprechens in § 10 Abs. 2 des Vertrages bestehen keine Bedenken. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dieser Regelung um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, findet § 309 Nr. 6 BGB nach § 310 Abs. 1 Satz BGB keine Anwendung. Strafversprechen sind allerdings auch unter Unternehmern gemäß § 307 BGB unwirksam, wenn sie den Schuldner unangemessen benachteiligen. Dies ist weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich.
Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Beklagten (Seite 9 des Schriftsatzes vom 05.11.2014, Bl. 190 d. A.) die Vertragsstrafe in Höhe von 1% falle bereits bei einer eintägigen Fristüberschreitung an und benachteilige die Beklagte unangemessen. Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages fällt eine Vertragsstrafe „in Höhe von 1% pro Woche, höchstens jedoch 5% des Kaufpreises“ an. Diese Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass Vertragsstrafe jeweils mit Vollendung der Woche verwirkt wird.
Hier wurde eine Vertragsstrafe vereinbart, deren Höhe von der Zeitspanne abhängig ist, innerhalb derer der Vertragspartner seine Verpflichtung zur Bestellung der Solarzellen nicht erfüllt. In einem insoweit vergleichbaren Fall eines gewerblichen Mietvertrages hat der BGH entschieden, die Vertragsstrafe müsse lediglich in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes stehen (BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00, juris Tz. 51). Hier hat die Insolvenzschuldnerin zwar die Möglichkeit, die Ware – mangels Bestellung – anderweitig zu verkaufen. Gleichwohl hat sie ein berechtigtes Interesse daran, ihre Produktions- und Lagekapazitäten auf – rechtzeitige – Bestellungen auszurichten. Dass eine Vertragsstrafe in Höhe von 1% für eine einwöchige Verzögerung mit einer Obergrenze von 5% unangemessen wäre, hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte (vgl. BGH a. a. O., Tz. 53; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 307, Rn. 9) nicht behauptet.
2.3.4. Bei seiner Berechnung der Höhe der Vertragsstrafe geht der Kläger von einem Kaufpreis in Höhe von € 3.382.946,28 für Februar und März 2010 sowie von € 6.765.892,56 für die Monate Juni bis September 2010 aus (Seite 16 des Schriftsatzes vom 19.12.2013, Bl. 63 d. A.). Dieser Berechnung liegt der ursprünglich vereinbarte Vertragspreis von – gerundet – € 2,03 pro Mp zugrunde. Fünf Prozent aus der Gesamtsumme von € 10.148.838,84 sind € 507.441,94.
2.4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen (entgegen Seite 12 f. des Schriftsatz der Beklagten vom 11.05.2016, Bl. 421 d. A.). Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts sind höchstrichterlich geklärt.

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