Europarecht

Widerruf der Waffenbesitzkarten

Aktenzeichen  M 7 K 17.1201

Datum:
13.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
CELEX – , 62018CC0019
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1
SprengG § 8a Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2 S. 1
WaffG § 46 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Für die prognostische Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit iSd § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Indiz für die Zugehörigkeit zur sog. “Reichsbürgerbewegung” ist die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf RuStAG von 1913. Dieses Indiz kann aber durch schlüssiges Vorbringen des Betroffenen entkräftet werden. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts Traunstein vom 14. März 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.
Der Bescheid vom 14. März 2017 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Sowohl der Widerruf der Waffenbesitzkarte für Sportschützen, der Waffenbesitzkarte (Standard) (Nr. 1 des Bescheides) und des Kleinen Waffenscheins (Nr. 2 des Bescheides) gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG als auch der Widerruf der Erlaubnis nach § 27 SprengG gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c SprengG (Nr. 3 des Bescheids) ist rechtswidrig.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – vorliegend die Waffenbesitzkarten nach § 10 Abs. 1 WaffG sowie der Kleine Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c). Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG ist eine Erlaubnis – vorliegend die Erlaubnis nach § 27 SprengG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie explosionsgefährliche Stoffe im Sinne des Sprengstoffgesetzes missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig aufbewahren werden (Buchst. b) oder explosionsgefährliche Stoffe Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach) § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris). Diese Grundsätze gelten ebenfalls für den Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 13).
Der Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes (S. 90) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als organisatorisch und ideologisch äußerst heterogen, zersplittert und vielschichtig. Sie besteht überwiegend aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung, aber auch aus Kleinst- und Kleingruppen, virtuellen Netzwerken und überregional agierenden Personenzusammenschlüssen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 (S. 170 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 171 ff.). Es besteht die Besorgnis, dass die Betroffenen – mitunter massive – Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 93).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Im konkreten Fall rechtfertigen die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, nicht die Annahme, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Eine Prognose, dass der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bzw. § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG beschriebenes Verhalten zeigen wird und somit nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit im waffen- und sprengstoffrechtlichen Sinn verfügt, ist mithin nicht gerechtfertigt.
Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände im konkreten Einzelfall unter Würdigung der Persönlichkeit des Klägers, wie sie in seinen Verhaltensweisen und Einlassungen zum Ausdruck kommt (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2019 – 21 CS 18.701 – juris Rn. 22 f.; B.v. 4.10.2018 – 21 CS 18.264 – juris Rn. 12). In die Gesamtwürdigung sind dabei sowohl die im Verwaltungsverfahren als auch insbesondere die in der mündlichen Verhandlung gemachten Äußerungen des Klägers einzustellen.
Es liegen nach Aktenlage zwar unzweifelhaft mehrere tatsächliche Indizien dafür vor, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat, da er sich mehrfach unter Verwendung reichsbürgertypischer Inhalte gegenüber Behörden geäußert hat.
So spricht im konkreten Fall insbesondere die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf RuStAG von 1913 dafür, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Denn Reichsbürger sind davon überzeugt, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können. Als ersten Schritt zu ihrem vermeintlichen Austritt betrachten sie häufig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises (in der Terminologie der Reichsbürger sog. „gelber Schein“) unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 S. 175). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Zudem hat der Kläger in dem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit als weitere Staatsangehörigkeit „Königreich Bayern seit Geburt erworben durch Abst. gemäß RuStAG Stand 1913 §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)“, angegeben. Dies legt grundsätzlich „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Kläger nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Denn Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und berufen sich hierzu auf „das historische Deutsche Reich“ (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 92 f.). Der Kläger hat hierdurch eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Angabe „Königreich Bayern“ BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 15). Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 sowie mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Königreich Bayern“, hat der Kläger somit nicht nur eine, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise gezeigt, sondern hierdurch zugleich nach außen gegenüber einer Behörde den Eindruck erweckt, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass er die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern durch Abstammung erworben hat. Dies stellt grundsätzlich ebenfalls die Verfolgung eines ideologischen, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typischen Zieles dar. Gleiches gilt hinsichtlich der Schreiben zu den „unvollständigen“ Eintragungen in den EStA-Registerauszügen. Auch handelt es sich bei der Bezeichnung des Staatsangehörigkeitsausweises in der E-Mail vom 29. März 2016 sowie in dem Schreiben vom 5. Dezember 2016 als „gelber Schein“ um eine für die sog. „Reichsbürgerszene“ typische Ausdrucksweise (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 94).
