Europarecht

Schadensersatzpflicht des Kraftfahrzeugherstellers wegen unzulässiger Motorsteuerungssoftware

Aktenzeichen  22 O 4417/19

Datum:
29.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40937
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826

 

Leitsatz

Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware stellt eine konkludente Täuschung dar. Mit dem Inverkehrbringen gibt ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist. Dies ist allerdings nicht der Fall, weil eine verwendete Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, so dass ein Widerruf der Typgenehmigung droht.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 30.594,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Fahrzeuges VW Caddy Trendli- ne 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.434,74 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.10.2019 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei 18%, die Beklagte 82%.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 37.198,26 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht München I ist sachlich gem. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG und örtlich gem. § 32 ZPO zuständig. Das Feststellungsinteresse für den Annahmeverzug (vgl. Klageantrag Ziffer 2) ergibt sich aus § 756 ZPO.
B.
Die Klage ist begründet.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 30.594,68 € Zug um Zug gegen Übereignung des im Tenor bezeichneten Fahrzeugs gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.
Die Beklagte hat der Klagepartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
I.
Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob das Verhalten nach seinem Gesamtcharakter, welcher aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Verhaltens zu entnehmen ist, mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 03.12.2013 – Az. XI ZR 295/12 m.w.N.). Wer jedoch bewusst täuscht, um einen anderen zum Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig, so bei unwahren Angaben über vertragswesentliche Umstände.
1. Die Beklagte ist nicht die Vertragspartnerin der Klagepartei, sondern nur die Herstellerin des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Dennoch können die oben genannten Grundsätze für den vorliegenden Fall sinngemäß angewendet werden. Sittenwidrig handelt in der Regel, wer einen anderen durch Täuschung zu einem Vertragsschluss bringt, der dem Täuschenden unmittelbar oder mittelbar zum Vorteil gereicht. Die Beklagte ist im vorliegenden Fall durch den Vertragsschluss zumindest mittelbar begünstigt, denn die Produktion des Motors ist darauf ausgelegt, das Fahrzeug, inklusive Motor, letztendlich an den Endabnehmer weiter zu veräußern. Auch bei der Einschaltung von Zwischenhändlern ist der Vertragsschluss mit dem Endkunden für die Beklagte Ziel der Produktion. Das ergibt sich schon aus der Überlegung, dass auch die etwaigen Zwischenhändler das Fahrzeug nur wegen des Weiterverkaufs an den Endkunden erwerben.
2. Die Beklagte hat die Klagepartei bewusst über Tatsachen getäuscht, um sie zum Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu bringen.
Eine Täuschung ist das Einwirken auf das Vorstellungsbild eines anderen, um eine Fehlvorstellung über die Wirklichkeit hervorzurufen. Die Täuschung kann ausdrücklich, konkludent oder durch Unterlassen begangen werden. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware stellt eine konkludente Täuschung dar. Mit dem Inverkehrbringen gibt ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist. Dies war vorliegend allerdings nicht der Fall: Die verwendete Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware ist als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren, so dass ein Widerruf der Typgenehmigung droht (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
a) Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs, inklusive Motor, hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, d.h. dass es über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamts erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller zumindest konkludent mit der Inverkehrgabe (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Denn bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt als zuständiger Behörde (§ 2 EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das Kraftfahrt-Bundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 FZV dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
b) Das Fahrzeug verfügte entgegen dem konkludenten Erklärungswert der Inverkehrgabe vorliegend gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Bei der verwendeten Motorsteuerungssoftware handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 715/2007. Die Manipulation der Abgassoftware hat zur Folge, dass das Fahrzeug im Prüfstand weniger Stickoxid ausstößt als im Fahrbetrieb. Nur der im Testlauf unter Laborbedingungen verringerte Stickoxidausstoß erfüllte die Voraussetzungen der EU-Norm 5 nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Zwar bestreitet die Beklagte, dass es sich bei der verbauten Software um eine Abschalteinrichtung nach Art. 3 VO (EG) handelt. Zudem komme es zwischen dem Prüfstandsbetrieb und dem Straßenbetrieb naturgemäß zu einer Abweichung des angegebenen Schadstoffausstoßes. Dieser Argumentation ist jedoch nicht zu folgen: Schließlich werden die vorgeschriebenen Emissionswerte im Prüfstand nur eingehalten, weil eine Software regulierend eingreift (vgl. zur Qualifizierung der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware als unzulässige Abschalteinrichtung auch BGH, Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 – VIII ZR 225/17).
