Europarecht

Voraussetzungen einer wirksamen Verlängerung der Überstellungsfrist

Aktenzeichen  13a B 19.50029

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 38920
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 5, Art. 13 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, Art. 29 Abs. 2 S. 2
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Für eine Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf höchstens achtzehn Monate genügt es, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt. (Rn. 28 – 32)

Verfahrensgang

B 6 K 17.50305 2018-05-02 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 2. Mai 2018 wird der Bescheid des Bundesamts für … vom 9. März 2017 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts vom 9. März 2017, wenn es um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31 – Dublin III-VO) geht (BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16.18 – NVwZ 2019, 304 = juris Rn. 13; U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625 = juris Rn. 15; U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – BVerwGE 153, 162 = NVwZ 2016, 154 noch zur Dublin II-VO; BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.50003 – ZAR 2017, 472 LS = juris Rn. 17).
Dem Kläger fehlt für den von ihm geltend gemachten Ablauf der Überstellungsfrist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht das für die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO möglicherweise verletzte subjektive Recht. Noch unter der Geltung der Dublin II-VO ging der Gerichtshof der Europäischen Union davon aus, dass sämtliche nicht grundrechtlich aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich regelmäßig nicht durchgesetzt werden konnten (U.v. 10.12.2013, Rs. C-394/12 ; hierzu Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 29 AsylG Rn. 31 ff.). Unter der Geltung der Dublin III-VO hat der Gerichtshof der Europäischen Union allerdings entschieden, dass sich der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Verordnung Nr. 604/2013 nicht darauf beschränkt hat, organisatorische Regeln nur für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu normieren, um den zuständigen Mitgliedstaat bestimmen zu können, sondern sich dafür entschieden hat, die Asylbewerber an diesem Verfahren zu beteiligen, indem er die Mitgliedstaaten dazu verpflichtete, die Asylbewerber über die Zuständigkeitskriterien zu unterrichten, ihnen Gelegenheit zur Mitteilung der Informationen zu geben, die die fehlerfreie Anwendung dieser Kriterien erlauben, und ihnen einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die am Ende des Verfahrens möglicherweise ergehende Überstellungsentscheidung zu gewährleisten, so dass ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums geltend machen kann (U.v. 7.6.2016 – Rs. C-63/15 ; U.v. 7.6.2016 – Rs. C-155/15 ). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung mit Urteil vom 9. August 2016 angeschlossen (1 C 6.16 – BVerwGE 156, 9 = juris Rn. 22), so dass die Fristenregelungen der Dublin III-VO, insbesondere die Wiederaufnahme- und Überstellungsfristen grundsätzlich individualschützend sind. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat seine Rechtsauffassung im Urteil vom 26. Juli 2017 (Rs C-670/16 ) bestätigt, wonach der Asylbewerber sich auf den Ablauf von Fristen nach der Dublin III-VO berufen kann, selbst wenn der angefragte Mitgliedstaat weiterhin zur Übernahme bereit ist. Ausdrücklich zu Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass das angerufene Gericht das Vorbringen einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, prüfen können muss, wonach diese Entscheidung unter Verletzung der Bestimmungen in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO ergangen sei, weil der ersuchende Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung wegen des vorherigen Ablaufs der in Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO festgelegten Frist von sechs Monaten bereits zum zuständigen Mitgliedstaat geworden sei (U.v. 19.3.2019 – Rs. C-163/17 – juris Rn. 67 unter Hinweis auf U.v. 25.10.2017 – Rs. C-201/16 ).
II.
Die Klage ist auch begründet. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist der Bescheid des Bundesamts vom 9. März 2017 rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Ursprünglich war Kroatien wegen des illegalen Grenzübertritts des Klägers nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Das aufgrund der Eurodac-Treffer-Meldung der Kategorie 2 vom 30. September 2016 gestellte Wiederaufnahmegesuch vom 25. November 2016 bei den kroatischen Behörden wahrte die Zweimonatsfrist des Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO, so dass kein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO erfolgte.
2. Allerdings ist die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags des Klägers auf internationalen Schutz auf die Beklagte aufgrund des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO übergegangen.
Nach Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinn von Art. 18 Abs. 1 Buchst. c oder d Dublin III-VO aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über.
Damit ist die Überstellungsfrist von sechs Monaten erstmals mit der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die kroatischen Behörden am 24. Januar 2017 in Lauf gesetzt worden, die ursprünglich am 24. Juli 2017 geendet hätte. Die so in Lauf gesetzte Überstellungsfrist wurde aber durch den fristgemäß gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung vom 20. März 2017 – der kraft Gesetzes ein Überstellungsverbot auslöst (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Satz 2 Dublin III-VO) -, unterbrochen (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO). Mit Ergehen der ablehnenden gerichtlichen Eilentscheidung vom 12. April 2017 wurde die sechsmonatige Überstellungsfrist erneut in Gang gesetzt (vgl. BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16.18 – NVwZ 2019, 304 = juris Rn. 17; U.v. 26.5.2016 – 1 C 15.15 – NVwZ 2016, 1185 = juris Rn. 11; B.v. 27.4.2016 – 1 C 22.15 – Asylmagazin 2016, 266 = juris Rn. 22), so dass sie bis zum 12. Oktober 2017 lief.
Die vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Januar 2018 angeordnete aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung konnte die Überstellungsfrist nicht nochmals unterbrechen, da diese zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Beschlusses des Senats vom 17. August 2018 (Az. 13a AS 18.50050 – juris).
