Europarecht

Verbot der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben

Aktenzeichen  1 HK O 8/16

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 10 Abs. 1 – 3
UWG UWG § 3, § 5, § 8, § 12

 

Leitsatz

Eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 VO (EG) 1924/2006 enthaltene spezifische gesundheitsbezogene Angabe ist nicht beigefügt im Sinne des Art. 11 Abs. 3 VO (EG) 1926/2006, wenn eine Webseite so gestaltet ist, dass mehrere Zwischenschritte erforderlich sind, um diese erkennen und lesen zu können.  (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000, – Euro, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten,
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere für die Mittel „… Energy Dring“ und/oder „…® Hypotonik-Drink“ und/oder „…® O2-Booster“ und/oder „…® Basic Booster“ mit der Angabe zu werben:
„Zellschutz“,
wenn dies geschieht, wie in den Anlagen K 4 und K 5 wiedergegeben.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.100,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2016 zu zahlen.
III.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Sicherheit ist in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages zu leisten.
V.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 25.100,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollen Umfang begründet.
Die Beklagte hat gegen den Unterlassungsvertrag und gegen Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel verstoßen.
Sie wirbt auf ihrer Webpräsenz für die genannten Produkte mit der Angabe „Zellschutz“. Unstreitig handelt es sich damit um eine (nicht spezifische) gesundheitsbezogene Angabe nach der EG-Verordnung 1924/2006.
Die Beklagte kann sich weder auf die Ausnahme nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung noch auf die Einschränkung lit. 2.b des zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrags berufen.
Die beanstandete Werbung der Beklagten genügt weder dem Tatbestandsmerkmal „beigefügt“ der Verordnung noch der Bedingung „in Begleitung“ des Unterlassungsvertrags, was die Erkennbarkeit der die allgemeine gesundheitsbezogene Angabe erläuternden speziellen gesundheitsbezogenen Angaben für den Verbraucher angeht.
Die Leitlinien zur Umsetzung der in Art. 10 der EG V. 1924/2006 dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben (Amtsblatt der Europäischen Union vom 25. Januar 2013, L 22/28) gehen davon aus, dass die dem Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe „neben oder unter diesem Verweis“ angebracht sein soll; also derart nahe, dass ihre Zuordnung für den Verbraucher unmittelbar erkennbar und ohne zusätzlichen Aufwand lesbar ist. Die konkrete Ausgestaltung der Beklagten-Website zum beanstandeten Zeitpunkt erfüllt dies nicht, sondern verlangt vom interessierten Verbraucher die Durchführung einer ganzen Reihe weiterer Schritte (Öffnen einer anderen Registerkarte, Herunterladen einer PDF-Datei, Vergrößerung derselben), ganz abgesehen davon, dass der Verbraucher erst einmal erkennen muss, dass die allgemeine Angabe an irgendeiner Stelle erläutert ist.
Damit kann auch nicht davon die Rede sein, dass sich diese Angaben „in Begleitung“ des allgemeinen Claims befinden. Dies erfordert bei wörtlicher Auslegung, dass diese Angaben zum gleichen Zeitpunkt in das Blickfeld des Verbrauchers geraten wie der allgemeine Claim, den sie begleiten (gewissermaßen wie eine Person, die zusammen mit einem Begleiter zur Tür hereinkommt), ist also noch enger gefasst wie das Tatbestandsmerkmal „beigefügt“ der Verordnung.
Die gerichtliche Feststellung der Unterlassungsverpflichtung kann der Kläger aus §§ 12, 8, 5, 3 UWG und angesichts des fortgesetzten Verstoßes auch aus dem geschlossenen Unterlassungsvertrag verlangen. Nach Beanstandung etwa erfolgte Abänderungen der Webpräsenz lassen die Unterlassungsgefahr nicht entfallen.
Die geschuldete Vertragsstrafe ergibt sich dem Grunde nach aus dem geschlossenen Unterlassungsvertrag, der Höhe nach ist sie angemessen, eher moderat festgesetzt. Einwendungen gegen die Höhe hat die Beklagtenseite dementsprechend auch nicht vorgetragen.
Die geltend gemachten Abmahnkosten sind aus § 12 UWG geschuldet, die Höhe ist angemessen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286, 288 BGB, 91, 3 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Oberlandesgericht Bamberg, Wilhelmsplatz 1, 96047 Bamberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Bamberg, Wilhelmsplatz 1, 96047 Bamberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

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