3. Diese konkludente Täuschung war sittenwidrig, da besondere Umstände vorliegen, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks, wegen des angewandten Mittels beziehungsweise mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen.
Zunächst ist der Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass das grundsätzliche Ziel der Gewinnmaximierung nicht per se sittenwidrig ist. Die Verfolgung dieses Ziels ist im Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems nicht zu beanstanden und wird von wohl allen Unternehmen am Markt verfolgt.
Jedoch darf ein zulässiges Ziel nicht „um jeden Preis“ verfolgt werden. Die Sittenwidrigkeit eines Verhaltens kann gerade daraus resultieren, dass das zur Erreichung des Zwecks angewandte Mittel in Verbindung mit der gezeigten Gesinnung verwerflich ist.
Die Besonderheit der Umstände, durch die dieser Fall als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend anzusehen ist, liegt zum einen darin, dass die Beklagte die Verwendung der Abschalteinrichtung systematisch verschwiegen hat. Es handelt sich beim streitgegenständlichen Sachverhalt nicht um einen Einzelfall. Die Beklagte hat planmäßig die gesamte Serie dieses Motors, der in ca. 2,4 Mio. Fahrzeugen allein für den deutschen Markt verbaut ist, mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung ausgestattet und unterlassen, dies mitzuteilen. Dadurch wurden Millionen Endabnehmer getäuscht, die – die Kausalität unterstellt – im Falle einer richtigen Aufklärung einen Vertrag über das betroffene Fahrzeug nicht abgeschlossen hätten. Angesichts dieser Vorgehensweise kann darauf geschlossen werden, dass die Beklagte ihre verfolgten Ziele der Gewinnmaximierung um jeden Preis durchsetzen wollte, sogar unter Täuschung von Millionen Endabnehmern und unter Inkaufnahme des Risikos, dass die gesamten mit dem streitgegenständlichen Motor ausgestatteten Fahrzeuge stillgelegt werden (vgl. auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Außerdem erscheint die Art und Weise der Täuschung als besonders verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorausgegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte beim Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des staatlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität und Glaubwürdigkeit der staatlichen Behörden zunutze gemacht (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Daneben muss der Umstand berücksichtigt werden, dass die Beklagte eine Gefahr geschaffen hat, die zur vollständigen Unbrauchbarmachung der betroffenen Fahrzeuge führen kann. Es ist streitgegenständlich ein Mangel in Form einer unzulässigen Abschalteinrichtung, der – mag er behebbar sein oder nicht – zumindest die Gefahr in sich trägt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Typgenehmigung widerruft. Damit wäre unumkehrbar die Nutzbarkeit des gesamten Fahrzeugs aufgehoben. Es läge auch nicht in der Hand der Beklagten, diese Nutzbarkeit etwa durch eine Nachbesserung wiederherzustellen. Denn der Widerruf der Typgenehmigung liegt allein in der Hand des Kraftfahrt-Bundesamts.
Unter der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände ist somit davon auszugehen, dass die Beklagte die Klagepartei in sittenwidriger Weise getäuscht hat.
Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil das Fahrzeug für die Klagepartei nutzbar war und sie keiner konkreten (beispielsweise Gesundheits-)Gefahr ausgesetzt hat. Denn die Nutzbarkeit des Fahrzeugs ist vor allem eine Frage der Vorteilsausgleichung. Im Übrigen mag zwar nicht die Gesundheit der Klagepartei verletzt worden sein, jedoch wurden durch die Beklagte zumindest schützenswerte Umweltbelange verletzt. Der Schutz der Umwelt hat im Übrigen durch Art. 20a Grundgesetz Verfassungsrang. Gerade unbestimmte Rechtsbegriffe wie die Sittenwidrigkeit in § 826 BGB müssen im Lichte des Grundgesetzes ausgelegt werden. Insofern kann die Sittenwidrigkeit des Verhaltens nicht deshalb wegfallen, weil die Beklagte „nur“ die Umweltbelange unberücksichtigt gelassen hat.
