Europarecht

Schulaufsicht über Privatschule eines fremden Staates

Aktenzeichen  AN 2 K 18.02274

Datum:
20.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14311
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 7, Art. 25, Art. 59 Abs. 2
BayV Art. 130, Art. 134 Abs. 2 S. 1
BayEUG Art. 92, Art. 111, Art. 113

 

Leitsatz

1. Vor deutschen Gerichten genießen fremde Staaten grundsätzlich Immunität für hoheitliches Handeln. Maßgebend ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses, nicht Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit. (Rn. 21) (red. LS Axel Burghart)
2. Die sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ergebende Verpflichtung der Staatsorgane, Verletzungen „nach Möglichkeit“ zu unterlassen, führt nicht dazu, dass aus nicht transformierten völkerrechtlichen Verträgen Rechte abgeleitet werden könnten. (Rn. 45) (red. LS Axel Burghart)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2018 in Form des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2018 ist rechtmäßig und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Grundsatz der Staatenimmunität steht der streitgegenständlichen schulaufsichtlichen Beanstandung nicht entgegen.
a) Staatenimmunität besteht nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen, soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet (BGH, U.v. 19.12.2017 – XI ZR 796/16 – juris). Vor deutschen Gerichten genießen fremde Staaten deshalb grundsätzlich Immunität für hoheitliches Handeln, während sie bei nicht-hoheitlichen Betätigungen inländischer Gerichtsbarkeit unterworfen sind. Dem Völkerrecht mangelt es an Abgrenzungskriterien zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln, so dass diese Unterscheidung durch die nationalen Gerichte vorgenommen werden muss (Maunz/Dürig, GG, Werkstand: 89. EL, Oktober 2019, Art. 25 Rn. 52). Maßgebend für die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit ist die Natur der staatlichen Handlung. Die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit kann nicht nach dem Zweck der staatlichen Betätigung und danach vorgenommen werden, ob diese Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Denn letztlich wird die Tätigkeit des Staates, wenn nicht insgesamt, so doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dienen und mit ihnen in einem immer noch erkennbaren Zusammenhang stehen. Maßgebend für die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit kann vielmehr nur die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses sein, nicht aber Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit (BVerfG, B.v. 30.4.1963 – 2 BvM 1/62 – juris). Anders wird im Vollstreckungsverfahren vorgegangen. Dort ist die Vollstreckung in Gegenstände eines Staates ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (BVerfG, B.v. 12.10.2011 − 2 BvR 2984/09 – juris).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin hier der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen, da sich die Beanstandung auf eine nicht-hoheitliche Handlung bezog.
aa) Sofern sich die Klägerin auf den von ihr zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 25. Juni 2014 (VII ZB 23/13 – juris) bezieht und auch der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung das Argument der Staatenimmunität zur Sprache brachte, ist zunächst auszuführen, dass sich der zitierte Beschluss lediglich mit der Vollstreckungsimmunität der Republik … befasst. Wie oben ausgeführt dient im Vollstreckungsverfahren jedoch der Zweck des staatlichen Handelns zur Abgrenzung. Dementsprechend wurde im oben genannten Beschluss die Frage geklärt, ob die dort gegenständlichen gepfändeten Zahlungsansprüche einem hoheitlichen Zweck dienten und ob deshalb Vollstreckungsimmunität bestand. Da aber nur im Vollstreckungsverfahren auf den Zweck der Handlung abgestellt wird, im Übrigen jedoch auf die Natur der Handlung, führt auch die im oben genannten Beschluss getroffene Feststellung, dass die Ansprüche auf Auszahlung von Zuschüssen für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz der Aufrechterhaltung des Betriebs einer Auslandsschule und mithin einem hoheitlichen Zweck dienen, nicht dazu, dass daraus allgemein geschlossen werden kann, dass Handlungen der Klägerin, die im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer Auslandsschulen stehen, ohne weiteres als hoheitliche Handlungen einzustufen wären.
