Aktenzeichen 21 O 11279/17
ZPO § 32
BGB § 195, § 197 Abs. 1 Nr. 2, § 199 Abs. 4, § 214
EUGVVO Art. 6 Abs. 1, Art. 24
PatG § 141
EPÜ Art. 76 Abs. 1
Leitsatz
1 Unter dem Blickwinkel der unerlaubten Handlung ist eine internationale und örtliche Zuständigkeit beim LG München I gegeben, weil das EPA seinen Sitz in München hat und damit zumindest der Erfolgsort im Zuständigkeitsbereich des LG München I liegt. (Rn. 43 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für Ansprüche aus Patentvindikation gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren; für deren Beginn ist auch bei Teilung die Anmeldung des Stammpatents durch einen Nichtberechtigten maßgeblich. (Rn. 53 und 67) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Ansprüche auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des Patents und auf Übertragung des Patents betreffen den gleichen Gegenstand, wobei sich lediglich das Herauszugebende in seinem rechtlichen Charakter verändert; eine neue Verjährungsfrist beginnt damit nicht. (Rn. 70 – 72) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage erweist sich als zulässig, jedoch unbegründet. Die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin sind verjährt.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich und international zuständig.
Die internationale und örtliche Zuständigkeit ergibt sich jedenfalls aus § 32 ZPO. Die Zuständigkeit in Patentvindikationsverfahren kann grundsätzlich über den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung hergeleitet werden (vgl. etwa Mes, PatG, 4. Auflage 2015, § 8 PatG, Rn. 25). Daher kann dahinstehen, ob sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vorliegend auch aus Art. 6 des Anerkennungsprotokolls ergibt oder ob diese Regelung – wie der Wortlaut nahelegt – nur bis zur Erteilung des Patents gilt.
Der Rückgriff auf die nationale Regelung des § 32 ZPO ist vorliegend zulässig, da der Anwendungsbereich der EUGVVO nicht eröffnet ist. Der persönliche Anwendungsbereich ist gemäß Art. 6 Abs. 1 EUGVVO nicht gegeben, da die Beklagte keinen Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat. Es liegt auch kein ausschließlicher Gerichtsstand nach Art. 24 EUGVVO vor. Art. 24 Nr. 4 EUGVVO ist nicht anwendbar, da die Parteien nicht um die Erteilung oder die Gültigkeit eines europäischen Patents streiten. Die Parteien streiten vielmehr um die Übertragung bzw. Einräumung einer Mitinhaberschaft – der Bestand des Patents ist damit nicht Teil des Streitgegenstands. Daran ändert nichts, dass in anderen Mitgliedsstaaten Nichtigkeitsverfahren gegen das Streitpatent anhängig sind.
Unter dem Blickwinkel der unerlaubten Handlung ist eine internationale und örtliche Zuständigkeit beim Landgericht München I gegeben, weil das Europäische Patentamt seinen Sitz in München hat und damit zumindest der Erfolgsort im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I liegt.
II.
Die Klage ist unbegründet, weil die Beklagte die Leistung gemäß § 214 BGB verweigern kann. Die seitens der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nach Art. II § 5 Abs. 1 S. 2 IntPatÜG sind verjährt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
1. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung mit ihrem Schriftsatz vom 29.03.2018 rechtzeitig erhoben.
2. Die geltend gemachten Ansprüche sind gemäß § 199 Abs. 4 BGB jedenfalls seit dem 22.12.2014 verjährt.
a. Für den Anspruch nach Art. II § 5 Abs. 1 S. 2 IntPatÜG gilt die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195, 199 BGB. Die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 197 BGB ist auf den Anspruch – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht anwendbar.
aa. Die Verjährungsregelungen des BGB sind auf die streitgegenständlichen Ansprüche anwendbar.
Zwar findet sich keine besondere Regelung zur Verjährung im IntPatÜG. Auch gilt die Verweisung in § 141 PatG nicht für die Patentvindikation, da diese nach dem Wortlaut nur auf Ansprüche wegen Verletzung Anwendung findet.