Insbesondere aufgrund der Einlassungen des Klägers sowie seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung sowie des persönlichen Eindrucks, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen hat, sieht das Gericht die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 sowie mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Königreich Bayern“ und den damit in Zusammenhang stehenden Schreiben im konkreten Einzelfall nicht als Ausfluss einer inneren Haltung des Klägers an, die der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzurechnen ist.
Der Kläger und seine Ehefrau haben in der mündlichen Verhandlung insbesondere umfassend und nachvollziehbar die Beweggründe für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises geschildert. Sie haben glaubhaft dargelegt, dass sie diesen nicht anlasslos, sondern vielmehr im Hinblick auf einen konkret beabsichtigten Immobilienerwerb in den USA beantragt haben. Die Ausführungen, dass sie der Tochter ihres Bekannten P.W. nach dessen Tod im Juli 2015 eine dessen Immobilien hätten abkaufen hätten wollen, die Verhandlungen dabei bereits so weit fortgeschritten gewesen seien, dass der Kauf im Rahmen ihres nächsten USA-Besuches Anfang April 2016 hätte vollzogen werden sollen und sie daher, um den Kauf nicht weiter zu verzögern, noch kurz vor ihrer Abreise den Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hätten, waren detailreich, stringent und in sich schlüssig, so dass das Gericht keinen Anlass hat, an deren Richtigkeit zu zweifeln.
Des Weiteren vermochten der Kläger und seine Ehefrau zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft darzutun, dass sie mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises, insbesondere mit den in dem Antrag sowie in dem als Anlage beigefügten Schreiben gemachten Angaben keine weitergehenden (reichsbürgertypischen) Zwecke verfolgt haben. Der Kläger und seine Ehefrau legten diesbezüglich nachvollziehbar dar, dass die von ihnen gemachen Angaben im Antrag auf die verwendete „Ausfüllhilfe“ zurückzuführen sind. Diese hätten sie aus dem Internet heruntergeladen und lediglich deshalb verwendet, da sie mit dem Merkblatt des Bundesverwaltungsamts nicht zurechtgekommen seien. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die „Reichsbürgerszene“ in der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit erst mit den Gewalttaten in Reuden und Georgensgmünd im August und Oktober 2016 maßgeblich Beachtung gefunden hat, sowie unter Berücksichtigung des Bildungsgrades des Klägers (Disponent) und seiner Ehefrau (diplomierte Bankbetriebswirtin) erscheinen die Ausführungen, dass sie den Inhalt der „Ausfüllhilfe“ nicht hinterfragt hätten, zumal sie sich zu diesem Zeitpunkt mit der Thematik der „Reichsbürgerszene“ nicht näher beschäftigt hätten und zudem davon ausgegangen seien, dass sie vom Landratsamt darauf hingewiesen worden wären, wenn „mit dem Antrag etwas nicht gestimmt hätte“, in sich schlüssig. Insbesondere ist vor diesem Hintergrund auch die Erklärung der Ehefrau des Klägers plausibel, dass sie keine Bedenken hinsichtlich des Satzes, dass das Siegel auf dem Staatsangehörigkeitsausweis auf 12:00 Uhr auszurichten sei, gehabt habe, da sie es von ihrer Arbeit in der Bank kenne, dass auf Bestätigungsvermerken gewisse Vorgaben zu beachten seien. Weiterhin hat der Kläger bzw. seine Ehefrau glaubhaft dargelegt, dass auch das Schreiben vom 26. Juli 2016 zur Ergänzung der Registereinträge und der diesbezügliche E-Mail-Verkehr sich als Folge der verwendeten Ausfüllhilfe darstellen, deren reichsbürgertypischen Hintergrund sie damals nicht erkannt hätten. Sie hätten der Ausfüllhilfe entnommen, dass der Eintrag („erworben durch“) im EStA-Register wichtig sei.