II.
Der Klagepartei ist durch die sittenwidrige Schädigung der Beklagten ein Schaden entstanden.
Ein Schaden gemäß § 826 BGB liegt nicht nur vor, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende „ungewollte“ Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 m.w.N.). Entscheidend ist daher, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden der Klagepartei in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden des getäuschten Käufers liegt in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Allein maßgebend ist, dass der abgeschlossene Vertrag, hier hinsichtlich der Eigenschaften des Kaufgegenstands, nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten entspricht und überdies die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14). Beide Voraussetzungen waren hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben, weil vorliegend wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung drohte bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs. Wegen des zur Rechtswidrigkeit der EG-Typgenehmigung führenden und damit die Zulassung des Fahrzeugs gefährdenden Mangels ist gerade der intendierte Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor der tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung, werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig, das heißt, im Auslieferungszustand droht ebenfalls die Stilllegung (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Der Schaden entfällt auch nicht durch die Durchführung des von der Beklagten angebotenen Software-Updates. Maßgebender Zeitpunkt für die Frage der Entstehung des Schadens ist insofern der Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18). Die mit dem Abschluss des Kaufvertrags eingegangene ungewollte Verbindlichkeit wird durch das Software-Update nicht ungeschehen gemacht. Außerdem sollte der vorsätzlich getäuschte Käufer einer mangelhaften Sache sich nicht auf eine Beseitigung des Mangels verweisen lassen müssen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Software-Update überhaupt eine geeignete Mangelbeseitigung darstellen würde oder ob es seinerseits zu denen von der Klagepartei behaupteten Schäden führen würde.
III.
Die sittenwidrige Schädigung war auch kausal für den bei der Klagepartei entstandenen Schaden.
Vorliegend geht es um eine konkludente Täuschung mit dem Erklärungsgehalt, das in den Verkehr gebrachte Fahrzeug verfüge über eine ungefährdete EG-Typgenehmigung und erfülle die materiellen Anforderungen für deren Erlangung. Es geht daher um eine konkludente Täuschung über Eigenschaften des Kaufgegenstands. Für den vergleichbaren Fall des Eingehungsbetrugs durch konkludente Täuschung gemäß § 263 StGB ist anerkannt, dass für den Kausalzusammenhang ausreicht, wenn der Verfügende durch das Erklärungsverhalten des Schädigers zur Verfügung veranlasst wird, weil er das Vorliegen der konkludent miterklärten, tatsächlich aber nicht bestehenden Tatsachen als selbstverständlich voraussetzt, ohne darüber zu reflektieren (sogenanntes „sachgedankliches Mitbewusstsein“). Erforderlich ist insoweit nur, dass der Getäuschte keine Kenntnis von dem Nichtvorliegen der betreffenden Tatsachen hat und die Verfügung auf der Unkenntnis beruht. Diese zu § 263 StGB entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf die Frage der Kausalität der Täuschung im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB übertragen: Auch hier ist für einen mit der konkludenten Täuschung korrespondierenden Irrtum des Käufers ausreichend, dass er die miterklärte Tatsache als selbstverständlich voraussetzte (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18). Ausreichend ist insofern, dass die Klagepartei die allgemeine Vorstellung hatte, einen für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmten und geeigneten Pkw zu erwerben (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18), ohne dass die Gefahr der Stilllegung drohte, und dass dieses Bewusstsein für den Kaufvertragsschluss kausal war.
Für die Annahme des darüber hinaus zu fordernden Kausalzusammenhangs zwischen Irrtum und Abgabe der Willenserklärung genügt es nach der höchstrichterlichen zivilgerichtlichen Rechtsprechung für den Fall der sittenwidrigen Vertragserschleichung, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.5.1995 – V ZR 34/94; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt: Die Klagepartei hat schriftsätzlich und bei ihrer Anhörung am 11.10.2019 hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass es ihr bei Kaufvertragsabschluss darauf ankam, ein umweltfreundliches Dieselfahrzeug zu erwerben.