bb) Die Natur der Handlung bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses entscheidet darüber, ob es sich um eine hoheitliche oder eine nicht-hoheitliche Staatstätigkeit handelt. Im streitgegenständlichen Fall wurde ein Unterlassen beanstandet. Es wurde beanstandet, dass zu Schuljahresbeginn zu wenige Lehrkräfte angestellt worden waren und es in der Folge zu vermehrten Unterrichtsausfällen kam. Die Kehrseite dieses Unterlassens ist das Einstellen von Lehrkräften durch den Abschluss von privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen mit diesen. Wie auch im von der Klägerin zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofes ausgeführt, handelt es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen der Auslandsschule und den Lehrern nicht um ein hoheitliches Verhältnis (BGH, B.v. 25.6.2014 – VII ZB 23/13 – juris). Ebenso führt auch das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 26. April 2017 (5 AZR 962/13 – juris) aus, dass es sich um privatrechtlich begründete Arbeitsverhältnisse handelt. Mithin stellt das Einstellen von Lehrkräften – und im Umkehrschluss auch das Unterlassen – keine hoheitliche Handlung dar.
Die Klägerin kann sich deshalb im streitgegenständlichen Fall nicht auf Staatenimmunität berufen.
2. Die Regierung von … hat als zuständige Behörde gehandelt, da ihr gemäß Art. 114 Abs. 1 Nr. 4b) BayEUG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG die unmittelbare staatliche Schulaufsicht über private Grund- und Mittelschulen in … unterliegt.
3. Die Rechtsgrundlage der Beanstandung ist Art. 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 BayEUG.
a) Gemäß Art. 7 Abs. 1 GG sowie Art. 130 Abs. 1 BV unterliegt das gesamte Schulwesen der Aufsicht des Staates. Bei der von der Klägerin in … betriebenen „Privaten Volksschule der Republik … in …“ (bestehend aus der Grund- und Teilhauptschule I …, der Grund- und Teilhauptschule I … Straße, sowie der Teilhauptschule II) handelt es sich um eine Ersatzschule. Ersatzschulen sind gemäß Art. 91 BayEUG private Schulen, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen öffentlichen im Freistaat … vorhandenen oder vorgesehenen Schulen entsprechen. Auch private Schulen unterliegen der staatlichen Schulaufsicht, Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 4 GG. Zu den Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht in … gehören gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 BayEUG unter anderem die Sicherung der Qualität von Erziehung und Unterricht (Nr. 2) sowie die Aufsicht über das pädagogische Personal (Nr. 4). In Erfüllung dieser Aufgaben hat die Schulaufsicht gemäß Art. 113 Abs. 1 Satz 1 BayEUG „insbesondere“ das Recht, Einrichtungen zu besichtigen, Einblick in deren Betrieb zu nehmen sowie Berichte und Nachweise zu fordern. Der Wortlaut „insbesondere“ zeigt, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist. Auch die Regelung über die Zielrichtung von „schulaufsichtlichen Anordnungen“ in Art. 113 Abs. 2 BayEUG macht deutlich, dass die Schulaufsichtsbehörden berechtigt sind, neben den ausdrücklich genannten Maßnahmen auch Verstöße gegen schulrechtliche Bestimmungen zu beanstanden und entsprechende „schulaufsichtliche Anordnungen“ zu treffen.
