Europarecht

Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften

Aktenzeichen  M 18 S 18.1908

Datum:
3.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23822
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 882/2004 Art. 54 Abs. 1, Abs. 2a
VO (EG) Nr. 852/2004 Art. 5
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 18
VwGO § 80 Abs. 5
LFBG § 11, § 39 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ein Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 liegt angesichts der Zielsetzung, eine dauerhafte betriebliche Eigenkontrolle zum Verbraucherschutz einzuführen, auch bei schwankender, d.h. unzureichender Aufrechterhaltung des betrieblichen Eigenkontrollsystems vor. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verstoß gegen die Einrichtung eines ausreichenden betrieblichen Eigenkontrollsystems stellt aufgrund der umfassenden Wirkung auf die Verzehrfähigkeit der hergestellten Produkte keinen leichten Verstoß dar. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage M 18 K 18.1889, mit der der Antragsteller den Bescheid des Antragsgegners vom 19. März 2018 angreift.
Der Antragsteller ist ein Verein, der einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rindern führt und dort Übernachtungsmöglichkeiten für Personengruppen bis zu 50 Personen anbietet. Vor allem Kindergärten und Schulgruppen gehören zur Zielgruppe.
Ein Mitarbeiter des Amtes für Lebensmittelüberwachung des zuständigen Landratsamtes führte am … am … am … und am … lebensmittelrechtliche Kontrollen auf dem Betrieb des Antragstellers durch. Neben wenigen, als leicht behebbar einzustufenden Mängeln wurde in allen Kontrollen, außer in der vom … festgestellt, dass eine Dokumentation zur Eigenkontrolle fehle und die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln nicht durchgängig möglich sei. Dies betraf vor allem Rindfleisch, das von den Rindern des eigenen Betriebs beim örtlichen Metzger geschlachtet und dann ohne weitere Kennzeichnung beim Antragssteller für die Gemeinschaftsverpflegung eingefroren wurde.
Am … wurde eine weitere lebensmittelrechtliche Betriebskontrolle durchgeführt. Mit Schreiben vom 2. Februar 2017 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass bei der betrieblichen Eigenkontrolle Mängel festgestellt worden seien. Bei der vorliegenden Betriebsgröße sei ein ausführliches Eigenkontrollsystem gesetzlich vorgeschrieben. Genauere Angaben, welche Informationen das Eigenkontrollsystem erfassen müsse, sind in dem Schreiben aufgeführt. Wie vor Ort besprochen sei nach den Vorgaben der Leitlinie für Gemeinschaftsverpflegungen vorzugehen. Die Notwendigkeit der betrieblichen Eigenkontrolle ergebe sich aus Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 (im Folgenden: HygieneVO).
In dem Schreiben wurde des Weiteren bemängelt, dass Lebensmittel in den Verkehr gebracht worden seien, die nicht durch sachdienliche Dokumentation oder Information ausreichend gekennzeichnet bzw. kenntlich gemacht worden seien, um ihre Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Für das in der Kühlung vorgefundene Rindfleisch und die Wurstwaren hätten keine Lieferscheine bzw. Rechnungen vorgelegt werden können. Eine eindeutige Zuordnung (Rinderpassnummer und Schlachtgewicht) müsse auf den Angaben der Rechnungen/Lieferscheinen möglich sein. Die Rückverfolgbarkeit müsse nach Art. 18 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (im Folgenden: BasisVO) jederzeit ermöglicht werden.
Es seien durch Frostbrand (Eintrocknungen) im Nähr- und Genusswert bzw. Brauchbarkeitswert mehr als unerheblich geminderte Lebensmittel vorrätig gehalten worden (§ 11 Abs. 2 Nr. 2b Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass die oben aufgeführten Mängel umgehend beseitigt werden müssten.
Am 25. Januar 2018 wurde erneut eine lebensmittelrechtliche Betriebskontrolle beim Antragsteller durchgeführt. Dabei wurden im Vergleich zu vorherigen Kontrollen erheblich mehr Mängel, insbesondere die Sauberkeit betreffend, festgestellt. Mit Schreiben vom 25. Januar 2018 wurden die Mängel aufgelistet und der Antragsteller zur umgehenden Beseitigung aufgefordert.
