Europarecht

Voraussetzungen der Entlassung des Vereinsvormunds aus wichtigem Grund (hier: Änderung der Rechtsprechung)

Aktenzeichen  154 F 3427/16

Datum:
24.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 1889 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Gemäß § 1889 Abs. 2 S. 2 BGB kann ein Verein als Vormund entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein wichtiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn der Verein im Gegensatz zu seinem Mitarbeiter aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung keinen Vergütungsanspruch hat. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3 Dies setzt voraus, dass sich die Rechtsprechung nach der Bestellung des Vereins geändert hat. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
4 Im Vormundschaftsrecht gibt es keine dem § 1897 Abs. 2 S. 1 BGB und dem § 1899 Abs. 4 BGB vergleichbare Regelung zur persönlichen Bestellung von Mitarbeitern des Vereins als Vereins- oder Ersatzvormund. Diese scheidet daher mangels gesetzlicher Grundlage aus. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag des Vormundes … auf Entlassung des Vereins und Bestellung jeweils einer seiner Mitarbeiterinnen zum Vereins- und Ersatzvormund wird zurückgewiesen.
2. Von einer Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Mit Schreiben vom 22.12.2016 hat der Vereinsvormund … die persönliche Bestellung von Frau … als Vereinsvormund sowie die Bestellung von Frau … als Ersatzvormund für den Fall der Verhinderung von Frau … beantragt. Darin ist auch ein konkludenter Antrag auf Entlassung des Vereins als Vormund zu sehen. Der Verein stützt seinen Antrag vorwiegend auf die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2011.
Unter welchen Voraussetzungen der Verein als Vormund zu entlassen ist, regelt § 1889 Abs. 2 BGB.
a) Nach § 1889 Abs. 2 S. 2 BGB kann ein Verein entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Es ist anerkannt, dass ein wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt, wenn der Verein seine Entlassung beantragt und stattdessen die Bestellung eines seiner Mitarbeiter beantragt, wenn der Verein im Gegensatz zu seinem Mitarbeiter aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung keinen Vergütungsanspruch hat, vgl. Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1889 Rn. 8.
Als der Verein seine notwendige Einwilligung zur Übernahme der Vormundschaft nach § 1791 a Abs. 1 S. 22. Hs BGB erteilt hat und dieser als solcher mit Beschluss vom 12.01.2016 (AG Nürnberg, 107 F 5131/15) bestellt wurde, war dem Verein die Änderung der Rechtssprechung des Bundesgerichtshof zur Vergütungsfähigkeit des Vereins bei der Bestellung eines seiner Mitarbeiter (Beschluss vom 25.05.2011, XII ZB 625/10) bereits bekannt. Eine Änderung der Rechtsprechung ist nach der Bestellung des Vereins selbst als Vormund im Jahr 2016 nicht erfolgt; die Rechtsprechung zur Vergütungsfähigkeit bei der Bestellung von Mitarbeitern des Vereins hat sich bereits im Jahr 2011 geändert. Zudem wurde mit dem Verein bei einer Besprechung zwischen dem Familiengericht Nürnberg, der Geschäftsleitung des Vereins sowie dem Jugendamt Nürnberg im Herbst 2015, welche in den Räumlichkeiten des Jugendamtes Nürnberg stattgefunden hat, eine mündliche Vereinbarung dahingehend getroffen, dass vom Familiengericht Nürnberg nur der Verein selbst und nicht ein Mitarbeiter des Vereins als Vereinsvormund bestellt wird.
Ein wichtiger Grund für die Entlassung liegt somit nicht vor.
b) Des Weiteren kann der Verein nach § 1889 Abs. 2 S. 1 BGB auf seinen Antrag entlassen werden, wenn eine andere als Vormund geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht.
Eine andere geeignete Person, die vorrangig zu bestellen ist, ist nicht vorhanden.
Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 25.05.2011, XII ZB 625/10, lediglich aus, dass dem Verein in analoger Anwendung des § 1897 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 VBVG eine Vergütung zusteht, sofern nicht der Verein, sondern ein Mitarbeiter des Vereins zum Vormund bestellt worden ist. Nach der derzeitigen Rechtslage kann gemäß § 1791 a BGB nur der Verein selbst zum Vormund bestellt werden, vgl. Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1791 a Rn. 10; Bamberger/Roth in Beck’scher Online-Kommentar BGB, 41. Edition, § 1791 a Rn. 5. Dass sich der Verein bei der Führung der Vormundschaft einzelner seiner Mitglieder oder Mitarbeiter bedient (§ 1791 a Abs. 3 S. 1 Hs. 1 BGB), wirkt jedoch nur intern; diese Regelung ändert nichts daran, dass ausschließlich der Verein selbst als Vormund zu bestellen ist, Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1791 a Rn. 10. Für die Bestellung eines Mitarbeiters des Vereins fehlt es somit an der gesetzlichen Grundlage. Im Vormundschaftsrecht gibt es keine dem § 1897 Abs. 2 S. 1 BGB und dem § 1899 Abs. 4 BGB vergleichbare Regelung zur persönlichen Bestellung von Mitarbeitern des Vereins als Vereins- oder Ersatzvormund. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er bis heute genügend Zeit gehabt, eine entsprechende Regelung im Gesetz zu verankern.
Da keine andere als Vormund geeignete Person vorhanden ist, liegen die Voraussetzungen des § 1889 Abs. 2 S. 1 BGB nicht vor.
c) Der Anregung des Jugendamts Nürnberg vom 10.12.2015 auf Bestellung der Mitarbeiterin des Vereins … wurde im richterlichen Beschluss vom 12.01.2016 so nicht gefolgt. Die damals zuständige Richterin bestellte als Vormund den Verein … als Vereinsvormund. An dieser Rechtsauffassung und Rechtslage hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt nichts geändert. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Verein bereits bei seiner Bestellung mit Beschluss vom 12.01.2016 die Möglichkeit gehabt hätte, Rechtsmittel gegen seine Bestellung einzulegen. Davon wurde kein Gebrauch gemacht. Vielmehr wurde die Vormundschaft nunmehr ein Jahr durch den Verein als solchen geführt.
Von der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung des Mündels nach § 159 FamFG wurde abgesehen, da aufgrund der o.g. Schilderung eine Auswechslung nicht möglich ist.
Der Antrag des Vereins … auf Entlassung des Vereins und Bestellung jeweils einer seiner Mitarbeiterinnen zum Vereins- und Ersatzvormund war somit zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

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