Aktenzeichen AN 14 K 18.01646
BayVwVfG Art. 35 S. 1, Art. 39 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
BayBadeGewV § 1 Abs. 3 Nr. 3
Leitsatz
1. Eine Gesundheitsschädigung ist nur dann nicht zu besorgen und ein behördliches Einschreiten zur Sicherstellung der Einhaltung des § 37 Abs. 2 IfSG nicht geboten, wenn hierfür keine auch noch so geringe Wahrscheinlichkeit besteht, eine Gesundheitsschädigung also nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 109385). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine konkrete Gefahr ist für eine auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG gestützte Anordnung wegen des Besorgnisgrundsatzes des § 37 Abs. 2 IfSG nicht erforderlich (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 28130). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Empfehlungen des Umweltbundesamtes haben keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit, sie sind jedoch als vorweggenommene gutachterliche Äußerungen zu werten, die in allgemeiner Weise die beachtlichen Mindestanforderungen beschreiben und geeignet sind, die gesetzlichen Vorgaben auszufüllen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung odeHinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO aufgrund der Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2019 ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden.
II.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Das Schreiben des Landratsamtes … vom 25. Juni 2018 stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, da es Regelungen mit Außenwirkung im konkreten Einzelfall enthält. Wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2018 galt für die Klageerhebung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO.
III.
Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO.
1.
Der Bescheid vom 25. Juni 2018 ist formell rechtmäßig. Aufgrund § 65 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV, v. 16. Juni 2015, GVBl. S. 184, BayRS 2015-1-1-V, zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Juli 2019, GVBl. S. 543) liegt die Regelzuständigkeit für den Infektionsschutz bei den Kreisverwaltungsbehörden, hier also beim Landratsamt …, in dessen Gebiet die streitgegenständliche Bademöglichkeit liegt. Der Bescheid ist auch hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Soweit die Genehmigung des Landratsamtes … vom 20. April 2016 an die Klägerin als eine rein wasserrechtliche Genehmigung für Wasserentnahme, Einstau und Wassereinleitung von einem Badegewässer spricht, hat dies für die hier zu entscheidende wasserhygienische Problematik keine unmittelbare Relevanz. Eine andere infektionsschutzrechtliche Einordnung oder Bewertung des klägerischen Badeweihers im Rahmen des wasserrechtlichen Verfahrens beinhaltet noch keine eigene Zusicherung. Im Übrigen sind auch infektionsschutzrechtliche Anordnungen bei Badegewässern zulässig, die unter § 65 ZustV fallen würden.
Zwar ist der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2018 entgegen Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG nicht begründet worden. Dieser Mangel ist aber durch die Nachholung im Klageerwiderungsschriftsatz geheilt, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG, und zwar rechtzeitig, da die Heilung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich ist.
Die Klägerin ist auch angehört worden, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Eine fehlende Anhörung würde zwar nur dadurch geheilt, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 -, BVerwGE, 142, 205). Aufgrund des dem streitbefangenen Bescheid vom 25. Juni 2018 vorgelagerten Schriftwechsels mit der Klägerin über die Einordnung des Gewässers und über die Notwendigkeit von Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 IfSG (Infektionsschutzgesetz) war jedoch die Klägerin – sogar ausführlich – angehört worden, da ihr mehrfach Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Für die Zulässigkeit eines Absehens von einer Anhörung nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG, wie vom Beklagten vorgetragen, ergeben sich indes keine Anhaltspunkte.
2.
Der streitgegenständliche Bescheid begegnet jedoch materiell-rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage des Bescheides vom 25. Juni 2018 ist nicht, wie vom Beklagten angenommen, § 16 Abs. 1 IfSG (Infektionsschutzgesetz), sondern kann nur § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG sein. Denn §§ 37 ff. IfSG sind lex specialis zur allgemeinen infektionsschutzrechtlichen Norm des § 16 IfSG. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung: „Wenn in Gewerbebetrieben, öffentlichen Bädern sowie in sonstigen nicht ausschließlich privat genutzten Einrichtungen Wasser zum Schwimmen oder Baden bereitgestellt wird, handelt es sich dabei somit entweder um Schwimm- oder Badebecken oder um Schwimm- oder Badeteiche oder um Badegewässer im Sinne der Richtlinie 2006/7/EG. Die Neufassung der Regelung soll so einen lückenlosen Schutz sicherstellen“ (BT-Drucksache 18|10938, S. 71 f., v. 23.1.2017, zu § 37 Abs. 2 IfSG, als Gesetzentwurf der Bundesregierung; vgl. auch BayVGH, B.v. 25.07.2013 – 9 ZB 13.419 -, juris).
