Europarecht

Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung – Manipulationssoftware

Aktenzeichen  34 O 5648/18

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19015
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249 S. 1, § 286 Abs. 1, § 288, § 293, § 295, § 298, § 300 f., § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 826, § 849
VO (EU) 715/2007 Art 4 Abs. 2
AktG § 76, § 77, § 91 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 138 Abs. 1, § 287, § 308 Abs. 1, § 709

 

Leitsatz

1. Ein Schaden gemäß § 826 BGB liegt nicht nur vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende „ungewollte“ Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Entscheidend ist daher, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich führt eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses – insbesondere unwahre Angaben über vertragswesentliche Umstände – regelmäßig zur Sittenwidrigkeit des Vertrages. Dies gilt nicht nur für das arglistige Verschweigen eines Mangels durch den Verkäufer, sondern auch für die vorsätzliche Herbeiführung eines Mangels. Dass Mitarbeiter eines Automobilherstellers vorsätzlich mangelhafte Fahrzeuge unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand in Verkehr haben bringen lassen, stellt sich danach als sittenwidrig dar. (Rn. 40 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Vorsatz muss sich auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen. Bei § 826 BGB ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hat. Hierbei reicht es aus, dass der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.056,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozent seit dem 13.12.2013 bis zum 11.12.2018 sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …u zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2018 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 21.650,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19.056,62 € Zug um Zug gegen Übereignung des im Tenor bezeichneten Fahrzeugs gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.
Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
1. Die Beklagte hat dem Kläger einen Schaden i.S.v. § 826 BGB zugefügt.
Ein Schaden gemäß § 826 BGB liegt nicht nur vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende „ungewollte“ Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az. VI ZR 15/14 Rz. 19 mit zahlreichen w.N. = NJW-RR 2015, 275, 276 Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 41; Förster in BeckOK BGB, 43. Edition, Stand 15.06.2017, § 826 Rn. 25). Entscheidend ist daher, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.).
a. Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden des Klägers in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug.
Das Fahrzeug ist mit einem Sachmangel behaftet. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb es auf die Frage, ob die Parteien im Hinblick auf bestimmte Emissionswerte oder dergleichen eine Beschaffenheit des Fahrzeugs (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder im Vertrag eine bestimmte Verwendung vereinbart haben und ob sich das Fahrzeug für diese Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), nicht ankommt.
Das Fahrzeug ist mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Üblicherweise ist nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers bei Kraftfahrzeugen eine softwaregesteuerte Differenzierung zwischen dem Betrieb im Prüfzyklus und der Verwendung im normalen Fahrbetrieb nicht vorhanden.
Die Stickoxidgrenzwerte, die Grundlage der Typengenehmigung und damit mittelbar der Betriebserlaubnis des einzelnen Fahrzeuges sind, können hier nur mit Hilfe einer Motorsteuerungssoftware und nur im Prüfzyklus eingehalten werden (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 53 nach juris). Die Motorsteuerungssoftware ist so programmiert, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte, bei dem eine umfangreichere Abgasrückführung erfolgte, die im Übrigen außer Kraft gesetzt wurde. Der Käufer eines Fahrzeugs muss jedoch berechtigterweise nicht mit einer wirkungsvollen Begrenzung des Schadenstoffausstoßes nur im Prüfzyklus rechnen.
Eine Differenzierung zwischen dem Straßenbetrieb und dem NEFZ darf indes nicht erfolgen. Dies zeigt bereits Art 4 Abs. 2 VO (EU) 715/2007 wonach die Auspuff- und Verdunstungsgase unter „normalen Nutzungsbedingungen“ in Bezug genommen werden. Auch systematische Gesichtspunkte rechtfertigen dieses Verständnis. So nimmt Art. 5 Abs. 1 der vorgenannten Verordnung auf das durch Bauteile beeinflusste Emissionsverhalten unter „normalen Betriebsbedingungen“ Bezug und untersagt ein abweichendes Emissionsverhalten, indem es die Bauteile und Software, die eine Differenzierung zulassen, als grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtungen bewertet, unabhängig davon, an welcher Stelle sie den Schadenstoffausstoß beeinflussen. Der Begriff des Emissionskontrollsystems ist nicht definiert und nach dem Zweck der Begrenzung des Schadenstoffausstoßes auf einzelne Bauteile begrenzt. Genau diese Begrenzung insbesondere des Stickoxidausstoßes verhindert aber die Softwareprogrammierung des Motors EA 189 (vgl. LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017, 6 O 119/16, Rn. 36 nach juris).
