Europarecht

Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit

Aktenzeichen  111 O 1764/17

Datum:
21.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35861
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO §§ 110 ff.

 

Leitsatz

Eine staatsvertragliche Befreiung von der Prozesskostensicherheit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand für eine Schadensersatzklage gegen einen Insolvenzverwalter und eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern folgt nicht aus Art. 3 Abs. 2 des deutsch-thailändischen Investitionsschutzvertrages. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage gilt als zurückgenommen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage war gemäß § 113 S. 2 ZPO für zurückgenommen zu erklären, weil die Kläger die mit Zwischenurteil vom 17.9.2018 festgesetzte Prozesskostensicherheit in Höhe von insgesamt 200.000 Euro nicht innerhalb der gesetzten Frist bis zum 20.11.2018 geleistet haben.
I.
In Bezug auf die Verpflichtung, eine Prozesskostensicherheit zu leisten, hat das Gericht im Zwischenurteil vom 17.9.2018 das Folgende ausgeführt:
„1.
Da die Kläger ihre Verpflichtung zur Sicherheitsleistung bestritten haben, ist über die prozesshindernde Einrede des Beklagten durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) zu entscheiden.
Nach § 110 Abs. 1 ZPO haben Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum haben, der Beklagtenpartei auf Verlangen wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten.
Die Kläger haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Königreich Thailand und damit nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des europäischen Wirtschaftsraumes, so dass die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO erfüllt sind.
2.
Der Befreiungsgrund nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor.
Eine staatsvertragliche Befreiung von der Prozesskostensicherheit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand besteht nicht. Die Klagepartei leitet die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit aus Art. 3 Abs. 2 des deutsch-thailändischen Investitionsschutzvertrages (BIT; Anlagen K15, 16) ab. Das von der Klagepartei herangezogene BIT ist für das streitgegenständliche Begehren nicht einschlägig.
Die Anwendbarkeit des BIT setzt eine „Kapitalanlage“ voraus. Der Begriff „Kapitalanlage“ umfasst gemäß Art. 1 Nr. 1 BIT Vermögenswerte jeder Art, wobei sodann unter den Ziffern a) bis e) Beispiele für mögliche geschützte Vermögenswerte aufgeführt werden. Schon von seinem Wortsinn ist auch das Gericht der Überzeugung, dass der Begriff der „Kapitalanlage“ einen Beitrag bzw. eine Investition über einen gewissen Zeitraum nach sich zieht und ein gewisses Risiko beinhaltet.
Damit geht das Gericht davon aus, dass eine Kapitalanlage im Sinne des BIT den Einsatz finanzieller Mittel über einen gewissen Zeitraum erfordert. Die seitens der Kläger geltend gemachten Ansprüche haben nach Überzeugung des Gerichts nicht einmal im Ansatz etwas mit einer „Kapitalanlage“ in Deutschland zu tun, so dass der Befreiungsgrund nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO allein aus diesem Grund offensichtlich ausscheidet. Auf die weitergehenden Einwände der beklagten Partei kam es nicht mehr entscheidungserheblich an.
Das Verlangen nach Sicherheitsleistung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.
3.
Die Höhe der Prozesskostensicherheit ist gemäß § 112 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. § 112 Abs. 2 S. 1 ZPO bindet dieses Ermessen nur nach der Richtung, dass diejenigen Prozesskosten zugrundezulegen sind, die der Sicherungsberechtigte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Daneben ist das freie Ermessen – auch wenn dies der Gesetzgeber nicht ausdrücklich hervorgehoben hat – an Sinn und Zweck der §§ 110 ff ZPO gebunden. Das ist die Sicherstellung der beklagten inländischen Partei.
Das Merkmal der „Wahrscheinlichkeit“ im Sinne des § 112 Abs. 2 S. 1 ZPO fordert eine Prüfung nach zwei Richtungen: einmal im Hinblick auf die in der anhängigen Instanz zu erwartenden Kosten, zum anderen, ob der Rechtsstreit durch weitere Instanzen laufen wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Kläger nach den Vorschriften der §§ 110 ff ZPO Sicherheit für das gesamte Verfahren einschließlich der möglichen Rechtszüge zu leisten hat. Das Gericht ist zwar nicht verpflichtet, von vornherein die Kosten des gesamten Instanzenzuges zu berücksichtigen, gleichwohl aber hierzu berechtigt, insbesondere wenn es nach dem bisherigen Verfahrensgang nicht fernliegend scheint, dass der Rechtsstreit drei Instanzen durchlaufen wird.
Daran gemessen hat das Gericht in Ausübung des Ermessensspielraums die zu leistende Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 1 ZPO auf 100.000 € festgesetzt (vgl. hierzu auch die Anlage K11). Berücksichtigt sind dabei die voraussichtlichen eigenen Anwaltskosten der jeweiligen Beklagten für ihren eigenen Anwalt sowie die womöglich zunächst von ihr selbst zu finanzierenden Gerichtskosten der 2. und 3. Instanz.
Das Gericht hat dabei zur Berechnung der Prozesskostensicherheit den bereits auf 1.000.000 € vorläufigen festgesetzten Streitwert zugrunde gelegt.
4.
Gemäß § 113 ZPO war den Klägern eine Frist für die Leistung der Prozesskostensicherheit zu setzen. Die gesetzte Frist erscheint angesichts der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessen.“
II.
Die Prozesskostensicherheit wurde innerhalb der gesetzten Frist tatsächlich nicht geleistet. Vielmehr haben die Klägervertreter mitgeteilt, dass die Prozesskostensicherheit nicht geleistet werden wird. Daher war gemäß § 113 S. 2 ZPO die Klage für zurückgenommen zu erklären.
Die Bedingung für den erstmals mit Schriftsatz vom 13.12.2018 gestellten Hilfsantrag ist nicht eingetreten. Über die Zulässigkeit der Klage und musste angesichts der Rücknahmefiktion nicht entschieden werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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