Es entspricht überdies der Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wenn ihnen bekannt wäre, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist grundsätzlich – abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderkonstellationen – der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18).
IV.
Die Beklagte handelte im Hinblick auf die Schadenszufügung auch vorsätzlich. Der Beklagten ist das vorsätzliche Handeln ihrer Repräsentanten gemäß § 31 BGB zuzurechnen.
1. Der Vorsatz muss sich auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen. Bei § 826 BGB ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hat (vgl. nur Wagner in: MüKo, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 25). Hierbei reicht es aus, dass der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 20.11.1990 – VI ZR 6/90).
Zunächst steht fest, dass die Motorsteuerungssoftware willentlich entwickelt und eingesetzt wurde; sie war keineswegs die Folge eines „Fehlers“ oder gar zufälliger Natur. Etwas Gegenteiliges wird auch von der Beklagtenseite nicht vorgetragen. Unter gebotener lebensnaher Betrachtung und Bewertung der Gesamtumstände schließt das Gericht aus, dass die unzulässige Abschalteinrichtung aus anderen Gründen entwickelt und eingesetzt wurde, als sich einen Wettbewerbs- und Kostenvorteil zu verschaffen. Entweder war der Druck auf die Entwickler bzw. die Beklagte als Unternehmen deshalb so groß, weil sie jedenfalls damals technisch nicht in der Lage waren, die Anforderungen zu erfüllen, die an sie von Gesetzesseite gestellt wurden oder die Erfüllung der notwendigen Vorgaben war im Hinblick auf den notwendigen Erfolg im Wettbewerb mit anderen Kraftfahrzeugherstellern unwirtschaftlich, d.h. die Entwicklung und bzw. oder Umsetzung einer gesetzesentsprechenden Technologie zu teuer.
Welche dieser Varianten tatsächlich der maßgebliche Antrieb der Verantwortlichen waren, kann dahinstehen, weil diesen in beiden Fällen jedenfalls klar sein musste, dass aufgrund der Täuschung gegenüber der Genehmigungsbehörde im schlimmsten Fall Rücknahme oder Widerruf der gesamten EG-Typgenehmigung droht, mit allen bereits zuvor erörterten essentiellen wirtschaftlichen Risiken der Fahrzeugkäufer.
Weil die Verantwortlichen im Bewusstsein dessen die Täuschung dennoch vornahmen, ist davon auszugehen, dass sie mindestens billigend in Kauf nahmen, dass ihre eigenen Kunden in erheblicher Weise wirtschaftlich durch das Verhalten geschädigt werden. Weiterhin ist davon auszugehen, dass den Verantwortlichen bewusst war, dass das eigene Verhalten nicht nur unredlich im Verhältnis zu den potentiellen Kunden, sondern nach der Verkehrsanschauung auch als besonders verwerflich einzuordnen ist. Schließlich war den Verantwortlichen bewusst, dass das Verschweigen dieser maßgeblichen Eigenschaften des streitgegenständlichen Fahrzeugs für die Endkunden – darunter auch die Klagepartei – entscheidungserheblich war. Bei lebensnaher Betrachtung ist nämlich kaum davon auszugehen, dass die Verantwortlichen dachten, die Endkunden hätten die betroffenen Fahrzeuge auch in Kenntnis der arglistig verschwiegenen Umstände gekauft.
2. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15).
Da es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft handelt, haftet sie analog § 31 BGB nur für deliktische Handlungen ihrer „Organe“. Zwar gilt § 31 BGB unmittelbar nur für Vereine. Es ist jedoch anerkannt, dass diese Vorschrift analog für alle juristischen Personen Anwendung findet, da insoweit eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage besteht. Nach § 31 BGB haftet die juristische Person also nicht für jedes deliktische Handeln eines ihrer Mitarbeiter, sondern nur für das deliktische Handeln solcher Personen, bei denen es sich um ein Mitglied des Vorstandes oder eines anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter handelt (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18).
