Aktenzeichen 1 HK O 118/17
UWG § 3a
Leitsatz
1 Bei Art. 10 HCVO (Health-Claims-VO) handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG. (Rn. 32) (red. LS Dirk Büch)
2 Die Aussagen „Ernährung der Haut“, die Förderung des „Stützgerüstes unserer Haut“ und die „Ernährung der Kollagenstränge“ für ein Hautpflegeprodukt sind gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 10 HCVO. (Rn. 36 – 38) (red. LS Dirk Büch)
3 Eine gesundheitsbezogene Angabe muss bereits zum Zeitpunkt der Werbeaussage wissenschaftlich abgesichert sein, so dass ein Sachverständigengutachten im Unterlassungsverfahren als Beweis für die Wirksamkeit nicht in Betracht kommt. (Rn. 50) (red. LS Dirk Büch)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „…“ zu werben:
1.1
„Und jetzt ernähren Sie einfach Ihre Haut“,
1.2
„Und das für das Stützgerüst unserer Haut“,
1.3.
„Und hier geht’s wirklich um die Ernährung Ihrer Collagenstränge…“
jeweils wenn dies geschieht wie in der Sendung „…“, gesendet auf Home Shopping Europe am 28. März 2017 von 9.00-10.00 Uhr gemäß eidesstattlicher Versicherung … Anlage K 1
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2018 zu zahlen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist für Klägerin hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
I. Zulässsigkeit
Die Klage ist zulässig.
1. Zuständigkeit
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 13, 14 Abs. 1 UWG, §§ 94, 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG zuständig, da die Beklagte im Landgerichtsbezirk Aschaffenburg ihre gewerbliche Niederlassung hat.
2. Prozessführungsbefugnis
Der Kläger ist prozessführungsbefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen ein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG zustehen, soweit ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben, soweit er insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflichen Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen seiner Mitglieder berührt. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers ist vorliegend zwischen den Parteien nicht im Streit.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein (…), zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
II. Begründetheit
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch im tenorierten Umfang gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3 a UWG i.V.m. Artikel 1 Abs. 3, 3, 10 Abs. 1 und 13 ff. VO EG Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Lebensmittel-Gesundheitsangaben VO = LGVO = Health-Claims-VO) zu.
a. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt, einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen. Gemäß § 8 Abs. 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr in Anspruch genommen werden.
Nach der Vorschrift des § 3 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Markteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter handelt gemäß § 3 a UWG insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
b. Die Werbeangaben in der streitgegenständlichen Fernsehwerbung stellen unzweifelhaft geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG da.
c. Bei Art. 10 LGVO handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage 2017, § 3 a Rz. 1.242). Dies ergibt sich auch aus Art. 1 LGVO, wonach mit der VO die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert werden sollen, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten.
d. Gegen diese Marktverhaltensregelung hat die Beklagte verstoßen.
Die im Tenor aufgeführte Werbeaussagen enthalten gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Artikel 10 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 LGVO.
Gesundheitsbezogene Angaben sind alle Angaben mit denen erklärt suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist hierbei weit zu verstehen. Gesundheitsbezogene Angaben erfassen dabei jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (vgl. BGH Urteil vom 26.2.2014, 1 ZR 178/12). Maßgeblich ist dabei, wie die fragliche Angabe vom Verbraucher verstanden wird, wobei auf das Verständnis des normal informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist.
Dabei ist vom Gesamteindruck des Werbemittels auszugehen. Aus den Artikeln 13 und 14 der LGVO ergibt sich dass gesundheitsbezogene Angaben sich jedenfalls auf die Förderung bestimmter Funktionen des Körpers beziehen. Unter Körperfunktion versteht man alle physiologisch erfassbaren Prozesse des menschlichen Körpers (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2016 – 13 U 91/16). Vorliegend bewirbt die Beklagte die „Ernährung der Haut“, die Förderung des „Stützgerüstes unserer Haut“ und die „Ernährung der Kollagenstränge“. In diesem Zusammenhang wird behauptet, die Struktur der Haut breche, wenn die Kollagenstränge „nicht ernährt werden“. Durch das Versprechen des Kollagenaufbaus beziehen sich die Angaben auf die Förderung und Straffung der Haut und des Bindegewebes. Auch wenn zugleich die Formulierung „Kosmetikbehandlung von innen“ in diesem Zusammenhang verwendet wird, ist bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung von gesundheitsbezogenen Angaben auszugehen, da der beworbene Nährstoff auf die Körperfunktion unmittelbar Einfluss nehmen soll (vgl. BGH, Urteil vom 7.4.2016, I ZR 81/15).
Es liegt auch eine spezielle und nicht wie der Beklagte vorträgt, eine nicht spezifische gesundheitsbezogene Angabe vor. Entscheidend ist, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung überprüft werden kann.