b) Zu Recht beanstandete die Regierung von …, dass ein Zurückstehen hinter den für öffentliche Schulen geltenden Lehrzielen eingetreten war. Gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG und Art. 134 Abs. 2 Satz 1 BV müssen private Schulen genehmigt werden und dürfen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen. Dieses Gleichwertigkeitspostulat wurde auch in Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG als eine der Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb von Ersatzschulen aufgenommen. Ist die Gleichwertigkeit nicht mehr gewährleistet, kann dies zu einer Rücknahme der Genehmigung nach Art. 48 BayVwVfG bzw. einem Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG führen. Aufgrund der nicht abgedeckten Lehrerwochenstunden in Höhe von circa 23% (Teilhauptschule II), 8% (Grund- und Teilhauptschule I …*) sowie 7% (Grund- und Teilhauptschule I …Straße) standen die … Schulen in … zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 hinter den Anforderungen zurück, die sich aus Art. 31 Abs. 2 BaySchFG bezüglich der geforderten Lehrerwochenstunden ergeben. Aufgrund des Lehrkräftemangels war die Sicherung der Qualität des Unterrichts gefährdet (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayEUG), sodass die Regierung von … eine förmliche Beanstandung im Sinne des Art. 113 Abs. 1 BayEUG erteilen durfte. Da sie auch die Aufsicht über das pädagogische Personal innehat (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayEUG), durfte sie zudem die Tätigkeit der sechs (noch) nicht genehmigten Lehrkräfte beanstanden.
4. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde gewahrt. Die Beanstandung war geeignet, um auf den Lehrkräftemangel hinzuweisen und Druck auszuüben, diesen zu beseitigen. Im Vergleich zu den sonst zur Verfügung stehenden Mitteln – Widerruf der Genehmigung nach Art. 49 BayVwVfG aufgrund des Lehrkräftemangels und Untersagung der Lehrtätigkeit nach Art. 95 BayEUG im Falle der noch nicht genehmigten Lehrkräfte – stellt die förmliche Beanstandung das mildere Mittel dar. Die Beanstandung war auch angemessen. Die Genehmigungsbedingungen sichern das Interesse der Allgemeinheit daran, dass private Schulen anstelle öffentlicher Schulen ohne Einbuße an schulischen Standards besucht werden können, die im Bereich des öffentlichen Schulwesens in Bezug auf Lehrerausbildung, Einrichtungen und Lehrziele bestehen (stRspr, siehe BVerfG, B.v. 14.11.1969 – 1 BvL 24/64 – juris). Insofern besteht auch ein dementsprechend hohes Interesse der Allgemeinheit daran, Einbußen an schulischen Standards zu beanstanden, um die geforderte Gleichwertigkeit aufrechtzuerhalten. Auch die Schüler haben ein Interesse an Chancengleichheit. Sie sind vor ungleichwertigen Lernbedingungen im Vergleich zu öffentlichen Schulen und daraus resultierendem Misserfolg zu schützen. Der dem gegenüberstehende Eingriff in das Grundrecht der Privatschulfreiheit gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG durch die Beanstandung wiegt weniger schwer. Die Beanstandung zog keinerlei finanzielle Sanktionen oder ähnliches nach sich, sondern beschränkte sich darauf, auf die Missstände aufmerksam zu machen. In den Betrieb der Privatschule wurde somit nur marginal eingegriffen. Die Interessen der Auslandsschule stehen deshalb hinter den öffentlichen Interessen zurück.
5. Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin sieht im Handeln der Behörde einen Ermessensfehlgebrauch, da der Geist des Kulturabkommens nicht berücksichtigt worden sei. Die Regierung von … geht davon aus, dass das Kulturabkommen hier nicht anwendbar ist, setzt sich aber dennoch im Widerspruchsbescheid mit dem Kulturabkommen auseinander, sodass, selbst wenn man zu dem Schluss käme, das Kulturabkommen sei im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten (siehe Ziffer 6.), die Ermessenserwägungen hinsichtlich des Kulturabkommens als ergänzt anzusehen wären.
