Europarecht

Untersagung des Haltens von Katzen

Aktenzeichen  23 ZB 17.1908

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13687
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 2a, § 16a Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Beamteten Tierärzten ist bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot ist im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen bereits dann gerechtfertigt, wenn die (bloße) Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schmerzen zugefügt werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. In getrennten Verfahren nach § 16a I 2 Nr. 3 TierSchG muss sich der Betroffene darauf verweisen lassen, etwaige nachhaltige Verbesserungen in der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten in einem dem Untersagungsverfahren nachfolgenden gesonderten Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Richtiger Adressat eines Tierhaltungs- und Betreuungsverbots ist der Halter der Tiere im weiteren Sinne und somit neben dem Halter im engeren Sinne auch der Betreuer und/oder der Betreuungspflichtige; die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse spielen keine Rolle. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 16.169 2017-07-31 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 €
festgesetzt.

Gründe

Die vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird. Mit dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag kann weder der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils) begründet werden, noch der im Weiteren bemühte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hat darlegen lassen, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2018 – 9 ZB 14.2869 – juris Rn. 3).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Die Begründung des Zulassungsantrags genügt bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Die von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine konkrete fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 10 ZB 17.1343 – juris Rn. 4). Die Klägerin rügt allgemein die Unrichtigkeit des Urteils, was für die Geltendmachung eines Zulassungsgrundes nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht ausreicht. Das Vorbringen der Klägerin wiederholt lediglich die schon in der ersten Instanz ausgetauschten Argumente und setzt sich nicht substantiiert mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander (vgl. Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2018, § 124a Rn. 72 f.).
b) Darüber hinaus sind dem Vortrag jedenfalls keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründen. Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 31. Juli 2017 den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2013 in Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als der Klägerin die Haltung und Betreuung (auch) eines Hundes untersagt wurde. Im Übrigen hat es die Klage gegen den Bescheid vom 20. August 2013, mit dem der Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzugs (Ziffer 3) das Halten und Betreuen von Tieren jeder Art ab sofort untersagt (Ziffer 1) wurde, abgewiesen.
aa) Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot findet seine Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Danach kann die Behörde demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nummer 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger andauernde Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen oder es von einem entsprechenden Sachkundenachweis abhängig machen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
Das Verwaltungsgericht stützt seine Urteilsgründe auf die Feststellungen des insgesamt 13 Seiten und 37 Fotos umfassenden amtstierärztlichen Gutachtens vom 15. Mai 2013, die Untersuchungsergebnisse der tierärztlichen Klinik Nürnberg vom 8. Mai 2013 sowie auf den Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (vgl. UA S. 5 letzter Absatz, S. 6 und S. 10 Absatz 1).
bb) Die Einwände der Klägerin, welche auf eine Relativierung der von der beamteten Tierärztin festgestellten Missstände der Tierhaltung und ein Bestreiten ihrer Ursächlichkeit für die Leiden der Tiere hinauslaufen, gründen allein auf einer abweichenden Bewertung durch die Klägerin, mit der sie die Einschätzung der Amtsveterinärin, der besonderes Gewicht zukommt, nicht in Frage stellen kann.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass beamteten Tierärzten bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2017 – 9 C 17.1134 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 19.10.2017 – 9 ZB 16.2073 – juris Rn. 7). Amtstierärzte sind im Rahmen der Durchführung des Tierschutzgesetzes als gesetzlich vorgesehene Sachverständige eigens bestellt und regelmäßig zu beteiligen (§ 15 Abs. 2 TierSchG); ihr Gutachten erachtet der Gesetzgeber gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG grundsätzlich als ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 – 3 B 62.13 – juris Rn. 10). Das Erstgericht hat daher zutreffend festgestellt, dass die Einschätzung eines beamteten Tierarztes im Regelfall als maßgeblich anzusehen ist. Hiervon ausgehend konnte das Verwaltungsgericht die nachvollziehbare und umfangreiche Stellungnahme der Amtstierärztin, die mit über 30 Fotos den Zustand der von der Klägerin gehaltenen Tiere dokumentiert, heranziehen. Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung ist regelmäßig nicht ausreichend, da die Klägerin über keinerlei besondere Fachkenntnisse verfügt. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9; B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 7). Wie im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt wurde, ist das Gutachten der Amtsveterinärin entgegen der Rüge der Klägerin nicht als reines Parteivorbringen anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2014 – 9 CE 13.2486 – juris Rn. 11) und die nicht artgerechte Haltung und erhebliche Vernachlässigung der Tiere nach dem Gutachten der Amtsveterinärin hinsichtlich der Katzen ohne weiteres nachvollziehbar (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 11).
