Europarecht

Siegelung eines gerichtlichen Eintragungsersuchens beim Grundbuchamt

Aktenzeichen  34 Wx 413/16

Datum:
20.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NZM – 2017, 125
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO GBO § 29 Abs. 3, § 38, § 71 Abs. 1
BayAVWpG BayAVWpG § 8 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Hat das Grundbuchamt von der Echtheit und Ordnungsmäßigkeit des in Übereinstimmung mit landesrechtlichen Bestimmungen drucktechnisch gesiegelten behördlichen Eintragungsersuchens positive Kenntnis (etwa bei Ersuchen einer Abteilung desselben Gerichts), so erfordern Sinn und Zweck der grundbuchverfahrensrechtlichen Formvorschrift keine erhöhten Qualitätsanforderungen an das Siegel. (amtlicher Leitsatz)
2. Die Zuverlässigkeit des Grundbuchs wird nicht tangiert, wenn die Ordnungsmäßigkeit der Eintragungsgrundlage dem Grundbuchamt positiv bekannt ist. Die Erfüllung der verbleibenden Prüfpflichten ist durch die gewählte Form der Siegelung nicht beeinträchtigt (Weiterentwickelung von OLG München BeckRS 2016, 09824). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Passau – Grundbuchamt – vom 28. September 2016 aufgehoben.

