Aktenzeichen RN 4 K 16.588
TierSchNutztV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Bei Amtstierärzten handelt es sich gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG um behördliche Sachverständige, deren Einschätzung nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig ein besonderes Gewicht zukommt und die nur durch substantiiertes Gegenvorbringen zu entkräften ist. Allein das pauschale Bestreiten festgestellter Mängel genügt diesen Anforderungen nicht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen tierschutzrechtliche Anordnungen.
Am 7.3.2016 wurde bei einer Kontrolle der Tierhaltung der Klägerin von den Amtstierärzten beim Veterinäramt des Landratsamtes … Folgendes festgestellt:
1. Beide Rinder hatten überlange Klauen.
2. Den Rindern stand kein sauberes, hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung. Das den Tieren von der Klägerin im Futterbarren angebotene Wasser war mit Futterresten, Schmutz und Heu verunreinigt.
3. Die Hufe der drei adulten Vollblutpferde waren nicht ordnungsgemäß gepflegt. Die Hufe waren ausgewachsen. Die weiße Linie war deutlich verbreitert.
Unter dem 8.3.2016 erließ das Landratsamt … daraufhin folgenden, der Klägerin am 15.3.2016 zugestellten, Bescheid:
1. Frau … hat in ihrer Tierhaltung Folgendes durchzuführen bzw. sicherzustellen:
a) Bei den Rindern mit den Ohrmarken DE 1… und DE 2… ist bis spätestens 19.3.2016 ein Klauenschnitt von einem qualifizierten Klauenpfleger durchführen zu lassen.
b) Im Kuhstall sind bis spätestens 19.3.2016 Selbsttränkebecken einzubauen, so dass alle Tiere täglich entsprechend ihrem Bedarf mit Wasser in ausreichender Qualität und Menge versorgt werden.
c) Die überlangen Hufe der drei erwachsenen Vollblutpferde sind bis spätestens 19.3.2016 von einem qualifizierten Hufschmid oder Hufpfleger behandeln zu lassen.
2. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 dieses Bescheides wird angeordnet. Im Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs sind die Pflichten sofort nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheides bzw. nach Aufhebung eines stattgebenden Beschlusses nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung zu erfüllen.
3. Für den Fall, dass Frau … die unter Ziffer 1 genannten Verpflichtungen nicht fristgerecht erfüllt, werden folgende Zwangsgelder zur Zahlung fällig:
a) 50,- € pro Tier, bei dem bis 19.3.2016 kein Klauenschnitt von einem qualifizierten Klauenpfleger durchgeführt wurde (Ziffer 1 a).
b) 50,- € pro Tier, dem bis spätestens 19.3.2016 kein Selbsttränkebecken zur Verfügung steht (Ziffer 1 b).
c) 50,- € pro Tier, bei dem bis spätestens 19.3.2016 die überlangen Hufe nicht von einem qualifizierten Hufschmied oder Hufpfleger behandelt wurden (Ziffer 1 c).
4. Frau … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
5. Die Gebühr für diesen Bescheid wird auf 150,- € festgesetzt. Die Auslagen betragen 3,45 €.
Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:
Die Tierhaltung der Klägerin widerspreche § 2 Tierschutzgesetz (TierSchG). Die regelmäßige Pflege der Klauen der Rinder sei unabdingbar, um das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Tiere zu erhalten. Zu lang gewachsene Klauen würden durch die veränderte Winkelung der Gelenke und durch die veränderte Gliedmaßenachse Sehnenschäden hervorrufen, woraus Schmerzen und Schäden für das betroffene Tier resultieren würden. Dies gelte gleichermaßen für die regelmäßige Hufpflege der Pferde. Die Pferdehufe müssten deshalb täglich ausgekratzt und alle sechs bis acht Wochen durch einen fachkundigen Hufpfleger ausgeschnitten werden. Gemäß dem Hufbeschlaggesetz (HufBeschlG) dürften Pflegemaßnahmen am Huf nur von ausgebildeten Hufpflegern durchgeführt werden. In Bezug auf die Tränkung der Rinder wurde ausgeführt, dass gemäß §§ 3 Abs. 2 Nr. 2, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) alle Rinder entsprechend ihrem Bedarf mit Wasser in ausreichender Menge und Qualität versorgt werden müssten, wobei Verunreinigungen auf ein Mindestmaß zu begrenzen seien. Dies sei durch die Verschmutzung des im Barren angebotenen Wassers nicht gewährleistet gewesen. Die getroffenen Anordnungen seien daher im Interesse der Tiere zwingend notwendig und insbesondere verhältnismäßig gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 15.4.2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage erheben sowie mit Schriftsatz vom 23.5.2016 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen lassen.