6. Ob das am 17. Mai 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich … abgeschlossene Kulturabkommen überhaupt eine rechtliche Bindungswirkung entfaltet (a), muss hier nicht abschließend geklärt werden. Denn in der streitgegenständlichen Beanstandung läge, auch wenn man von einer Bindungswirkung ausginge, kein Verstoß gegen den Inhalt des Kulturabkommens (b).
a) Zur rechtlichen Bindungswirkung des Kulturabkommens lässt sich folgendes ausführen:
aa) Ein völkerrechtlicher Vertrag ist eine zwischen zwei oder mehr Völkerrechtssubjekten geschlossene verbindliche Übereinkunft, die Regelungen schafft und Rechte und Pflichten begründet, welche dem Völkerrecht unterstellt sind (vgl. Art. 2 Abs. 1a des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge, WVK). Die Bezeichnung völkerrechtlicher Verträge weist eine große Vielfalt auf: Vertrag, Abkommen, Übereinkommen, Vereinbarung, Protokoll, Akte und ähnliches. Die Bezeichnung allein lässt jedoch keinen Schluss auf die Natur der Übereinkunft zu. Insbesondere ergibt sich aus der Bezeichnung allein noch nicht, ob es sich um eine rechtlich verbindliche Übereinkunft oder um ein nichtvertragliches Instrument handelt (vgl. § 2 Richtlinien für die Behandlung völkerrechtlicher Verträge (RvV) nach § 72 Absatz 6 GGO).
Das Völkervertragsrecht ist innerstaatlich nicht unmittelbar, das heißt ohne Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG, als geltendes Recht zu behandeln und – wie auch das Völkergewohnheitsrecht (vgl. Art. 25 GG) – nicht mit dem Rang des Verfassungsrechts ausgestattet. Dem Grundgesetz liegt deutlich die klassische Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei dem Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher Rechtskreise handelt und dass die Natur dieses Verhältnisses aus der Sicht des nationalen Rechts nur durch das nationale Recht selbst bestimmt werden kann; dies zeigen die Existenz und der Wortlaut von Art. 25 und Art. 59 Abs. 2 GG (BVerfG, B.v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – NJW 2004, 3407). Durch die Zustimmung mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG wird der völkerrechtliche Vertrag in nationales Recht transformiert und somit ein entsprechender Rechtsanwendungsbefehl erteilt (vgl. BVerfG, B.v. 1.2.2007 – 2 BvR 126/04 – BeckRS 2007, 27470).
Eine Transformation des Kulturabkommens in die innerstaatliche Rechtsordnung ist jedoch weder auf Bundes- noch auf Landesebene ersichtlich.
Auf Bundesebene wäre eine Transformation schon aufgrund der verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung der Art. 7, 30, 70 ff. GG wohl nicht möglich gewesen, da die Kulturhoheit der Länder ein wesentliches Element des bundesstaatlichen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland darstellt (vgl. BVerfG, U.v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55 – NJW 1957, 705). Dementsprechend wurde auch nur das Kulturabkommen selbst in Teil II des Bundesgesetzblattes abgedruckt. Dort werden die völkerrechtlichen Vereinbarungen, die zu ihrer Inkraftsetzung oder Durchsetzung erlassenen Rechtsvorschriften sowie damit zusammenhängende Bekanntmachungen und Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Zolltarifwesens verkündet. Üblicherweise würde ein das Abkommen betreffende Gesetz direkt vor dem jeweiligen Abkommen abgedruckt werden. Dies ist hier nicht geschehen.
Auch auf Landesebene ist es, soweit ersichtlich, nicht zu einer Transformation des Abkommens gekommen. In der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 1965 (Drucksache IV/3646 des Deutschen Bundestages) betreffend die Auswärtige Kulturpolitik wird zu den von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Kulturabkommen ausgeführt:
„Die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung im kulturellen Bereich macht es ihm [dem Bund] aber unmöglich, in diesen Kulturabkommen unmittelbar materielle Verpflichtungen einzugehen, da Kulturabkommen die ausschließliche Kompetenz der Länder berühren. […] Da die Länder nicht unmittelbar zum Handeln verpflichtet werden, lassen sich die Kulturabkommen in den Ländern nur insoweit verwirklichen, wie die Länder aus eigenem Entschluss sich bereit finden, diese Absichtserklärungen in die Tat umzusetzen.“
bb) Mangels Transformation in die innerstaatliche Rechtsordnung stellt sich des Weiteren die Frage, ob das Kulturabkommen ein sogenanntes Verwaltungsabkommen im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG darstellt.
