Aktenzeichen M 25 K 18.4045
Leitsatz
1 Maßgeblich für die vom Kläger verfolgten Ansprüche ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. (Rn. 22 und 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Überschreiten der Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG um ein Drittel ist nicht mehr als geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 S. 3 StAG anzusehen. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 StAG liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte in gleicher Höhe vorher Sicherheit leistet.
Gründe
Die Klage ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag zulässig jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung. Ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten über den Einbürgerungsantrag gemäß dem StAG in der Fassung vor dem 19. August 2007 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden besteht ebenfalls nicht.
1. Maßgeblich für den vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Einbürgerungszusicherung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 5 C 17.05 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2/14 – juris – Rn. 10). Abzustellen ist mithin auf das StAG vom 22. Juli 1913 in der Fassung vom 11. Oktober 2016.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung liegen nicht vor. Ein möglicher Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, die grundsätzlich im Ermessen der Behörde liegt, setzt jedenfalls voraus, dass, mit Ausnahme der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit, die sonstigen Voraussetzungen eines Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG gegeben sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da bereits die Mindestvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt ist und § 12a Abs. 1 StAG zu keinem anderen Ergebnis führt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG ist ein Ausländer, der seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist einzubürgern, wenn er weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn aufgrund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG bleiben bei der Einbürgerung Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen außer Betracht. Gemäß Satz 2 Halbsatz 1 sind bei mehreren Verurteilungen zu Geldstrafen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 diese zusammen zu zählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2 des § 12a Abs. 1 StAG, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann (§ 12a Abs. 1 Satz 3 StAG).
Im vorliegenden Fall wurde der Kläger zu insgesamt 320 Tagessätzen verurteilt. Insoweit ist die mit Urteil des Amtsgerichts München vom 1. Oktober 2007 verhängte Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen mit der mit Urteil des Amtsgerichts München vom 6. Juli 2012 verhängten Geldstrafe von 140 Tagessätzen zusammen zu zählen (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG). Die Urteile sind rechtskräftig. Laut Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 30. Januar 2013 werden die für den Kläger im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit erst am 6. Juli 2022 tilgungsreif.
Damit ist die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG deutlich überschritten. Die Überschreitung ist auch nicht geringfügig, denn bereits ein Überschreiten der Unbeachtlichkeitsgrenze um ein Drittel ist nicht mehr als geringfügig anzusehen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 5/11 – juris; BverwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 4/14 – juris – Rn. 13).
Darüber hinaus verfügt der Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG). Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt. Einen solchen Nachweis hat der Kläger nicht vorgelegt, obwohl ihm das Erfordernis ausweislich der Akten bereits aus dem vorherigen Einbürgerungssowie Klageverfahren bekannt war. Der Kläger konnte lediglich ein Goethe Zertifikat B1 vom 8. Januar 2016 in dem Modul „Lesen-Reading“ vorlegen, in welchem er 70 von 100 Punkten erreicht hat. Die übrigen 3 erforderlichen Module hat der Kläger bisher nicht abgelegt.
Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er den Einbürgerungstest bisher ebenfalls nicht abgelegt hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StAG).
2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Einbürgerungsantrag unter Anwendung des StAG in der Fassung vor dem 19. August 2007. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist für die Beurteilung des Klägerbegehrens maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 5 C 17.05 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2/14 – juris – Rn. 10). Anzuwenden ist mithin das StAG vom 22. Juli 1913 in der Fassung vom 11. Oktober 2016. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Übergangsvorschrift des § 40c StAG, da der Kläger den Einbürgerungsantrag am 9. Februar 2018 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag (30. März 2007) gestellt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.