Europarecht

Teilwiderruf einer Förderung wegen Verletzung der Behaltensfrist

Aktenzeichen  AN 4 K 15.00707

Datum:
4.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG BayVwVfG Art. 48 IV, 49 II

 

Leitsatz

Aus dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit folgt – im Sinne eines intendierten Ermessens – regelmäßig der Widerruf der Förderung, wenn ihr Zweck verfehlt wird. (redaktioneller Leitsatz)
Bei einer nach Jahren festgelegten Behaltensfrist ist die durch Verwaltungsvorschrift festgelegte nach Jahren berechnete Teilrückforderung ermessensfehlerfrei. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid vom 26. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte durfte vorliegend zu Recht den teilweisen Widerruf der Förderung nach Jahren berechnen.
I.
Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 26. März 2015 findet seine Rechtsgrundlage in Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung (…) nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (…). Der Widerruf ist innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von den Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes rechtfertigen (Art. 49 Abs. 2a Satz 2 i. V. m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG).
Dass grundsätzlich der Anwendungsbereich des Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG eröffnet ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Divergenz besteht allein hinsichtlich der Höhe der Rückforderung. Die Klägerinnen hatten daher einen Betrag in Höhe von 31.500,00 EUR anerkannt. Insoweit wurden die Klagen abgetrennt und eingestellt.
II.
Der Widerruf steht, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 BayVwVfG („kann“) ergibt, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Beim Widerruf der Bewilligung öffentlicher Zuschüsse ist anerkannt, dass die Bewilligung regelmäßig (im Sinne eines intendierten Ermessens) zu widerrufen ist. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 7 BayHO). Neben der Frage des Entschließungsermessens, also „Ob“ widerrufen wird, steht der Beklagten nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG ein Auswahlermessen zu über das Wie“ des Widerrufs (Abel, BeckOK VwVfG Stand Januar 2016, § 49 Rn. 9).
Der Beklagte hat die Umstände des Einzelfalls zugunsten der Klägerinnen dahingehend berücksichtigt, dass nur ein Teil widerrufen wird. Von den Klägerinnen wird von diesem Teil lediglich ein Teilbetrag in Höhe von 22.500,00 EUR angegriffen. Dieser Unterschiedsbetrag entspricht der mathematischen Differenz zwischen der Berechnung des Widerrufs der auf eine fünf Jahre Behaltensfrist angelegten Fördersumme für zwei Jahre, wie dem Bescheid zugrunde gelegt, bzw. für 14 Monate wie von den Klägerinnen gefordert. Grundlage für diesen Unterschied ist die Sichtweise, ob die Behaltensfrist durch den Verkauf im 4. Jahr der Förderung bzw. im 47. Monat der Förderung verletzt wurde.
Die Behörde trifft hinsichtlich der Entscheidung der Berechnung nach Jahren kein gesondertes Auswahlermessen. Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich das Auswahlermessen auf die Varianten „ganz oder teilweise“. Eine weitere Differenzierung des teilweisen Widerrufs nach einzelnen Zeiteinheiten sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr ist das Festlegen der zeitlichen Einheit nach Jahren, Monaten oder gar nach Tage gerade seinem Wesen nach grundsätzlich der durch Ermessen typischerweise gewährte behördliche Freiraum, der auch gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbar ist. Im konkreten Fall war das Ermessen der Behörde aufgrund der Vorgabe der „internen Bearbeitungshilfe des StMWi 2014“ auf Null reduziert, soweit die Zeiteinheit für die Rückforderung zu wählen ist.