Als Verwaltungsabkommen bezeichnet man diejenige Kategorie (regelmäßig) völkerrechtlicher Vereinbarungen, für deren Zustandekommen die Mitwirkung des nationalen Parlaments nicht erforderlich ist und die infolgedessen von den Gubernativorganen eigenständig abgeschlossen werden können. Als Verwaltungsabkommen sind demnach alle auswärtigen Verträge anzusehen, die ein Vertragsgesetz nicht erfordern. Verwaltungsabkommen unterscheiden sich von den in Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG genannten „politischen“ und „gesetzesinhaltlichen“ Verträgen nicht wesensmäßig: Hier wie dort geht es in erster Linie um völkerrechtliche Verträge. Grundsätzlich kann jede beliebige Sachmaterie zum Inhalt eines Verwaltungsabkommens gemacht werden. Keineswegs sind diese zwingend auf „Gegenstände der Verwaltung“ beschränkt. Der Begriff des Verwaltungsabkommens führt insofern in die Irre, als es bei den damit bezeichneten Abkommen nur zu einem kleinen Teil um Materien der Verwaltung geht; im Vordergrund stehen vielmehr gubernative Angelegenheiten. Es ist damit ein Kennzeichen von Verwaltungsabkommen, dass sich ihre innerstaatliche Durchführung durch Regierungs- oder Verwaltungshandlung (etwa Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder schlicht-hoheitliches Handeln) bewerkstelligen lässt. Dabei spielt es keine Rolle, ob nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung die Durchführung dem Bund oder den Ländern obliegt. Schließt der Bund ein Verwaltungsabkommen ab, das nach den Regeln des Art. 32 GG von den Ländern durchzuführen ist, so haben sich die zuständigen Stellen der Zustimmung der Länder zu versichern (Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 89. EL, Oktober 2019, Art. 59 Rn. 155 ff.).
Es ist nicht ersichtlich, dass das Kulturabkommen in irgendeiner Form, etwa durch eine Rechtsverordnung, auf bayerischer Landesebene umgesetzt worden wäre.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass vor Abschluss eine Zustimmung der Länder zur Umsetzung des Abkommens erfolgt wäre. So wird in der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 1965 (Drucksache IV/3646 des Deutschen Bundestages) ausgeführt:
„Die Einschaltung von 11 Ländern in die Verhandlungen über ein Kulturabkommen ist zeitraubend. Um das Einverständnis aller Länder einzuholen, vergehen erfahrungsgemäß zwei bis drei Jahre. Das Einverständnis pflegt sich auf Absichtserklärungen zu beschränken. Eine unmittelbare Verpflichtung, in einem Kulturabkommen in einer bestimmten Weise tätig zu werden, haben die Länder bisher stets abgelehnt.“
cc) Zuletzt könnte dem Kulturabkommen eine mittelbare Bindungswirkung zukommen.
Es besteht eine Verpflichtung aller Staatsorgane, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen (vgl. BVerfG, B.v. 26.10.2004 – 2 BvR 955/00 – NVwZ 2005, 560). Gesetze sind im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden (BVerfG, B.v. 26.3.1987 – 2 BvR 589/79 – NJW 1987, 2427).
Diese sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ergebende Verpflichtung der Staatsorgane, Verletzungen „nach Möglichkeit“ zu unterlassen, führt jedoch nicht dazu, dass aus nicht transformierten völkerrechtlichen Verträgen Rechte abgeleitet werden könnten. Regelungen des völkerrechtlichen Vertrags können, wie oben dargestellt, nur im Falle der Erteilung eines Rechtsanwendungsbefehls und der Umwandlung in nationales Recht Ansprüche begründen.
dd) Nach Auffassung der Kammer deuten der Inhalt und die Formulierung des Kulturabkommens jedenfalls darauf hin, dass es sich um eine reine Absichtserklärung handeln soll, die innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens umgesetzt werden soll. So wurde im Kulturabkommen beispielsweise vereinbart, dass die Parteien „im Rahmen der bestehenden Gesetze“ (Art. 2), „gemäß den Satzungen der Hochschulen“ (Art. 3) und „im Rahmen ihrer Rechtsordnung“ (Art. 13) die jeweils in diesen Artikeln bezeichneten Ziele verfolgen werden. Dieser Gedanke durchzieht das gesamte Abkommen.