Soweit in dem Schreiben der Eheleute vom 5. Dezember 2016 an das Landratsamt (im Rahmen der Anhörung) Elemente enthalten sind, die sich als reichsbürgertypisch darstellen, konnten sie in der mündlichen Verhandlung nach Überzeugung des Gerichts glaubhaft darlegen, dass diesen eine andere Motivation zugrunde lag, so dass auch die damit verbundene Indizwirkung als widerlegt anzusehen ist.
So legten der Kläger und seine Ehefrau in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dar, dass sie mit dem Hinweis auf den Inhalt der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, den sie nach ihrer Erinnerung formuliert hätten, nicht die für die „Reichsbürgerszene“ typische Rechtfertigung zum Ausdruck bringen wollten, der Staatsangehörigkeitsausweis werde benötigt, da die Ausweisdokumente der Bundesrepublik Deutschland keinen Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit darstellen würden (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017 des Bundes, S. 93 f.). Vielmehr schilderten diese in sich schlüssig, dass sie davon Kenntnis erlangt hätten, dass für die Heirat eines deutschen Staatsangehörigen in Italien ein Staatsangehörigkeitsausweis erforderlich sei, woraufhin sie auf der Homepage des „Bayerischen Innenministeriums“ recherchiert und die im Schreiben vom 5. Dezember 2016 angeführte Information gefunden hätten. Diese hätte sich mit den Aussagen ihres in den USA lebenden Freundes P. W. gedeckt und sie daher in ihrer Auffassung bestärkt, dass sie für den beabsichtigten Immobilienerwerb in den USA einen Staatsangehörigkeitsausweis benötigen würden. In diesem Zusammenhang findet sich die Passage auch in dem Schreiben vom 5. Dezember 2016.
Zudem schilderten der Kläger und seine Ehefrau nachvollziehbar ihre Motivation hinter den Angaben in dem Schreiben vom 5. Dezember 2016, wonach sie die Bezugnahme auf 1914 bei dem Ausfüllen des Antrags für den Staatsangehörigkeitsausweis insbesondere deshalb gemacht hätten, da sie keinerlei Interesse daran gehabt hätten, in „irgendeinem ‚Nazideutsche‘-Topf zu landen“ sowie, dass es ihnen wichtig gewesen sei, nicht „auf den Rechtsstand 1937 und einhergehend mit dem Nazistempel versehen zu werden, was wohl gerade durch das Landratsamt geschehe“. Die Einlassungen des Klägers und seiner Ehefrau hierzu in der mündlichen Verhandlung sind nach Auffassung des Gerichts in ihrer Gesamtheit dahingehend zu verstehen, dass diese mit diesen Äußerungen zum Ausdrucken bringen wollten, dass sie nicht in die Nähe des Nationalsozialismus gestellt werden wollten. Dies bezog sich zum einen auf die Bezugnahme auf 1914 (anstelle des „Rechtsstands 1937“ – sie hätten auch ein diesbezügliches Antragsformular gefunden) bei der Antragstellung für den Staatsangehörigkeitsausweis und zum anderen auf den ihnen gemachten Vorwurf der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung, wie sie es dem Anhörungsschreiben des Landratsamts vom 21. bzw. 29. November 2016 entnommen haben. Die Ehefrau des Klägers hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass für sie der Begriff Reichsbürger mit der „Nazizeit“ zu tun habe. Sie ordnet damit für sich den Begriff der „Reichsbürger“ dem Dritten Reich – Zeit des Nationalsozialismus bzw. Deutsches Reich von 1933 bis 1945 – zu. Die Ehefrau des Klägers, die zudem angegeben hat, sie betrachte die Zeit von 1930 bis 1945 als „Nazizeit“ und sie habe keine vertieften historischen Kenntnisse, führte weiter aus, dass für sie die Reichsbürger „rechts“ und die Nazis auch „sehr rechts“ seien. Sie sei nicht in der Lage, eine Unterscheidung zu treffen. Die Anhänger der Reichsbürgerbewegung, die ausgehend von der Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweise staatenlos zu sein, einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen, beziehen sich jedoch auf den Rechtsstand des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes des Deutschen Kaiserreiches von 1913 (§ 1: Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat §§ 3 bis 32 oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit [§§ 3 bis 35] besitzt; vgl. auch Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 175). Der Rechtsstand ab dem Jahr 1934 wird von diesem Personenkreis deshalb abgelehnt, weil damit die eigenständige Staatsangehörigkeit der deutschen Gliedstaaten sowie die Definition des „Deutschen“ durch Einführung einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit abgeschafft wurde (vgl. § 1 der Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934). Die Einlassungen des Klägers und seiner Ehefrau vermitteln daher insgesamt den Eindruck, dass ihnen die Hintergründe der diesbezüglichen Ideologie (Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, Berufung auf den Rechtsstand zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs) nicht bekannt sind bzw. waren.
