Aktenzeichen B 1 K 18.1147
Leitsatz
1. Nach dem Waffengesetz soll das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten und nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, denn im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab, so dass die Behörde grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken darf, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die gesetzliche Regelvermutung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die unsorgfältige Aufbewahrung von Waffen oder Munition, sofern es sich nicht um einen Bagatellverstoß handelt, rechtfertigt eo ipso die Annahme der Unzuverlässigkeit, wenn diese nicht im Einzelfall aufgrund entgegenstehender Tatsachen entkräftet wird. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
II.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klage bereits deshalb unzulässig ist, weil nicht die nach § 82 VwGO erforderlichen Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (Zustellungen durch das Gericht an den Kläger unter der von ihm angegebenen Adresse waren nicht durchführbar und auch ein Zustellungsbevollmächtigter wurde nicht benannt), da die Klage jedenfalls unbegründet ist.
III.
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis findet seine Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach hat die zuständige Behörde eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend also die Waffenbesitzkarte (vgl. § 10 Abs. 1 WaffG), zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis ist zu versagen, wenn eine Person nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG i.V.m. § 5 WaffG. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Im Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geht es um die auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758, S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51). Nach dem Waffengesetz soll das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten und nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr. BVerwG, vgl. B.v. 31.01.2008 – 6 B 4/08, B.v. 02.11.1994 – 1 B 215/93 – beide juris). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 02.11.1994 – 1 B 215.93 – juris). Im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 05.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11).
Die Tatsachen, die vom Gericht der Entscheidung zugrunde zu legen waren, rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger jedenfalls nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG verfügt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab. Die Behörde darf dabei grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (vgl. BVerwG, B. v. 22.4.1992 – 1 B 61/92 – juris Rn. 6). Die Vermutungsregelung setzt zudem nicht voraus, dass außer der Verurteilung weitere nachteilige Umstände über den Waffenbesitzer bekannt geworden sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.1991 – 1 CB 24/91 – juris Rn. 7). Ebenso wenig kommt es auf einen Bezug zum Umgang mit Waffen an (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12.08 – juris Rn. 5). Vielmehr wird die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nicht nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe bzw. auf die Anzahl der rechtskräftigen Verurteilungen, abgestellt.
Gegen den Kläger wurde am 12. Januar 2015 (rechtskräftig seit dem 7. Mai 2016) wegen Beleidigung in 2 tateinheitlichen Fällen eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 EUR verhängt und am 28. September 2017 (rechtskräftig seit dem 6. Oktober 2017) wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25 EUR. Die Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG sind somit erfüllt. Seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung sind 5 Jahre noch nicht verstrichen.
Zudem besitzt der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit deshalb nicht, da die Waffen nicht sorgfältig verwahrt werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG).
Nach § 36 WaffG muss der Besitzer von Waffen oder Munition die nötigen Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Schon ein einmaliger Verstoß gegen diese Aufbewahrungspflichten kann die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen, denn bereits eine nur kurzfristige Nachlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen kann genügen, um diese Gegenstände in die Hände Nichtberechtigter gelangen zu lassen. Die unsorgfältige Aufbewahrung von Waffen oder Munition, sofern es sich nicht um einen Bagatellverstoß handelt, rechtfertigt eo ipso die Annahme der Unzuverlässigkeit, wenn diese nicht im Einzelfall aufgrund entgegenstehender Tatsachen entkräftet wird (VG Bayreuth, B.v. 07.04.2014 – B 1 S 14.145 – juris Rn. 42 – 44). Der Kläger bewohnt das Haus, in dem er seine Waffen aufbewahrt, offensichtlich nicht. Zustellungen an diese Adresse können ihn nicht erreichen. Für einen seiner Waffenschränke ist der Schlüssel nicht mehr auffindbar. Unberechtigte Dritte könnten jederzeit in das Anwesen eindringen und unbemerkt die Waffen entwenden.
2. Auch die unter Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Anordnung erweist sich als rechtmäßig. Sie entspricht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, wonach die zuständige Behörde u.a. bei demjenigen, der – wie hier – auf Grund einer Erlaubnis, die widerrufen worden ist, Waffen und Munition erworben oder befugt besessen hat und sie noch besitzt, anordnet, dass er binnen angemessener Frist die Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt. Insbesondere ist die eingeräumte Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids ausreichend und angemessen.
3. Die Verfügung unter Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat der Inhaber alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde der Behörde unverzüglich zurückzugeben, wenn – wie hier – Erlaubnisse nach diesem Gesetz zurückgenommen oder widerrufen werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass ungültig gewordene Erlaubnisurkunden im Rechtsverkehr missbräuchlich verwendet werden. Die vom Landratsamt K* … unter Ziffer II des Bescheids getroffene Nebenentscheidung geht ihrem Inhalt nach nicht über die nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG eröffneten Befugnisse hinaus. Auch die Fristsetzung von einem Monat ab Zustellung des Bescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
4. Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer IV des Bescheids ist rechtmäßig. Neben dem Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 VwZVG) sind die Voraussetzungen des Art. 36 VwZVG erfüllt, wobei die gesetzte Frist i.S.v. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zumutbar ist. Die Höhe des Zwangsgeldes begegnet ebenfalls keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Sie bewegt sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensbetätigung sind nicht ersichtlich
5. Die festgesetzte Gebühr von 80 EUR (Ziffer VII) ist rechtmäßig. Nach Tarif-Nr. 2.II.7 Tarif-Stelle 39 des Kostenverzeichnisses kann für die Rücknahme oder den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 WaffG das Doppelte der Höhe der Gebühr, die für die Vornahme der widerrufenen oder zurückgenommenen Amtshandlung vorgesehen ist, angesetzt werden (somit 2 mal 40 EUR nach Tarif-Nr. 2.II.7 Tarif-Stelle 7.3).
IV.
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.