Europarecht

Zuständigkeit des Schiedsgerichts für Entscheidung über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens

Aktenzeichen  34 SchH 13/17

Datum:
3.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15349
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 1029 Abs. 1, § 1040 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 1059, § 1060, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5

 

Leitsatz

Besteht eine wirksame Schiedsvereinbarung obliegt die Entscheidung, ob eine beabsichtigte Schiedsklage zulässig ist, nicht dem staatlichen Gericht, sondern allein dem Schiedsgericht. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag, den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 30. Juni 2017 aufzuheben und festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage vom 3. März 2017 geltend gemachten Ansprüche unzuständig ist, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert wird auf 27.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt als Beklagter eines Schiedsverfahrens die Aufhebung des Zwischenentscheids des Schiedsgerichts vom 30.6.2017 sowie Feststellung, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die Schiedsklage nicht zuständig ist.
1. Die Parteien sind durch einen Franchisevertrag verbunden. Die in Wiesbaden ansässige Antragsgegnerin ist Inhaberin eines Master-Franchise-Rechts für die Region Bayern. Der im Raum München wohnhafte Antragsteller ist Immobilienmakler. Die Parteien schlossen im Januar 2003 einen Franchisevertrag, der zuletzt am 18.1.2013 auf weitere 5 Jahre, beginnend ab 1.3.2013, verlängert wurde. Im Juli 2016 kam es zu Differenzen zwischen den Parteien. Nach diversem Schriftverkehr im August 2016, in dem wechselseitig Ansprüche auf Auskunft bzw. Einsicht in Geschäftsunterlagen geltend gemacht wurden, kündigte der Antragsteller mit Schreiben vom 31.8.2016 den Franchisevertrag fristlos. Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 7.9.2016 die Kündigung zurück und erklärte ihrerseits die fristlose Kündigung, was vom Antragsteller unter Zurückweisung der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kündigungsgründe mit Schreiben vom 7.9.2016 akzeptiert wurde. Nachdem ein Vorschlag der Antragsgegnerin vom 10.10. bzw. 2.11.2016 auf Abbedingung der Schiedsklausel und des einvernehmlichen Mediationsverfahrens vom Antragsteller mit Schreiben vom 7.11.2016 abgelehnt wurde, stellte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.11.2016 (Anl. A 11) das Scheitern der Vergleichsgespräche fest und leitete mit Schreiben vom 9.12.2016 (Anl. B 12) das Schiedsverfahren ein.
Nach § 31 des Franchisevertrages sind die Parteien verpflichtet, Streitigkeiten zunächst außergerichtlich, gegebenenfalls mit Hilfe eines Mediators beizulegen. Die Anrufung des Schiedsgerichts ist erst zulässig, wenn die außergerichtlichen Vergleichsgespräche gescheitert sind, wobei das Scheitern durch Mitteilung einer Vertragspartei gegenüber der anderen erfolgen kann.
In § 32 des Franchisevertrages ist geregelt, dass alle Streitigkeiten, die sich aus dem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, nach Maßgabe der dem Vertrag als Anlage 8 beigefügten Schiedsvereinbarung unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden werden. Die Schiedsvereinbarung bestimmt als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens München und beinhaltet im Übrigen Vorschriften für die Konstituierung des Schiedsgerichts und das Schiedsverfahren. Nach Ziff. 6 der Schiedsvereinbarung muss bei Vorliegen eines Streitfalles innerhalb von 4 Wochen nach positiver Kenntnis des Streitfalles ein Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, an den Beklagten übermittelt werden, ansonsten ist das Recht auf Anrufung des Schiedsgerichts verwirkt.
Mit der Schiedsklage vom 3.3.2017 macht die Antragsgegnerin als Schiedsklägerin Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 82.443,83 € wegen der vorzeitigen Beendigung des Franchisevertrages geltend.
Mit der Klagebeantwortung vom 3.4.2017 und in der mündlichen Verhandlung vom 24.5.2017 hat der Antragsteller die Unzulässigkeit der Schiedsklage gerügt. Nach seiner Auffassung hätte zwingend ein Mediationsverfahren durchgeführt werden müssen. Im übrigen sei Verwirkung eingetreten, da die Schiedsklage nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Die Erhebung der Schiedsklage sei nur in einem Zeitfenster von vier Wochen nach Feststellung des Scheiterns der Mediation, die die positive Kenntnis des Streitfalles darstelle, möglich. Zwar sei von der Antragsgegnerin das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsgespräche mitgeteilt worden, derartige Vergleichsgespräche seien aber gar nicht geführt worden.