b. Das Inverkehrbringen von mangelhaften Fahrzeugen dieser Bauart unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand durch die Beklagte war ursächlich für den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Kläger. Wären mangelhafte Fahrzeuge dieser Art nicht in Verkehr gebracht worden, hätte der Kläger ein solches Fahrzeug nicht erwerben können.
Der Kläger hätte den Kaufvertrag in Kenntnis des Mangels auch nicht geschlossen. Davon ist das Gericht überzeugt. Dass die klagende Partei mit der Manipulation des Schadstoffausstoßes im Prüfstand nicht einverstanden gewesen wäre, ist hier besonders glaubhaft, weil er eigens ein Fahrzeug mit geringerem Verbrauch und Schadstoffausstoß, ausgewählt hat. Hätte der Kläger die Funktionsweise der Software bei Abschluss des Kaufvertrags gekannt, hätte er vom Kauf dieses mangelhaften Fahrzeugs abgesehen. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf ein derart manipuliertes Fahrzeug und die Unsicherheit eines möglichen Widerrufs der Zulassung einlassen und ein solches Fahrzeug dennoch erwerben.
c. Der Schaden der klagenden Partei in Form des ungewollten Vertrags ist zudem unabhängig davon eingetreten, ob das streitgegenständliche Fahrzeug durch die verwendete Software einen Wertverlust erlitten hat oder ob das streitgegenständliche Fahrzeug, verglichen mit vergleichbaren Modellen anderer Hersteller, im realen Fahrbetrieb vergleichsweise emissionsarm und kraftstoffsparend ist.
An dem Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses ändert sich auch durch die zwischenzeitlich technische Überarbeitungsmöglichkeit („Software-Update“) des Fahrzeugs nichts. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich der arglistig getäuschte Käufer einer mangelhaften Sache nicht auf eine Beseitigung des Mangels verweisen lassen muss. Es spielt damit vorliegend für den Schaden auch keine Rolle, dass der Kläger sich geweigert hat das Softwareupdate aufspielen zu lassen.
2. Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu werten.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15.10.2013, Az. VI ZR 124/12 Rz. 8 mit zahlreichen w.N. = NJW 2014, 1380). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, a.a.O.).
Dies ist hier der Fall:
a. Grundsätzlich führt eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses – insbesondere unwahre Angaben über vertragswesentliche Umstände – regelmäßig zur Sittenwidrigkeit des Vertrages (Palandt, BGB, 77. Aufl., § 826 Rn. 20). Dies hat die Rechtsprechung, insbesondere für das arglistige Verschweigen eines Mangels durch den Verkäufer, angenommen (BGH, Urteil vom 20. April 1988 – VIII ZR 35/87 -, Rn. 12; vgl. auch Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 184). Ebenso als sittenwidrig anerkannt ist die vorsätzliche Herbeiführung eines (Sach-)Mangels (Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 184 m.w.N.). Dass Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich mangelhafte Fahrzeuge unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand in Verkehr haben bringen lassen, stellt sich danach als sittenwidrig dar.