Das streitbefangene Naturfreibad ist kein (EU-) Badegewässer und ebenso kein Schwimm- oder Badeteich. Nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2006/7/EG vom 15. Februar 2006 über die Qualität der Badegewässer und deren Bewirtschaftung gilt diese für jeden Abschnitt eines Oberflächengewässers, bei dem die zuständige Behörde mit einer großen Zahl von Badenden rechnet; die Richtlinie gilt aber nicht für abgegrenzte Gewässer, die einer Behandlung unterliegen. Dies gilt ebenso nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 BayBadeGewV (Bayerische Badegewässerverordnung), der wortgleich die EU-Richtlinie 2006/7/EG umgesetzt hat. Die Grenzwerte dieser Richtlinie sind wesentlich weiter gefasst als die im Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2018. Aber diese Richtlinie gilt ebenso wenig für das streitgegenständliche Naturfreibad wie die diese Richtlinie umsetzende BayBadeGewV.
Zwar ist das streitgegenständliche Freibad nicht gemäß § 1 Abs. 3 BayBadeGewV ein künstlich angelegtes abgegrenztes Gewässer, das von den oberirdischen Gewässern und dem Grundwasser getrennt ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 BayBadeGewV), auch kein Schwimmbecken (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 BayBadeGewV, vgl. BayVGH, B.v 25.7.2013 – 9 ZB 13.419 -, juris, mit der Folge der Geltung von § 37 Abs. 1 IfSG), aber es ist ein abgegrenztes Gewässer, das einer Behandlung unterliegt, § 1 Abs. 3 Nr. 2 BayBadeGewV. Denn aufgrund des Biofilters und der Kreislaufführung sowie der Wassermenge und des verhältnismäßig geringen Zu- und Ablaufs ist eine Behandlung des Wassers gegeben. Bei gleichzeitig sehr geringer Wasserfläche von nur 1 ha (das einzige EU-Badegewässer im Landkreis …, der …weiher, ist 5 ha groß) weist das streitgegenständliche Freibad Ähnlichkeiten mit einem wenn auch verhältnismäßig großen Kleinbadeteich auf. Andererseits liegt auch kein Kleinbadeteich vor, da hierfür das Naturfreibad abgedichtet sein und mit Trinkwasser befüllt werden müsste. Laut der Gesetzesbegründung zu § 37 IfSG (vgl. BT-Drucksache 18|10938, S. 71 f., v. 23.1.2017, zu § 37 Abs. 2 IfSG) umfasst § 37 Abs. 2 IfSG indes sämtliche Badegewässer („Die Neufassung der Regelung soll so einen lückenlosen Schutz sicherstellen.“, a.a.O.). Das streitbefangene Badegewässer enthält Elemente sowohl eines Badegewässers, indem es an den natürlichen Wasserverlauf angeschlossen und nicht abgedichtet ist, sowie Elemente eines Kleinbadeteiches, da es einer Behandlung durch Wasserfilter unterliegt. Es handelt sich beim Naturfreibad … aber weder um ein Badegewässer im Sinne der BayBadeGewV noch um einen Schwimm- oder Badeteich im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Im Übrigen wären selbst bei angenommener Anwendbarkeit der BayBadeGewV Maßnahmen nach § 39 Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 IfSG nicht ausgeschlossen, da § 37 Abs. 2 IfSG alle Schwimmgelegenheiten erfasst (vgl. z.B. § 7 Abs. 2 BayBadeGewV; vgl. auch BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 20 CS 19.1618 -, juris Rn. 24: da die gemäß dem IfSG vorgesehene Rechtsverordnung zur Bestimmung, welchen Anforderungen das in § 37 Abs. 2 IfSG bezeichnete Wasser entsprechen muss, bisher nicht erlassen worden ist, erfolgte zum 25. Juli 2017 eine Gesetzesänderung, um alle Gewässer zum Baden, also auch das „sonstige Wasser“ mit zu erfassen.)