Unter dem 30.6.2017 hat das Schiedsgericht in München mit Zwischenentscheid (§ 1040 Abs. 1 ZPO) festgestellt, dass es zur Entscheidung über die Schiedsklage zuständig sei. Dabei ist das Schiedsgericht davon ausgegangen, der Schiedsbeklagte habe in der Klagebeantwortung und in der mündlichen Verhandlung auch die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Zur Begründung seiner Zuständigkeit hat das Schiedsgericht ausgeführt, die vorherige Durchführung eines Mediationsverfahrens sei keine zwingende Voraussetzung für die Erhebung der Schiedsklage. Das im Franchisevertrag vorgesehene Mediationsverfahren sei in der Schiedsvereinbarung, die als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln sei, selbst nicht erwähnt. Die Regelung im Franchisevertrag könne nicht so verstanden werden, dass erst nach Durchführung eines – grundsätzlich freiwilligen -Mediationsverfahrens eine Schiedsklage erhoben werden könne, wenn das Verhältnis zwischen den Parteien ersichtlich erschüttert sei.
2. Unter dem 9.8.2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller beantragt, den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 30.6.2017, der ihm nach eigenen Angaben am 9.7.2017 per E-Mail übermittelt wurde, aufzuheben und festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die Schiedsklage unzuständig sei. Er trägt vor, die Schiedsklage sei unzulässig und das Schiedsgericht damit unzuständig. Die rechtliche Bewertung des Schiedsgerichts, die Schiedsvereinbarung sei abgehoben von den übrigen vertraglichen Regelungen der Parteien zu sehen, sei unzutreffend. Auf den Einwand der Verwirkung sei das Schiedsgericht überhaupt nicht eingegangen. Infolge der Verwirkung sei der Rechtsweg zum Schiedsgericht verschlossen und damit keine Zuständigkeit des Schiedsgerichts gegeben. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der erhobenen Rüge um eine solche der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts i.S.d. § 1040 Abs. 2 ZPO oder um eine Rüge der Befugnisüberschreitung i.S.d. § 1040 Abs. 3 ZPO handle, da die Rüge jedenfalls rechtzeitig erhoben worden sei.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 16.7.2018 hat er an seiner Sicht festgehalten.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten; sie hält den Zwischenentscheid für zutreffend. Zwischen den Parteien seien in der Zeit von 4.8.2016 bis 5.11.2016 eine Vielzahl von „außergerichtlichen“ Gesprächen geführt worden. § 31 des Franchisevertrages schreibe nicht vor, in welcher Form bzw. in welchem Umfang diese außerordentlichen Vergleichsgespräche zu führen seien. Die entsprechende Erklärung des Scheiterns der Vergleichsgespräche habe die Antragsgegnerin abgegeben. Einer Zustimmung des Antragstellers hierzu habe es nicht bedurft.
Der Antragsteller hat bestritten, dass zwischen dem 4.8.2016 und dem 5.11.2016 außergerichtliche Vergleichsgespräche stattgefunden hätten.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht München ist für die Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung des Zwischenentscheids des Schiedsgerichts vom 30.6.2017 zuständig (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012, GVBl S. 295), da der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Bayern liegt. Der Antrag ist fristgemäß i.S.d. § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO eingelegt.
2. In der Sache ist das Begehren nicht begründet, denn im Ergebnis hat das Schiedsgericht zu Recht seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die mit der Schiedsklage geltend gemachten Ansprüche angenommen.
Allerdings ist festzuhalten, dass das Schiedsgericht zwar ausdrücklich, wie Tenor und Rechtsbehelfsbelehrung:des Entscheids vom 30.6.2017 ergeben, eine Entscheidung gemäß § 1040 Abs. 3 ZPO getroffen hat, während im Widerspruch hierzu die Gründe der Entscheidung überwiegend nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, sondern die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens betreffen und insoweit eher auf eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens hindeuten. Das Schiedsgericht ist, wie der Einleitungssatz der angefochtenen Entscheidung ergibt, unzutreffend davon ausgegangen, der Schiedsbeklagte habe (auch) die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt, während dieser ausdrücklich die Unzulässigkeit der Schiedsklage eingewandt hat, da das vereinbarte Mediationsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Allerdings führt dies nicht zur Aufhebung des, im Ergebnis zutreffenden, Zwischenentscheids. Denn das staatliche Gericht entscheidet im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 ZPO, und von einem solchen ist hier infolge der ausdrücklichen Tenorierung auszugehen, lediglich über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und nicht darüber, ob das Schiedsgericht richtig entschieden hat (Musielak/Voit ZPO 16. Aufl. § 1040 Rn. 10).