Weiterhin vermochte die Ehefrau des Klägers in sich stimmig zu erläutern, weshalb sie in dem Schreiben vom 5. Dezember 2016 – trotz des Antwortschreibens des Landratsamts vom 28. Juli 2016 – nochmals angeführt hat, dass ihnen bis heute nicht klar sei, warum keine antragsgemäße Eintragung im EStA-Register vorgenommen worden sei. So gab sie an, dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Eintragungen im EStA-Register inhaltlich egal gewesen seien, es habe sie aber „gewurmt“, dass sie keine Antwort erhalten habe in dem Sinne, dass sie das ihr gegenüber in dem Gespräch vom 23. März 2016 erwähnte Urteil des VG Augsburg bis dahin nicht habe erhalten können, da das VG Augsburg das Aktenzeichen hierzu verlangt habe, ihr dieses jedoch nicht bekannt gewesen sei. Für sie habe es sich um eine Möglichkeit gehandelt diesbezüglich nochmals nachzufragen.
Soweit der Kläger und seine Ehefrau in dem Schreiben vom 5. Dezember 2016 den Staatsangehörigkeitsausweis als „gelben Schein“ bezeichnet haben, wurde diesbezüglich bereits mit Schriftsatz vom 15. Mai 2017 im Verfahren M 7 S 17.1331 dargelegt, dass das Landratsamt gegenüber einem Nachbarn diesen ebenfalls als „gelben Schein“ bezeichnet habe. Der Nachbar habe als in den neuen Bundesländern Geborener den Staatsangehörigkeitsausweis zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit „Bundesrepublik Deutschland und nicht DDR“ beantragt. Dieser sei bei der Vorlage seiner in der DDR ausgestellten Papiere darauf hingewiesen worden, dass er schon einen „gelben Schein“ habe, da diese ebenfalls auf „gelben Papier“ gedruckt seien. Aufgrund dessen hätten sie den Begriff „gelber Schein“ nicht näher hinterfragt.
Schließlich erklärten der Kläger und seine Ehefrau in der mündlichen Verhandlung, dass sie sich mittlerweile mit der Thematik „Reichsbürger“ näher beschäftigt hätten und es nunmehr im Nachhinein bereuen würden, die Angaben der „Ausfüllhilfe“ nicht näher hinterfragt zu haben. Zudem räumten sie ein, dass ihre getätigten Aussagen reichsbürgertypisch seien und bedauerten, dass sie im Nachhinein daran nichts mehr ändern könnten. Sie distanzierten sich ausdrücklich von dieser Bewegung.
Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere unter Würdigung der Persönlichkeit des Klägers, ist nach Auffassung der Kammer aufgrund der vorliegenden Tatsachen noch nicht die Annahme der waffen- und sprengstoffrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bzw. § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG gerechtfertigt.
Soweit damit der Widerruf der Waffenbesitzkarte für Sportschützen, der Waffenbesitzkarte (Standard), des Kleinen Waffenscheins der Erlaubnis nach § 27 SprengG rechtswidrig ist, folgt hieraus zugleich, dass auch die weiteren Anordnungen des streitgegenständlichen Bescheids keinen Bestand haben können, da es sich bei diesen um Folgeentscheidungen zum Widerruf handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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