Aktenzeichen 8 C 18.1241
VwVfG § 9 Abs. 1 lit. a, § 10, § 13 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4
BayStrWG Art. 18a Abs. 1, Abs. 4
Leitsatz
Die Androhung der Vollstreckung durch Ersatzvornahme der in einem Vergleich übernommenen Pflicht, ein Fahrzeug von einem bestimmten Ort zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn zugleich angeordnet oder zumindest in dem Vergleich geregelt ist, wohin das Fahrzeug im Falle der Ersatzvornahme verbracht werden oder was sonst mit ihm geschehen soll. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 10 V 18.608 2018-05-15 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Mai 2018 wird aufgehoben.
II. Die Vollstreckungsgläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich.
Die Vollstreckungsgläubigerin, eine kreisangehörige Gemeinde, forderte den Vollstreckungsschuldner mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 dazu auf, das in seinem Eigentum stehende Fahrzeug, ein Mitsubishi Space Wagon mit dem amtlichen Kennzeichen …, das seit Monaten auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt und an das seit dem 1. September 2016 wegen der abgelaufenen TÜV-Plakette ein sogenannter „roter Punkt“ angebracht war, binnen zweier Wochen ab Zustellung des Bescheids zu entfernen. Für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung wurde die Veranlassung der kostenpflichtigen Beseitigung und vorläufigen Sicherstellung des Fahrzeugs durch die Vollstreckungsgläubigerin angedroht.
Hiergegen erhob der Vollstreckungsschuldner Klage und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Noch vor der Zustellung der Klage- und Antragsschrift an die Vollstreckungsgläubigerin veranlasste diese die Verbringung des Fahrzeugs auf ihren gemeindlichen Bauhof. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung des beim Verwaltungsgericht unter dem Az. AN 10 K 17.00093 geführten Klageverfahrens schlossen die Parteien am 24. Juli 2017 folgenden gerichtlichen Vergleich:
„1. Zur Abgeltung der gegenseitig noch offenen Geldforderungen aus dem Abschleppen und Verwahren des Fahrzeugs des Klägers zahlt der Kläger an die Beklagte bis spätestens 15. Oktober 2017 200,00 Euro. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass damit alle aus diesem Rechtsverhältnis sich ergebenden gegenseitigen Ansprüche abgegolten sind.
2. Der Kläger sichert zu, dass er das Fahrzeug Mitsubishi Space Wagon, …, bis spätestens 31. Oktober 2017 vom Grundstück der Beklagten entfernt oder entfernen lässt.
3. … ” (Kosten)
In der Folgezeit verlängerte die Vollstreckungsgläubigerin wiederholt auf Bitten des Vollstreckungsschuldners die Frist zur Entfernung des Fahrzeugs. In den Schreiben vom 6. Februar und 14. März 2018 drohte die Vollstreckungsgläubigerin dem Vollstreckungsschuldner an, das Fahrzeug der Verwertung zuzuführen, wenn es nicht innerhalb der gewährten Fristverlängerung abgeholt werde.
