Europarecht

Versagung einer Aufenthaltserlaubnis wegen wiederholter Straffälligkeit

Aktenzeichen  M 25 K 17.4912

Datum:
5.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15017
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Der Antrag des Klägers zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist erfolglos, da von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, sodass für ihn ein schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG besteht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der Bescheid der Beklagten vom 27. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis.
Unabhängig von der Frage, nach welchem Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen wäre, steht der Erteilung die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG und ein Versagungsgrund nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen.
a.) Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf einem Ausländer, der ausgewiesen wurde, auch im Falle eines Anspruchs kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
Der Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2011 ausgewiesen. Der Bescheid wurde durch die Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2011 bestandskräftig. Der Kläger ist zwischenzeitlich nicht ausgereist, so dass die Frist für das in Ziff. 3 des Bescheides vom 18. Juli 2011 festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot auch noch nicht abgelaufen ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2011 vor dem Verwaltungsgericht München abgeschlossenen Bewährungsduldung. Denn ihre Voraussetzungen sind jedenfalls in Ziff. 1 und 4 nicht erfüllt.
Die Voraussetzung „Nachweis der Straffreiheit“ in Ziff. 1 der Vereinbarung ist nicht erfüllt. Nach Auffassung der Kammer sind sog. Bewährungsduldungen so zu verstehen, dass – sofern Straffreiheit als eine Bedingung der Bewährungsduldung enthalten ist – etwaige offene Strafverfahren oder bislang von den Strafverfolgungsbehörden nicht aufgegriffene Taten bei Einigung über eine Bewährungsduldung offenbart werden müssen. Denn die Beklagte hat die Bewährungsduldung nur unter der Voraussetzung gewährt, alle strafrechtlich relevanten Vorgänge zu kennen.
Vorliegend hatte der Kläger in den Jahren zuvor im Zeitraum von 30. September 2009 bis 31. März 2011 insgesamt 122 falsche Rechnungen ausgestellt. Für das Erstellen der falschen Rechnungen hat der Kläger pro Rechnungsausstellung 1.000 – 1.500 EUR erhalten. Der Kläger hat auf diese Weise insgesamt zwischen 30.000 und 35.000 EUR eingenommen. Bei Abschluss der Bewährungsduldung war dem Kläger bewusst, dass er weitere strafrechtlich relevante Taten begangen hat. Er hat diesen Umstand indes nicht offengelegt, sondern darauf gebaut, dass seine Taten unentdeckt bleiben und er nach Ablauf der Bewährungszeit wieder eine Aufenthaltserlaubnis erhält. Zudem ist im vorliegenden Fall der Umstand zu berücksichtigen, dass die strafrechtlichen Ermittlungen noch während des Bewährungszeitraumes nämlich am 12. Mai 2014 eingeleitet wurden. Dass das Strafurteil des Landgerichts Augsburg erst nach Ablauf der Bewährungszeit ergangen ist, hängt von Zufälligkeiten ab und spielt nach obigem Verständnis der Bewährungsduldungen ohnehin keine Rolle.
Damit erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzung der Straffreiheit.
Ebensowenig erfüllt der Kläger die in Ziff. 4 festgesetzte Voraussetzung „Schuldenfreiheit gegenüber der öffentlichen Hand“. Nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Augsburg vom 14. Juni 2017 hat der Kläger Steuerschulden i.H.v. 200.000 EUR.
b.) Schließlich steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel zudem zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse besteht. Dieses ist dann anzunehmen, wenn ein in § 54 AufenthG normierter Ausweisungstatbestand erfüllt ist und von dem Betroffenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (vgl. BayVGH B.v. 29.8.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 22). Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass tatsächlich eine Ausweisung verfügt wurde. Eine Abwägung mit den Interessen des Klägers ist folglich nicht durchzuführen.
i) Beim Kläger liegt ein schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG liegt ein schweres Ausweisungsinteresse vor, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindesten einem Jahr verurteilt wurde.
Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. Juni 2017 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einen Monat verurteilt.
Der Kläger stellt auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, da davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut straffällig wird. Beim Kläger handelt es sich um einen Wiederholungstäter. Der Kläger hat die im Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. Juni 2017 abgeurteilten Taten in offener Bewährung begangen. Dieser Umstand sowie der Umstand, dass der Kläger nicht unerheblich vorbestraft ist, wurden in der Entscheidung des Landgerichts Augsburg strafschärfend gewertet. Zudem hat sich der Kläger durch seine Taten über mehrere Jahre hinweg eine nicht unerhebliche Einnahmequelle geschaffen, mit der er zwischen 30.000 EUR und 35.000 EUR eingenommen hat. Auf Grund des Werdegangs des Klägers ist zu befürchten, dass dieser sich andere Geldquellen mit strafrechtlicher Relevanz erschließen wird.
Die Wiederholungsgefahr hat sich zwischenzeitlich zudem realisiert. Gegen den Kläger und seine Ehefrau läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche.
ii) Es liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor, der ein Absehen von den in § 5 AufenthG genannten Regelerteilungsvoraussetzungen gebieten würde (vgl. BayVGH, B.v. 17.6.2013 – 10 C 13.881 – juris Rn. 17). Ein atypischer Fall liegt vor, wenn er so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder den grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar ist. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.6.2013 – 10 C 13.881 – juris Rn. 24). Dem Kläger wurde auf Grund seiner familiären Situation eine Duldung nach § 60a AufenthG gewährt, so dass eine Abschiebung des Klägers nicht erfolgt. Damit ist der familiären Situation (Frau und vier minderjährige Kinder) ausreichend Rechnung getragen, zumal die Ehefrau des Klägers mit einer Niederlassungserlaubnis über einen gesicherten Aufenthalt verfügt. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist indes nicht geboten. Auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK ist mit der Erteilung einer Duldung das Interesse des Klägers an einem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit daran, dass sich der Aufenthalt von straffällig gewordenen Ausländern zumindest nicht verfestigt, angemessen berücksichtigt.
Nach alldem hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2. Die Klage war damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

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