Dies entspräche auch der Vorgehensweise beim Abschluss anderer Kulturabkommen, beispielsweise dem Europäischen Kulturabkommen von 1954 oder der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972. Auch diese wurden ohne Erlass eines Vertragsgesetzes abgeschlossen. Die eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen sollten im Rahmen der bestehenden Gesetze umgesetzt werden (vgl. Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Auflage 2017, Teil B, Rn. 207).
Auch in der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 1965 (Drucksache IV/3646 des Deutschen Bundestages) wird erläutert: „Die von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Kulturabkommen sind daher im allgemeinen nur Rahmenabkommen, die sich in der Regel mit Absichtserklärungen begnügen.“
Des Weiteren ist die Kammer der Ansicht, dass das Recht der Schulaufsicht im Abkommen nicht behandelt wurde und es deshalb selbst im Falle einer Bindungswirkung nicht zu einer Kollision mit dem Kulturabkommen kommen könnte. Das Abkommen befasst sich mit „allen Bildungsinhalten die das bilaterale Verhältnis betreffen“ (Antwort des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 16.12.1999 – Drucksache 14/2444 Bayerischer Landtag). Wie diese Bildungsinhalte verwaltungsrechtlich, beispielsweise durch Schulaufsichtsrecht, umgesetzt werden, wurde nicht geregelt. Auch Art. 5 des Kulturabkommens, der fordert, dass die Gründung von kulturellen Instituten zugelassen und gefördert werden solle, begnügt sich mit dieser Absichtserklärung und behandelt nicht, wie eine solche schulaufsichtliche Genehmigung im Falle einer Schulgründung zu erfolgen habe und an welche Voraussetzungen sie geknüpft werden solle. Dies spricht ebenfalls dafür, dass es sich beim gesamten Abkommen um eine bloße Absichtserklärung handelt, deren Umsetzung im Rahmen der bestehenden Gesetze – im gegenständlichen Fall des BayEUG – erfolgen soll.
b) Ob das Kulturabkommen nun rechtliche Bindungswirkungen entfaltet oder nicht, kann hier dahinstehen, da im Handeln der Regierung von … schon kein Verstoß gegen das Kulturabkommen erkennbar ist.
aa) Der von der Klägerin als einschlägig erachtete Art. 5 des Kulturabkommens betrifft seinem Wortlaut nach schon nicht den streitgegenständlichen Fall, da nicht die „Gründung“ einer Schule streitig ist. Laut Art. 5 des Kulturabkommens soll die Gründung von kulturellen Instituten zugelassen sowie gefördert werden. Der Ansicht der Klägerin, dass eine Schulschließung unter Art. 5 des Kulturabkommens fallen würde und deshalb Art. 5 des Kulturabkommens auch im streitgegenständlichen Fall verletzt sei – da die Schließung als nächst härtere Maßnahme drohe – kann nicht gefolgt werden. Eine Schulschließung durch den Widerruf der Genehmigung der Ersatzschule ist hier nicht gegenständlich. Ob es in Zukunft zu einem Widerruf der Genehmigung kommen könnte und dies gegen das Kulturabkommen verstoßen würde ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
bb) Die Kammer ist der Ansicht, dass der Beklagte mit der schulaufsichtlichen Beanstandung nicht gegen Art. 12 des Kulturabkommens verstoßen hat.