Die Klagepartei hat nicht substantiiert vorgetragen, dass konkret eines der Mitglieder des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten eine Täuschungshandlung ihr gegenüber vorgenommen hat. Die Klagepartei hat insoweit nur behauptet, dem Vorstand der Beklagten seien die Ausstattung der Motoren mit der Motorsteuerungssoftware sowie die weiteren oben erörterten Umstände bekannt gewesen.
Ein weitergehender Vortrag ist vom Käufer eines mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeugs aber auch nicht zu verlangen:
a) Steht ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.2008 – III ZR 239/06 m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18).
Soll aber für diese höchstrichterliche Rechtsprechung überhaupt ein Anwendungsbereich eröffnet sein, müssen schon die Anforderungen an die primären Darlegungen seitens der Klagepartei auf die allgemeine Behauptung der nach dem maßgebenden Tatbestandsmerkmal erforderlichen Tatsache beschränkt werden, denn zur Frage des Umfangs einer sekundären Darlegungslast kann man nur dann gelangen, wenn die Klagepartei die Voraussetzung der sie treffenden primären Darlegungslast zu erfüllen vermag. Das aber kann mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Klagepartei außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihr entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, nur dann geschehen, wenn man allgemeine Behauptungen ausreichen lässt und von weiterer Substantiierung absieht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18).
Vor diesem Hintergrund reicht die Behauptung der Klagepartei aus, dass dem Vorstand der Beklagten die streitgegenständlichen Umstände bekannt gewesen seien, um die sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu begründen. Die Klagepartei steht als Endkäufer eines Kraftfahrzeuges gänzlich außerhalb des innerorganisatorischen Geschehensablaufs bei der Beklagten. Aus strukturellen Gründen sind ihr weitere Darlegungen im Rahmen der primären Darlegungslast nicht möglich und zumutbar.
b) Die Beklagte trifft somit hinsichtlich der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, eine sekundäre Darlegungslast. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich in diesen Fällen nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 07.012.1998 – II ZR 266/97 LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, 3 O 139/16; LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, 3 O 252/16). Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Sie hat die erforderlichen näheren Ausführungen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware nicht erbracht, obwohl entsprechende Angaben der Beklagten zumutbar gewesen wären.
Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors – genauer mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software – getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Dann hätte die Klagepartei weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen. Es fehlen aber substantiierte Darlegungen der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen. Insbesondere ist auch der Verweis der Beklagten auf andauernde Ermittlungen nicht ausreichend. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sie bereits feststehende Ermittlungsergebnisse wie den Abschlussbericht von Jones Day bewusst nicht offenlegen will.
V.
Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, insbesondere hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keine konkreten Umstände für den Zeitpunkt der Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Klagepartei über die ihren Schadensersatzanspruch begründenden Umstände dargetan.
Dass die Beklagte ab 2015 durch diverse Presse- und adhoc-Mitteilungen die breite Öffentlichkeit informiert haben mag – wie sie vorträgt – bedeutet nicht, dass die Klagepartei dadurch schon konkret wusste oder hätte wissen müssen, dass ihr eigenes Fahrzeug vom „VW-Abgasskandal“ betroffen war.
Für eine solche Kenntnis bzw. ein solches Kennenmüssen kann nach Auffassung des Gerichts allenfalls auf den etwaigen Zugang eines Aufforderungsschreibens der Beklagten an den jeweiligen Fahrzeughalter zur Durchführung des Software-Updates abgestellt werden. Denn erst damit wusste der Halter positiv bzw. hätte positiv wissen müssen, zum Kreis der Betroffenen zu gehören.
Dass und ggf. wann die Klagepartei ein ihr eigenes Fahrzeug betreffendes Anschreiben der Beklagten oder des Kraftfahrt-Bundesamtes erhalten habe, trägt die Beklagte indes selbst gar nicht vor.