Allerdings unterliegt der Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1. S. 2 IntPatÜG wie alle Ansprüche grundsätzlich der Verjährung (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Mangels anderweitiger ausdrücklicher Regelung sind die Regelungen des BGB zur Ermittlung der Verjährungsfrist heranzuziehen.
bb. Für den Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1. S. 2 IntPatÜG gilt die regelmäßige Verjährung.
Das BGB unterscheidet im Wesentlichen zwischen der regelmäßigen Verjährungsfrist, die grundsätzlich drei Jahre beträgt (§§ 195, 199 BGB), und der dreißigjährigen Verjährungsfrist, die die Verjährung für besondere Ansprüche auf 30 Jahre festsetzt (§ 197 BGB).
Welche Verjährungsregelung auf die Ansprüche aus Art. II § 5 Abs. 1. IntPatÜG bzw. § 8 PatG – also auf die sogenannte „Patentvindikation“ – anwendbar ist, ist umstritten (vgl. etwa BeckOGK/Piekenbrock § 195 BGB Rn. 98 m. w. N.). Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu existiert bislang nicht.
Vielfach wird befürwortet, auf die sogenannte „Patentvindikation“ die Regelung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB entsprechend anzuwenden (vgl. etwa Schulte § 141 PatG Rn. 7; BeckOK/Schnekenbühl § 8 PatG Rn. 31 sowie ausdrücklich im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform Ann, VPP-Rundbrief 1/2003, S. 1 – Anlage K 68). Für diese Ansicht findet sich in der Literatur keine eingehende Begründung – soweit überhaupt eine Begründung angeführt wird, wird zumeist auf die „quasi-dingliche Wirkung“ sowie auf den Begriff „Patentvindikation“ Bezug genommen (die Bezeichnung „quasi-dingliches Recht“ fußt dabei insbesondere auf der Rechtsprechung des BGH – vgl. etwa BGH GRUR 1979, 540, 541 – Biedermeiermanschetten).
§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt ausweislich des Wortlauts jedoch nur für „Herausgabeansprüche aus Eigentum oder anderen dinglichen Rechten“.
Bei der Patentvindikation handelt es sich nicht um einen Herausgabeanspruch aus Eigentum im Sinne des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Das Recht am Patent folgt vielmehr der Erfindereigenschaft nach § 6 PatG (sog. Schöpferprinzip). Der Erfinder ist nicht Eigentümer des Patents – Eigentum kann nur an einer Sache begründet werden (§§ 903 ff. BGB).
Entgegen der Ansicht der Klägerin (vgl. insbesondere Anlage K 69) handelt es sich bei der Patentvindikation auch nicht um einen Herausgabeanspruch aus einem „dinglichen Recht“ im Sinne des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Dingliche Rechte im Sinne der Norm sind solche, die überwiegend im Sachenrecht des BGB geregelt sind, insbesondere das Recht der Dienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB), Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld und andere Pfandrechte etc. (zur Bestimmung der dinglichen Rechte vgl. Staudinger/Gursky, Einleitung zum Sachenrecht Rn. 17 ff., Auflistung der dinglichen Rechte ebenda Rn. 21; ebenso Palandt/Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 823 Rn. 12 und 15, der ausdrücklich zwischen dinglichen Rechten und Immaterialgüterrechten unterscheidet und Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 197 Rn. 2). Insoweit kann der Auffassung der Klägerin nicht zugestimmt werden. Die Argumente der Klägerin, etwa dass § 8 PatG von einem „Nichtberechtigten“ spricht, zeigen nur, dass es sich beim Erfinderrecht und bei der Patentvindikation um ein absolutes Recht handelt – nämlich um ein Recht, mit dem auf ein bestimmtes Objekt eingewirkt und/oder fremde Einwirkung ausgeschlossen wird (vgl. Staudinger/Gursky, Einleitung zum Sachenrecht Rn. 18). Alle dinglichen Rechte sind absolute Rechte. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht zulässig – nicht alle absoluten Rechte sind dinglicher Natur.
