Europarecht

Zum jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch

Aktenzeichen  12 ZB 14.1839

Datum:
30.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 101788
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB I § 30 Abs. 3 S. 2
SGB XII § 98 Abs. 2
VwGO § 124
SGB VIII § 27, § 33, § 86 Abs. 6, § 89a, § 89c, § 89e

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für den durch § 89a Abs.2 SGB VIII angeordneten Erstattungsdurchgriff ist, dass der kostenerstattungspflichtige Träger selbst einen Kostenerstattungsanspruch gegen einen anderen Träger besitzt, der sich auch aus § 89e Abs. 1 S. 1 SGB VIII ergeben kann. Dabei wird der Schutz der Pflegestellenorte mit dem Schutz der Einrichtungsorte kombiniert und das Entstehen von Kostenerstattungsverhältnissen vermieden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einer Unterbrechung der Einrichtungskette ist jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Übergang von einer Einrichtung in eine andere ohne wesentliche Zwischenaufenthalte erfolgt, bei einer zeitlich befristeten Beurlaubung sowie bei einem Entweichen aus dem Heim, bei dem alsbald eine Rückführung erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 3 K 11.1851 2014-07-15 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, selbst.
IV. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 30.846,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Jugendhilfekosten, die der Kläger für die Unterbringung des Sohnes M.R. der Hilfeempfängerin Y.R. in Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2008 und dem 29. Februar 2012 aufgewandt hat.
I.
Der Beigeladene zu 3. bewilligte der Hilfeempfängerin Y.R. ab dem 31. Oktober 2002 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII für ihren am 24. Mai 1999 geborenen Sohn M.. Seit dem 20. Februar 2003 ist dieser bei einer Pflegefamilie im Zuständigkeitsbereich des Klägers untergebracht. Nachdem Y.R. im Juni 2004 in S. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte, erkannte der Beklagte gegenüber dem Beigeladenen zu 3. eine Kostenerstattungspflicht nach § 89c SGB VIII an. In der Folge übernahm der Kläger als nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordener Jugendhilfeträger ab 1. Mai 2005 den Jugendhilfefall. Daraufhin erteilte der Beklagte auch dem Kläger mit Schreiben vom 8. April 2005 ab dem Zeitpunkt der Fallübernahme eine Kostenzusage nach § 89a SGB VIII, die er allerdings mit Schreiben vom 3. Januar 2008 widerrief, da nach seiner Ansicht die Hilfeempfängerin Y.R. ab 1. September 2007 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in N. (Sachsen) begründet hatte. Mit Email vom 1. Juli 2008 erneuerte er indes die Kostenzusage gegenüber dem Kläger ab dem 1. September 2007 auf der Grundlage von § 89e SGB VIII. Schließlich widerrief der Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2009 nochmals sowohl die Kostenzusage vom 8. April 2005 wie auch diejenige vom 1. Juli 2008 nunmehr mit Wirkung ab dem 23. Mai 2006. Aufgrund neuerer Erkenntnisse gehe das Kreisjugendamt davon aus, dass der Beklagte infolge des Wegzugs von Y.R. aus S. ab dem genannten Zeitpunkt nicht mehr örtlich zuständig gewesen sei. Gleichzeitig wurde um Rückerstattung bereits erstatteter Jugendhilfekosten in Höhe von 16.599,10 EUR gebeten.
Während des maßgeblichen Zeitraums der Unterbringung von M.R. in einer Pflegefamilie hatte sein nichtsorgeberechtigter Vater seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der kreisfreien Stadt P.. Die Kindsmutter Y.R., die an einer psychischen Erkrankung litt und unter Betreuung stand, verließ die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten W. seit Juni 2004 bewohnte Wohnung in S. (im Zuständigkeitsbereich des Beklagten) nach einem Streit unter Mitnahme einiger persönlicher Gegenstände am 2. Mai 2006 und begab sich zunächst zu ihren Eltern, deren Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 3. lag. In der Folge wurde sie am 9. Mai 2006 in das Bezirkskrankenhaus der kreisfreien Stadt K., in unmittelbarer Nähe des Wohnortes in S., aufgenommen und dort am 23. Mai 2006 entlassen. Daraufhin begab sie sich zunächst nach A. (Landkreis B., Beigeladener zu 2.), wo sie erneut in ein Krankenhaus aufgenommen wurde, von dem aus sie am 1. Juni 2006 in eine Klinik in P. (Bereich des Klägers) wechselte. Anschließend war sie vom 30. Oktober 2006 bis 23. April 2007 vollstationär in einer Klinik in F. (Landkreis Mittelsachsen) untergebracht. Nachdem sie am 23. April 2007 erneut in die Klinik nach P. verlegt worden war, entwich sie dort am 25. April 2007 und wurde am Folgetag aufgegriffen und in eine Klinik in Dresden eingeliefert. Am 27. April 2007 erfolgte die Aufnahme in eine Klinik in G. (Landkreis Mittelsachsen). Danach zog Y.R. am 1. September 2007 in ein Wohnheim in N. (Bereich des Klägers), begab sich am 24. Oktober 2007 in ein Kinder-, Jugend- und Familienhaus in W. (Landkreis Görlitz) und wurde schließlich ab August 2008 dauerhaft in einer sozialtherapeutischen Wohnstätte für chronisch psychisch Kranke in H. im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 2. untergebracht.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2011 machte der Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg gegenüber dem Beklagten die Erstattung der für M.R. im Zeitraum Juli 2008 bis einschließlich Dezember 2011 aufgewandten Jugendhilfekosten geltend, zusätzlich einen Erstattungsanspruch in Höhe eines Drittels der in diesem Zeitraum angefallenen Kosten wegen pflichtwidrigen Handelns nach § 89c Abs. 2 SGB VIII. In der Folge erweiterte der Kläger die Klage auf den Zeitraum bis einschließlich Februar 2012.