Als Mangel wurde u.a. neben Verunreinigungen festgehalten, dass Rindfleisch, Rinderknochen und Soßen in Verkehr gebracht worden seien, die nicht durch sachdienliche Dokumentation oder Information ausreichend gekennzeichnet bzw. kenntlich gemacht wurden, um ihre Rückverfolgbarkeit zu erleichtern (Art. 18 Abs. 4 der BasisVO). Es seien weiter selbst eingefrorene Lebensmittel ohne Angabe des Einfrierdatums vorrätig gehalten worden, so dass das Alter und damit die Verkehrsfähigkeit nicht zweifelsfrei zu bestimmen gewesen seien (Art. 18 Abs. 1 der BasisVO). Es sei eine rote Eurokiste voller Rinderschinken mit überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum (24.12.2017) im Kühlschrank vorrätig gehalten gewesen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB). Es seien Lebensmittel mit Frostbrand vorrätig gehalten worden (§ 11 Abs. 2 Nr. 2b LFGB).
Weiter wurde festgestellt, dass eine betriebliche Eigenkontrolle nicht existiere, obwohl sie bei der vorliegenden Betriebsgröße gesetzlich vorgeschrieben sei. Nach beispielhafter Aufzählung des Inhaltes eines Eigenkontrollsystems wurde festgehalten, dass – wie vor Ort besprochen – nach den Vorgaben der Leitlinien für Gemeinschaftsverpflegung vorzugehen sei (Art. 5 Abs. 1 HygieneVO).
Mit E-Mail vom selben Tag wurde der Kontrollbericht vom … dem Antragsteller zugesandt. Als Anhang wurden die Leitlinien für Gemeinschaftsverpflegungen mit übersandt.
Eine lebensmittelrechtliche Nachkontrolle fand am … statt. Mit Schreiben vom 31. Januar 2018 wurden als noch bestehender Mangel festgehalten, dass eine betriebliche Eigenkontrolle einzuführen und aufrechtzuerhalten sei (Art. 5 Abs. 1 HygieneVO). Es sei kein System und Verfahren zur Feststellung der Lieferanten von Lebensmitteln bzw. Stoffen, die in einem Lebensmittel verarbeitet würden, eingerichtet (Art. 18 Abs. 2 Satz 2 BasisVO).
Mit Schreiben vom 15. Februar 2018 wurde der Antragsteller als Betreiber des Betriebes mit Gemeinschaftsverpflegung zum geplanten Erlass einer lebensmittelrechtlichen Anordnung angehört. In dem Schreiben wurde auf die bei der Betriebskontrolle vom 29. Januar 2018 festgestellten und mit Schreiben vom 31. Januar 2018 mitgeteilten Mängeln Bezug genommen. Ein System der betrieblichen Eigenkontrolle sei nicht eingerichtet gewesen, obwohl dies nach Art. 5 HygieneVO vorgeschrieben sei. Auch kein System bezüglich der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Lebensmittelbedarfsgegenständen sei eingerichtet gewesen. Dieses sei nach Art. 18 Abs. 2 Satz 2 BasisVO zwingend erforderlich. In dem Schreiben wurde im Weiteren sehr detailliert dargestellt, welche Mindestangaben in den beiden Systemen dokumentiert werden müssten.
Der Antragsteller antwortete mit Schreiben vom 28. Februar 2018. In diesem erklärte er, dass es nicht der Richtigkeit entspräche, dass noch nie ein HACCP-Konzept vorgelegen hätte. Ein solches Konzept sei schon vor vielen Jahren mit allen Reinigungsplänen erarbeitet und eingeführt worden. Sie werden von den Mitarbeitern gewissenhaft umgesetzt und vom Führungspersonal kontrolliert und zur Dokumentation abgelegt. Es werde hauptsächlich Rindfleisch aus dem eigenen Betrieb, das extern geschlachtet und verarbeitet werde, verkocht bzw. ausgegeben. Nicht deklarierte Produkte seien aussortiert worden und würden nicht mehr im Gruppenhaus angeboten. Eine Rücksprache mit der Metzgerei über eine genauere Beschriftung der gelieferten Waren sei bereits erfolgt. Eine ausreichende Beschriftung der Wurstwaren liege vor. Eine Wareneingangskontrolle erfolge mit Hilfe des Bestellzettels und auch der Überprüfung der Waren bei Lieferung und vor der Verarbeitung. Bei Bedarf werde aussortiert. Alle zu dokumentierenden Maßnahmen würden in schriftlicher Form mit Datum und Unterschrift des verantwortlichen Mitarbeiters durchgeführt, kontrolliert und zur Nachverfolgung abgelegt. Wöchentlich finde ein Team-Meeting statt, bei der alle Punkte geprüft, besprochen und bei Bedarf nachbearbeitet würden. Die Trennung des 1. Vorsitzenden des Antragstellers und seiner Frau, welche als Hauswirtschaftskraft eingestellt gewesen war, hätten den Betriebsablauf beeinflusst. Durch die Neueinstellung von motiviertem Personal sei dies nun ausgestanden.