Die Beklagte hat durch den Einbau einer Erkennungssoftware bei den von ihr hergestellten Motoren bewirkt, dass diese erkannte, wenn sich das Fahrzeug im Prüfstand befand, um dann ein speziell nur für den Prüfzyklus vorgesehenes Abgasrückführungsverfahren einzuleiten, bei dem die gesetzlichen Grenzwerte der EU-Verordnung 715/2007/EG über die Typengenehmigung von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen für Abgase eingehalten werden, um die Zulassung des Fahrzeugs zu erreichen. Hierbei ist irrelevant, ob die erteilte EG-Typengenehmigung wirksam erteilt wurde und dass allgemein bekannt sein mag, dass die unter Laborbedingungen ermittelten Herstellerangaben nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen. Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten verwerflich ist, darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Schadstoffausstoßes im Genehmigungsverfahren bestand. Wenn üblicherweise im Labor andere Messwerte erzielt werden als im realen Fahrbetrieb, so liegt dies daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen eben nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch an einer gezielten Manipulation, die dem Verbraucher bewusst verschwiegen wird.
b. Das schädigende Verhalten der Beklagten ist sowohl wegen seines Zwecks als auch wegen des angewandten Mittels als auch mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung als verwerflich anzusehen.
Die Beklagte hat mit dem Einsatz der Manipulationssoftware massenhaft und mit erheblichem technischem Aufwand gesetzliche Vorschriften zum Umwelt- und Gesundheitsschutz ausgehebert und zugleich Kunden getäuscht. Sie hat damit nicht einfach nur Abgasvorschriften außer Acht gelassen und erhebliche Umweltverschmutzung herbeigeführt, sondern zugleich eine planmäßige Verschleierung dieses Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden, den Verbrauchern und Mitwettbewerbern vorgenommen, um der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder sie wettbewerbsfähig zu halten, weil sie entweder nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil sie aus Gewinnstreben den Einbau der ansonsten notwendigen teureren Vorrichtungen unterließ. Die hieraus abzuleitende Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Fahrzeuge bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt zu schädigen, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Anschaffung eines Fahrzeugs für einen Verbraucher in der Regel um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht handelt und ein Verbraucher als technischer Laie die Manipulation nicht erkennen kann. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit des Verbrauchers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt, was eine besonders verwerfliche Vorgehensweise darstellt.
Die Beklagte hat bewusst das ihr entgegengebrachte Vertrauen der Verbraucher ausgenutzt. Sie verfügt über ein über viele Jahre gewachsenes überdurchschnittliches Vertrauen, das auf einer in der Vergangenheit erfolgreichen Unternehmenspolitik sowie einem Qualitätsanspruch beruhte, von dem der Durchschnittsbürger annahm, dass die Beklagte ihm überwiegend gerecht wird. Dieses Vertrauen hat sie genutzt, als sie in der jüngeren Vergangenheit mit der besonderen Umweltverträglichkeit der von ihr entwickelten Dieselmotoren geworben hat. Verbraucher haben die dort angepriesenen technischen Merkmale und aufgezeigten Grenzwerte insbesondere auch deshalb nicht infrage gestellt, weil die Beklagte insofern als glaubwürdig galt. Tatsächlich erfüllten die beworbenen Motoren ohne die Software allerdings nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen. Dieses Verhalten ist als verwerflich einzuordnen. Zwar ist es nicht schon verwerflich, wenn ein Unternehmen seinen eigenen Ansprüchen oder denjenigen der Verbraucher nicht genügt. Die unternehmerische Freiheit muss ihre Grenze jedoch dort finden, wo – wie hier – das besondere Vertrauen unter Inkaufnahme einer essenziellen Schädigung der potentiellen Kunden ausgenutzt wird, um sich aus Gewinnstreben Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Die Beklagte ist ein bedeutender Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihr vorgenommene gezielte Manipulationen in Genehmigungsverfahren geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben. Wenn die Beklagte behauptet, dass die Folgen des Einsatzes der Software für die klagende Partei (und andere Käufer betroffener Fahrzeuge) nicht spürbar seien, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte ein solches Risiko negativer Entwicklungen mit volkswirtschaftlich messbaren Auswirkungen jedenfalls ihrem mit missbräuchlichen Mitteln verfolgten eigenen Gewinnstreben untergeordnet hat und damit verwerflich handelte.