Gründe

I. Nach Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens über die im Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, einer Garage und einem Raum im Dachgeschoß, reichte das Amtsgericht …, Abteilung für Zwangsversteigerungssachen, beim selben Amtsgericht – Grundbuchamt – am 20.9.2016 ein so bezeichnetes „ERSUCHEN GEMÄSS § 130 ZVG“ ein. Es ist darauf gerichtet, im jeweiligen Grundbuch die Zwangsversteigerungsvermerke sowie im einzelnen bezeichnete Grundschulden zu löschen und den Ersteher gemäß Zuschlagsbeschluss vom 17.6.2016 einzutragen. Das gerichtliche Dokument schließt ab mit dem Ausdruck von Name und Dienstbezeichnung des Rechtspflegers nebst dessen handschriftlicher Unterschrift. Rechts neben dem Unterschriftenfeld befindet sich ein kreisrundes Dienstsiegel im Durchmesser von 35 mm mit großem Staatswappen und der Umschrift „Bayern Amtsgericht“. Beigefügt sind eine beglaubigte Abschrift des Zuschlagsbeschlusses und die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 28.9.2016 hat das Grundbuchamt – Rechtspfleger – als Eintragungshindernis beanstandet, dass das Eintragungsersuchen nicht entsprechend § 29 Abs. 3 GBO gesiegelt sei.
Gegen die Zwischenverfügung wendet sich die eintragungsersuchende Behörde mit der Beschwerde. Darin wird die Meinung vertreten, das im Ersuchen maschinell aufgedruckte Siegel erfülle die rechtlichen Vorgaben. Überdies seien die mit der Formvorschrift verfolgten Zwecke – Echtheitsbeglaubigung, Verlässlichkeit des Dokuments, Gewähr für die Ordnungsmäßigkeit der darin verlautbarten Behördenerklärung – hier schon dadurch erfüllt, dass die Behördenerklärung gerichtskundig sei, zumal das Ersuchen zusammen mit den Grundakten von der Abteilung für Zwangsversteigerungssachen, wo sie für die Dauer des Versteigerungsverfahrens beigezogen waren, dem Grundbuchamt zugeleitet worden sei.
Das Grundbuchamt hat unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 24.5.2016 (34 Wx 16/16 = ZfIR 2016, 630 m. Anm. Zimmer) nicht abgeholfen und zur Begründung weiter ausgeführt: Die an ein behördliches Eintragungsersuchen zu stellenden und vom Grundbuchamt zu prüfenden Formerfordernisse würden diesem weitergehende Prüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit des Ersuchens und der behördeninternen Zuständigkeit des Unterzeichnenden ersparen. Die Form müsse erst recht bei eigentumsändernden Eintragungen und bei der Löschung von Rechten Beachtung finden, die ohne verfahrensmäßige Beteiligung der Betroffenen erfolgten. Auf den Akteninhalt des Versteigerungsverfahrens komme es schon deshalb nicht an, weil das Eintragungsersuchen nicht durch Bezugnahme auf die Akten ersetzt werden könne; deshalb sei die weitere Senatsentscheidung vom 24.5.2016 (34 Wx 17/16 = NZI 2016, 746 m. Anm. Schneider) nicht einschlägig. Auch innerhalb derselben Behörde seien Eintragungsersuchen nicht formfrei möglich.
II. Das Rechtsmittel führt zur ersatzlosen Aufhebung der Zwischenverfügung.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Gegen die auf ein gerichtliches Eintragungsersuchen ergangene Zwischenverfügung des Rechtspflegers, § 18 Abs. 1 GBO, ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO die Beschwerde statthaft.
b) Die Beschwerdebefugnis des Amtsgerichts … folgt aus der ihm als Vollstreckungsgericht gemäß § 130 Abs. 1 und 2 ZVG eingeräumten Befugnis, das Grundbuchamt um eine Eintragung zu ersuchen (Senat vom 24.5.2016, 34 Wx 16/16 = FGPrax 2016, 152; OLG Hamm Rpfleger 2011, 453; Demharter GBO 30. Aufl. § 38 Rn. 79).
c) Die in schriftlicher Form vom Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts eingelegte Beschwerde erweist sich auch im Übrigen als zulässig, insbesondere als formgerecht, § 73 Abs. 2 Satz 1 GBO.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg, weil das beanstandete Eintragungshindernis nicht vorliegt.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend stellt das Grundbuchamt darauf ab, dass das Behördenersuchen nach § 38 GBO den ansonsten erforderlichen Eintragungsantrag nach § 13 GBO, die Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO sowie ggfls. notwendige Zustimmungen Dritter und den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit ersetzt (Demharter § 38 Rn. 61 – 64; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 199). Als Behördenerklärung in eigenen Angelegenheiten, die in einer so genannten bewirkenden Urkunde abgegeben wird, bedarf es im Grundbuchverfahren der Form des § 29 Abs. 3 GBO (BayObLG Rpfleger 1970, 346; Demharter § 38 Rn. 68 mit § 29 Rn. 34 und 39; KEHE/Volmer GBO 7. Aufl. § 38 Rn. 73 m. w. N.); erforderlich ist also Unterschrift nebst Siegel oder Stempel der Behörde. Zutreffend ist auch, dass sich die Prüfungspflicht und -befugnis des Grundbuchamts nur auf die abstrakte Befugnis der ersuchenden Behörde zur Stellung von Ersuchen der in Rede stehenden Art sowie auf die Form des Eintragungsersuchens und die durch dieses nicht ersetzten grundbuchrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen (Demharter § 38 Rn. 65 – 67) bezieht, nicht hingegen auf die sachliche Richtigkeit des Ersuchens (vgl. BGH FGPrax 2014, 192/193; FGPrax 2013, 54/55; BayObLG Rpfleger 1970, 346) und die behördeninterne Zuständigkeit des Unterzeichners (Hügel/Zeiser GBO 3. Aufl. § 38 Rn. 15; Demharter § 38 Rn. 68 mit § 29 Rn. 45).