Das Verwaltungsgericht gab – nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Lebensgefährten W. und des Betreuers R. der Hilfeempfängerin Y.R. am 25. März 2014 und der Hilfeempfängerin Y.R. selbst durch das Verwaltungsgericht Dresden am 24. April 2014 – der Klage auf Kostenerstattung mit Urteil vom 15. Juli 2014 statt, lehnte jedoch zugleich den Anspruch auf zusätzliche Erstattungsleistungen nach § 89c Abs. 2 SGB VIII ab. Grundlage des Erstattungsanspruchs bilde § 89a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VIII in Verbindung mit § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Die Hilfeempfängerin Y.R. habe vor ihrer erstmaligen Aufnahme in eine Einrichtung im Sinne von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII – nämlich der Aufnahme in das Bezirkskrankenhaus K. am 9. Mai 2006 – ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bei ihrem damaligen Lebensgefährten W. in S. und damit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt und diesen mit dem Verlassen der Wohnung nach dem Streit am 2. Mai 2006 nicht aufgegeben. Beginnend mit der Aufnahme in das Bezirkskrankenhaus K. habe sich Y.R. stets in Einrichtungen im Sinne von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgehalten, sodass der sog. Schutz der Einrichtungsorte eingegriffen habe und die Zuständigkeit für den Jugendhilfefall beim Beklagten geblieben sei. Ferner habe das eintägige Entweichen aus der Klinik in P. die Einrichtungskette nicht unterbrochen. Aus § 89a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VIII ergebe sich mithin ein Durchgriffsanspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Erstattung der aufgewandten und in der Höhe nicht bestrittenen Jugendhilfekosten. Demgegenüber lägen die Voraussetzungen für eine zusätzliche Erstattungszahlung gem. § 89c Abs. 2 SGB VIII nicht vor.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz zu Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts und das Vorliegen von Verfahrensfehlern geltend macht.
Der Kläger sowie die Beigeladenen zu 2. und 3. sind dem Zulassungsantrag jeweils entgegengetreten und verteidigen das streitbefangene Urteil.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, jedoch in der Sache unbegründet, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht eingreifen.
1. Das streitgegenständliche Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Juli 2014 (Az.: Au 3 K 11.1851) begegnet, jedenfalls im Ergebnis, keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
1.1 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bildet Ausgangspunkt des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nicht die Regelung des § 89a Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Nach dieser Bestimmung träfe im Rahmen des sog. Schutzes der Pflegestellenorte denjenigen Träger, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre, die Pflicht zur Erstattung der Kosten einer Jugendhilfemaßnahme, die ein anderer örtlicher Träger auf Grund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewandt hat. Geregelt wird damit die Kostenerstattung im Fall des (unmittelbaren) Wechsels der örtlichen Zuständigkeit zum Jugendhilfeträger des Pflegestättenorts nach § 86 Abs. 6 SGB VIII, der im vorliegenden Fall im Mai 2005 nach zweijähriger Dauer des Pflegeverhältnisses von M.R. bei der Pflegefamilie H., die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers hatte, stattfand (vgl. hierzu Loos in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 89a Rn. 3; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand März 2013, § 89a SGB VIII Rn. 4 ff.; Streichsbier in BeckOK SGB VIII § 89a Rn. 7). Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hat der Beklagte, der ohne die Regelung in § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin Y.R. in seinem Zuständigkeitsbereich für die Erbringung der Hilfemaßnahme örtlich zuständig gewesen wäre, seine Kostenerstattungspflicht ab Mai 2005 auch anerkannt.
