Aktenzeichen 13 U 109/16 Bau
BGB BGB § 254
Leitsatz
Ergeht über an sich bezifferbare Schäden ein Grundurteil und gleichzeitig ein Teilurteil, mit dem der Beklagte zu Erstattung der Schäden verpflichtet ist, bleibt unklar, welche Schäden von dem Feststellungsurteil umfasst sind und damit, wie weit die Feststellungswirkung des Urteils gem. § 322 ZPO gehen soll. (redaktioneller Leitsatz)
Die theoretische Möglichkeit, dass sich bei der Feststellung der Schadenshöhe ein Mitverschulden ergeben könnte, ist ausreichend, um die Unzulässigkeit des Teilurteils anzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)
Bei Kombination eines Leistungsantrags mit einem Feststellungsantrag ist in Bezug auf den Leistungsantrag der Weg zu einem Grundurteil verwehrt, wenn die Gefahr eines dieser Erkenntnis widersprechenden Schlussurteils über den Feststellungsanspruch besteht (BGH NJW 1997, 1709). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Gründe
Die Parteien und der Streithelfer werden gem. § 139 ZPO auf Folgendes hingewiesen:
1. Der Senat beabsichtigt, die Sache gem. § 538 Abs.2 Satz 1 Nr. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts . und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.
Das angefochtene Urteil ist in prozessualer Hinsicht fehlerhaft, soweit neben der Ziffer 1 der Urteilsformel (Grundurteil gem. § 304 ZPO) in Ziffer 2 im Wege des Teilurteils festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, „… den Klägern sämtliche Schäden zu ersetzen …“. Insoweit handelt es sich um ein Teilurteil, welches entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassen wurde.
Ein Teilurteil gem. § 301 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann zulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, ausgeschlossen ist (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 21.02.1992, Az. V ZR 253/90 = BGH NJW 1992, 1769; BGH, Urteil vom 25. 11. 2003, Az. VI ZR 8/03 = NJW 2004, 1452; zitiert nach beck-online). Die Gefahr besteht insbesondere dann, wenn im Fall der objektiven Klagehäufung von Leistungs-und Feststellungsansprüchen, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, gesondert über einen oder nur einen Teil der Ansprüche entschieden wird (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.1997, Az. VI ZR 69/96 = NJW 1997, 1709, zitiert nach beck-online; OLG München, Urteil vom 31.07.2003, Az.1 U 2464/03, OLGR 2004, 17) . Das Landgericht hat diese sorgfältig zu erörternde Frage in einem einzigen Satz auf Seite 7 des Urteils abgehandelt und das Teilurteil – apodiktisch – „zur Vermeidung der Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen in Zukunft“ erlassen. Dabei hat das Landgericht verkannt, dass gerade die Kombination des Grundurteils in Ziffer 1 mit dem Feststellungsurteil in Ziffer 2 die Gefahr sich widersprechender Erkenntnisse erst begründet.
Zweifel an der Zulässigkeit des Feststellungsurteils bestehen schon deshalb, weil sich aus der Urteilsformel nicht ergibt (und wegen der Kombination mit dem Grundurteil auch nicht ergeben kann), welche Schäden von diesem Erkenntnis umfasst sein sollen. Der von den Klägern gestellte Feststellungsantrag ist so auszulegen, dass damit weitere Schäden gemeint sein sollen, nämlich diejenigen, die jetzt noch nicht bezifferbar sind und deshalb nicht vom gleichzeitig gestellten Zahlungsantrag umfasst sind. Ein neben der Zahlungsklage gestellter Feststellungsantrag, der die gleichen Schäden umfasst, wäre wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Werden an sich bezifferbare Schäden – so wie hier in Ziffer 1 der Urteilsformel – aber noch nicht beziffert, weil insoweit nur ein Grundurteil ergeht, ist vollkommen unklar, welche Schäden von Ziffer 2 umfasst sein sollen. Es fehlt die sonst gegebene Möglichkeit der Abgrenzung zu anderen, bezifferten Schäden. Damit bleibt unklar, wie weit die Feststellungswirkung des Urteils gem. § 322 ZPO gehen soll. Momentan sind alle Schäden umfasst, zumal die einschränkende Formulierung „weitere“ fehlt, weil das Erstgericht nicht auf eine richtige Antragstellung hingewirkt hat. Im Falle eines Schlussurteils würde sich diese Wirkung des Urteils wieder ändern, nämlich einschränken, weil sie nicht mehr diejenigen Schäden umfassen würde, die dann beziffert würden.
Darüber hinaus ist problematisch, dass ein in Ziffer 2 in Rechtskraft erwachsendes Feststellungsurteil mit einem Schlussurteil bei der Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Kläger in Widerspruch geraten könnte. Das Feststellungsurteil in Ziffer 2 stellt die Zahlungsverpflichtung ungekürzt um ein etwaiges Mitverschulden fest. Bei der Festsetzung der konkreten Schadenshöhe könnte sich aber theoretisch ein Mitverschulden gem. § 254 BGB herausstellen, was zu einer Kürzung des geltend gemachten Anspruchs führen könnte. Die bloß theoretische Möglichkeit ist ausreichend, um die Unzulässigkeit des Teilurteils anzunehmen.
Der folgende, dritte Aspekt ist der am schwersten wiegende: Würde der Senat in der Sache entscheiden und die Berufung zurückweisen und dieses Urteil sodann lediglich hinsichtlich Ziffer 1 des landgerichtlichen Erkenntnisses mit der Revision angefochten, Ziffer 2 aber rechtskräftig werden, bestünde die theoretische Gefahr, dass das Revisionsgericht einen Anspruch dem Grunde nach verneint, während es zugleich ein rechtskräftiges Feststellungsurteil gäbe, welches eine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz bejaht. Ein solches Ergebnis muss vermieden werden.
2. Für das weitere Verfahren wird das Landgericht zu beachten haben, dass es im vorliegenden Fall auch nicht möglich ist, etwa ein „isoliertes“ Teilurteil zu erlassen, ohne zugleich über den im Wege der objektiven Klagehäufung gestellten Feststellungsantrag zu entscheiden. Es ist prozessrechtlich nicht zulässig, die Entscheidung darüber gleichsam „zurückzustellen“ und zunächst allein über den Grund des Anspruchs zu erkennen. Wegen der Kombination mit dem Feststellungsantrag ist vorliegend in Bezug auf Ziffer 1 der Weg zu einem Grundurteil verwehrt. Umgekehrt wäre es ebenso unzulässig, im Wege des Teilurteils zunächst ausschließlich über den Feststellungsantrag zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.1997, Az. VI ZR 69/96 = NJW 1997, 1709, zitiert nach beck-online; OLG München, Urteil vom 31.07.2003, Az.1 U 2464/03, OLGR 2004, 17).
II.Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.05.2016.