Nachdem der Vollstreckungsschuldner das Fahrzeug weiterhin nicht abholte, sondern um Fristverlängerung auf unbestimmte Zeit bat, stellte die Vollstreckungsgläubigerin beim Verwaltungsgericht Antrag auf Vollstreckung aus Nr. 2 des Vergleichs vom 24. Juli 2017. Das Gericht hörte den Vollstreckungsschuldner an und setzte diesem eine Frist zur Entfernung des Fahrzeugs bis 27. April 2018, die bis zum 11. Mai 2018 verlängert wurde. Mit Beschluss vom 15. Mai 2018 ordnete das Verwaltungsgericht die Vollstreckung der Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners aus Nr. 2 des Vergleichs vom 24. Juli 2017 an (Ziffer 1 des Beschlusses). Für den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner das streitgegenständliche Fahrzeug nicht spätestens bis zum 30. Mai 2018 vom Grundstück der Vollstreckungsgläubigerin entfernt oder entfernen lässt, wurde die Ersatzvornahme „angeordnet“, mit deren Durchführung die Vollstreckungsgläubigerin beauftragt wurde (Ziffer 2 des Beschlusses).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Androhung der Vollstreckung aus Nr. 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 24. Juli 2017 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Beschwerde war daher stattzugeben.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO der statthafte Rechtsbehelf gegen die vom Vorsitzenden als Vollstreckungsgericht (§ 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erlassene Androhung der Vollstreckung. Insbesondere steht ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass nach § 146 Abs. 3 VwGO in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen eine Beschwerde ausgeschlossen ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro nicht übersteigt. Zwar mag der Restwert des im Streit stehenden Fahrzeugs unterhalb des genannten Betrags liegen. Darauf kommt es hier aber nicht an, weil vorliegend die Vollstreckung der Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners zur Beseitigung des Wagens, also eine Handlungspflicht, Gegenstand des Verfahrens ist und keine Streitigkeit über Kosten, Gebühren oder Auslagen vorliegt.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die im Beschluss des Verwaltungsgerichts getroffene „Anordnung“ der Ersatzvornahme entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Gegenstand der beantragten Vollstreckung ist Nr. 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 24. Juli 2017 (AN 10 K 17.00093), worin sich der Vollstreckungsschuldner verpflichtet hat, das in seinem Eigentum stehende Fahrzeug bis 31. Oktober 2017 vom Grundstück der Vollstreckungsschuldnerin zu entfernen oder entfernen zu lassen. Es handelt sich hierbei um eine vertretbare Handlung, deren Vollstreckung sich gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3, § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) richtet.
2.1 Danach bedarf es entgegen Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses keiner Anordnung der Vollstreckung gemäß § 3 VwVG, da diese Bestimmung – wenn überhaupt (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 169 Rn. 5 m.w.N., Rn. 10) – nur auf die Vollstreckung wegen Geldforderung Anwendung findet. Die auf Vornahme einer Handlung gerichtete Vollstreckung folgt den Regelungen der §§ 6 ff. VwVG. Nach § 13 Abs. 1 und 3 VwVG ist sie durch die schriftliche Androhung eines bestimmten Zwangsmittels unter Bestimmung einer Frist zur Erfüllung der zu erzwingenden Handlung einzuleiten.
2.2 Aber auch soweit das Verwaltungsgericht unter Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses dem Vollstreckungsschuldner eine Frist bis 30. Mai 2018 zur Abholung seines Wagens gesetzt und für den Fall, dass dieser seiner Verpflichtung bis dahin nicht nachkommt, die Ersatzvornahme „angeordnet“ und die Vollstreckungsgläubigerin mit deren Durchführung beauftragt hat, hält die erstinstanzliche Entscheidung einer rechtlichen Kontrolle nicht stand. Dies gilt selbst dann, wenn die „Anordnung“ als Androhung des Zwangsmittels (§ 13 Abs. 1 VwVG) ausgelegt wird (vgl. zur Androhung auch Kraft in Eyermann, VwGO, § 169 Rn. 13) und die Beauftragung der Vollstreckungsgläubigerin als Ankündigung und nicht als Festsetzung der Ersatzvornahme gemäß § 14 VwVG.
2.2.1 Zwar greifen die vom Vollstreckungsschuldner im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwendungen nicht durch. Denn dieser ist die Verpflichtung im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs, sein Fahrzeug vom Gelände der Gemeinde zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, in dem Wissen eingegangen, dass er für das Fahrzeug nach Ablauf der im Vergleich eingeräumten Frist anderweitig einen geeigneten Stellplatz finden muss. Sein Vortrag, ihm stünde kein geeigneter Stellplatz für das abgemeldete Fahrzeug zur Verfügung, ist nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit einer Androhung eines Zwangsmittels infrage zu stellen. Als Eigentümer des Wagens ist es Sache des Vollstreckungsschuldners und nicht Aufgabe der Vollstreckungsgläubigerin, eine mit der Rechtsordnung vereinbare Abstellmöglichkeit für sein Auto zu organisieren oder dieses ordnungsgemäß zu entsorgen. Dies gilt unabhängig davon, ob er den Wagen zur Verwirklichung seiner Rechte in dem von ihm angestrengten Zivil- bzw. Strafprozess gegen die Werkstattbetreiber benötigt oder nicht. Dass der Vollstreckungsschuldner nach seinem Vorbringen unverschuldet in diese Situation gekommen ist, ändert hieran nichts. Angesichts des Umstands, dass das Fahrzeug bereits seit über zwei Jahren auf dem gemeindlichen Bauhof abgestellt ist und er die Vollstreckungsgläubigerin seitdem mit dem Vorbringen vertröstet, er erwarte in Kürze einen Abschluss des zivilrechtlichen Verfahrens bzw. eine Beweissicherung durch die Staatsanwaltschaft, erweisen sich sowohl die Androhung eines Zwangsmittels an sich als auch die vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist nicht als unverhältnismäßig.