Verändert sich hingegen nach Übergang der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII der gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin und damit zugleich die (fiktive) örtliche Zuständigkeit, bildet nunmehr für die Kostenerstattung § 89a Abs. 3 SGB VIII die Grundlage, wonach während der Gewährung der Leistung derjenige örtliche Träger kostenerstattungspflichtig wird, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 VwGO örtlich zuständig geworden wäre. Die Kostenerstattungspflicht im Rahmen des Schutzes der Pflegestellenorte folgt daher der an den gewöhnlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers anknüpfenden fiktiven örtlichen Zuständigkeit (vgl. Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand März 2013, § 89a SGB VIII Rn. 8; Kunkel/Pattar in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 89a Rn. 17 f.; Streichsbier in BeckOK SGB VIII § 89a Rn. 14). § 89a Abs. 3 SGB VIII bildet insoweit eine eigenständige Anspruchsgrundlage.
Auf Kostenerstattungsansprüche nach § 89a Abs. 3 SGB VIII ist ferner § 89a Abs. 2 SGB VIII analog anzuwenden (so BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 5 C 31.12. – NVwZ-RR 2014, 390 LS 1; vgl. Loos in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 89a Rn. 8; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand März 2013, § 89a SGB VIII Rn. 7a, Kunkel/Pattar in Kunkel/Kepert/Patter, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 89a Rn. 12). Besteht für den Jugendhilfeträger des Pflegestellenorts daher während der Erbringung der Vollzeitpflege ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 3 SGB VIII, kann (und muss) er nach § 89a Abs. 2 SGB VIII denjenigen Jugendhilfeträger unmittelbar auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen, der seinerseits dem erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträger erstattungspflichtig ist (sog. Durchgriffserstattung). Im vorliegenden Fall ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch der an sich nach § 89a Abs. 3 SGB VIII dem Kläger aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts von Y.R. kostenerstattungspflichtigen Jugendhilfeträger aus § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Danach ist wiederum derjenige örtliche Träger zur Erstattung von Jugendhilfekosten verpflichtet, in dessen Bereich die Person, von der sich die Zuständigkeit ableitet, vor der Aufnahme in eine Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils richtet und dieser in einer Einrichtung begründet worden ist, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient (sog. Schutz der Einrichtungsorte).
Soweit der Beklagte zum Zulassungsgrund der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sinngemäß vorträgt, die Anwendung von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII im Rahmen von § 89a Abs. 2 SGB VIII (analog) scheide im vorliegenden Fall aus, trifft dies nicht zu. Denn bereits dem Wortlaut der Bestimmung nach ist § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII im Rahmen von § 89a Abs. 2 SGB VIII (analog) anwendbar. So ist Voraussetzung für den durch § 89a Abs. 2 SGB VIII angeordneten Erstattungsdurchgriff, dass der – im vorliegenden Fall nach § 89a Abs. 3 SGB VIII – kostenerstattungspflichtig werdende Träger „selbst einen Kostenerstattungsanspruch gegen einen anderen örtlichen oder überörtlichen Träger“ besitzt. Dieser Erstattungsanspruch, der an den gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin in einer Einrichtung anknüpft, kann sich – wie im streitgegenständlichen Fall – in jedem Fall auch aus § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ergeben (so BVerwG, U.v. 11.12.2003 – 5 C 57.02 – FEVS 55, 289 ff. Rn. 13; BayVGH, U.v. 18.7.2007 – 12 B 06.955 – juris Ls. 2, Rn. 14; VG Minden, U.v. 21.6.2013 – 6 K 1846/12 – juris; Kunkel/Pattar in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016 § 89a Rn. 12). Vorliegend wird daher, ausgehend von § 89a Abs. 3 SGB VIII als eigenständiger Anspruchsgrundlage des Klägers, der Schutz der Pflegestellenorte mit dem Schutz der Einrichtungsorte kombiniert und zugleich der gesetzlichen Intention des § 89a Abs. 2 SGB VIII entsprechend das Entstehen von Kettenerstattungsverhältnissen vermieden.