a) Die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nach § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann gegeben sein, weil die Parteien keine wirksame Schiedsvereinbarung i.S.v. § 1029 Abs. 1 ZPO getroffen haben (Wirksamkeitsmangel) oder aber die an sich gültige Schiedsvereinbarung den geltend gemachten Anspruch nicht (voll) deckt (Reichweitenmangel) (Münch in MüKo ZPO 5. Aufl. § 1040 Rn. 15, 18, 19). Daneben kann sich eine (partielle) Unzuständigkeit nachträglich, z.B. infolge Aufrechnungseinwand oder Klageänderung ergeben und eine Kompetenzüberschreitung (§ 1040 Abs. 2 Satz 3 ZPO) bewirken (Münch in MüKo § 1040 Rn. 22; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 696). Unstreitig ist, dass zwischen den Parteien grundsätzlich eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht und der Gegenstand der Schiedsklage von der Schiedsvereinbarung umfasst wird.
b) Die Frage, ob das in § 31 des Franchisevertrages vorgesehene Vorschaltverfahren der Klageerhebung im Schiedsverfahren entgegensteht, betrifft die Zulässigkeit der Schiedsklage als solche und ist nicht gleichzusetzen mit der Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts (OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2014, 26 SchH 11/14 – juris). Selbst wenn der Erhebung der Schiedsklage ein Vorverfahren vorausgehen müsste und die Erhebung der Schiedsklage ohne die Durchführung des Verfahrens unzulässig wäre, ändert dies nichts an der Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die Schiedsklage (BGH NJW 2017, 488). Die Entscheidung, ob eine beabsichtigte Schiedsklage zulässig ist, obliegt in diesem Verfahrensstadium nicht dem staatlichen Gericht, sondern allein dem Schiedsgericht (BGH a.a.O; OLG Frankfurt a.M. vom 4.12.2014, 26 SchH 11/14 – juris; OLG Köln vom 1.10.2011, 19 SchH 7/11 – juris; Saenger in Saenger/Saenger/Eberl Schiedsverfahren § 1032 Rn. K14). Eine diesbezügliche Kontrolle durch das staatliche Gericht orientiert sich am Maßstab der §§ 1059, 1060 ZPO und erfolgt erst im Rahmen der Überprüfung des Schiedsspruchs im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren.
c) Auch der Einwand das Recht, das Schiedsgericht anzurufen sei verwirkt, mit der Folge, dass vor dem staatlichen Gericht geklagt werden müsste, greift nicht. Zwar erlischt eine Schiedsvereinbarung mit dem Ablauf einer vereinbarten Frist (Zöller/Geimer ZPO 32 Aufl. § 1029 Rn. 103; Wolf/Eslami in BeckOK ZPO 32. Edition § 1029 Rn. 20; Musielak/Voit ZPO 16. Aufl. § 1029 Rn. 12), was bei danach verspäteter Erhebung der Schiedsklage zur Folge hätte, dass mangels Vorliegens einer (noch) wirksamen Schiedsvereinbarung das Schiedsgericht für die Streitigkeit nicht (mehr) zuständig wäre. Eine derartige Verfristung ist jedoch vorliegend nicht eingetreten. Mit Schreiben vom 15.11.2016 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Scheitern der Vergleichsgespräche mitgeteilt, so dass frühestens ab diesem Zeitpunkt und nicht schon mit den wechselseitig erklärten Kündigungen im August/September 2016 die Frist zu laufen begann. Unstreitig ging dem über mehrere Monate Schriftverkehr voraus, in dem die Parteien ihre gegensätzlichen Standpunkte dargelegt und schon über die Frage, inwieweit Auskünfte seitens der Antragstellerin zu erteilen sind bzw. ob Einsicht in Geschäftsunterlagen durch den Antragsgegner zu gewähren ist, keinen Konsens erzielt haben. Damit konnte die Antragsgegnerin vom Scheitern der Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung ausgehen und den Lauf der vierwöchigen Frist in Gang setzen. Mit dem Schreiben vom 9.12.2016 hat sie rechtzeitig das Schiedsverfahren eingeleitet.
Ergänzend ist anzumerken, dass, soweit der Antragsteller darauf abstellt, erst das Scheitern eines Mediationsverfahrens würde die positive Kenntnis des Streitfalls bewirken und die vierwöchige Frist in Gang setzen, die Frist, mangels Durchführung eines solchen Verfahrens, noch gar nicht zu laufen begonnen hätte.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Streitwert aus § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO (siehe Seiler in Thomas/Putzo ZPO 39. Aufl. § 1063 Rn. 5).
4. Der Senat weist darauf hin, dass der Zwischenentscheid und diese Entscheidung nur insoweit Rechtswirkungen entfalten, als über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts entschieden wurde.

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