Die bloßen Behauptungen der Klägerin, dass das Gutachten der Amtstierärztin vom 15. Mai 2013 parteiisch und fachlich nicht fundiert sei, sind jedenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Auch die Vorlage von Spendenquittungen für Tierschutzvereine und einen Gnadenhof für Tiere, sowie die ärztliche Bescheinigung, mit dem Hund „Joschy“ beim Tierarzt gewesen zu sein, die Zahlung der Tierhalter-Hundehaftpflichtversicherung, und schließlich der Nachweis von Kosten im Wert von 2.000,- Euro für Futter, Impfungen, Kastrationen, Tierarztkosten und Zubehör sind nicht geeignet, die mit über 30 Fotos dokumentierten amtstierärztlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand der von der Klägerin gehaltenen Tiere zu erschüttern. Die Klägerin tritt insbesondere der amtstierärztlichen Feststellung im detaillierten Gutachten vom 15. Mai 2015 nicht substantiiert entgegen, wonach mindestens vier Katzen völlig ausgezehrt und unterernährt gewesen seien (VG-Akte S. 135), sowie die Wasserversorgung für die Katzen und Hunde nicht gewährleistet gewesen sei, auch nicht für zwei laktierende Katzen, die umso mehr Wasser benötigen, da durch die Milchbildung ein erheblicher Teil von normalerweise frei zur Verfügung stehendem Wasser in der Milch gebunden sei (VG-Akte S. 135). Die Klägerin räumt vielmehr selbst ein, dass die Katzenwelpen Nr. 15 – 20 noch keinem Tierarzt vorgestellt worden waren (Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 12.12.2016, S. 6 Absatz 2). Schließlich entkräftet die Klägerin auch die Ausführungen zu dem von ihr gehaltenen sterbenden Katzenwelpen nicht. Nach dem Gutachten der Amtstierärztin sei der Katzenwelpe Nr. 19 aufgrund der fortgeschrittenen Krankheit so geschwächt gewesen, dass er in Seitenlage auf einem komplett verdreckten Kissen gelegen sei. Der Katzenschnupfen sei so weit gediehen, dass der Tod des Welpen unausweichlich gewesen sei. Dem Tod durch Katzenschnupfen gehe eine lange Zeit des Siechtums voraus, die mit länger andauernden Schmerzen und Leiden verbunden sei. Die Klägerin habe diese Zeit nicht genutzt, um das kranke Tier tierärztlich behandeln zu lassen (VG-Akte S. 140). Diese Feststellungen werden durch zwei Lichtbilder (VG-Akte S. 148, 149) sowie den Untersuchungsbericht der tierärztlichen Klinik Nürnberg vom 8. Mai 2015 belegt. Diesem Untersuchungsbericht zufolge musste der sechs Wochen alte Katzenwelpe Nr. 19 aus Tierschutzgründen eingeschläfert werden, da der Ernährungszustand kachektisch gewesen sei, das Tier hochgradig verschnupft und der After so hochgradig kotverschmiert gewesen sei, dass kein Geschlecht bestimmbar gewesen sei. Auch zu den Feststellungen im Übrigen, wonach viele weitere von der Klägerin gehaltene Katzen unter Ohrenentzündungen, Flohbefall, Feliner Kinnakne, Viren und Hautpilzen, einer gestörten Immunabwehr, Katzenschnupfen, vereiterten Zähnen und entzündetem Zahnfleisch sowie Verhaltensauffälligkeiten (hochgradige Aggressivität) litten, tritt die Klägerin nicht substantiiert entgegen. Die bloßen Behauptungen, das diese Feststellungen unzutreffend seien und insbesondere der Gesundheitszustand des Katzenwelpen, der in der Tierklinik Nürnberg wegen seines schlechten Zustands eingeschläfert werden musste, eine Stunde vor der Wegnahme der Tiere noch unauffällig gewesen sei, sind jedenfalls nicht geeignet, amtstierärztliche Feststellungen, die durch Lichtbilder belegt werden, sowie die Feststellungen der Tierklinik Nürnberg zu entkräften. Die ärztlichen Bescheinigungen, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte depressive Episode bestehe und deshalb eine Weiterleitung an einen Facharzt für Neurologie – Psychiatrie veranlasst worden