Aktenzeichen 7 O 17693/17
Leitsatz
1 Bei einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung ist bei der Streitwertfestsetzung von den zu erwartenden Gewinneinbußen ein Abschlag von 25% wegen des einstweiligen Charakters vorzunehmen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Geltendmachung einer Patentverletzung ist zur Bemessung des vom Antragsteller verfolgten Interesses auf die Nachteile für den Antragsteller bei unterstelltem Fortsetzen des Verhaltens des Antragsgegners bis zum Ablauf des Schutzrechts abzustellen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Streitwertbeschwerde der Antragstellerin vom 3.1.2018 (Bl. 82 d. A.) gegen Ziffer 3 des Beschlusses vom 14.12.2017 (Bl. 52/78 d. A.) wird nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO.
2. Der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin vom 3.1.2018 (Bl. 81 d. A.) gegen Ziffern 1 und 2 des Beschlusses vom 14.12.2017 (Bl. 52/78 d. A.) wird nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO.
Gründe
Zur Streitwertbeschwerde:
Der Streitwertbeschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Das Vorbringen aus der Beschwerdeschrift rechtfertigt es nicht, von der angegriffenen Entscheidung abzuweichen.
Aufgrund des tatsächlichen Vortrags in der Streitwertbeschwerde, dem die Antragsgegnerin mit einer Ausnahme nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens Gewinneinbußen für das Jahr 2018 in Höhe von 22,5 Mio. € befürchten musste. Hiervon ist ein Abschlag von 25% und nicht von 50% (vgl. OLG München, Beschluss vom 16.1.2018 – 6 W 1/18) wegen des einstweiligen Charakters vorzunehmen.
Dass die Einspruchsabteilung im Herbst 2018 eine Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatents treffen wird, soweit die Antragstellerin nicht auch auf das Verfügungspatent verzichtet, hat auf die Streitwertberechnung keinen Einfluss. Denn bei der Geltendmachung einer Patentverletzung ist zur Bemessung des vom Antragsteller verfolgten Interesses auf die Nachteile für den Antragsteller bei unterstelltem Fortsetzen des Verhaltens des Antragsgegners bis zum Ablauf des Schutzrechts abzustellen (vgl. OLG München, Beschluss vom 20.10.2017 – 6 W 1157/17). Das Verfügungspatent hat eine maximale Restlaufzeit bis 19.2.2030, so dass die zu erwartenden Gewinneinbußen insgesamt und damit auch der Streitwert nach wie vor jedenfalls über 30 Mio. € liegen.
Dies gilt auch dann, wenn man für 2018 die weniger pessimistische Einschätzung der Antragstellerin aus der Beschwerdeschrift (S. 47 = Bl. 126 unter Rn. 171) heranziehen würde. Denn hiernach ergibt sich für 2018 ein befürchteter Verlust von 19,5 Mio. €. Abzüglich 1/3 ergäbe sich mithin ein Teilstreitwert in Höhe von 13 Mio. €. Hochgerechnet auf die Restlaufzeit ein Streitwert von über 30 Mio. €.
Zur sofortigen Beschwerde:
Der sofortigen Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Das Vorbringen aus der Beschwerdeschrift rechtfertigt es nicht, von der angegriffenen Entscheidung abzuweichen. Insbesondere enthält der Beschwerdevortrag keine tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, mit denen sich die angefochtene Entscheidung nicht befasst hat. Daher hält das Gericht an der Begründung dieser Entscheidung fest und nimmt auf die Gründe Bezug. Auf die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in deren Schriftsatz vom 29.1.2018 wird ergänzend verwiesen.
In Anbetracht dieser Ausführungen ist lediglich (erneut) klarzustellen, dass die Kammer nicht nur einen Obersatz betreffend die Anforderungen an die Rechtsbeständigkeit eines Verfügungspatents aufgestellt (Beschluss S. 6 = Bl. 57 unter Ziffer 1.) und das Vorliegen der hiernach erforderlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall verneint hat (Beschluss S. 19 = Bl. 70 unter Ziffer 5.a.), sondern unabhängig hiervon und darüber hinausgehend auch eigene Überlegungen zur Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents – auch unter Würdigung der Entscheidung der Einspruchsabteilung zum EP `749) – angestellt hat (Beschluss S. 20 = Bl. 71 unter Ziffer 5.b. und S. 21 = Bl. 72 unter dd. Letzte Absatz). Der Vorwurf der Beschwerde (S. 6 = Bl. 85 unter Ziffer 3, 3. Bullet-Point a.E.), dass die Kammer keine eigene Einschätzung der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents vorgenommen und die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu EP `749 nicht hinreichend berücksichtigt habe, ist daher falsch. Falsch ist ferner die Behauptung der Beschwerde (S. 16 = Bl. 95), dass die Kammer nicht aus der Entscheidung der Einspruchsabteilung zu EP `749 zitiert habe. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kammer hat auf S. 16 ff. = Bl. 67 ff. den Vortrag der Antragstellerin zu dieser Entscheidung und damit indirekt diese Entscheidung selbst zitiert. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Einschätzung der Kammer, dass das Verfügungspatent nicht rechtsbeständig ist, vom englischen High Court in Bezug auf den englischen Teil geteilt wurde und dass diese Entscheidung des High Courts mittlerweile rechtskräftig ist (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.1.2018 S. 11 = Bl. 140 oben).
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin eine Überprüfung der für sie günstigen Entscheidung der Einspruchsabteilung zu EP `749 durch die Beschwerdekammer, die bereits auf den 14.11./15.11.2017 terminiert hatte, durch Verzicht auf dieses Patent verhindert hat. Ihr Vortrag hierzu ist in keiner Weise wirtschaftlich nachvollziehbar und stellt sich daher als unbeachtliche Schutzbehauptung dar. Insoweit wird erneut und ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 29.1.2018 Bezug genommen (S. 4 f. = Bl. 133 f.).
Schließlich ist klarzustellen, dass das Verfügungspatent aufgrund der formalen Beteiligung Dritter nicht den Status eines im zweiseitigen Verfahren geprüften Schutzrechts für sich beanspruchen kann, weil diese (berechtigten) Einwendungen vom EPA-Prüfer inhaltlich – anders als dies die Antragstellerin darzustellen versucht (vgl. Antragsschrift S. 30 f.; Beschwerdeschrift S. 18 = Bl. 97) – gar nicht mehr in die Entscheidung einbezogen worden sind (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.1.2018 S. 9 = Bl. 138).