Der Anwendung von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII im Rahmen von § 89a Abs. 2 SGB VIII analog stehen die vom Beklagten in der Zulassungsbegründung zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 5 C 12.09 – BVerwGE 136, 185 ff. Rn. 29; vorgehend OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 6.6.2008 12 A 576/07 – juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 21.5.2010 – 12 BV 09.1973 – juris Rn. 46) nicht entgegen, da sie, wie der Kläger zu Recht einwendet, anders gelagerte Fallkonstellationen bzw. Erstattungssituationen zum Gegenstand haben. So behandelt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Frage, ob bei einem auf § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegründeten Erstattungsanspruch die Möglichkeit eines „Durchgriffs“ auf einen weiteren erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger besteht, was das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Fehlen einer § 89a Abs. 2 SGB VIII entsprechenden Regelung im Bereich des § 89e SGB VIII ablehnt. Die Möglichkeit des Erstattungsdurchgriffs eröffnet sich allein dem Jugendhilfeträger des Pflegestättenorts. Dass im Rahmen eines auf § 89a Abs. 2 SGB VIII analog gestützten Erstattungsanspruchs § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als eine einen (weiteren) Kostenerstattungsanspruch auslösende Norm nicht zur Anwendung kommen darf, besagt die genannte Entscheidung nicht. Kläger ist im vorliegenden Fall der Jugendhilfeträger des Pflegestättenorts, der sich nach der genannten Entscheidung auf § 89a Abs. 2 SGB VIII gerade berufen kann. Auch aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Mai 2010 (Az. 12 BV 09.1973), das ebenfalls feststellt, dass § 89e Abs. 1 SGB VIII als Anspruchsgrundlage einen Durchgriff auf einen weiteren erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger (im entschiedenen Fall nach § 89c SGB VIII) mangels einer § 89a Abs. 2 SGB VIII entsprechenden Norm nicht vorsieht, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Mithin kann im vorliegenden Fall ausgehend von § 89a Abs. 3 SGB VIII als Anspruchsgrundlage des Klägers der Beklagte unter Anwendung von § 89a Abs. 2 SGB VIII analog und § 89e Abs. 1 Satz 1 auf Kostenerstattung in Anspruch genommen werden, wenn die weiteren Voraussetzungen der Anwendung von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegeben sind.
1.2 Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII setzt zunächst voraus, dass derjenige Elternteil, von dem sich die örtliche Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers ableitet, unmittelbar vor der Aufnahme in eine Einrichtung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers gehabt haben muss, er ihn mithin vor Aufnahme in die Einrichtung nicht aufgegeben haben darf (BVerwG, U.v. 29.9.2010 – 5 C 21.09 – BVerwGE 138, 48 ff. LS. 1, Rn. 18 ff.). An die erste Aufnahme in eine Einrichtung im Sinne des § 89e Abs. 1 S. 1 SGB VIII können sich im Rahmen einer sog. „Einrichtungskette“ weitere Aufenthalte in Einrichtungen anschließen, ohne dass dies die Erstattungsverpflichtung tangieren würde (zur sog. „Einrichtungskette“ im vorliegenden Fall vgl. nachfolgend 1.3). Dass Y.R. im vorliegenden Fall bis zu ihrer Aufnahme in das Bezirkskrankenhaus K. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hatte, hat das Verwaltungsgericht nach entsprechender Beweisaufnahme – nämlich durch Vernehmung des seinerzeitigen Lebensgefährten W. sowie des Betreuers R. der Hilfeempfängerin Y.R. sowie durch Vernehmung von Y.R selbst durch das Verwaltungsgericht Dresden – aufgrund der Umstände des Verlassens der gemeinsamen Wohnung in S. am 2. Mai 2006 bis zur Aufnahme ins Bezirkskrankenhaus K. am 9. Mai 2006 bejaht.
Gegen die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts wendet sich der Beklagte mit „Zweifeln an der Tatsachenfeststellung, die Hilfeempfängerin sei am 2. Mai 2006 nicht endgültig aus der Wohnung ihres Lebensgefährten in S. ausgezogen“. Derartige, die Zulassung der Berufung rechtfertigende Zweifel in tatsächlicher Hinsicht können sich aus einer vom verwaltungsgerichtlichen Urteil abweichenden Beweiswürdigung indes nur dann ergeben, wenn die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist oder aber willkürlich ist. Die bloß abstrakte Möglichkeit einer abweichenden Beweiswürdigung reicht zur Annahme ernsthafter Zweifel hingegen nicht aus (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 124 Rn. 19).
Ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I gibt eine Person regelmäßig dann auf, wenn sie ihren Aufenthaltsort tatsächlich wechselt und die konkreten Umstände erkennen lassen, dass sie am bisherigen Aufenthaltsort nicht mehr bis auf Weiteres verbleiben und nicht mehr den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen haben wird (BVerwG, U.v. 29.9.2010 – 5 C 21.09 – BVerwGE 138, 48 ff. Rn. 22). Daran anknüpfend hat das Verwaltungsgericht den Fortbestand des gewöhnlichen Aufenthalts von Y.R. in S. bis zur Aufnahme ins Bezirkskrankenhaus K. am 9. Mai 2006 trotz des Streits mit ihrem damaligen Lebensgefährten am 1. Mai 2006 und dem Verlassen der gemeinsamen Wohnung am 2. Mai 2006 daraus gefolgert, dass Y.R. aus der gemeinsamen Wohnung „nicht im üblichen Sinne ausgezogen“ sei, sondern diese nach dem Streit mit ihrem Lebensgefährten „spontan verlassen“ habe. Nach ihren eigenen Angaben, sei sie zum damaligen Zeitpunkt „sehr schlecht drauf“ gewesen und habe „einfach nur weg“ gewollt. Sie habe zu diesem Zeitpunkt nicht die Absicht besessen, zu ihren Eltern zu ziehen. Anders als der Lebensgefährte, der am 2. Mai 2006 in der Früh geäußert habe, es wäre besser, wenn sich beide trennen würden, habe Y.R. eine derartige Trennungsabsicht gegenüber dem Lebensgefährten nicht bekundet, sodass letzterer überrascht gewesen sei, dass Y.R. sich am 2. Mai abends nicht mehr in der Wohnung befunden habe. Ferner habe der Lebensgefährte aus dem am gleichen Abend geführten Telefongespräch, bei dem die Klägerin geäußert habe, sie wolle rund drei Wochen bei ihren Eltern bleiben, den Schluss gezogen, dass sie nach diesem Zeitraum wieder in die gemeinsame Wohnung zurückkehren wolle, woraufhin er entgegnet habe, dann könne sie ja gleich bei ihren Eltern bleiben. Weiter habe Y.R. im Rahmen der Zeugenvernehmung durch das Verwaltungsgericht Dresden bekundet, die Entscheidung, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen, sei erst während ihres Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus K. gefallen. Weiter habe die Hilfeempfängerin die gemeinsame Wohnung lediglich mit etlichen persönlichen Gegenständen verlassen und habe sich mit dem Zug zu ihren Eltern begeben. Erst ein Jahr später habe sie ihren Lebensgefährten angerufen und um Übersendung ihrer restlichen, in der Wohnung verbliebenen Sachen gebeten, was dieser daraufhin veranlasst habe (Versendung „mehrerer Pakete mit ihren persönlichen Sachen“). Dies alles lasse den Schluss zu, dass Y.R. am 2. Mai 2006 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in S. trotz des Verlassens der gemeinsamen Wohnung nach einem Streit nicht aufgegeben habe.
Soweit der Beklagte demgegenüber in der Zulassungsbegründung zunächst darauf abstellt, Y.R. habe gegenüber ihrem damaligen Betreuer R. erklärt, dass es in ihrer Partnerschaft schon länger gekriselt habe und dass sie ausziehen wolle, belegt dies nicht, dass dies genau am 2. Mai 2006 erfolgt sein soll. Einen entsprechenden Sachverhalt hat R. im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor dem Verwaltungsgericht gerade nicht bestätigt. Demzufolge ergibt sich aus seiner Aussage auch kein Widerspruch zur Annahme des Verwaltungsgerichts, die Trennung und damit die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in S. sei erst während des Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus K. erfolgt.
Auch die weiter vom Beklagten herangezogenen Zeugenaussagen des Lebensgefährten W. und der Hilfeempfängerin Y.R. widerlegen die Annahme eines fortbestehenden gewöhnlichen Aufenthalts in S. über den 2. Mai 2006 hinaus nicht. Weder die Aussage von W, er habe am Morgen des 2. Mai gegenüber Y.R. geäußert, es wäre besser, dass sie sich trennen würden, noch seine Äußerung im Rahmen des Telefonats am Abend des 2. Mai 2006 belegen eine Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts von Y.R. in S.. Da W. sich bei seiner Rückkehr von der Arbeit am 2. Mai 2006 überrascht zeigte, dass Y.R. nicht mehr in der Wohnung war, hat er jedenfalls seine Äußerung, es wäre besser, man würde sich trennen, nicht dergestalt verstanden, dass Y.R. die Wohnung sofort hätte verlassen solle. Und auch als Y.R. beim abendlichen Telefonat erklärt hatte, sie wolle ca. drei Wochen bei ihrer Mutter bleiben, hat W. sie entgegen der Annahme des Beklagten nicht sofort gewissermaßen „rausgeschmissen“; vielmehr schließt die bekundete Formulierung, dann könne sie auch gleich bei ihren Eltern bleiben, eine Rückkehr von Y.R. entgegen der Annahme des Beklagten nicht aus. Auch die referierte Aussage von Y.R. selbst, sie habe am 2. Mai 2006 gesagt, ich mag nicht mehr, ich pack die Koffer, gebietet nicht zwingend die Annahme, dass mit der Fahrt zu ihren Eltern der Aufenthalt in S. durch einen Auszug endgültig aufgegeben werden sollte, zumal Y.R. im Übrigen bekundet hatte, sich endgültig von W. erst während des Aufenthaltes im Bezirkskrankenhaus K getrennt und am 2. Mai lediglich beabsichtigt zu haben, für drei Wochen zu ihrer Mutter zu fahren. Des Weiteren ist, was der Beklagte bei seiner „Würdigung“ der Zeugenaussagen ausblendet, nach der Aussage des Lebensgefährten W. doch ein erheblicher Anteil der persönlichen Sachen von Y.R. am 2. Mai 2006 nach wie vor in der Wohnung verblieben und erst rd. ein Jahr später von ihm auf deren Anforderung in mehreren Paketen übersandt worden.