b) Zu Unrecht allerdings beanstandet das Grundbuchamt die Form der Siegelung in der vorliegenden Verfahrenskonstellation als unzureichend.
aa) Bundesgesetzlich sind die an ein Siegel und an dessen Anbringung zu stellenden Anforderungen nicht geregelt. Sie sind lediglich aus Sinn und Zweck des gesetzlichen Formerfordernisses (hier des § 29 Abs. 3 GBO) abzuleiten (vgl. BayObLGZ 1974, 55/56 ff. zu § 56 GBO; Senat vom 24.5.2016, 34 Wx 16/16).
bb) Nach den für den Freistaat Bayern maßgeblichen landesrechtlichen (vgl. Art. 70 Abs. 1 GG) Bestimmungen (Art. 2 Abs. 3 BayWappenG mit § 1 Ziff. 3, § 8 Abs. 4 AVWpG) darf die Siegelung von Schriftstücken, die mit Hilfe drucktechnischer oder elektronischer Einrichtungen erstellt werden, durch maschinellen Aufdruck des Dienstsiegels erfolgen.
cc) Als Rechtsverordnung im Sinne von Art. 98 Satz 4 BV ist § 8 Abs. 4 AVWpG auch von den Gerichten zu beachten. Dem Buchstaben des Gesetzes ist danach durch eine Siegelung in der Form des § 8 Abs. 4 AVWpG Genüge getan. Allerdings besagt die landesrechtliche Ermächtigung zur Verwendung maschinell erzeugter Siegelabdrucke für sich genommen nichts darüber, in welchen Fällen diese erleichterte Ausführungsweise ausreichend ist.
dd) Der Senat hat in der Entscheidung vom 24.5.2016 (34 Wx 16/16) ausgeführt, dass eine Siegelung in der gegenständlichen Weise nicht zur Echtheitsbeglaubigung geeignet sei und daher den Sinn und Zweck der in § 29 Abs. 3 GBO vorgeschriebenen Form nicht erfülle. Der drucktechnischen Siegelung wohne – auch unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nach §§ 132, 267 StGB – angesichts der problemlosen Reproduzierbarkeit nur ein verminderter Beweiswert inne. Ein seines Beglaubigungswerts weitestgehend beraubter drucktechnischer Ausdruck reiche daher grundsätzlich nicht aus, wo das Gesetz die Siegelung deshalb vorschreibt, weil dem Nachweis der Echtheit und Ordnungsmäßigkeit des Dokuments mit Blick auf die von der Norm geschützten hochrangigen Rechtsgüter besondere Bedeutung zukomme.
Der verminderte Beweiswert der drucktechnischen Siegelung bedeutet, dass die landesrechtliche Verordnung im Konflikt zu der mit der bundesgesetzlichen Vorschrift bezweckten Nachweiserleichterung im Grundbuchverfahren steht.
Ein solcher Konflikt zwischen Landes- und Bundesrecht besteht allerdings in den Fällen nicht, in denen die Echtheit und Ordnungsmäßigkeit des Dokuments beim Grundbuchamt bekannt und jedem Zweifel enthoben sind. In diesen Fällen erfüllt die dem Landesrecht entsprechende Siegelung den Buchstaben des Gesetzes, ohne dass der Sinn des Bundesgesetzes der Anwendung der Landesnorm entgegenstünde. Ist die Herstellung des Ersuchens „unter amtlicher Auktorität“ (auctor = Urheber, Verfasser; auctoritas = Gewähr, Bürgschaft, Beglaubigung, Gültigkeit; siehe Online-Wörterbuch Latein-Deutsch http://de.pons.com) beim Grundbuchamt ebenso bekannt wie die funktionelle Zuständigkeit des für die Behörde Unterzeichnenden, so fordert der Zweck des Bundesgesetzes nicht die Beifügung des amtlichen Siegels in einer höherwertigen Siegelungsart.
c) So liegen die Dinge hier. Die Echtheit des Behördenersuchens und die ordnungsgemäße Errichtung durch den behördenintern legitimierten Unterzeichner (vgl. Knothe in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 29 Rn. 139, 143 f.; Meikel/Hertel GBO 11. Aufl. § 29 Rn. 486) sind beim Grundbuchamt positiv bekannt. Weil die Verlässlichkeit des in Übereinstimmung mit den landesrechtlichen Bestimmungen gesiegelten – also weder „formfreien“ noch auf den Akteninhalt Bezug nehmenden (hierzu Schöner/Stöber Rn. 201) – Ersuchens mithin bekannt ist, verlangen es Sinn und Zweck der Bundesnorm, § 29 Abs. 3 GBO, nicht, erhöhte Qualitätsanforderungen an das Siegel zu stellen. Die Verfahrensvorschriften dienen keinem Selbstzweck; dasselbe gilt für deren Auslegung.
Die Zuverlässigkeit des Grundbuchs wird nicht tangiert, wenn die Ordnungsmäßigkeit der Eintragungsgrundlage, nämlich des nach Landesrecht gesiegelten behördlichen Eintragungsersuchens, dem Grundbuchamt positiv bekannt ist. Die Erfüllung der verbleibenden Prüfpflichten ist durch die gewählte Form der Siegelung nicht beeinträchtigt. Die alleinige Verantwortung für die sachliche Richtigkeit des Ersuchens liegt bei dem Vollstreckungsgericht (Meikel/Krause § 38 Rn. 84); dies gilt auch dann, wenn es sein Ersuchen in der Form des § 8 Abs. 4 AVWpG gesiegelt hat.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.

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