3. Die sechsmonatige Überstellungsfrist war durch das Bundesamt mit dem Fax vom 27. Juni 2017 an Kroatien mit der Mitteilung allein des Flüchtigseins des Klägers nicht auf 18 Monate verlängert worden. Vielmehr hätte neben dem Umstand des „Flüchtigseins“ zugleich die neue, maximal 18 Monate umfassende Frist mitgeteilt werden müssen.
Die sechsmonatige Überstellungsfrist kann nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.
Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Abl. L 2014, S. 39/1 – DurchführungsVO) unterrichtet ein Mitgliedstaat, der aus einem der in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, vornehmen kann, den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist. Ansonsten fallen nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 DurchführungsVO die Zuständigkeit für die Behandlung des Antrags auf internationalen Schutz bzw. die sonstigen Verpflichtungen aus der Dublin III-VO gemäß Art. 29 Abs. 2 der Dublin III-VO dem ersuchenden Mitgliedstaat zu.
Die Rechtsfrage, ob es neben der Information des ersuchten Mitgliedstaats über das Flüchtigsein auch einer ausdrücklichen Festlegung der verlängerten Überstellungsfrist bedarf, war bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich geklärt. Umstritten war in der Literatur, ob insoweit im Hinblick auf Art. 9 Abs. 2 DurchführungsVO die bloße Unterrichtung des ersuchten Mitgliedstaates ausreicht (so Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Stand 1.2.2014, Art. 29 K13) oder ob es mit Blick auf Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO einer ausdrücklichen (so Funke-Kaiser in GK-Asyl, Stand Nov. 2013, § 27a AsylG, Rn. 232; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27a AsylVfG/AsylG Rn. 66; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 Rn. 83) oder zumindest einer stillschweigenden (so Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2016, § 29 AsylG Rn. 56) Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten bedarf.
Mit Beschluss vom 15. März 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az. A 11 S 2151/16 – juris) dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung u.a. die Frage vorgelegt, ob Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO dahin auszulegen ist, dass eine Verlängerung der Überstellungsfrist allein dadurch zustande kommt, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der Sechsmonatsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich eine konkrete Frist benennt, die achtzehn Monate nicht übersteigen darf, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird, oder ob eine Verlängerung der Sechsmonatsfrist nur in der Weise möglich ist, dass die beteiligten Mitgliedstaaten einvernehmlich eine verlängerte Frist festlegen. Der Generalanwalt am Gerichtshof der Europäischen Union kam in seinen Schlussanträgen vom 25. Juli 2018 zu dem Ergebnis, dass Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO und Art. 9 Abs. 2 DurchführungsVO dahingehend auszulegen sind, dass eine Verlängerung der Überstellungsfrist allein dadurch zustande kommt, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der Sechsmonatsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich eine konkrete Frist benennt, die achtzehn Monate nicht übersteigen darf, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird. In seinem Urteil vom 19. März 2019 kam der Gerichtshof der Europäischen Union ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO dahin auszulegen ist, dass es für eine Verlängerung der Überstellungsfrist höchstens auf achtzehn Monate genügt, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt (Rs. C-163/17 – juris Rn. 75, Tenor Nr. 2; vgl. auch VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19 – juris Rn. 122).
4. Eine ausdrückliche Mitteilung der neuen, maximal 18 Monate umfassenden Überstellungsfrist konnte auch nicht wegen einer vom Bundesamt mit den kroatischen Behörden geübten Verwaltungspraxis unterbleiben.
Schon nach dem Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO besteht kein Raum für eine von den dort für eine Fristverlängerung geregelten Modalitäten abweichende Verwaltungspraxis. Für den Fall des Flüchtigseins sieht Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO vor, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist auf höchstens achtzehn Monate verlängert werden kann. Ergänzend sieht Art. 9 Abs. 2 Satz 1 DurchführungsVO vor, dass ein Mitgliedstaat, der aus einem der in Art. 29 Absatz 2 Dublin III-VO genannten Gründe die Überstellung nicht innerhalb der üblichen Sechsmonatsfrist vornehmen kann, den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf dieser Frist unterrichtet. Es bedarf also sowohl der Mitteilung, dass die zu überstellende Person flüchtig ist, als auch der Bestimmung der neuen, maximal achtzehn Monate umfassenden Frist. Die von der Beklagten angeführte Verwaltungspraxis würde im Ergebnis dazu führen, dass allein die Mitteilung des Flüchtigseins zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist auf die maximal möglichen achtzehn Monate führen würde. Dies würde aber ignorieren, dass nach der geltenden Fassung des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO mit dem Vorliegen des Tatbestands des Flüchtigseins gerade keine ipso jure eintretende Fristverlängerung auf achtzehn Monate erfolgt, sondern diese eine konstitutive, sowohl das „Ob“ als auch die Länge der Fristverlängerung umfassende ausdrückliche Entscheidung des ersuchenden Mitgliedstaats im Einzelfall voraussetzt. Diese Entscheidung kann aber nicht durch eine bloße Verwaltungspraxis ersetzt werden, zumal die Fristenregelungen zugunsten der betroffenen Asylbewerber ein subjektives Recht beinhalten und auch unter diesem Gesichtspunkt eine ausdrückliche Benennung der verlängerten Überstellungsfrist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
IV.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
V.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben, da die Frage der Modalitäten einer Verlängerung der Überstellungsfrist, insbesondere das Erfordernis Benennung einer neuen Überstellungsfrist bei einem Flüchtigsein, durch den Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. März 2019 (Rs. C-163/17 – juris Rn. 75) hinreichend klar und eindeutig beantwortet worden ist.

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