Die objektiven Gegebenheiten, auf die der Beklagte bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I maßgeblich abstellen will, lassen folglich durchaus den Schluss auf einen Fortbestand des gewöhnlichen Aufenthalts in S. über den 2. Mai 2006 hinaus zu. Umgekehrt ist die Beweiswürdigung des Beklagten nicht in dem Sinne zwingend, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts denklogisch ausgeschlossen und zugleich seine Beweiswürdigung lückenhaft und nicht nachvollziehbar wäre. Dies gilt auch für die Ansicht des Beklagten, für Y.R. hätte es am 2. Mai 2006 nur die Alternativen „Heirat“ oder „Auszug“ gegeben genauso wie für seine Schlussfolgerung, mit der Abreise am 2. Mai 2006 hätte für Y.R., die nicht Mietpartei der Wohnung in S. gewesen sei, keine Möglichkeit der Rückkehr nach S. bestanden, sodass der gewöhnliche Aufenthalt damit beendet gewesen sei. Derartiges hat W. in seiner Aussage vor dem Verwaltungsgericht indes nicht bekundet.
Mithin hat der Beklagte die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht dergestalt in Zweifel gezogen, dass sich diese als denklogisch ausgeschlossen, widersprüchlich oder lückenhaft darstellt. Allein die aufgezeigte abstrakte Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses vermag indes die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu rechtfertigen. Y.R. hat ihren Domizilwillen in S. frühestens während ihres Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus K. aufgegeben.
1.3 Die Inanspruchnahme des Beklagten durch den Kläger im Wege des Erstattungsdurchgriffs vermittelt über § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII setzt weiter voraus, dass bei einem Wechsel des Hilfeempfängers zwischen verschiedenen Einrichtungen wie im Fall von Y.R. eine ununterbrochene „Einrichtungskette“ zwischen den jeweiligen Einrichtungen besteht (zu den Voraussetzungen einer Einrichtungskette bei § 89e Abs. 1 S. 1 SGB VIII vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2010 – 5 C 21-09 – BVerwGE 138, 48 ff. LS 2 Rn. 25 ff.; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand November 2011, § 89e Rn. 6). Insoweit ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob durch das „Entweichen“ von Y.R. am 25. April 2007 aus der Klinik in P. und ihrem Aufgreifen und ihrer Einlieferung in eine Klinik in Dresden am Folgetag die Einrichtungskette mit der Folge unterbrochen wurde, dass dem Kläger ein anderer – möglicherweise nach § 89e Abs. 2 SGB VIII der überörtliche – Jugendhilfeträger erstattungspflichtig geworden wäre. Soweit das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung angenommen hat, Y.R. habe zum Zeitpunkt des Entweichens aus der Klinik in P. ihr Verhalten nicht selbst steuern können, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie während ihres Entweichens einen tatsächlichen Aufenthalt außerhalb der Einrichtung habe begründen können, macht der Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend, da das Verwaltungsgericht die Annahme mangelnder Steuerungsfähigkeit ohne entsprechende Tatsachenermittlungen getroffen habe.