3. Die Beklagte handelte im Hinblick auf die Schadenszufügung auch vorsätzlich. Der Beklagten ist das vorsätzliche Handeln ihrer Mitarbeiter auch gemäß § 31 BGB zuzurechnen.
a. Der Vorsatz muss sich auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen. Bei § 826 BGB ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hat (vgl. nur Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 25). Hierbei reicht es aus, dass der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 20.11.1990, Az. VI ZR 6/90 = NJW 1991, 634, 636).
Zunächst steht fest, dass die Abschalteinrichtung willentlich entwickelt und eingesetzt wurde; sie war keineswegs die Folge eines „Fehlers“ oder gar zufälliger Natur. Etwas Gegenteiliges wird auch von der Beklagtenseite nicht vorgetragen. Unter gebotener lebensnaher Betrachtung und Bewertung der Gesamtumstände schließt das Gericht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung aus anderen Gründen entwickelt und eingesetzt wurde, als sich einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen. Entweder war der Druck auf die Entwickler bzw. die Beklagte als Unternehmen deshalb so groß, weil sie jedenfalls damals technisch nicht in der Lage waren, die Anforderungen zu erfüllen, die an sie von Gesetzesseite gestellt wurden oder die Erfüllung der notwendigen Vorgaben war im Hinblick auf den notwendigen Erfolg im Wettbewerb mit anderen Kraftfahrzeugherstellern unwirtschaftlich, d.h. die Entwicklung und bzw. oder Umsetzung einer gesetzesentsprechenden Technologie zu teuer.
Welche dieser Varianten tatsächlich der maßgebliche Antrieb der Verantwortlichen waren, kann dahinstehen, weil diesen in beiden Fällen jedenfalls klar sein musste, dass aufgrund der Täuschung gegenüber der Genehmigungsbehörde im schlimmsten Fall Rücknahme oder Widerruf der gesamten EG-Typengenehmigung droht, mit allen bereits zuvor erörterten essentiellen wirtschaftlichen Risiken der Fahrzeugkäufer.
Weil die Verantwortlichen im Bewusstsein dessen die Täuschung dennoch vornahmen, ist davon auszugehen, dass sie mindestens billigend in Kauf nahmen, dass ihre eigenen Kunden in erheblicher Weise wirtschaftlich durch das Verhalten geschädigt werden. Weiterhin ist davon auszugehen, dass den Verantwortlichen bewusst war, dass das eigene Verhalten nicht nur unredlich im Verhältnis zu den potentiellen Kunden, sondern nach der Verkehrsanschauung auch als besonders verwerflich einzuordnen ist.
Schließlich war den Verantwortlichen bewusst, dass das Verschweigen dieser maßgeblichen Eigenschaften des streitgegenständlichen Fahrzeugs für den Käufer desselben entscheidungserheblich war. Bei lebensnaher Betrachtung ist nämlich kaum davon auszugehen, dass diese selbst an seiner Stelle zum damaligen Zeitpunkt in Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft hätten.
b. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, Rn. 13, 27 nach juris).
Da es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft handelt, haftet diese für deliktische Handlungen analog § 31 BGB nur für die Handlungen ihrer „Organe“. Zwar gilt § 31 BGB unmittelbar nur für Vereine (vgl. Buch 1, Abschnitt 1, Titel 2, Untertitel 1, Kapitel 1 des BGB). Es ist jedoch anerkannt, dass diese Vorschrift analog für alle juristischen Personen Anwendung findet, da insoweit eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage besteht.
Nach dieser Vorschrift haftet die juristische Person nicht für jedes deliktische Handeln eines ihrer Mitarbeiter, sondern nur für das deliktische Handeln solcher Personen, bei denen es sich um ein Mitglied des Vorstandes oder eines anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter handelt (LG München Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16, Rn 103 nach juris).
Der Kläger hat substantiiert vortragen, dass konkret eines der Mitglieder des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten eine Täuschungshandlung ihm gegenüber vorgenommen hat.