In einer internen E-Mail des zuständigen Amts für Lebensmittelsicherheit vom 5. März 2018 erklärte der zuständige Lebensmittelkontrolleur, dass an den vorhandenen Mängeln nach mehreren Kontrollen vor Ort deutlich abzulesen sei, dass die vom 1. Vorsitzenden des Antragstellers beschriebene Situation nicht den Tatsachen entspräche. Nach seiner Einschätzung solle daher ein zwangsgeldbewehrter Bescheid angeordnet werden.
Das Landratsamt erließ am 19. März 2018 einen Bescheid, in dem Folgendes angeordnet wurde:
1. Der Antragsteller hat innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung dieses Bescheides ein Dokumentationssystem der betrieblichen Eigenkontrolle entsprechend Art. 5 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 einzurichten und dauerhaft vorzuhalten. Für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels und der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht München ist den mit diesem Bescheid angeordneten Maßnahmen spätestens ab Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides nachzukommen. Das System muss folgenden Mindestumfang/Mindestinhalt umfassen bzw. folgende Mindestangaben enthalten: (genaue Angaben zur Dokumentation der Reinigung der Betriebsräume, Kontrolle der Temperaturen [Kühl- oder Warmhaltegeräte], Schädlingsbekämpfung, Personalschulungen, Wareneingangskontrolle [stichprobenartige Prüfungen], Dauer der Archivierung).
2. Der Antragsteller hat innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung dieses Bescheides ein Dokumentationssystem bezüglich der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Lebensmittelbedarfsgegenständen entsprechend Art. 18 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 einzurichten und dauerhaft vorzuhalten. Für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels und der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht München ist den mit diesem Bescheid angeordneten Maßnahmen spätestens ab Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides nachzukommen. Das System muss folgenden Mindestumfang/Mindestinhalt umfassen bzw. folgende Mindestangaben enthalten: (genaue Angaben zu den Punkten Rückverfolgbarkeit und Dauer der Archivierung).
3. Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Nrn. 1 und 2 dieses Bescheides wird angeordnet.
4. Falls der Antragsteller den mit diesem Bescheid angeordneten Maßnahmen aus den vorgenannten Nrn. 1 und 2 dieses Bescheides nicht innerhalb der dort genannten Termine/Fristen nachkommt, wird folgendes Zwangsgeld zur Zahlung fällig:
Bezüglich Nr. 1 dieses Bescheides: 1.000,00 Euro, bezüglich Nr. 2 dieses Bescheides: 1.000,00 Euro.
In der Begründung wird dargelegt, dass bei der Betriebskontrolle vom 29. Januar 2018 festgestellt worden sei, dass kein ausreichendes System der betrieblichen Eigenkontrolle nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 sowie auch kein ausreichendes System bezüglich der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Lebensmittelbedarfsgegenständen nach Art. 18 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingerichtet gewesen sei. Auf Grundlage von Art. 54 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 bzw. § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB sei die vorliegende Anordnung in Ziff. 1 und 2 zu erlassen. Mit beiden Systemen solle ein wirkungsvoller Verbraucherschutz sowie ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit der Menschen in Hinblick auf die Lebensmittel sichergestellt werden. Nachdem keine oder nur unzureichende Kontrollsysteme vorhanden seien, sei die Anordnung der entsprechenden Maßnahmen zur Vorhaltung entsprechender Systeme erforderlich. Eine unangemessene Belastung des Antragstellers sei nicht gegeben. Das öffentliche Interesse an ein hygienisch einwandfreies Inverkehrbringen für Lebensmittel überwiege das Interesse des Betreibers, von den angeordneten Dokumentationspflichten als Lebensmittelunternehmer verschont zu bleiben. Zudem sei eine Gleichbehandlung mit anderen Lebensmittelunternehmern unabdingbar. Der Sofortvollzug habe angeordnet werden müssen, weil eine Abwägung der in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen ergeben habe, dass ein besonderes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung vorliege. Es sei der Öffentlichkeit und den Verbrauchern nicht zumutbar, dass Lebensmittel ohne die dafür vorgesehenen Dokumentationssysteme angekauft, erzeugt, zubereitet und abgegeben würden. Wirtschaftliche oder private Interessen hätten gegenüber der Gefährdung der Gesundheit der Verbraucher zurückzustehen. Auch im Falle einer Folgenabwägung überwiege das Vollzugsinteresse das mögliche Suspensivinteresse. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Am 20. März 2018 wurde der Bescheid dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schreiben vom 16. April 2018, das am 19. April 2018 per Fax einging, legte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Einspruch bezüglich der Lebensmittelverordnung vom 29. Januar 2018 ein.