Dies führt vorliegend jedoch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur Zulassung der Berufung, da es für die Beurteilung der Frage, ob eine Unterbrechung der Einrichtungskette durch das „Entweichen“ von Y.R. vorliegt, auf deren Steuerungsfähigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt nicht entscheidungserheblich ankommt. Denn der Zeitraum von wohl nur mehreren Stunden, maximal einem Tag zwischen dem „Entweichen“ aus der Klinik in P. und dem Aufgreifen und der Einlieferung in eine Dresdner Klinik, reicht bereits objektiv nicht aus, um zu einer Unterbrechung der Einrichtungskette zu führen. Letztere setzt vielmehr eine wesentliche, zeitlich nicht unbedeutende Unterbrechung zwischen zwei Einrichtungsaufenthalten voraus (vgl. hierzu Kern in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 89e Rn. 10). Von einer Unterbrechung der Einrichtungskette ist jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Übergang von einer Einrichtung in eine andere ohne wesentliche Zwischenaufenthalte erfolgt, des Weiteren bei einer kurzfristigen und zeitlich befristeten Beurlaubung sowie bei einer unerlaubten Entfernung aus einem Heim und einer Rückführung alsbald nach dem Entweichen (Beispielsfälle bei Kern a.a.O.; zur Regelung des § 98 Abs. 2 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vgl. ferner Adolph in Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand Januar 2017, § 98 SGB XII Rn. 44a, Adam in BeckOK SozR, Stand 31.7.2016, § 98 SGB XII Rn. 23 f.). Da im vorliegenden Fall ein Zeitraum von maximal einem Tag, nach der Entscheidung des Sozialgerichts Leipzig vom 11. April 2012 (Az. S 5 SO 151/10), die Sozialhilfeleistungen für Y.R. betreffen soll und auf die sich der Beklagte ausdrücklich bezieht (vgl. dazu unten 1.4), lediglich ein Zeitraum von „wenigen Stunden“ in Rede steht, ferner „wesentliche Zwischenaufenthalte“ von Y.R., geschweige denn die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts nicht ersichtlich sind, kann allenfalls von einer unbedeutenden Unterbrechung des Aufenthalts in Einrichtungen ausgegangen werden. Demzufolge kommt es auf die vom Beklagten unter tatsächlichen Gesichtspunkten in Zweifel gezogene Annahme des Verwaltungsgerichts zur Steuerungsfähigkeit von Y.R. im Zeitpunkt des Entweichens nicht entscheidungserheblich an.
Dies gilt gleichermaßen auch für die vom Beklagten behauptete Verkennung der materiellen Beweislast im Falle eines „non liquet“ hinsichtlich der psychischen Verfassung von Y.R. zum Zeitpunkt ihres Entweichens aus der Klinik in P. Erhebliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO tragen würden, hat der Beklagte mithin in diesem Zusammenhang nicht dargelegt.
1.4 Mit seiner Berufung auf ein Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11. April 2012 (Az. S 5 SO 151/10), das die Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers für Leistungen an Y.R. nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zum Gegenstand haben soll, macht der Beklagte – allerdings im Rahmen der Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO – der Sache nach jedenfalls auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, soweit sich nämlich aus dem Urteil ergeben soll, dass sozialhilferechtlich das Entweichen von Y.R. eine Unterbrechung der Einrichtungskette nach § 98 Abs. 2 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bewirkt habe, was im Rahmen von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht abweichend beurteilt werden dürfe.
Mit der Bezugnahme auf die genannte sozialgerichtliche Entscheidung genügt der Beklagte indes, ungeachtet für welchen Zulassungsgrund sie herangezogen werden soll, den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Denn aus dem als Anlage der Zulassungsbegründung vom 17. September 2014 beigefügten Entscheidungsabdruck lässt sich schon nicht entnehmen, dass die Entscheidung gerade Sozialhilfeleistungen für Y.R zum Gegenstand hat. So sind die Beteiligten des Rechtsstreits, weitere Namen und Orte (insb. betreffend die besuchten Einrichtungen) und verschiedene Daten komplett gelöscht. Darüber hinaus bestehen hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts, soweit er sich aus vorliegenden Abdruck erschließen lässt, Diskrepanzen zum Tatbestand des streitbefangenen verwaltungsgerichtlichen Urteils (insb. Geburtsdatum des Kindes, die verschiedenen Klinik-aufenthalte; Zeitpunkt des „Entweichens“, etc.). Schließlich wird weder vorgetragen noch ist es anderweitig ersichtlich, ob das Urteil in Rechtkraft erwachen ist oder nicht. Folglich könnte allenfalls vermutet werden, dass die sozialgerichtliche Entscheidung Y.R. betrifft, was für die substantiierte Darlegung eines Zulassungsgrunds indes nicht ausreicht.
Auch der Sache nach betrifft die sozialgerichtliche Entscheidung, unterstellt sie sei zum Fall von Y.R. ergangen, die vorliegend zu beurteilende Fallkonstellation nicht. Denn die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für stationäre Leistungen setzt nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII im Falle von „Einrichtungsketten“ den „Übertritt“ von einer Einrichtung in eine andere voraus, den ein voluntatives Element auf Seiten des Leistungsempfängers kennzeichnet (vgl. Adam in BeckOK SozR, Stand 31.7.2016, § 98 SGB XII Rn. 24). Demzufolge hat das Sozialgericht – ungeachtet der zeitlichen Komponente von „wenigen Stunden“ – einen Übertritt im Falle des „Entweichens“ aus einer Einrichtung gerade deshalb abgelehnt, weil damit kein willentlicher Übergang in eine andere, bereits feststehende Einrichtung beabsichtigt war. Demgegenüber bedarf es bei „Einrichtungsketten“ im Rahmen von § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII keines willentlichen „Übertritts“ von einer Einrichtung in eine andere, da die Norm allein auf einen möglichst umfassenden finanziellen Schutz der Einrichtungsorte abzielt und im Rahmen der Einrichtungskette auch ein lediglich tatsächlicher Aufenthalt des Hilfeempfängers ausreicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2012 – 12 BV 11.1080 – JAmt 2012, 272 ff LS, Rn. 20 f.; U.v. 18.3.2004 – 12 B 99.1085 – juris Rn. 18 f.; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII,, Stand November 2011, § 89e Rn. 6). Die Auffassung des Sozialgerichts, so sie denn Y.R. beträfe, es liege sozialhilferechtlich eine „Unterbrechung“ der Einrichtungskette vor, ließe sich jedenfalls nicht auf den vorliegend streitgegenständlichen jugendhilferechtlichen Erstattungsfall übertragen.