Ein weitergehender Vortrag ist vom Käufer betroffener Fahrzeug nicht zu verlangen, da es sich um Tatsachen handelt, die alleine im Organisations- und Kenntnisbereich der Beklagten liegen. Der Kläger hat naturgemäß keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Er hat den ihm insoweit zuzumutenden Vortrag unter Benennung des Zeugen Dr. W. erbracht (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 38).
Die Beklagte trifft hinsichtlich der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, eine sekundäre Darlegungslast. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich in diesen Fällen nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGHZ 140, 156, 158 f, juris; LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn 37 LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, 3 O 252/16, Rn. 85 nach juris). Daher kann man es dem Kläger nicht anlasten, dass er seine Behauptung nicht noch konkreter fassen kann. Es handelt sich um Umstände aus dem Bereich, für die eine sekundäre Darlegungslast besteht. (LG Karlsruhe, Urteil vom 22.03.2017, 4 O 118/16, Rn. 57 nach juris; LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 35 nach juris LG München Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16 Rn. 105 nach juris). Eine sekundäre Darlegungslast erfordert, dass es der darlegungs- und beweisbelasteten Partei nicht möglich ist oder unzumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 10.02.2015, VI ZR 343/13 BGH, Urteil vom 22.10.2014, VIII ZR 41/14). Das ist vorliegend der Fall, worauf die Beklagte mit Hinweis vom 11.12.2018 auch hingewiesen wurde.
Anders als im Fall der Anlagehaftung, wo eine solche Erleichterung der Darlegungslast zu Gunsten der Kenntnisse der Fondsinitiatoren im Hinblick auf Eigenschaften des Anlageobjektes nicht angenommen wurde, liegt die Konstellation hier. Es geht vorliegend um die Beschaffenheit unmittelbar des selbst hergestellten Veräußerungsobjektes und nicht lediglich den Bezugspunkt eines Anlageobjekts. Es ist davon auszugehen, dass der Vorstand von der gezielten Verwendung der Softwaresteuerung für zwei Betriebsmodi zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2013 Kenntnis hatte. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. „Compliance“ vgl. MüKoAktG/Spindler AktG § 91 Rn. 52-53) Im Hinblick auf gesetzliche Pflichten (vgl. etwa §§ 76, 77, 91 Abs. 2 AktG) ist davon auszugehen, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen (u.a. etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling, vgl. Hüffer/Koch AktG § 91 Rn 10) in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den NEFZ-Prüfstand erscheint – auch unter Berücksichtigung des bei Entwicklung gegebenen Blickwinkels – als eine derart wesentliche Entscheidung. Wenn die Entwicklung einer Elektroniksteuerungssoftware mit einem größeren finanziellen Aufwand verbunden ist, müssen hierfür auch entsprechende Budgets in Anspruch genommen sein (LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, 3 O 252/16, Rn. 89 nach juris).
Der Beklagten wäre es auch ohne weiteres möglich, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors – genauer mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software – getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Dann hätte der Kläger weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen. Es fehlt eine substantiierte Darlegung der Beklagten zu den Zuständigkeiten. Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 55 nach juris). Sie hätte es andernfalls durch fehlende Offenlegung in der Hand, ihre Haftung auf einfache Weise zu verhindern.
Demgegenüber vermag es auch nicht zu überzeugen, sich auf die Unkenntnis der Einzelheiten aufgrund der Zeitspanne seit der Motorenentwicklung berufen zu können, wie es vom Landgericht München in seiner Entscheidung vom 15.11.2016 (Az. 12 O 1482/16, Rn. 106 nach juris) für zulässig erachtet wird. Die Entwicklung von Motoren moderner Bauart erfordert unbestritten ein komplexes Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen technischen Zweigen, jedoch gerade bei einer gezielten und gewollten Abweichung bei der Abgasrückführung und damit den Emissionen zwischen Prüfungszyklus und Betrieb im Straßenverkehr sind eigenverantwortliche Entscheidungen einzelner Mitarbeiter nicht zu erwarten, zumal die Produktion der Motoren für eine ganze Fahrzeugpalette sogar durch Drittfirmen – hier Bosch – im Raum steht. „Es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Entscheidung von bloßen Ingenieuren ohne (dokumentierte) Kenntnis und Billigung zumindest eines Teil des Vorstands getroffen wurde.“ (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16, Rn. 39 nach juris).