Zur Begründung wurde u.a. vorgetragen, dass es nicht der Richtigkeit entspreche, dass der Antragsteller keine betriebsinterne Eigenkontrolle habe oder auch gehabt hätte. Die Mängel der ersten Kontrolle bezüglich der Reinigung und anderer Kleinigkeiten seien umgehend erledigt worden. Aus dem Bescheid ergebe sich, dass die Mängel auch an dem Tag der Nachkontrolle noch vorhanden gewesen seien. Dies entspreche nicht der Richtigkeit. Ein HACCP-Konzept liege seit Gründung der Einrichtung vor und sei entsprechend angepasst worden. Hierbei seien Küche und Reinigung enthalten. Die Verstöße seien nicht so schwerwiegend gewesen, dass dies eine Schließung rechtfertigen würde. Es hingen auch Listen für die Reinigungskräfte aus und ein Schädlingsmonitoring bestehe. Bei der Nachkontrolle habe der zuständige Lebensmittelkontrolleur auch selbst angemerkt, dass jetzt alles in Ordnung sei. Es werde befürchtet, dass die erste Kontrolle dazu verwendet werden solle, dass man den Antragsteller in Zukunft sofort mit Bußgeldern belegen und ihm das Leben schwer machen könne. Dies werde als Gefährdung der Einrichtung gesehen. Nach wie vor würden gewissenhafte betriebsinterne Eigenkontrollen durchgeführt. Eine Gefahr für Gäste bestehe nicht. Daher werde darum gebeten, die nötigen Maßnahmen wie im Schreiben vom 19. März 2018 einzustellen.
Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 2. Mai 2018 und beantragte,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung werde auf die Bescheidsbegründung verwiesen. Bereits mit Schreiben vom 2. Februar 2017 sei der Antragsteller u.a. auf ein ausführliches Eigenkontrollsystem hingewiesen worden, welches alle relevanten Bereiche miteinbeziehen müsse. In demselben Schreiben sei er bereits auch auf die unzureichende bzw. nicht vorhandene Kennzeichnung der Lebensmittel hingewiesen worden. Eine eindeutige Zuordnung des vorgefundenen Rindfleischs zu den nachgelieferten Lieferscheinen bzw. Rechnungen sei aufgrund der fehlenden Kennzeichnung nicht gewährleistet gewesen. Bei der Vielzahl der verköstigten Gäste – insbesondere Schulklassen – müsse die Verzehrfähigkeit der verwendeten Lebensmittel umso mehr gewährleistet werden. Annähernd gleiche Zustände seien bei der Kontrolle am … … … erneut vorgefunden und moniert worden. Mit E-Mail vom 25. Januar 2018 seien dem Antragsteller zwei Leitlinien übersandt worden. Da die Anforderungen für alle Lebensmittelunternehmer gelten würden, belaste der Bescheid den Antragsteller nicht mehr oder weniger als andere. Nur im jeweiligen Zusammenspiel beider Kontrollsysteme sei auf Dauer ein wirksamer Verbraucherschutz gewährleistet. Auch wenn bei der Nachkontrolle am … keine ungekennzeichneten Lebensmittel mehr vorgefunden worden seien und auch die Formblätter für die Eigenkontrolle vorhanden gewesen seien, diene der Bescheid dazu, dies auch für die Zukunft sicherzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte – auch im Verfahren M 18 K 18.1889 – sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. März 2018 (M 18 K 18.1889) ist unbegründet.