Unabhängig von dieser Bindung hat der Beklagte auch den Zweck der Ermächtigung eingehalten (Art. 40 BayVwVfG). Der Widerruf erfolgte aufgrund der Verletzung der Behaltensfrist, da die geförderten und angeschafften Vermögensgegenstände an ein Unternehmen verkauft wurde, das selbst nicht förderfähig gewesen wäre. Dass für die Widerrufshöhe ein Zeitraum gewählt wurde, der auch Zeiten umfasst, in denen die Behaltensfrist noch nicht verletzt wurde, lässt den Zusammenhang zum Zweck der Widerrufsermächtigung, die Verwendung der Fördermittel sicherzustellen, unberührt. Der erforderliche Bezug besteht durch die Verletzung der Behaltensfrist unabhängig von der gewählten Zeiteinheit, das heißt der Widerrufshöhe. Ob die gewählte Zeiteinheit die Klägerinnen übermäßig belastet, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
III.
Die Rückförderung in der vorliegend noch streitigen Höhe von 22.500,00 EUR ist nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte durfte, und war im vorliegenden Fall sogar verpflichtet, auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Widerrufshöhe nach Jahren berechnen.
1.
Der Förderbescheid setzt die Behaltensfrist auf fünf Jahre fest. Wird in diesem Zeitraum förderschädlich verfügt, so steht zunächst die gesamte Förderung in Frage. Hinzu kommt, dass auch andere Umstände zu einem Widerruf führen können. Das betrifft insbesondere auch Auflagenverstöße, wie sich aus Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG ergibt. Unter Berücksichtigung dessen, ist bei einem teilweisen Widerruf wegen Verletzung der Behaltensfrist, die Dauer des Behaltens zwar ein wesentliches, aber kein allein entscheidendes Kriterium an dem sich die Behörde orientieren kann.
2.
Vorliegend ist die Berechnung des Zeitraums nach Jahren spiegelbildlich zur festgelegten Behaltensfrist erfolgt. In Ziffer 3 des Förderbescheides vom 23. August 2010 wurde eine Bindungsfrist auf fünf Jahre festgelegt. Die für den Widerruf gewählte Zeiteinheit nach Jahren korrespondiert also mit der nach Jahren festgelegten Verpflichtung.
Der Beklagte ist weiter durch eine Verwaltungsvorschrift gebunden. Solche Verwaltungsvorschriften haben besondere Bedeutung für die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 GG, da sie die einheitliche Rechtsanwendung durch alle Verwaltungsträger in Bayern sicherstellen. Vor diesem Hintergrund ist auch Ziff. 71.5.1 3) der Verwaltungsrichtlinie (interne Bearbeitungshilfe des StMWi 2014) zu sehen. Dort steht: „Zur Vermeidung unangemessenen Verwaltungsaufwands wird jeweils von einem vollen Jahreszeitraum ausgegangen, gleichgültig ob der Rückforderungsgrund zu dessen Beginn oder zu dessen Ende entstanden ist“. Durch die Norm werden mit Blick auf eine grundsätzliche Rückforderung in Jahren Schwierigkeiten bei der Begründung und Differenzierung von Fällen abgedeckt, bei denen sich wie vorliegend eine mathematische Unschärfe ergibt.
3.
Dem Argument der Klägerinnen, dass ein kurzer Zeitraum der Bindungsfrist zugleich eine Rückforderung besonders unscharf mache, kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Zunächst einmal ist es richtig, dass sich durch den kurzen Zeitraum mathematisch besonders starke Verwerfungen ergeben, da eine fünfjährige Bindungsfrist 20% pro Jahr ausmacht, während eine zehnjährige Bindungsfrist 10% pro Jahr ausmachen würde. Bei einem unterjährigen Verkauf werden in der fünfjährigen Bindungsfrist in der Rückforderungsberechnung nach Jahren Zeiträume im höheren Maße berücksichtigt, bei denen eine Verletzung der Bindung an sich noch gar nicht vorlag.
Die Klägerinnen verkennen aber dabei, dass sie durch die fünfjährige Bindungsfrist an sich bereits besser gestellt sind. Würde man vorliegend rechnerisch eine zehnjährige Bindungsfrist annehmen, so müssten die Klägerinnen, bei einem Widerruf nach Jahren berechnet, 70% (statt 40%) der Förderung zurückzahlen. Der mathematischen Verwerfung entspricht damit die Vergünstigung einer kürzeren Bindungsfrist.
Auch im Übrigen erscheint diese Bindungsfrist, gerade unter dem Vorzeichen der konkreten Förderung von Maschinen und einer Betriebshalle und deren voraussichtlichen Lebensdauer im Betrieb, sehr kurz und damit günstig für die Klägerinnen.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird bis zur Trennung der Verfahren auf 54.000,00 EUR und danach auf 22.500,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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