sei, sowie die Klägerin wegen ihrer Contergan – bedingten, langjährigen Behinderung zunehmend chronischen Beeinträchtigungen am gesamten Bewegungsapparat ausgesetzt sei und sie an fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule einschließlich einer fortgeschrittenen Kyphoskoliose leide, sind ebenfalls nicht geeignet, die festgestellten und ausführlich dokumentierten Leiden und Schmerzen der von der Klägerin gehaltenen Tiere zu entkräften. Vielmehr legen diese ärztlichen Bescheinigungen nahe, dass die Klägerin unter deutlichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen leidet, die unter Umständen auch zu Einschränkungen bei der Pflege, Versorgung und Betreuung der Tiere führen können. Spendenbescheinigungen an Tierschutzvereinigungen, Kopien von Impfpässen, sowie Lichtbilder, deren Aufnahmezeitpunkt ungeklärt ist, das von der Klägerin angebotene „Zeugnis“ ihrer Söhne, die weder über besondere Fachkenntnisse im Bereich der Tierhaltung und Tiergesundheit verfügen, noch zum Zeitpunkt des vom Amtsgericht stattgegebenen Durchsuchungsbeschlusses in den Räumlichkeiten der Klägerin waren, sind ebenfalls nicht geeignet, die umfassenden, vertieften und durch Lichtbilder dokumentierten Feststellungen der Amtstierärztin sowie der tierärztlichen Klinik Nürnberg ernsthaft in Frage zu stellen.
Ohne dass es darauf noch ankommt, waren auch nach den Feststellungen im Strafbefehl vom 18. März 2013 die von der Klägerin gehaltenen Tiere über einen längeren Zeitraum erheblichen Schmerzen und Leiden ausgesetzt. Dem Strafbefehl zufolge wurden alle Tiere nicht mit ausreichend Wasser versorgt, vier Katzen wiesen außerdem einen schlechten Ernährungszustand auf, ein Katzenwelpe lag im Sterben, alle Tiere waren danach mit Flöhen befallen, die bereits zu eitrigen Hautentzündungen mit entsprechenden Schmerzen geführt hatten, 17 Katzen litten danach an einer Entzündung des äußeren Gehörgangs, drei Katzen an feliner Akne, zehn Katzen an Katzenschnupfen, welcher mit eitrigem Augenfluss, Schnupfen mit Unvermögen, durch die Nase zu atmen, Läsionen auf der Zunge, Fieber und Appetitlosigkeit einhergeht, 12 Katzen litten danach an Entzündungen des Zahnfleischs und/oder vereiterten Zähnen und acht Katzen wiesen deutliche Symptome einer Pilzerkrankung auf. Aufgrund des starken Geruchs nach Hundeurin auf der Terrasse stehe außerdem fest, dass die Klägerin mit den beiden Hunden nicht ausreichend Gassi gegangen sei, woraus eine erhebliche Vernachlässigung mit erheblichen Leiden folge. Mit dem Strafbefehl vom 18. März 2013 wurde deshalb eine Geldstrafe von 120 Tagesätzen verhängt, die mit seit 19. November 2014 rechtskräftigem Strafurteil aufgrund des Geständnisses der Klägerin und der damit gezeigten Reue und Schuldeinsicht auf 90 Tagessätze reduziert wurde. Zu Lasten der Klägerin seien ihre Vorstrafen und der Umstand zu werten gewesen, dass es sich um mehrere Wirbeltiere gehandelt habe.
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Gefahrenprognose auch nicht wegen der vorausgegangenen gütlichen Einigungsversuche und der Prognose, einen einzelnen Hund artgerecht halten zu können, in sich widersprüchlich.
Zum einen ist es selbsterklärend, dass ein erheblicher Unterschied im Betreuungsaufwand besteht, wenn lediglich ein Hund gehalten wird oder wenn mehrere Tiere, insbesondere wie zuletzt von der Klägerin mehrere Katzen gehalten werden, die zu Hause zahlreiche Welpen auf die Welt bringen und daher einer besonderen Zuwendung und Aufsicht bzw. (tierärztlichen) Betreuung bedürfen. Gerade die Art und die Anzahl der Tiere haben erhebliche Auswirkungen auf den Betreuungsaufwand und damit auch auf die zu stellende Gefahrenprognose.
