Europarecht

Versäumung der Klagefrist eines inhaftierten Asylbewerbers

Aktenzeichen  AN 4 K 16.30921

Datum:
12.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 10 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 7, § 34a Abs. 2 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Ein Asylbewerber, der entgegen seiner Pflicht aus § 10 Abs. 1 AsylG seine neue Anschrift nicht dem Bundesamt mitgeteilt hat, muss Zustellungen unter der letzten bekannten Anschrift auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er zu diesem Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert war. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Pflicht des Asylbewerbers zur Mitteilung der neuen Anschrift besteht unabhängig von behördlichen Mitteilungspflichten gegenüber dem Bundesamt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist unzulässig und im Übrigen auch unbegründet.
1. Die Klage ist zunächst unzulässig, da verfristet erhoben (lit. a). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren (lit. b).
a) Die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid war innerhalb einer Woche nach Zustellung der Entscheidung zu erheben, da auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) zu stellen war.
Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Mai 2016 wurde am 2. Juni 2016 zur Wohnung des Klägers zugestellt. Auch wenn der Kläger zu diesem Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt saß, muss er nach § 10 Abs. 2 AsylG Zustellungen unter der letzten bekannten Anschrift gegen sich gelten lassen, wenn er entgegen seiner Pflicht aus § 10 Abs. 1 AsylG die neue Anschrift nicht mitgeteilt hat. Ausweislich der Asylakte hat der Kläger die neue Anschrift nicht mitgeteilt.
Aufgrund der wirksamen Zustellung zu der dem Bundesamt als letzte Anschrift bekannte Wohnung am 2. Juni 2016 ist die entsprechende Wochenfrist bereits am 9. Juni 2016 abgelaufen und die Klage vom 21. Juli 2016 dementsprechend verfristet.
b) Es war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren, da der Kläger die entsprechende Frist schuldhaft versäumt hat. Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 60 Rn. 9). Nach § 10 Abs. 1 AsylG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Diese Pflicht war dem Kläger auch bekannt, da er über sie in Übereinstimmung mit § 10 Abs. 7 AsylG schriftlich gegen Unterschriftsleistung (Bl. 8 und 12 d.A.) auf Deutsch sowie auf Georgisch belehrt wurde.
Ferner gilt diese Pflicht des Klägers unabhängig von sonstigen Pflichten der Behörden zur Mitteilung einer neuen Wohnanschrift an das Bundesamt (Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1.2.2017, § 10 AsylG, Rn. 12). Auf die in der Literatur diskutierte Ausnahme für die Fälle, in denen der Ausländer auch Mitteilungspflichten gegenüber der den Umzug verfügenden Behörde haben soll (Bergmann / Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 10 AsylG, Rn. 8), braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden.
2. Im Übrigen und unabhängig davon ist der Antrag auch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einem im Asylverfahren zu prüfenden Schutzstatus bzw. auf die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Der Kläger konnte eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen. Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Mit Blick auf die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Tatsachen- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind ergänzend noch folgende Ausführungen veranlasst:
Aufgrund der Auskunftslage zum Land Georgien wird der Machtwechsel vom Saakaschwili-Regime als demokratischer und friedlicher Machtübergang beschrieben. Zwar gab es infolge des Machtwechsels einige Anklagen gegen hochrangige Politiker, diese waren jedoch auf die jeweiligen Betroffenen begrenzt. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger zum Freundeskreis eines Ministers des Saakaschwili-Regimes gehört und bei dessen Gerichtsverhandlung anwesend war, kann keine asylrelevante Bedrohung hergeleitet werden. Im Übrigen kann auch keine Bedrohung oder Verfolgung hergeleitet werden aus dem Umstand, dass er angerufen wurde und ihm empfohlen worden sei das Land zu verlassen. Dieser Vortrag reicht hinsichtlich der Intensität der beschriebenen Ereignisse bei weitem nicht um dem Kläger einen Schutzstatus zu gewähren. Davon unbenommen wird noch nicht einmal substantiiert eine Bedrohung vorgetragen.
Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 83b AsylG, 154 Abs. 1 VwGO. Über den schriftlichen gestellten Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe musste nicht entschieden werden, da die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO) bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingereicht worden sind und damit keine Entscheidungsreife vorlag (Kopp / Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 166, Rn. 14).
Diese Entscheidung ist nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbar, da die Voraussetzungen der Abweisung als offensichtlich unbegründet vorlagen.

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