§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch nicht analog anwendbar auf die Ansprüche aus Art. II § 5 Abs. 1. S. 2 IntPatÜG bzw. § 8 PatG. Es fehlt bereits an der erforderlichen Regelungslücke. Die Regelungen zur Verjährung in §§ 194 BGB zeigen deutlich, dass – soweit keine besondere Regelung getroffen wird – Rückgriff auf die regelmäßige Verjährung des § 195 BGB zu nehmen ist. Ist § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB demnach nicht anwendbar, greift § 195 BGB. Dem Gesetzgeber war auch bewusst, dass § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der Gesetz gewordenen Fassung nicht auf alle absoluten Rechte anwendbar ist. Er hat dennoch keine besondere Regelung für sämtliche absoluten Rechte getroffen, sondern für diese – mit Ausnahme von Herausgabeansprüchen aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten – auf die regelmäßige Verjährung verwiesen. So sprach der Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes noch von „Herausgabeansprüchen aus absoluten Rechten“ (DiskE vom 04.08.2000, S. 5). Auch ein im Bundesrat eingebrachter Antrag Bayerns, § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB um die Formulierung „sowie Abwehransprüche aus absoluten Rechten“ zu ergänzen, blieb erfolglos (BR-Drs. 338/4/01 = Anlage K 67) – Bayern hatte dabei auf die Rechte auf Leben und Gesundheit sowie auf Patentrechte verwiesen (zum Ganzen: MüKo/Grothe, BGB, § 197 Rn. 9). Der Gesetzgeber war sich folglich bewusst, dass § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht für sämtliche absoluten Rechte gelten würde. Er hat sich demnach ganz bewusst dafür entscheiden, für derartige Rechte die regelmäßige Verjährungsfrist festsetzen.
Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht der Rechtsnatur des Anspruches aus Art. II § 5 Abs. 1 bzw. § 8 PatG. Im Ergebnis besitzt der Anspruch eine bereicherungsrechtliche Grundlage, so dass die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist gerechtfertigt ist (vgl. Busse/Keukenschrijver PatG § 8 Rn. 9, § 141 Rn. 21 sowie zur Rechtsnatur Kraßer/Ann § 20, Rn. 25 ff.).
Für dieses Ergebnis spricht im Fall der Patentvindikation auch die Laufzeit der Schutzrechte. Gemäß § 16 PatG beträgt diese grundsätzlich 20 Jahre ab Anmeldung – ein Bedarf für eine 30-jährige Verjährung ist demnach nicht gegeben.
Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht, dass Art. II § 5 Abs. 1. S. 2 IntPatÜG bzw. § 8 PatG eine zweijährige Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs ab Patenterteilung festsetzen. Vielmehr zeigt diese – ebenfalls kurze – Frist von zwei Jahren, dass für die Patentvindikation kurze Fristen aus Gründen der Rechtssicherheit vom Gesetzgeber gewünscht sind.
b. Die geltend gemachten Ansprüche sind jedenfalls gemäß § 199 Abs. 4 BGB seit 22.12.2014 verjährt. Daher kann dahinstehen, ob ab Veröffentlichung der Anmeldung eines Patents grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt und somit die kenntnisabhängige Frist von drei Jahren gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB zu laufen beginnt.
aa. Es handelt sich bei der Patentvindikation nach Art. II § 5 Abs. 1. S. 2 IntPatÜG um einen „anderen Anspruch“ im Sinne des § 199 Abs. 4 BGB, da kein Schadensersatzanspruch bzw. auf einem Erbfall beruhender Anspruch im Sinne des § 199 Abs. 2 bis 3a BGB gegeben ist.
bb. Für den Beginn der Verjährung ist nach § 199 Abs. 4 BGB der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs maßgeblich.