Der Kläger hat hierzu im Rahmen seiner formlosen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben, ab Februar 2016 insgesamt zwei Schreiben von VW und ein Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes erhalten zu haben, wobei er die genauen Daten nicht mehr erinnerte, sondern nur grob den Zeitraum angeben konnte. Dann begann die Verjährungsfrist aber erst am Schluss des Jahres 2016 und lief erst Ende 2019 ab; die im Februar 2019 eingereichte Klage ist nicht verjährt.
VI.
Als Rechtsfolge kann die Klagepartei von der Beklagten Zahlung von 30.594,68 € Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.
1. Die Beklagte hat gemäß § 249 S. 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Die Klagepartei ist daher vorliegend so zu stellen, wie wenn sie den Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen hätte. In diesem Fall hätte die Klagepartei den Preis in Höhe von 37.198,26 € für das Fahrzeug nicht gezahlt.
Die Klagepartei hätte allerdings auch keine Vermögensvorteile in Form der während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen erzielt. Diese sind auf den Ersatzbetrag anzurechnen, weil andernfalls eine vom Schadensrecht nicht gedeckte Überkompensation stattfinden würde. Die Berechnung des Nutzungswerts erfolgt, indem der Bruttokaufpreis mit den gefahrenen Kilometern multipliziert und das Produkt durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung bzw. Restlaufleistung des Fahrzeugs dividiert wird.
Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (ebenso für einen VW Touran mit Dieselmotor LG Berlin, Urteil vom 05. Dezember 2017 – 4 O 150/16; LG Baden-Baden, Urteil vom 27. April 2017 – 3 O 163/16; LG Bielefeld, Urteil vom 30. Juni 2017 – 7 O 201/16; LG Bochum, Urteil vom 17. August 2017 – 8 O 26/17; LG Arnsberg, Urteil vom 08. September 2017 – 2 O 101/17). Es handelt sich um den Mittelwert der in der neueren Rechtsprechung zumeist angenommenen Gesamtlaufleistungen zwischen 200.000 km und 300.000 km. Von der Beauftragung eines Sachverständigen sieht das Gericht nach § 287 ZPO ab, weil auch ein Sachverständiger nur eine eigene, subjektive Schätzung der Gesamtlaufleistung vornehmen könnte. Empirische Studien über die durchschnittliche Laufleistung am Ende der Lebensdauer von Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art werden mangels statistischer Erfassung der Fahrleistung zum Ende der Lebensdauer auch Sachverständigen nicht vorliegen.
Die von der Klagepartei auszugleichenden Vorteile errechnen sich daher wie folgt:
„37.198,26 € x 44.381 km / 250.000 km = 6.603,58 €“
2. Zu verzinsen ist die Forderung ab dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung, §§ 291, 187 Abs. 1 BGB. In der letzten mündlichen Verhandlung hat die Klagepartei die Laufleistung ihres Pkw mitgeteilt, so dass die Beklagte den von ihr geschuldeten Schadenersatz ermitteln kann. Ob die Klagepartei der Beklagten das Fahrzeug in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat, wenn sie im Gegenzug eine höhere Schadensersatzleistung fordert als ihr zusteht, ist unerheblich. Bei einem Schadensersatzanspruch, der Zug um Zug gegen Rückgewähr einer Leistung zu erfüllen ist, steht eine Zuvielforderung der Pflicht zur Zinszahlung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – III ZR 323/03). Die Pflicht zur Zinszahlung kann der Beklagten billigerweise auferlegt werden, nachdem sie die Klageforderung schon dem Grunde nach bestreitet und nicht einmal zur Zahlung des tatsächlich geschuldeten Geldbetrags bereit ist.
Die Klagepartei hat dagegen keinen Anspruch auf Verzinsung der Geldschuld ab einem früheren Zeitpunkt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Verzug ist vorgerichtlich nicht eingetreten, denn die Klagepartei bot die Rückzahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung an. Der Beklagten hätte aber die mögliche Nutzungsentschädigung mitgeteilt bzw. eine Berechnung ermöglicht werden müssen. Eine Mahnung setzt die bestimmbare Bezeichnung der geforderten Leistung voraus.