Auch die vorausgegangenen Einigungsversuche stehen in keinem Widerspruch zum angefochtenen Urteil. Scheitert eine gütliche Einigung, so hat das Gericht die Erfolgsaussichten der Klage gegen den angefochtenen Bescheid zu prüfen. Alternative Lösungsvorschläge, die im Rahmen einer gütlichen Einigung in Erwägung gezogen wurden, sind hierfür nicht maßgeblich. Erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, so ist die dagegen erhobene Klage abzuweisen.
In eine gütliche Einigung zwischen den Parteien können außerdem Gesichtspunkte einfließen, die beispielsweise im Rahmen eines anschließenden Wiedergestattungsverfahrens nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbsatz TierSchG zu berücksichtigen wären. Im vorliegenden Klageverfahren ist jedoch allein das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot streitgegenständlich. Auch vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Prüfungsumfangs einerseits im vorliegenden Untersagungsverfahren und andererseits im sich gegebenenfalls daran anschließenden Wiedergestattungsverfahren sind keine Widersprüche zwischen dem angefochtenen Urteil einerseits und den vorausgegangenen gütlichen Einigungsversuchen andererseits zu erkennen.
dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert auch ihre Schwerbehinderung und die damit verbundenen Betroffenheit der Klägerin im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Tiere für sie nichts an der vom Verwaltungsgericht getroffenen Gefahrenprognose. Ein Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot ist – wie hier – im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen bereits dann gerechtfertigt, wenn die (bloße) Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schmerzen zugefügt werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2017 – 9 CS 17.456 – juris Rn. 16; B.v. 6.11.2017 – 9 C 17.328 – juris Rn. 7; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 51 m.w.N.; Moritz in Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 47 m.w.N.). Da die Klägerin nach den von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sowohl „hochgradig körperlich beeinträchtigt“ ist (VG-Akte S. 293, 297, 298) als auch an einer „ausgeprägten depressiven Symptomatik“ litt (VG-Akte S. 295 und 294) und sie schließlich auch in der Vergangenheit ihre Tiere nicht artgerecht hielt, ist die vom Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung der Feststellungen der Amtsveterinärin vorgenommene Gefahrenprognose zutreffend.
Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein milderes Mittel als die Beschränkung der Tierhaltung auf einen einzelnen Hund im Hinblick auf die vom Gesetzgeber mit den Tierschutzvorschriften verfolgten Absichten sowie im Hinblick auf die besondere Vorgeschichte im vorliegenden Fall nicht erkennbar ist. Das Verwaltungsgericht hat entsprechend § 114 Satz 1 VwGO die Ermessensentscheidung der Beklagten auf Ermessenfehler überprüft. Der Klägerin sei seit dem Jahre 2003 mehrfach die Gelegenheit gegeben worden, ihre Tiere art- und verhaltensgerecht zu halten. An die gerichtliche Vereinbarung, nicht mehr als sechs Tiere zu halten, habe sie sich nicht gehalten. Das Tierhalteverbot sei auch deshalb erforderlich, weil die Klägerin durch mildere Maßnahmen nicht zu einer artgerechten Haltung der Tiere habe bewegt werden können. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
ee) Soweit die Klägerin jetzt vorträgt, sie habe sich in den letzten Jahren tierschutzrechtlich nichts zuschulden kommen lassen und damit sei ihre Eignung zum Halten von Tieren (über den einen zulässigen Hund hinaus) belegt, so ist sie hierzu auf das Wiedergestattungsverfahren nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbsatz TierSchG zu verweisen.
