Aktenzeichen B 6 K 18.451
VwGO § 82 Abs. 1 u. Abs. 2
Dublin-III-VO Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, Art. 22 Abs. 7
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO).
2. Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie unzulässig ist.
a) Die Klage ist unzulässig geworden, weil die anwaltlich vertretene Klägerin trotz Aufforderung mit Fristsetzung keine aktuelle ladungsfähige Anschrift angegeben hat.
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der genannten Erfordernisse fehlt (§ 82 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwGO).
Der Kläger ist ordnungsgemäß bezeichnet, wenn er seine ladungsfähige Anschrift angegeben hat, d.h. die Adresse, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist. Ändert sie sich im Laufe des Verfahrens, ist die neue Anschrift anzugeben Die Mitteilung der neuen Anschrift ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger durch einen Anwalt vertreten ist und dessen Anschrift bekannt ist. Denn die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift auch eines anwaltlich vertretenen Klägers ist insbesondere wegen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung durch den Prozess entstehender gerichtlicher Kostenforderungen und zur Identifizierung des Klägers geboten (BVerwG, U. v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – NJW 1999, 2608/2609f.).
Das Erfordernis, dem Gericht seinen Namen und seine Anschrift preiszugeben, ist mit dem aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Gebot vereinbar, dem Rechtsschutzsuchenden den Zugang zu den Gerichten nicht unnötig zu erschweren. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist jedoch unter Berücksichtigung dieses Grundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Deshalb muss die Anschrift dann nicht vom Kläger mitgeteilt werden, wenn sie sich aus den von der Behörde vorzulegenden Akten ergibt, sonst wie bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln lässt. Außerdem entfällt die Pflicht, die Adresse zu nennen, wenn ihre Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist, z.B. wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. In diesen Ausnahmefällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgeblichen Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise sie auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann (BVerwG, NJW 1999, 2608/2610f.).
Ist die Anschrift des Klägers nicht bekannt, ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 82 Abs. 2 VwGO in eindeutiger Weise aufzufordern, seine Angaben innerhalb einer bestimmten Frist zu ergänzen. Gleiches gilt, wenn sich die Anschrift während des Verfahrens ändert, damit die Sachentscheidungsvoraussetzung der aktuellen ladungsfähigen Anschrift zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vorliegt. Liegt keine der genannten Ausnahmen vor und nennt der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der dazu schon aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 und 3 VwGO verpflichtet ist, die neue Anschrift ohne triftigen Grund nicht, ist die Klage unzulässig (BVerwG, NJW 1999, 2608/2611).
Legt man diese Grundsätze zugrunde, ist die Anschrift der Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht in einer den Anforderungen von § 82 Abs. 1 VwGO genügenden Weise angegeben.
An der Angabe einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift der Klägerin fehlt es, seit die Klägerin am 11.06.2018 nach Italien abgeschoben worden ist.
Auf die Mitteilung der Adresse durch den Kläger konnte auch nicht verzichtet werden, weil sie über den Beklagten zu ermitteln war. Entgegen dem Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten ist sie auch dem Beklagten nicht bekannt. Denn der Beklagte konnte auf Nachfrage des Gerichts lediglich mitteilen, die Klägerin sei nach Turin abgeschoben worden.
Die Angabe der Anschrift war auch nicht unmöglich oder unzumutbar.
Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend gemacht, der Beklagte habe durch die Überstellung nach Italien dafür gesorgt, dass er mit seiner nur Somalisch sprechenden Mandantin keinen Kontakt mehr aufnehmen könne. Durch den Transfer der Klägerin nach Italien ist er aber von seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nicht frei geworden. Zum einen oblag es ihm unter Mitwirkung eines als Dolmetscher fungierenden Landsmanns mit der Klägerin über Telefon oder die sozialen Medien Kontakt aufzunehmen. Die Sprachbarriere durch Einschaltung sprachkundiger Landsleute zu überwinden, mag zwar nicht immer einfach sein, ist aber bei Gesprächen mit ausländischen Mandanten im Aufenthalts- und Asylrecht gängige anwaltliche Praxis. Zum anderen hätte er versuchen können, die aktuelle Anschrift über ihren nach seinen Angaben in … lebenden Mann zu ermitteln. Anstatt vorzutragen, was er in dieser Richtung und sei es auch erfolglos unternommen hat, hat sich der Prozessbevollmächtigte aber darauf beschränkt, den Beklagen dafür verantwortlich zu machen, dass er mit der Klägerin nicht kommunizieren könne und verlangt, der Beklagte müsse die aktuelle Anschrift wissen und angeben.
b) Die Klage ist weiter unzulässig, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
aa) Im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann ursprünglich gegeben gewesen sein, dann aber im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen sein, wenn konkrete Anlasspunkte den sicheren Schluss zulassen, dass dem rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten an einer Sachentscheidung des Gerichts in Wahrheit nicht mehr gelegen ist (BVerfG, B. v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – InfAuslR 1999, 41/43).
Hinreichender Anlass, von einem nicht mehr bestehenden Rechtsschutzinteresse auszugehen, besteht insbesondere auch dann, wenn ein Ausländer, der das Bundesgebiet zwangsweise verlassen musste, sich weder gegenüber dem Gericht von sich aus geäußert hat, ob er das Verfahren vom Heimatland oder von dem Land in das er im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens überstellt wurde, weiterbetreiben will, noch zumindest eine aktuelle ladungsfähige Anschrift im Heimatland selbst mitgeteilt hat oder durch einen für den Prozess Bevollmächtigten hat mitteilen lassen (vgl. dazu BayVGH, B. v. 23.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris Rn.4).
Die Klägerin hat sich weder gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten noch gegenüber dem Gericht geäußert, ob sie das Verfahren von Italien aus weiterbetreiben will. Deshalb hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Klägerin an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist.
bb) Darüber hinaus besteht auch deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Aufhebung der Verpflichtung in der Ausreiseeinrichtung zu wohnen und sich nur im Stadtgebiet … aufhalten zu dürfen, weil sich die Verwaltungsakte erledigt haben.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage besteht nur, wenn sich die Rechtsstellung des Klägers, hat er mit seinem Rechtsbehelf Erfolg, verbessert. Daran fehlt es, wenn er die Aufhebung eines erledigten Verwaltungsaktes begehrt (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53 VwGO Rn.16). Ein Verwaltungsakt erledigt sich dann, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen, oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, U.v.22.08.2017 – 1 A 3/17- InfAuslR 2018, 11/12 Rn.12).
Mit dem Bescheid vom 28.03.2018 ordnete der Beklagte gegenüber der bei Erlass des Bescheides vollziehbar ausreisepflichtigen Klägerin gemäß § 61 Abs. 1e AufenthG an, dass sie ihren Wohnsitz in der Ausreiseeinrichtung … zu nehmen habe und beschränkte ihren Aufenthalt gemäß § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 3 AufenthG auf das Stadtgebiet … Nach der Überstellung der Klägerin nach Italien am 11.06.2018 haben sich diese Verwaltungsakte erledigt, weil die Klägerin das Bundesgebiet zwangsweise auf Dauer verlassen hat und deshalb nicht mehr vollziehbar ausreisepflichtig ist. Außerdem entfalten und die getroffenen Regelungen über ihre Wohnsitznahme und ihren Aufenthalt im Bundesgebiet, seit sie sich im Ausland aufhält, keine rechtlichen Wirkungen mehr. Wird gleichwohl an der Klage festgehalten, ist sie auch aus diesem Grund unzulässig (geworden).
3. Als unterliegender Teil trägt die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.