Aus demselben Grund schuldet die Beklagte auch keine Prozesszinsen aus § 291 BGB ab Rechtshängigkeit. Die Vorschrift setzt bei unbezifferten Forderungen voraus, dass die Grundlagen für die Bemessung im Zeitpunkt der Klagerhebung mitgeteilt werden (vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, 2014, BGB § 291, Rn. 8), was hier mangels Mitteilung der Laufleistung in der Klageschrift nicht der Fall gewesen ist.
Auch aus § 826 BGB ergibt sich kein Anspruch auf die Verzinsung, da die Klagepartei nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt hat, dass ihr tatsächlich ein Zinsschaden in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz entstanden ist. Dies wäre jedoch notwendig, da die Klagepartei für die Darlegung eines konkreten Schadens darlegungs- und beweisbelastet ist.
Auch der geltend gemachte Zinsanspruch der Klagepartei aus § 849 BGB war abzulehnen. Zwar wendet der BGH die Vorschrift in ständiger Rechtsprechung auch auf die Überweisung von Geld an. Allerdings waren insofern ausschließlich Fälle betroffen, in denen der Geldbetrag deliktsbedingt ersatzlos weggegeben wurde (vgl. Riehm, NJW 2019, 1105, 1109). Der Normzweck des § 849 BGB besteht außerdem darin, dem Verletzten einen Mindestbetrag zur Kompensation der erlittenen Einbuße an Nutzungsmöglichkeit zu gewähren, gewissermaßen einen pauschalierten Ersatz für entgangene Nutzungen der Sache. Aus § 849 BGB folgt dagegen kein allgemeines Prinzip, wonach Ansprüche aus unerlaubter Handlung unabhängig vom Vorliegen des Verzugs zu verzinsen seien. § 849 BGB passt auf den hier im Wege des Schadensersatzes zu erstattenden Kaufpreis abzüglich erlangter Nutzungen schon deswegen nicht, weil der Käufer während der Zeit, in der er den Kaufpreis nicht hatte, das Fahrzeug vollumfänglich nutzen konnte. Der Kaufpreis wurde gerade nicht ersatzlos weggegeben. Sobald der Geschädigte aber – wie hier – einen faktisch nutzbaren Ersatz für sein überwiesenes Geld durch die Nutzungsmöglichkeit des Pkw erhalten hat, besteht für § 849 BGB kein Raum (so überzeugend Riehm, NJW 2019, 1105, 1109).
3. Das mit dem Klageantrag zu 2.) verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte ist nicht gemäß §§ 293, 298, 295 BGB mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug.
Im vorprozessualen anwaltlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei vom 29.01.2019 (K 13) bot die Klagepartei die Bereitstellung des streitgegenständlichen Fahrzeuges zur Abholung nicht an. Im Übrigen hat die Klagepartei ein Anbieten des Fahrzeugs nicht vorgetragen.
In der letzten mündlichen Verhandlung teilte die Klagepartei die Laufleistung des streitgegenständlichen Pkws zwar mit, Annahmeverzug scheitert nunmehr aber daran, dass die klagende Partei ohne Anrechnung eines Vorteilsausgleichs eine weitaus höhere Zahlung fordert als geschuldet. Eine solche Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.07.2016 – 17 U 144/15; OLG Koblenz, Urteil vom 19. Juni 2008 – 6 U 1424/07). Die potenziell weit reichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) können dem Gläubiger billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich der Schuldner zur Herausgabe selbst gegen Erhalt der ihm seinerseits zustehenden Leistung nicht bereit erklärt. Wäre die klagende Partei entgegen ihres Klageantrags zur Herausgabe auch gegen Zahlung eines geringeren Betrags bereit, hätte sie der Beklagten ohne Schwierigkeiten ein entsprechendes wörtliches Angebot zukommen lassen können. Ohne ein solches Angebot kann eine solche Bereitschaft nicht unterstellt werden.
4. Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus§§ 826, 249 Abs. 1 BGB.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
E.
Der Streitwert war in Höhe des begehrten Kaufpreises anzusetzen (§ 48 GKG, § 3 ZPO).

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