Ein Antrag nach § 80 Absatz 5 S. 1 Var. 2 VwGO ist begründet, wenn das Suspensivinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse des Staates und der Bürger überwiegt. Dabei ist nach Aktenlage eine summarische Prüfung der Hauptsache vorzunehmen. Sollte der eingelegte Rechtsbehelf in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg haben, überwiegt regelmäßig das Suspensivinteresse des Antragstellers. Ergibt die Prüfung jedoch, dass die Klage in der Hauptsache voraussichtlich unbegründet ist, überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse des Antraggegners (BVerwG, B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 juris Rn. 3). Weitere abwägungsrelevante Interessen und Rechtsgüter können auch in die Bewertung mit einfließen.
Die Sofortvollzugsanordnung in Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheides genügt den formellen Voraussetzungen der Begründung in § 80 Abs. 3 VwGO. Das besondere Interesse, das eine Sofortvollzugsanordnung rechtfertigt, wurde auf den konkreten Einzelfall bezogen und unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Rechtspositionen und Interessen des Antragstellers aufgeführt.
Die Interessenabwägung des Gerichts ergibt nach summarischer Prüfung der Hauptsache, dass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und der Allgemeinheit das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt. Ein Erfolg der Hauptsacheklage ist als gering einzuschätzen.
Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist voraussichtlich rechtmäßig. Nach Art. 54 Abs. 1, Abs. 2a der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (im Folgenden: KontrollV) trifft die zuständige Behörde bei Feststellung eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft, darunter Gesundheitsschutz- oder andere Maßnahmen, die als notwendig erachtet werden, um die Sicherheit von Futtermitteln oder Lebensmitteln oder die Einhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrecht (…) zu gewährleisten. Unstreitig handelt es sich bei dem Antragsteller um einen Lebensmittelunternehmer nach Art. 1, Art. 2 Abs. 2 HygieneVO i.V.m. Art. 3 Nr. 2 und 3 BasisVO.
Ein Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften liegt nach summarischer Prüfung zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses vor. Nach Art. 5 HygieneVO haben Lebensmittelunternehmer ein oder mehrere ständige Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen einzurichten, durchzuführen und aufrechtzuerhalten. Die genaueren HACCP-Grundsätze werden in Art. 5 Abs. 2 der Hygieneverordnung aufgezählt.
Nach dem Vorbringen des Antraggegners war bei der Nachkontrolle am … eine dem gesetzlichen Umfang entsprechende betriebliche Eigenkontrolle vom Antragsteller noch nicht eingerichtet. Bereits in den Betriebskontrollen vom … dem … dem … und dem … wurde festgestellt, dass ein betriebliches Eigenkontrollsystem nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang vorhanden ist. Bei der Betriebskontrolle vom … wurde im Mängelbericht ausdrücklich dargestellt, welche Mindestanforderungen an ein solches System zu stellen sind und vor Ort besprochen, dass sich die betriebliche Eigenkontrolle an den Leitlinien für Gemeinschaftsverpflegung orientieren solle. In der Kontrolle vom … wurde festgehalten, dass eine betriebliche Eigenkontrolle nicht existiere. Erneut wurde auf die Mindestangaben sowie auf die Leitlinie für Gemeinschaftsverpflegungen hingewiesen und diese Leitlinien auch am 25. Januar 2018 an den Antragsteller verschickt. Nach den Angaben des Antragstellers im Anhörungsschreiben vom 28. Februar 2018 und dem Antragsschriftsatz vom 16. April 2018 wurde erklärt, dass ein System der betrieblichen Eigenkontrolle vorliegt.