2.2.2 Die als Vollstreckungsandrohung auszulegende „Vollstreckungsanordnung“ unter Ziffer 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts genügt jedoch den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.1983 – 7 B 68.83 – juris Rn. 5).
Zwar entspricht die Auswahl des angedrohten Zwangsmittels der Vorgabe des § 10 VwVG, der die Ersatzvornahme (§ 9 Abs. 1 Buchst. a VwVG) als vorrangiges Zwangsmittel zur Vollstreckung einer vertretbaren Handlung vorsieht. Die vom Verwaltungsgericht getroffene Androhung, wonach die Vollstreckungsgläubigerin nach Ablauf der gesetzten Frist beauftragt wird, im Wege der Ersatzvornahme den Wagen des Vollstreckungsschuldners vom gemeindlichen Bauhof zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, lässt jedoch offen, wohin dieser verbracht werden oder was mit diesem im Weiteren geschehen soll. Hierzu verhält sich auch der gerichtliche Vergleich vom 24. Juli 2017 nicht. Es liegt auf der Hand, dass ein erneutes Abstellen des nicht zugelassenen Fahrzeugs auf öffentlichem Straßengrund nicht in Betracht kommt, da dies eine unzulässige Sondernutzung darstellt, die gerade Anlass für die Verbringung des Autos auf den Bauhof war (Art. 18a Abs. 1 BayStrWG). Entgegen den Ausführungen in den Gründen des Beschlusses (die zur Auslegung herangezogen werden können) kommt auch eine Verwertung des nicht mehr fahrbereiten und offensichtlich weitgehend wertlosen Fahrzeugs in Form einer Verschrottung durch die mit der Ersatzvornahme zu beauftragende Vollstreckungsgläubigerin nicht in Betracht, weil diese hierzu nicht berechtigt ist. Denn der gerichtliche Vergleich enthält keine Regelung, die der Gemeinde ein solches Verwertungsrecht einräumt. Ein solches ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Bestimmung des Art. 18a Abs. 3 Satz 1 BayStrWG, weil danach die Verwertung des nach Art. 18a Abs. 1 BayStrWG sichergestellten Fahrzeugs durch die Kreisverwaltungsbehörde zu erfolgen hat. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Verwertung nach der abfallrechtlichen Bestimmung des § 20 Abs. 3 KrWG in Betracht kommen sollte (vgl. Art. 3 Abs. 1 BayAbfG).
Daher kann die Frage dahinstehen, ob die Vollstreckungsanordnung auch deswegen rechtlichen Bedenken begegnet, weil sie entgegen § 13 Abs. 4 Satz 1 VwVG keinen vorläufigen Kostenvoranschlag enthält (vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 VwVG Rn. 99 ff. m.w.N.; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 11. Aufl. 2017, § 13 VwVG Rn. 6 m.w.N.; offen gelassen in BVerwG, U.v. 13.4.1984 – 4 C 31.81 – NJW 1984, 2591 ff. = juris Rn. 12), oder ob ein solcher hier ausnahmsweise entbehrlich war, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass durch die Ersatzvornahme letztlich keine Kosten entstehen.
Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass es der Vollstreckungsgläubigerin unbenommen bleibt, als Straßenbaubehörde bei der Kreisverwaltungsbehörde gemäß Art. 18a Abs. 3 Satz 1 BayStrWG die Verwertung des Fahrzeugs zu beantragen (vgl. Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Mai 2017, Art. 18a Rn. 24); der nach Art. 18a Abs. 3 Satz 2 BayStrWG erforderliche Hinweis an den Vollstreckungsschuldner ist jedenfalls durch die gemeindlichen Schreiben vom 6. Februar und 14. März 2018 erfolgt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Für das Beschwerdeverfahren werden, da die eingelegte Beschwerde Erfolg hatte, keine Gerichtskosten erhoben (vgl. Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).