Es war und ist beim streitgegenständlichen Naturfreibad auch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit bei Gebrauch des Freibadwassers „zu besorgen“ im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG. Nach der amtlichen Begründung zu § 11 Bundesseuchengesetz als Vorgängernorm zu §§ 37 und 39 IfSG bedeutet „nicht zu besorgen“, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit unwahrscheinlich ist (vgl. BT-Drs. Nr. 8/2468 S. 20). Der Begriff des Besorgens war ursprünglich § 34 Abs. 2 WHG entnommen und ist inzwischen durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Nach dieser Rechtsprechung ist eine Gesundheitsschädigung nur dann nicht zu besorgen und ein behördliches Einschreiten zur Sicherstellung der Einhaltung des § 37 Abs. 2 IfSG nicht geboten, wenn hierfür keine, auch noch so geringe Wahrscheinlichkeit besteht, eine Gesundheitsschädigung also nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1970, NJW 1970, 1890). Das bedeutet, dass selbst eine gewisse Wahrscheinlichkeit geradezu ausgeräumt sein muss (BVerwG a.a.O.). Angesichts des Präventionsgedankens des Infektionsschutzrechts ist die Behörde zu einem Einschreiten schon dann berechtigt und verpflichtet, wenn ein durch Tatsachen erhärteter bloßer Verdacht besteht, der eine Gesundheitsgefährdung als nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt (BVerwGE 39, 190; BayVGH, B.v. 25.07.2013 – 9 ZB 13.419 -, juris). Im vorliegenden Fall sind Tatsachen festgestellt, die in Bezug auf die gemessenen Pseudomonaswerte eine Schädigung der menschlichen Gesundheit im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG besorgen lassen. Eine konkrete Gefahr ist für eine auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG gestützte Anordnung wegen des Besorgnisgrundsatzes des § 37 Abs. 2 IfSG nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 20 CS 19.1618 -, juris Rn. 21).
Das Landratsamt war nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG mithin verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, denn es waren im Sinne dieser Bestimmung Gefahren für die menschliche Gesundheit abzuwenden, die von Wasser im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG ausgehen können. Die damit für eine Eingriffsmaßnahme im Einzelfall erforderliche konkrete Gefahr war zu bejahen. Dabei ist die Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts zu berücksichtigen. Da bei einer Gefahr für die menschliche Gesundheit ein hochrangiges verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut betroffen ist, zu dessen Schutz staatliche Stellen nach Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet sind (BVerfGE 88, 203, 251), genügt hier auch eine geringe Wahrscheinlichkeit.
Maßnahmen zu treffen, war somit „notwendig“ im Sinne des § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 IfSG.
Die angeordneten Maßnahmen im Bescheid vom 25. Juni 2018 sind aber insoweit rechtswidrig, als die Empfehlungen des Umweltbundesamtes zu abgedichteten Kleinbadeteichen analog angewandt wurden, und zwar ohne Berücksichtigung des Umstandes, dass das klägerische Naturfreibad nicht abgedichtet und künstlich befüllt ist, wie das für Kleinbadeteiche Voraussetzung ist. Damit sind die Maßnahmen ermessensfehlerhaft angeordnet worden und nicht verhältnismäßig. Aufgrund des Biofilters, der Kreislaufführung, der Wassermenge und der Frequentierung des Bades sind zwar für die ausgewählten Parameter Grenzwerte notwendig gewesen, insbesondere auch für den Erreger Pseudomonas, der in der BayBadeGewV überhaupt nicht vorkommt, weil dieser Erreger in natürlichen Gewässern kein Problem darstellt, anders als hier. Dabei stand dem Beklagten auch kein Entschließungsermessen nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG zu, jedoch ein Auswahlermessen zwischen verschiedenen Maßnahmen. Ermessen ist nach Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben, wobei die gesetzlichen Grenzen einzuhalten sind. Zum Auswahlprozess der möglichen Maßnahme, die die Behörde ergreifen will, gehört, dass die Maßnahme verhältnismäßig sein muss, da ansonsten die gesetzlichen Grenzen nicht eingehalten werden. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung setzt voraus, dass die Interessen der Behörde und die gesetzlich geschützten Interessen der Klägerin vollständig und richtig ermittelt und anschließend gegeneinander abgewogen werden. Für die korrekte Ausübung des Ermessens ist der Beklagte beweisbelastet. Trotz der fehlenden Begründung im Bescheid vom 25. Juni 2018 war sich das Landratsamt seines Auswahlermessens bewusst und hat dieses ausgeübt. Die Grenzen des Nachschiebens von Ermessensgründen sind eingehalten (vgl. BVerwG NVwZ 2012, 698, BVerwG NVwZ 2007,470 zur Nachholung einer behördlichen Ermessensentscheidung im gerichtlichen Verfahren): Die nachgeholte Begründung änderte nichts an den Überwachungsanordnungen, die Klägerin wurde nicht in ihrer Rechtverfolgung beeinträchtigt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO sowie zum Nachschieben von Gründen und dessen Zulässigkeit Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage, Anm. 63 ff. zu § 113).