Vorliegend entstanden die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin mit dem nach Art. 76 Abs. 1 EPÜ gesetzlich bestimmten Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents, also am 22.12.2004. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Stammpatent, aus dem die streitgegenständliche Teilanmeldung abgezweigt wurde, angemeldet. Ab diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin bzw. die nach ihrem Vortrag maßgebliche Rechtsvorgängerin ihre Erfindung vindizieren können. Insoweit ist der Zeitpunkt des 15.05.2015, an dem die Teilanmeldung des Streitpatents tatsächlich eingereicht wurde, irrelevant.
Nach dem Vortrag der Klägerin hat am 22.12.2004 ein „Nichtberechtigter“ das Stammpatent des Streitpatents angemeldet, womit die Voraussetzungen des Art. II § 5 Abs. 1. S. 1 IntPatÜG für dieses Stammpatent vorlagen. Gemäß Art. 76 Abs. 1 EPÜ gilt als Zeitpunkt der Anmeldung der Teilanmeldung, die am 15.05.2015 erfolgt ist, der Zeitpunkt der Anmeldung des Stammpatents. Auf diesen gesetzlichen Zeitpunkt ist abzustellen. Denn die Teilanmeldung kann zwar zu einem gesonderten Patent führen – jedoch ist, wie aus Art. 76 Abs. 1 EPÜ ersichtlich, die Erfindung vollumfänglich in der ursprünglichen Anmeldung enthalten. Die Teilanmeldung führt insbesondere nicht zu einer verlängerten Schutzdauer – maßgeblich ist allein die Stammanmeldung.
Hierfür spricht im konkreten Fall auch, dass der Vindikationsanspruch bereits vor Einreichung der Teilanmeldung für das Streitpatent verjährt war. Die Klägerin hätte ihre Rechte also bereits hinsichtlich der Stammanmeldung geltend machen müssen.
Auch die Auffassung der Klägerin, beim Anspruch aus Art. II § 5 Abs. 1 S. 2 IntPatÜG handele es sich um einen neuen Anspruch, der erst mit Erteilung des Patents entstehe und für den daher eine eigene Verjährung laufe, teilt die Kammer nicht. Insoweit ist nicht – wie von der Klägerin vorgetragen – auf den Zeitpunkt der Erteilung des Patents abzustellen. Beim Anspruch auf Übertragung des Patents nach Art. II § 5 Abs. 1. S. 2 IntPatÜG handelt es sich – entgegen der Ansicht der Klägerin – um den gleichen Anspruch wie beim Anspruch nach Art. II § 5 Abs. 1. S. 1 IntPatÜG, der auf Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des europäischen Patents gerichtet ist.
Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Gemäß § 194 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Zwar kann der Anspruchsinhaber gemäß Art. II § 5 Abs. 1 S. 1 die Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des Patents und gemäß S. 2 die Übertragung des Patents verlangen – also jeweils unterschiedliches „Tun“ im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB. Jedoch ist das „Tun“ in der Alternative des S. 2 – also die Übertragung des Patents – bereits in der Alternative des S. 1 enthalten. Das zu übertragende Patent ist nichts anderes als die Anmeldung in anderem Gewand – denn nach Erteilung des Patents kann dieses nicht mehr in seiner vormaligen Gestalt als Anmeldung herausgegeben werden. Die Formulierungen in S. 1 und S. 2 zeigen also, dass sich das Herauszugebende lediglich in seinem rechtlichen Charakter verändert, seinem Gegenstand nach aber unter Beibehaltung der Anspruchsvoraussetzungen gleich bleibt.
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass – ginge man mit der Klägerin von zwei unterschiedlichen Ansprüchen aus – diese Ansprüche ein unterschiedliches Schicksal treffen könnte. So könnte etwa der erste Anspruch verjähren, ehe der zweite Anspruch entstünde. Dies würde jedoch zu Wertungswidersprüchen führen.
cc. Der Anspruch verjährte am 22.12.2014, da zu diesem Zeitpunkt die zehnjährige Frist abgelaufen ist (§§ 199 Abs. 4, 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.