Die hier maßgebliche Vorschrift des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG sieht ein getrenntes Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren vor. In derartigen getrennten Verfahren nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG muss sich der Betroffene darauf verweisen lassen, etwaige nachhaltige Verbesserungen in der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten in einem dem Untersagungsverfahren nachfolgenden gesonderten Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris, Rn.15 zum Gewerberecht; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 35). Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG kann der Klägerin auf Antrag das Halten oder Betreuen von Tieren wieder gestattet werden, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist und ein individueller Lernprozesses festgestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 23 C 19.134 – m.w.N.; B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris Rn. 9; OVG MV, B.v. 1.3.2016 – 1 M 470/15 – juris Rn. 31). Allein der Umstand, dass die Klägerin seit der Wegnahme der Tiere tierschutzrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, rechtfertigt jedoch noch keine positive Zukunftsprognose, ebenso wenig der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen des Strafverfahrens bei den von ihr gehaltenen Tieren hinsichtlich der Verstöße gegen Tierschutzvorschriften geständig war. Wenn sie nunmehr im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alle Verstöße relativiert und bestreitet, zeigt dies vielmehr ihre nach wie vor fehlende Einsicht.
ff) Die Rüge der Klägerin, dass sie hinsichtlich einiger Tiere nicht die Halterin und damit nicht die richtige Adressatin des Tierhaltungs- und Betreuungsverbots sei, stellt eine bloße Wiederholung der schon in der ersten Instanz ausgetauschten Argumente dar. Sie steht zudem im eklatanten Widerspruch zu ihrem Vorbringen im Verfahren 23 ZB 19.54, wo sie behauptet, Eigentümerin der Katzen zu sein. Überdies ist richtiger Adressat eines Tierhaltungs- und Betreuungsverbots der Halter der Tiere im weiteren Sinne und somit neben dem Halter im engeren Sinne auch der Betreuer und/oder der Betreuungspflichtige (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 44). Die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse spielen keine Rolle (vgl. Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL Januar 2019, § 16a TierSchG Rn. 1). Richtiger Adressat der Anordnung ist daher derjenige, der durch sein Verhalten gegen Tierschutzvorschriften verstößt bzw. dessen Verhalten kausal für einen zu erwartenden Verstoß ist (vgl. Köpernik in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 1. Auflage 2016, § 16a TierSchG Rn. 7). Für die Anordnung eines Tierhalte- und Tierbetreuungsverbots kommt es daher bereits nach dem Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG nicht auf die Eigentumsverhältnisse an, sondern darauf, wer die tierschutzwidrig behandelten Tiere hält oder betreut (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 9 ZB 16.2434 – juris Rn. 11). Unstreitig ist nach den eigenen Einlassungen der Klägerin und nach den aus den Akten gewonnenen Erkenntnissen, dass die Klägerin die Tiere gehalten oder jedenfalls betreut hat. Die vorgefundenen Umstände begründen das tatsächliche Obhutsverhältnis zu den Tieren, auf dem die Haltereigenschaft oder jedenfalls die Betreuereigenschaft beruht (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.1992 – 25 B 90.2906 – juris Rn. 33). Damit kann dahingestellt bleiben, in wessen Eigentum die Tiere im Einzelnen standen. Die Klägerin ist daher Adressatin nicht nur in ihrer Eigenschaft als Halterin, sondern auch als Betreuerin der Tiere.
2. Schließlich ist der Antrag auf Zulassung der Berufung auch nicht wegen eines nicht genauer bezeichneten Verfahrensmangels zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, eine eigene Sachaufklärung durch die Vernehmung von zwei von der Klägerin benannten Zeugen sowie durch Einholung eines Gerichtsgutachtens zu betreiben, hat diese Rüge keinen Erfolg.
Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann grundsätzlich dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter – wie hier die Klägerin – es in der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2018 – 9 ZB 16.321 – juris Rn. 32; B.v. 9.7.2018 – 9 ZB 16.2434 – juris Rn. 14 ff.).
Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht die ihm von § 86 Abs. 1 VwGO zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts auferlegten Pflichten erfüllt (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 12 m.w.N.). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Wie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts hervorgeht (UA S. 8 bis 9 und 11), hat dieses sich mit dem Vortrag der Klägerin befasst. Es hat das Vorbringen jedoch als Schutzbehauptung gewertet und sich dabei insbesondere auch darauf bezogen, dass dieser Vortrag und die dabei vorgelegten Unterlagen erst mehr als zweieinhalb Jahre (tatsächlich sogar mehr als drei Jahre) nach der Wegnahme der Tiere im Mai 2013 erfolgte.
Liegen wie im vorliegenden Fall außerdem bereits gutachterliche Stellungnahmen zu den entscheidungserheblichen Tatsachen vor, steht es nach § 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es ein zusätzliches Sachverständigengutachten einholt. Das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren abgegeben wurden.
Nach alledem rechtfertigen die von der Klägerin innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwendungen nicht die Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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