Bezüglich der Reinigungspläne sowie Temperaturkontrollen liegt schon länger ein Kontrollsystem vor, was der zuständige Veterinär in internen Besprechungen bestätigte. Aus dem Schreiben vom 28. Februar 2018 ergibt sich, dass der Antragsteller seit der Mängelrüge vom 25. Januar 2018 auch die Punkte Wareneingangskontrolle, produktbezogene Prüfung, Schädlingsbekämpfung, Personalschulung in ein betriebliches Eigenkontrollsystem aufgenommen hat. Seit wann die in dem Schreiben aufgezählten Maßnahmen durchgeführt werden, kann dem Schreiben nicht genau entnommen werden. Außer bei den Punkten Reinigung und Temperaturkontrolle ist jedoch auch anhand früherer Mängelberichte davon auszugehen, dass erst nach dem 25. Januar 2018 die Einrichtung eines betrieblichen Eigenkontrollsystems diesbezüglich erfolgt ist. Das Gericht sieht angesichts der Zielsetzung des Gesetzes eine dauerhafte betriebliche Eigenkontrolle zum Verbraucherschutz einzuführen, wegen der sich aus den früheren Betriebskontrollen ergebende schwankenden Aufrechterhaltung des zu diesen Zeitpunkt eingeführten betrieblichen Eigenkontrollsystems bei der Reinigung und den Temperaturkontrollen einen Verstoß als gegeben an. Die in unregelmäßigen Abständen auftretenden Mängel (fehlende Reinigung, Frostbrand an eingefrorenen Lebensmitteln, Lebensmittel, die keiner Wareneingangsliste zugeordnet werden können, …) offenbarten auch eine gewisse Ineffektivität des eingerichteten Systems bzw. fehlenden Nachhaltigkeit der Kontrolle der Einhaltung des im betrieblichen Eigenkontrollsystem vorgegebenen Aufgabenspektrums in der Vergangenheit.
Spätestens seit dem 2. Februar 2017 fand eine ausreichende, aktenkundige Beratung des Antragstellers durch das Landratsamt zu den Mindesterfordernissen eines betrieblichen Eigenkontrollsystems statt. Eine Umsetzung und Erweiterung des bestehenden Systems wurde bis zur nächsten lebensmittelrechtlichen Kontrolle am … jedoch nicht vorgenommen. Das Gericht geht daher nach summarischer Prüfung der nach Aktenlage ermittelbaren Kontrollsysteme des Antragstellers davon aus, dass zwar ein Grundsystem eingerichtet war (Reinigungs- und Temperaturkontrollen), das jedoch dem Umfang nach nicht den HACCP-Grundsätzen genügte und nicht konsequent umgesetzt wurde.
Die in Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids festgelegte Maßnahme wurde ermessensfehlerfrei getroffen und ist auch verhältnismäßig. Die Ermessensausübung des Antragstellers in seinem Bescheid begegnet keinen Bedenken. Die jahrelang fehlende bzw. unzureichende Einrichtung eines betrieblichen Eigenkontrollsystems kann zu ernsthaften Gesundheitsbeeinträchtigungen bei den Gästegruppen des Antragstellers führen. Durch das Ansteigen der Mängel sowohl in der Anzahl als auch in der Intensität im Laufe der Zeit ergibt sich, dass das teilweise eingerichtete Kontrollsystem nicht in ausreichendem Maße funktionierte und die Korrekturmaßnahmen, falls sie überhaupt angelegt wurden, nicht ausreichend waren. Nach Art. 54 Abs. 1 Satz 2 KontrollVO hat die Behörde bei Anordnung der Maßnahme zu berücksichtigen, welche Art des Verstoßes vorliegt und wie sich das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers mit Blick auf Verstöße gezeigt hat. Bezüglich der Art des Verstoßes ist festzustellen, dass ein Verstoß gegen die Einrichtung eines ausreichenden betrieblichen Eigenkontrollsystems aufgrund der umfassenden Wirkung auf die Verzehrfähigkeit der hergestellten Produkte keinen leichten Verstoß darstellt. Weiter ist festzuhalten, dass die betriebliche Eigenkontrolle seit dem Kontrollbeginn im Jahr 2009 in fast jeder lebensmittelrechtlichen Kontrolle bemängelt wurde und wohl ein Großteil der anderen Mängel darauf zurückzuführen ist, dass ein solches Eigenkontrollsystem zum Teil fehlte bzw. nicht nachhaltig durchgeführt wurde. Das Verhalten des Antragstellers bei Mängeln zeigt auf, dass kleine, leicht behebbare Mängel stets zeitnah und effektiv abgestellt worden sind. Eine gute Kooperation mit dem Antragsgegner liegt diesbezüglich vor. Allerdings ist auch festzuhalten, dass bezüglich der System- und der Dokumentationsmängel, die ggf. eine größere Veränderung im Betriebsablauf erfordern könnten, eine Umsetzung trotz der wenigstens seit dem 2. Februar 2017 bestehender Belehrung, nicht erfolgte. Von daher sieht es das Gericht als ermessensgerecht an, dass die Einrichtung und dauerhafte Aufrechterhaltung eines betrieblichen Eigenkontrollsystems in Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnet wurde.