2. Die vorliegende Rechtssache weist gemessen an der Darlegung des Beklagten auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, die sich nicht bereits im Zulassungsverfahren klären lassen und daher die Zulassung der Berufung erfordern.
Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang zunächst die Frage für tatsächlich besonders schwierig erachtet, ob Y.R. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in S. bereits vor ihrer Aufnahme in das Bezirkskrankenhaus K. beendet hatte, legt er nicht dar, welche Tatsachenfragen sich in diesem Zusammenhang noch stellen und wie sich über die vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahmen hinaus in einem Berufungsverfahren hierzu noch weitere tatsächliche Erkenntnisse erlangen ließen.
Die vom Beklagten weiter aufgeworfene Frage, ob Y.R. während ihres Entweichens aus der Klinik in P. einen tatsächlichen Aufenthalt im Freistaat Sachsen begründen konnte, erweist sich – wie unter 1.3 erläutert – als nicht entscheidungserheblich und vermag aus diesem Grund die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen.
Auch aus der Bezugnahme auf das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11. April 2012 (Az. S 5 SO 151/10) erwachsen, wie unter 1.4. ausgeführt, weder besondere rechtliche noch tatsächliche Schwierigkeiten. Insoweit genügt der Beklagte außerdem den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
3. Auch wegen der vom Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Berufung nicht zuzulassen. Der Beklagte erachtet insoweit die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „eine Einrichtungskette durch ein kurzzeitiges Entweichen aus einer Einrichtung unterbrochen“ wird. Diese Frage erweist sich indes als nicht grundsätzlich klärungsfähig, da sie angesichts der hierzu erforderlichen Bewertung der näheren tatsächlichen Umstände nur anhand des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden kann (vgl. hierzu oben 1.3), folglich keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung besitzt.
4. Ferner liegt auch die vom Beklagten geltend gemachte Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zwischen dem angefochtenen Urteil und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2010 wie auch dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs vom 21. Mai 2010 nicht vor. Insoweit wird auf die Ausführungen unter oben 1.2 verwiesen.
5. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
5.1 Soweit der Beklagte zunächst die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO für fehlerhaft erachtet, macht er der Sache nach keinen Verfahrensfehler geltend. Bei einer fehlerhaften Beweiswürdigung handelt es sich vielmehr um einen materiellrechtlichen Fehler, der zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führen muss, um die Zulassung der Berufung zu bewirken. Hierzu kann folglich auf die Ausführungen unter oben 1.2 verwiesen werden. Soweit der Beklagte ferner aktenwidrige Tatsachenfeststellungen rügt, wird nicht dargelegt, worin im konkreten Fall die Aktenwidrigkeit bestehen soll. Wie bereits ausgeführt, reicht allein die Möglichkeit einer abweichenden Beweiswürdigung für die Zulassung der Berufung nicht aus, es sei denn, die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung erweist sich als lückenhaft, widersprüchlich oder willkürlich. Dies zeigt der Beklagte indes nicht auf.
5.2 Die darüber hinaus hinsichtlich des psychischen Zustands von Y.R. zum Zeitpunkt des Entweichens aus der Klinik in P. erhobene Aufklärungsrüge führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung, da es hierauf, wie oben unter 1.3 ausgeführt, im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ankommt.
Mangels durchgreifender Zulassungsgründe war der Antrag auf Zulassung der Berufung daher abzulehnen.
6. Der Beklagte trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen – sofern solche überhaupt angefallen sind – nach § 162 Abs. 3 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen, sind nicht ersichtlich. Der Streitwert bestimmt sich für das nach § 188 Satz 2, Halbs. 2 VwGO nicht gerichtskostenfreie Zulassungsverfahren nach § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Höhe des im Streit stehenden Erstattungsanspruchs ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Juli 2014 rechtskräftig.
Dr. Mayer Kurzidem Abel

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