Der Vortrag der Beklagten, sie „kläre gerade die Umstände auf“, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Software des Dieselmotors EA 189 EU in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, ist unzureichend und genügt den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 ZPO mit Blick auf die sekundäre Darlegungslast nicht. Der Vortrag lässt bereits nicht erkennen, welche Ermittlungen angestellt und welche Ergebnisse sie bisher zu Gunsten der Beklagten erbracht hätten. Auch belegt sie diese Behauptung nicht durch entsprechende Beweisantritte.
II.
Als Rechtsfolge kann der Kläger von der Beklagten Zahlung von 19.056,62 € Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.
1. Die Beklagte hat gemäß § 249 S. 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Kläger ist daher vorliegend so zu stellen, wie wenn er den Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen hätte. In diesem Fall hätte der Kläger den Kaufpreis in Höhe von 21.650,00 € für das Fahrzeug nicht gezahlt.
Der Kläger hätte allerdings auch keine Vermögensvorteile in Form der während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen erzielt. Diese sind auf den Ersatzbetrag anzurechnen, weil andernfalls eine vom Schadensrecht nicht gedeckte Überkompensation stattfinden würde. Der Vorteilsausgleich erfolgt von Amts wegen. Die Berechnung des Nutzungswerts erfolgt, indem der Bruttokaufpreis mit den gefahrenen Kilometern multipliziert und das Produkt durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs dividiert wird.
Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. für einen VW Touran mit Dieselmotor LG Berlin, Urteil vom 05. Dezember 2017 – 4 O 150/16 – LG Baden-Baden, Urteil vom 27. April 2017 – 3 O 163/16 – LG Bielefeld, Urteil vom 30. Juni 2017 – 7 O 201/16 – LG Bochum, Urteil vom 17. August 2017 – 8 O 26/17 – LG Arnsberg, Urteil vom 08. September 2017 – 2 O 101/17 – für 300.000 km dagegen LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17. Juli 2017 – 13 O 174/16 – LG Krefeld, Urteil vom 12. Juli 2017 – 7 O 159/16 – LG Trier, Urteil vom 07. Juni 2017 – 5 O 298/16 -). Es handelt sich um den Mittelwert der in der neueren Rechtsprechung zumeist angenommenen Gesamtlaufleistungen zwischen 200.000 und 300.000 km (Nachweise bei Staudinger/Dagmar Kaiser (2012) BGB § 346, Rn. 260). Von der Beauftragung eines Sachverständigen sieht das Gericht ab und schätzt die voraussichtliche Gesamtlaufleistung nach § 287 ZPO, weil auch ein Sachverständiger nur eine eigene, subjektive Schätzung der Gesamtlaufleistung vornehmen könnte. Empirische Studien über die durchschnittliche Laufleistung am Ende der Lebensdauer von Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art werden mangels statistischer Erfassung der Fahrleistung zum Ende der Lebensdauer auch Sachverständigen nicht vorliegen.