Auch die Verhältnismäßigkeit ist gegeben. Der Antragsteller zielt mit seinem Vortrag letztlich darauf ab, dass die Anordnung der Ziff. 1 im streitgegenständlichen Bescheid wegen der von ihm bereits berichteten Umstellung auf ein umfangreiches betriebliches Eigenkontrollsystem nicht erforderlich gewesen sei. Nachdem die Einrichtung erst nach zwei ausführlichen und mehreren kurzen aufeinanderfolgenden lebensmittelrechtlichen Mängelberichten diesbezüglich erfolgte und in Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller systemische Mängelbeseitigungen in der Vergangenheit nur unzureichend und nicht dauerhaft vornahm, ist kein milderes, jedoch gleich effektives Mittel wie die zwangsgeldbewährte Anordnung in Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids zu erkennen.
Es liegt auch ein Verstoß gegen Art. 18 Abs. 2 Satz 2 BasisVO vor. Nach Art. 18 Abs. 1 BasisVO ist die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln in allen Produktionsverarbeitungs- und Vertriebsstufen sicherzustellen. Nach Abs. 2 Satz 1 müssen die Lebensmittelunternehmer in der Lage sein, jede Person festzustellen, von der sie ein Lebensmittel (…) erhalten haben. Sie richten hierzu Systeme oder Verfahren ein, mit denen diese Informationen den zuständigen Behörden auf Aufforderung mitgeteilt werden kann.
Zum Zeitpunkt des 28. Februar 2018 war ein solches System jedenfalls noch nicht vollumfänglich eingerichtet. Der Antragsteller trug hierzu vor, dass er seinen Metzger gebeten habe, bei zukünftigen Lieferungen genauere Informationen auf den Rechnungen und Lieferscheinen anzugeben, um die Rückverfolgbarkeit des selbst hergestellten Rindfleischs und der Wurstwaren sicherzustellen. Die ungekennzeichneten Rindfleischprodukte wurden aus dem für die Verpflegung der Gäste vorgesehenen Bereich entfernt, was die lebensmittelrechtliche Kontrolle am … … … bestätigte. Nach den Angaben in der Antragsschrift könne eine Dokumentation aufgrund der am Hof verfügbaren Daten über die einzelnen Rinder jederzeit erfolgen.
In der Vergangenheit wurden bei diversen Betriebskontrollen jedoch festgestellt, dass wiederholt ungekennzeichnete Lebensmittel in den Kühlvorrichtungen für die Gemeinschaftsverpflegung oder in der Küche aufgefunden wurden. Eine Rückverfolgung über die Vorlage von Lieferscheinen und Rechnungen zu einzelnen Tieren des Hofes konnte vom Antragsteller nicht belegt werden. Wie eine zukünftige Kennzeichnung der Lebensmittel und das System zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit durch alle Produktionsstufen (auch der Schlachtung und nach Wareneingang) sichergestellt wird, wurde vom Antragsteller nicht vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Die reinen Angaben, dass die Rückverfolgbarkeit nun sichergestellt sei und der Antragsteller mit dem Metzger gesprochen habe, machen den fehlenden Verstoß zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht glaubhaft.
Auch bezüglich Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist das Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden. Hierbei ist bezüglich Ziff. 2 unstrittig, dass ein System zur lückenlosen Rückverfolgung nicht eingerichtet gewesen war, was angesichts der ohne Kennzeichnung eingefrorenen Fleischwaren offensichtlich ist. Die Verhältnismäßigkeit der Anordnung in Ziff. 2 steht nach summarischer Prüfung der Hauptsache nicht in Frage. Hierzu nimmt das Gericht auf die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Ziffer 1, die parallel gesehen werden können, Bezug.
Der Zwangsgeldandrohung in Ziff. 4 stehen keine Bedenken entgegen.
Für das Überwiegen des Vollzugsinteresses spricht auch, dass den durch die Anordnung gesicherten Rechtsgüter, namentlich Leben und Gesundheit der Gäste des Antragstellers, ein weit höherer Wert in der Abwägung beizumessen ist, als die entgegenstehenden Interessen des Antragstellers bis zur Entscheidung in der Hauptsache das bisherige, von der Antragsgegnerin als lückenhaft angesehene, Kontrollsystem beizubehalten.
Die Kostenverteilung erfolgte nach § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert beruht auf § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs.

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