Bei der Abgrenzung ist von dem Gesamteindruck des Werbemittels auszugehen. Einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Nach den Werbeaussagen der Beklagten soll die Funktion der Haut positiv beeinflusst werden („Ernährung der Haut“ „Ernährung der Kollagenstränge“, „Stützgerüst unserer Haut“). In diesem Zusammenhang wird von der Beklagten behauptet, die Struktur der Haut breche, wenn die „Kollagenstränge nicht ernährt werden“. Diese Behauptungen sind, auch wenn der Zusammenhang nur mit allgemein gehaltenen Begriffen umschrieben Wird, als spezielle gesundheitsbezogene Angaben anzusehen, deren wissenschaftliche Absicherung überprüft werden kann. Es wird ein bestimmter Wirkungszusammenhang zwischen dem Produkt der Beklagten und der Funktion der Haut hergestellt. Insoweit überzeugt auch nicht die Aussage des Beklagten, soweit er darauf hinweist, dass der Stoff Kollagen von der EFSA mit dem Grund abgelehnt worden sei, dass ein allgemeiner, unspezifischer Claim beantragt worden ist. Hier sollte der Erhalt der normalen Struktur und des Aussehens der Haut durch den Wirkstoff Kollagen zugelassen werden (vgl. Anlage B 7). Insoweit wird auf die normale Struktur abgestellt, während demgegenüber die Beklagte mit ihrem Produkt suggeriert, dass die Haut wieder auflebt.
e. Gemäß Artikel 10 Abs. 1 LGVO sind gesundheitsbezogene Angaben dann verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II. und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV. entsprechen und in der Liste der zugelassenen Angaben nach Artikel 13 und 14 LGVO aufgenommen sind.
Unstreitig ist der Wirkstoff Kollagen oder Whey-Collagen nicht in der Liste nach Artikel 13 der LGVO enthalten.
Auch nach der Übergangsvorschrift zu Artikel 28 Abs. 5 LGVO sind die angegriffenen Aussagen unzulässig.
Danach dürfen gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Artikels 13 Abs. 1 a bis zur Annahme der in Artikel 13 Abs. 3 genannten Liste verwendet werden, sofern die Angaben dieser Verordnung und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen.
Gesundheitsbezogene Angaben müssen demnach insbesondere den Voraussetzungen des Artikels 5 Abs. 1 LGVO genügen. Danach ist die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben, insbesondere gemäß Artikel 5 Abs. 1 a LGVO nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise feststeht, dass das Vorhandensein der Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat. Abzustellen ist hier insoweit auf die Wirkung des Nährstoffs oder der sonstigen Substanzen als solche.
Eine diesen Anforderungen entsprechender Nachweis liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor.
Die vorgelegten Studien sind nicht in deutscher Sprache vorgelegt worden (§ 184 GVG). Die Bezugnahme auf fremdsprachige Anlagen haben keine unmittelbar rechtserhebliche Wirkung (vgl. BGH Beschluss vom 14.07.1981 – 1 StR 815/80). Auf die beigefügten „deutschen Arbeitsübersetzungen“, von denen unklar ist, wer sie angefertigt hat und über welche Expertise der Übersetzer verfügte, muss sich das Gericht nicht verlassen.
Gleichwohl hat sich das Gericht mit den Studien befasst und kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass diese die Behauptungen der Beklagten nicht tragen.
Das von der Beklagten beworbene Präparat besteht ausweislich der Zutatenliste zu 86 % aus Kollagenhydrolysat. Nach den Angaben in der Werbung wurde „Whey-Collagen“ verwendet, generiert aus Milchpeptiden.
In den beiden Studien von Proksch et. al. (vgl. Anlage B1 und 2) wurden die Probanden mit dem Kollagenpeptid VERISOL behandelt, also einem anderen Wirkstoff als der, den die Verfügungsbeklagte verwendet. In der Publikation von Kawada (vgl. Anlage B3) wird der Einfluss des Wirkstoffs Hyaluronan behandelt. Auch hier kam „Whey-Collagen“ nicht zum Einsatz. Bei den Ausführungen in der Anlage B 4 ist nicht erkennbar, worauf die Ausführungen, die dort getroffen wurden, zurückzuführen sind und wer diese getroffen hat. Sie können somit auch nicht als Nachweis für die Richtigkeit der Behauptungen der Verfügungsbeklagten dienen.
Die Beklagte behauptet in den zu Recht beanstandeten Werbeaussagen, dass die Haut bzw. die Collagenstränge „ernährt“ werden, dass also Whey-Collagen zugeführt wird, und dass der Drink für das Stützgerüst der Haut sei. Dass das durch den Drink dem Körper zugeführte Whey-Collagen von der Haut bzw. den Collagensträngen aufgenommen wird, ist nicht nachgewiesen. Die betreffenden Aussagen waren deshalb zu verbieten.
Das von der Beklagtenseite zum Beweis angebotene Sachverständigengutachten war an dieser Stelle nicht einzuholen. Jede beanstandete Werbeaussage muss in dem Moment wissenschaftlich abgesichert sein, in dem sie verbreitet wird. Das heißt, die Werbeaussage ist nur dann zulässig, wenn die behauptete wissenschaftliche Wirkung anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse bereits zu dem Zeitpunkt nachgewiesen ist, in dem die Angabe gemacht wird. Das entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2013, 958).
Demnach kann es von vornherein kein zulässiges Ziel eines Antrags auf Sachverständigenbeweis sein, dass dadurch die vollständige bzw. weitgehende Übereinstimmung der beanstandeten Werbeaussage mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nachgewiesen werden soll.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie nur dann beweisbelastet sei, wenn der Kläger substantiiert darlegt, dass die Werbeaussage wissenschaftlich umstritten ist. Der Werbende ist mit dem Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung der beworbenen Anwendungserfolge beweisbelastet.
2. Der Kläger hat gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Anspruch auf Ersatz seiner erforderlichen Aufwendungen, da die Abmahnung berechtigt war. Die Höhe wird nicht bestritten und ist angemessen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 709 Abs. 1 ZPO.
4. Der Gebührenstreitwert wird gemäß §§ 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, §§ 2, 3 ZPO auf 15.000 € festgesetzt. Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass die in der Klageschrift enthaltene Wertangabe dem objektiven Interesse des Klägers an der Unterlassung zukünftiger Verstöße zutreffend widerspiegelt.