Es steht zur Überzeugung des Gerichts indes fest, dass mildere und gleich wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, wie sie auch der Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 9. Oktober 2019 zum Inhalt hat, um die Besorgnis einer Schädigung der menschlichen Gesundheit auszuschließen. Letztere hat selbstverständlich Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Interessen der Klägerin. Die ausschließliche Orientierung des Landratsamtes insbesondere bei der Grenzwertbemessung an Kleinbadeteichen und damit die Gleichstellung mit solchen ist ermessensfehlerhaft, da zwar die klägerische Anlage in wesentlichen Teilen einem künstlich angelegten Schwimmbereich entspricht, aber eben nicht abgedichtet und künstlich befüllt ist und damit auch Elemente eines Badegewässers enthält. Zudem findet dass ein Wasseraustausch beim Naturfreibad … mit ca. 8 l/s statt, wenn auch die künstlichen Anlagen (Biofilter, Aufstauung) zu einer anders zu bewertenden Situation als bei einem regelmäßig Pseudomonasfreien Badegewässer führen: Insbesondere auf den Metallflächen im Freibad können sich Pseudomonas-Erreger ansiedeln, wie dies Messungen mit bis zu 800 KBE/100ml in der Vergangenheit ergaben. Die klägerseits vorgelegten Gutachten von Dr. … vom 8. November 2018 sowie vom 30. September 2019 kommen im Übrigen für 2018 zweimal auf einen gemessenen Wert von 40 KBE / 100ml, für 2019 einmal auf einen Wert von 15 KBE / 100ml. Die letztgenannten Werte sind in jedem Fall zu hoch und bedeuten eine Gefahr für die menschliche Gesundheit. Es ist damit zwar ermessensfehlerfrei, angesichts der Anlage des streitgegenständlichen Freibads, die Werte für Pseudomonas, einem Keim, der Verursacher bis hin zur Sepsis sein kann, analog den Kleinbadeteichen festzusetzen (10 KBE / 100ml), entsprechend den Empfehlungen des Umweltbundesamtes (Bundesgesundheitsbl. – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 6/2003, 527ff.). Nicht geboten ist aber, dass eine wöchentliche Messung auf Dauer stattfinden muss.
Bei den übrigen Anordnungen im Bescheid vom 25. Juni 2018 ist angesichts des Angeschlossenseins des Naturfreibades an den Wasserkreislauf der Grenzwert für Enterokokken sowie E. coli zu hoch angesetzt, wie dies auch im Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 9. Oktober 2019 zum Ausdruck kommt. Individuelle Empfehlungen des Umweltbundesamtes für derartige „Sonstige Badegelegenheiten“ fehlen, obwohl das Umweltbundesamt hierzu verpflichtet wäre, vgl. § 40 IfSG. Hinweise auf mögliche Maßnahmen ergeben sich zwar durchaus aus den Anforderungen an Kleinbadeteiche, wie sie die Empfehlungen des Umweltbundesamtes enthalten (vgl. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2003, 46; 527 – 529). Diesen sind die Behörden offensichtlich – allein – gefolgt. Das Umweltbundesamt hat gemäß § 40 IfSG Empfehlungen zu den Hygieneanforderungen bei Schwimm- und Badebeckenwasser einerseits und bei Schwimm- und Badeteichwasser andererseits herausgegeben („Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung – Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Schwimm- und Badebeckenwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit beim Umweltbundesamt“, Bundesgesundheitsblatt 2014, S. 258 sowie „Hygienische Anforderungen an Kleinbadeteiche “, Bundesgesundheitsblatt 2003, S. 527). Empfehlungen des Umweltbundesamtes kommt nach dem Gesetzeszweck besonderes Gewicht zu, zumal die Empfehlungen unter Beteiligung der Badebeckenwasserkommission zustande gekommen sind. Plural besetzte Kommissionen und Sachverständigengremien sollen den jeweiligen Sachverstand und das Erfahrungswissen einbringen, unterschiedliche Ansätze und Lehrmeinungen zum Ausdruck bringen und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wiedergeben. Solchen