Ausgeführt wird, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle bei beiden Kühen keine überlangen Klauen vorhanden gewesen seien. Die Klägerin komme ihrer Pflicht zur Pflege regelmäßig nach. Die Kühe seien überdurchschnittlich gut versorgt. Sie verfügten über ein ausreichendes Wasser- und Futterangebot. Nach dem TierSchG sei die Art und Weise der Tränkung nicht genau vorgeschrieben, so dass auch ein Tränkebecken nicht zwingend erforderlich sei. Zum Zeitpunkt der Kontrolle wären bei den Pferden in keiner Weise ausgewachsene Hufe zu erkennen gewesen, insbesondere deshalb, da die Klägerin die Hufe aller Pferde am 4.2.2016 selbst gepflegt habe. Dass die Hufpflege nur durch eine dafür qualifizierte Person durchgeführt werden dürfe, sei unzutreffend. Das HufBeschlG betreffe ausschließlich beschlagene Arbeitspferde und deren Hufpflege, nicht aber die Hufpflege von unbeschlagenen Pferden.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Die bei der Kontrolle angefertigten Fotoaufnahmen würden die tatsächlichen Verhältnisse belegen. Tränkebecken, die eine jederzeitige Aufnahme von sauberem Wasser ermöglichen, seien heutzutage für eine gute landwirtschaft-liche Praxis der Standard. Der vorgefundene Zustand der Hufe der Pferde und die Aussage der Klägerin, sie habe am 4.2.2016 die Hufpflege selbst durchgeführt, bestätigten die Vermutung, dass sie nicht über die notwendige Sachkenntnis für eine tierschutzgerechte Hufpflege verfüge. Zudem dürfe die Hufkorrektur, die über die üblichen alltäglichen Reinigungs- und Pflegearbeiten hinausgehe, nur von ausgebildeten Hufbeschlagsschmieden durchgeführt werden, auch wenn kein Hufbeschlag im eigentlichen Sinne erfolge.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet [§ 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)].
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht nur, wenn es aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als möglich erscheint, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (vgl. Gaimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl., 2016, § 114 ZPO Rn 19).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 8.3.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 des Bescheides getroffenen Anordnungen ist § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG. Hiernach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss derjenige, der ein Tier hält, unter anderem das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren und pflegen.
Die Nrn. 1 a und c des Bescheides sind nicht zu beanstanden. Bei der Kontrolle am 7.3.2016 wurde festgestellt, dass die Kühe überlange Klauen hatten und die Hufe der Pferde ausgewachsen waren. Dies wurde durch die bei den Akten befindliche Fotodokumentation (Bl. 48 ff. des Fotogehefts) festgehalten. Die zuständigen Amtstierärzte haben ihre Auffassung, warum die vorgefundenen Zustände nicht tierschutzgerecht sind, auch mehrfach fachlich begründet (vgl. Bl. 5 a ff. und Bl. 46 a ff. der Behördenakte). Bei den Amtstierärzten handelt es sich gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG um behördliche Sachverständige, deren Einschätzung nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig ein besonderes Gewicht zukommt und die nur durch substantiiertes Gegenvorbringen zu entkräften ist. Allein das pauschale Bestreiten der Mängel an den Rinderklauen und Pferdehufen durch die Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Auch die Anordnung in Nr. 1 c, nämlich dass die Hufe der Pferde von einem qualifizierten Hufschmid oder Hufpfleger behandelt werden müssen, ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 3 Abs. 1 HufBeschlG darf der Hufbeschlag nur von geprüften und staatlich anerkannten Hufbeschlagschmieden ausgeübt werden. Gemäß § 2 Nr. 1 HufBeschlG zählt zum Hufbeschlag im Sinne des HufBeschlG die Gesamtheit aller Verrichtungen an einem Huf zum Zweck des Schutzes, der Gesunderhaltung, der Korrektur oder der Behandlung. Das HufBeschlG erfasst daher nicht nur Verrichtungen an beschlagenen Hufen, sondern auch an unbeschlagenen. Da es sich beim Ausschnitt der Hufe ersichtlich nicht lediglich um eine übliche, alltägliche Reinigungs- oder Pflegearbeit handelt, bei welcher das HufBeschlG gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 HufBeschlG keine Anwendung finden würde, kann diese Arbeit nicht von der Klägerin, die keine Ausbildung nach § 4 HufBeschlG nachgewiesen hat, selbst durchgeführt werden.
Auch die Nr. 1 b des Bescheids ist rechtmäßig. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TierSchNutztV sind alle Tiere täglich entsprechend ihrem Bedarf mit Wasser in ausreichender Menge und Qualität zu versorgen. Die von der Klägerin durchgeführte Tränkung der Rinder über den Futterbarren genügt diesen Anforderungen nicht. Das bei den Akten befindliche Foto (Bl. 52 des Fotogehefts) belegt hinreichend, dass der Futterbarren mit Schmutz, Futterresten und Heu verunreinigt war, so dass den Rindern kein sauberes, hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stand. Unabhängig davon weist das Gericht darauf hin, dass gemäß Nr. 8.6 der LAVES Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung allen Tieren jederzeit Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen muss. Die Tränkung über den Futterbarren führt denklogisch dazu, dass den Tieren bei dieser Art der Wasserversorgung kein Wasser in dem Zeitraum zur Verfügung steht, in dem der Barren mit Futter gefüllt ist, sodass die Anordnung auch unter diesem Gesichtspunkt hätte ergehen können. Auch die Anordnung der Einrichtung eines Selbsttränkebeckens begegnet keinen Bedenken. Dies entspricht, wenn Rinder wie bei der Klägerin in Anbindehaltung gehalten werden, der Nr. 8.6 der LAVES Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung.
Gegen die übrigen im Bescheid getroffenen Anordnungen, wurden keine Einwände erhoben. Es sind auch keine Anhaltspunkte für deren Rechtswidrigkeit ersichtlich.