Der Anspruch des Klägers unter Beachtung der auszugleichenden Vorteile errechnet sich daher wie folgt:
„Kaufpreis × (gefahrene Kilometer – Kilometerstand bei Kauf) / (Gesamtlaufleistung – Kilometerstand bei Kauf) = Nutzungsvorteil
=
21.650,00 € × (35.272 km – 6.050 km) / (250.000 km – 6.050 km) = 2.593,38 €
Diesen Nutzungsvorteil in Höhe von 2.593,38 € muss sich der Kläger vom ursprünglich gezahlten Kaufpreis (21.650,00 €) abziehen lassen, sodass ein Anspruch auf 19.056,62 € verbleibt.“
2. Zu verzinsen ist die Forderung zunächst ab dem Tag der mündlichen Verhandlung, § 291 S. 1 Hs. 2 BGB. In der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Laufleistung seines Pkws mitgeteilt, so dass der von ihm geschuldete Vorteilsausgleich bzw. der von der Beklagten geschuldete Schadensersatz ermittelt werden konnte. Ob der Kläger der Beklagten das Fahrzeug in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat, ist für die Frage der Verzinsung unerheblich. Bei einem Schadensersatzanspruch, der Zug um Zug gegen Rückgewähr einer Leistung zu erfüllen ist, steht eine Zuvielforderung der Pflicht zur Zinszahlung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – III ZR 323/03 -, Rn. 7; anders für Fälle des § 348 BGB BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 30). Die Pflicht zur Zinszahlung kann der Beklagten billigerweise auferlegt werden, nachdem sie die Klageforderung schon dem Grunde nach bestreitet und nicht einmal zur Zahlung des tatsächlich geschuldeten Geldbetrags bereit ist.
Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Verzinsung der Geldschuld ab einem früheren Zeitpunkt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Verzug ist vorgerichtlich nicht eingetreten, denn der Kläger bot zwar die Rückgabe des Fahrzeugs an, zog jedoch von seinem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht den seinerseits zu leistenden Vorteilsausgleich ab. Auch teilte er die Laufleistung des Fahrzeugs nicht mit, sodass die Beklagte den Zug-um-Zug zu erfüllenden Anspruch auch nicht selbst ermitteln konnte. Eine Mahnung setzt die bestimmbare Bezeichnung der geforderten Leistung voraus, woran es aus vorgenannten Gründen fehlte.
Aus demselben Grund schuldet die Beklagte auch keine Prozesszinsen aus § 291 BGB ab Rechtshängigkeit. Die Vorschrift setzt bei unbezifferten Forderungen voraus, dass die Grundlagen für die Bemessung im Zeitpunkt der Klagerhebung mitgeteilt werden (vgl. Staudinger/Manfred Löwisch/Cornelia Feldmann (2014) BGB § 291, Rn. 8), was hier mangels Mitteilung der Laufleistung in der Klageschrift nicht der Fall gewesen ist.
Der Kläger hat jedoch ab dem Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs bis zur Rechtshängigkeit eine Verzinsung in Höhe von 4 Prozent gem. §§ 849, 246 BGB beantragt. Diese steht ihm zu, da die Voraussetzungen des § 849 BGB vorliegen, da der Kläger durch den Autokauf bzw. die Täuschung der Beklagten dazu veranlasst wurde, den Kaufpreis zu zahlen, vgl. BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck 48. Edition Stand: 01.08.2018, § 849 Rn. 2 m.w.N.
Zusammenfassend ist die klägerische Forderung daher gem. §§ 849, 246 BGB von 13.12.2013 bis 11.12.2018 (Tag der mündlichen Verhandlung) in Höhe von 4 Prozent zu verzinsen und seit dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 291 S. 1 Hs. 2 BGB.
Da im Antrag auf Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Antrag auf Verzinsung mit 4 Prozent als sog. Minus enthalten ist, war die Verzinsung mit 4 Prozent bis zum Tag der mündlichen Verhandlung zuzusprechen. Eine Begrenzung der Höhe nach aufgrund des Unterschieds zwischen „4 Prozent“ und „5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ war im Tenor nicht auszusprechen, da der Basiszinssatz im Zeitraum vom 15.06.2018 (Rechtshängigkeit) bis 11.12.2018 -0,88 Prozent betrug (s. Bek. V. 26.06.2018, BAnz AT 28.06.2018 B6). Die zugesprochene Verzinsung geht damit nicht über den klägerischen Antrag hinaus, § 308 Abs. 1 ZPO.
3. Das mit dem Klageantrag zu Ziffer 2 verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte ist nicht gemäß den §§ 293, 298, 295 BGB mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug.