Zunächst wäre hier jedoch fraglich, ob sich Art. 12 des Kulturabkommens nicht nur auf bereits vor Abschluss dieses Abkommens bestehende Schulen beziehen soll. Hierauf lässt die Auskunft des deutschen Außenministers von Brentano (BGBl. Teil II, 1957, S. 505) schließen, der bezüglich der in … bestehenden deutschen Schulen ausführte, dass sich Art. 12 des Kulturabkommens nur auf die während der Jahre 1938/39 in … und … bestehenden deutschen Schulen beziehen solle. Würde man diese Sichtweise auf die griechischen Schulen in Deutschland übertragen, dann würden die Schulen der Klägerin in … – die erst 1966 gegründet wurden – nicht in den Anwendungsbereich des Art. 12 des Kulturabkommens fallen.
Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass Art. 12 des Kulturabkommens auch für später gegründete Schulen gelten solle, wäre hier kein Verstoß festzustellen. Vielmehr wäre eine solche Beanstandung als Maßnahme im Sinne des Art. 12 des Kulturabkommens zu sehen. Art. 12 des Kulturabkommens fordert, dass im Falle der Unterbrechung oder Einschränkung der Tätigkeit von Schulen des anderen Landes im eigenen Land beide Vertragsparteien darauf hinwirken, dass die Einrichtungen so bald wie möglich in vollem Umfange wieder in Betrieb genommen werden. Ein gemeinsames Handeln – wie es die Klägerin aus Art. 12 des Kulturabkommens ableiten will – wird dem Wortlaut nach nicht gefordert. Zudem ist anzumerken, dass nach Angaben des Beklagtenvertreters durchaus gemeinsame Lösungsversuche im Vorfeld stattgefunden hätten. Den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen zufolge, gebe es seit dem Jahr 2014 Probleme mit der Lehrerversorgung. Dies habe bereits vermehrt zu gemeinsamen Gesprächen der beiden Seiten geführt. In der Vergangenheit sei das Bayerische Kultusministerium eingeschaltet worden, welches entsprechende Gespräche mit dem Erziehungsministerium in … geführt habe. Trotz der Gespräche sei es weiterhin zu einem Lehrkräftemangel gekommen. Mit der Beanstandung hat die Regierung von … nach Ansicht der Kammer nicht gegen Art. 12 des Kulturabkommens verstoßen. Nachdem die gemeinsamen Gespräche im Vorfeld nicht zu einer Lösung geführt haben, wurde durch die Beanstandung darauf hingewirkt, dass die griechischen Schulen in … wieder in vollem Umfang in Betrieb genommen werden. Dadurch wurde entsprechend Art. 12 des Kulturabkommens gehandelt.
cc) Auch Art. 14 des Kulturabkommens wurde durch die Beanstandung nicht verletzt. Vor Ergehen der förmlichen Beanstandung hätte der dort genannte Ständige Gemischte Ausschuss nicht zusammentreten müssen. Zum einen sieht die Kammer wie oben bereits dargelegt schon keinen Verstoß gegen das Kulturabkommen, sodass es auch keiner Zusammenkunft des Ständigen Gemischten Ausschusses bedurft hätte. Zum anderen ist die Kammer der Auffassung, dass dieser Ausschuss nur zuständig wäre, wenn der Bestand des Abkommens betroffen wäre, beispielsweise bei Grundsatzfragen, die die Bildungsinhalte betreffen. Eine Notwendigkeit der Zusammenkunft sieht die Kammer nicht, wenn es wie hier lediglich um Beanstandungen geht, die die Verwaltungsebene – und gerade nicht die im Kulturabkommen angesprochenen Bildungsinhalte – betreffen. Sinn und Zweck der Regelung kann nach Ansicht der Kammer nicht sein, dass der Ständige Gemischte Ausschuss auch bei allen Streitigkeiten auf der Verwaltungsebene zusammentritt, die in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit dem Kulturabkommen stehen könnten.
Ein Verstoß gegen das Kulturabkommen ist folglich nicht festzustellen.
Das Kulturabkommen hat deshalb – unabhängig von der Frage rechtlicher Bindungswirkungen – keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen schulaufsichtlichen Beanstandung nach dem BayEUG.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

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