Empfehlungen kommt die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu (vgl. allgemein BVerwG, B.v. 12.6.2012 – 3 B 88/11 – juris; U.v. 19.11.2009 – 3 C 10/09 – NVwZ-RR 2010, 320; U.v. 30.4.2009 – 3 C 4/08 – NJW 2009, 3593). Die Empfehlungen des Umweltbundesamtes haben also einerseits keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit, sie sind jedoch als vorweggenommene gutachterliche Äußerungen zu werten, die in allgemeiner Weise die beachtlichen Mindestanforderungen beschreiben und geeignet sind, die gesetzlichen Vorgaben auszufüllen. Denn das Umweltbundesamt erledigt in eigener Zuständigkeit Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Umwelt und der gesundheitlichen Belange des Umweltschutzes, die ihm durch Gesetz zugewiesen werden. Speziell § 40 IfSG weist dem Umweltbundesamt die Aufgabe zu, Konzeptionen zur Vorbeugung, Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung durch Wasser übertragbarer Krankheiten zu entwickeln. Diese Konzeptionen dienen primär dazu, die Verwaltungsbehörden durch grundsätzliche fachliche Expertisen zu unterstützen. Diese fachlichen Konzeptionen liefern wichtige Grundlagen für gesundheitspolitische Maßnahmen. Schwimm- und Badebeckenwasser kann bei nicht sachgerechter Bereitstellung und Aufbereitung Mikroorganismen enthalten, die die Gesundheit der Badenden gefährden können. Dazu sind in der Empfehlung des Umweltbundesamtes biologische Überwachungsparameter angegeben sowie die Untersuchungshäufigkeiten festgelegt.
Zu der von der Klägerin betriebenen und vom Beklagten so bezeichneten „Sonstigen Bademöglichkeit“ gibt es unstreitig keine Empfehlungen des Umweltbundesamtes. Die behördliche Badegewässerüberwachung der Stadt H. geht sogar von der Vereinbarkeit von Badegewässern mit Neptunfiltern aus (vgl. z.B. Badegewässerprofil gemäß § 6 und Anlage 3 der H.er Badegewässerverordnung für das Sommerbad Volksdorf – Stand: November 2018, Herausgeber: Freie und Hansestadt H., Behörde für Umwelt und Energie). Dem folgt das Gericht ausdrücklich nicht, insbesondere weil die Filteranlagen die Ausbildung und Vermehrung von Pseudomonas-Erregern ermöglichen, die in der Badegewässerverordnung überhaupt nicht berücksichtigt sind, so dass der streitgegenständliche Neptunfilter als Behandlung im Sinne der BayBadeGewV zu bewerten ist.
Im Ergebnis weist das … Freibad einerseits starke Ähnlichkeiten mit einem Badegewässer nach der Bayerischen Badegewässerverordnung auf, andererseits besitzt es Elemente, die typisch für (Klein-) Badeteiche sind wie einen Neptunfilter. Darauf hätte der Beklagte eingehen und mangels Empfehlungen des Umweltbundesamtes eine eigene Konzeption für sonstige Badegelegenheiten entwickeln müssen. Dies hat er nicht getan, sondern so gehandelt, als handle es sich bei der klägerischen Anlage um einen Kleinbadeteich. Dies ist ermessensfehlerhaft, so dass der Bescheid vom 25. Juni 2018 aufzuheben war. In einem neu zu erlassenden Bescheid könnte der Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 9. Oktober 2019, den mir die Klägerin abgelehnt hatte, als ein denkbarer Maßstab für die weitere Vorgehensweise dienen. Dabei wird beim Pseudomonas-Erreger ggf. ein längeres Kontrollzeitintervall in Betracht zu ziehen sein als nur eine Woche, aber keineswegs die von der Klägerin geforderte zweite Probe zu akzeptieren sein: denn bis diese zweite Probe ausgewertet wird, vergeht angesichts der exponentiellen Vermehrung der Pseudomans-Erreger viel zu viel Zeit, in der die Gesundheit der Badenden – sogar massiv – gefährdet wäre. Erreger wie E. coli sowie Enterokokken könnten sich dagegen eher an der Kategorie „Gute Qualität“ der Badegewässerverordnung orientieren.
Der Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.