Mit vorprozessualem anwaltlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03.01.2018 bot der Kläger zwar die Bereitstellung des streitgegenständlichen Fahrzeuges zur Abholung an, Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Annahmeverzug ist aber nicht eingetreten, weil die Beklagte mangels Bezifferung des Nutzungsausgleichs nicht erkennen konnte, von welcher Zahlung die klagende Partei die Herausgabe abhängig machte. Die Beklagte konnte mangels Mitteilung der Laufleistung auch nicht selbst Zahlung in der tatsächlich geschuldeten Höhe anbieten. Annahmeverzug hätte gemäß § 298 BGB voraus gesetzt, dass die klagende Partei von der Beklagten die geschuldete Zahlung verlangt, was eine der Höhe nach bestimmte oder jedenfalls bestimmbare Forderung voraus setzt.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 teilte der Kläger die Laufleistung zwar mit; Annahmeverzug scheiterte nunmehr aber daran, dass die klagende Partei ohne Anrechnung eines Vorteilsausgleichs eine weitaus höhere Zahlung fordert als geschuldet. Eine solche Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 27 ff.; KG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2017 – 8 U 230/15 -, Rn. 111; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.07.2016 – 17 U 144/15 OLG Koblenz, Urteil vom 19. Juni 2008 – 6 U 1424/07 – OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.09.2007 – 7 U 169/06 MüKoBGB/Ernst BGB § 295 Rn. 4 a.A. Hager in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 298 BGB, Rn. 3; Niemeyer/König, NJW 2013, 3213). Die potenziell weit reichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) können dem Gläubiger billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich der Schuldner zur Herausgabe selbst gegen Erhalt der ihm seinerseits zustehenden Leistung nicht bereit erklärt. Wäre die klagende Partei entgegen ihres Klageantrags zur Herausgabe auch gegen Zahlung eines geringeren Betrags bereit, hätte sie der Beklagten ohne Schwierigkeiten ein entsprechendes wörtliches Angebot zukommen lassen können. Ohne ein solches Angebot kann eine solche Bereitschaft nicht unterstellt werden.
4. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, da die Kosten der Rechtsverfolgung bereits unabhängig von den Voraussetzungen des Verzugs in den originären Schutzbereich der §§ 823 ff. BGB fallen (vgl. Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 249 Rn. 57).
Die erforderlichen Anwaltskosten ergeben sich der Höhe nach aus einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem berechtigten Wert von 19.056,62 € in Höhe von 964,60 €, zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00 € und 19 % Mehrwertsteuer. Eine über 1,3 hinausgehende Geschäftsgebühr ist vorliegend nicht angemessen. Es handelt sich vorliegend sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich des rechtlichen Schwierigkeitsgrades nicht um einen überdurchschnittlichen Fall. Die diskutierten Rechtsfragen sind Gegenstand unzähliger Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsentscheidungen, die Beteiligten verwenden standardisierte Schreiben und formularmäßige Textbausteinsteine in einer Vielzahl von Fällen. Auch der Umstand, dass der auch diesem Einzelfall zu Grunde liegende Sachverhalt große mediale Bedeutung hat, begründet keine Schwierigkeit im Hinblick auf den hier zu entscheidenden Fall. Dass die Schriftsätze der Parteivertreter äußerst umfangreich sind, bedeutet nicht, dass dies auch auf den zugrundeliegenden Sachverhalt zutrifft.
Zu verzinsen ist dieser Anspruch ab 18.01.2018, da die Beklagte ab diesem Zeitpunkt aufgrund des Schreibens vom 03.01.2018 (Anlage K 10) in Verzug war.
III.
Die „Kostenaufstellung und Forderung zum 31.12.2018“ auf Seite 9 des klägerischen Schreibens vom 09.12.2018 (Anlage 1 zum Protokoll vom 11.12.2018) – sofern man diese als Antrag auslegen sollte – war nicht zu berücksichtigen, da ein dahingehender Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht gestellt wurde.
IV.
Auch die rechtlichen Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 22.02.2019 führen nicht zu einer anderen Bewertung der dargestellten Rechtsauffassung.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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