Aktenzeichen Au 4 S 17.50534
AufenthG § 11 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. c, Art. 20 Abs. 3, Art. 23 Abs. 2
Leitsatz
Aus Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO folgt, dass der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags eines minderjährigen Kindes zuständig ist, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz von dessen Familienangehörigen – hier: der Mutter der Antragstellerin – zuständig ist. Die Regeln der Dublin III-VO sehen eine strikte Akzessorietät der Zuständigkeiten vor (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 107990). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz bezüglich einer Abschiebungsandrohung in einem Bescheid, mit dem ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde.
Mit Bescheid vom 28. November 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (1.). Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (2.). Die Abschiebung nach Rumänien wurde angeordnet (3.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. (4.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin sei nicht ordnungsgemäß ausgewiesene Staatsangehörige Syriens unbekannter Volks- und Religionszugehörigkeit. Sie sei am 5. Mai 2017 in die Bundesrepublik eingereist. Am 24. Juli 2017 habe der Amtsvormund der Antragstellerin für diese einen Asylantrag gestellt. Am 20. August 2017 sei die Mutter der Antragstellerin in die Bundesrepublik eingereist; am 22. August 2017 habe die Mutter ein Asylgesuch geäußert. Der Antrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Rumänien auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrags der Mutter gem. Art. 18 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Nachdem zunächst erfolglos ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Ungarn gerichtet worden sei, sei am 2. November 2017 ein Übernahmeersuchen nach Rumänien gestellt worden. Die rumänischen Behörden hätten mit Schreiben vom 24. November 2017 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Mutter und ihrer minderjährigen Kinder gem. Art. 18 Abs. 1 c) Dublin III-VO erklärt. Abschiebungsverbote in Bezug auf Rumänien bestünden nicht; insbesondere drohe keine Verletzung des Art. 3 EMRK. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Am 7. Dezember 2017 erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter, beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 4 K 17.50533). Ferner wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin bereits am 5. Mai 2017 in die Bundesrepublik eingereist und der Asylantrag am 24. Juli 2017 förmlich gestellt worden sei. Damit sei das Übernahmeersuchen nach Rumänien nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des Art. 21 Dublin III-VO gestellt worden. Sofern sich die Antragsgegnerin auf eine Zuständigkeit Rumäniens auf Grund eines EURODAC-Treffers der Mutter berufe, sei auszuführen, dass der Asylantrag der Kindsmutter bisher nicht abgelehnt worden sei. Im Übrigen sei auch diesbezüglich das Übernahmeersuchen verspätet gestellt worden, da diese bereits am 22. August 2017 eingereist sei. Ferner hätten die Kinder keine Fingerabdrücke in Rumänien abgegeben. Ein EURODAC-Treffer könne daher allenfalls bezüglich der Kindsmutter vorliegen. Allerdings werde bestritten, dass für diese eine EURODAC-Treffermeldung vorliege. Darüber hinaus sei Art. 6 Abs. 3 Dublin III-VO zu beachten. Die Antragstellerin sei als unbegleitete Minderjährige eingereist und lebe nunmehr seit sieben Monaten in der Bundesrepublik. Zwischenzeitlich sei auch die Kindsmutter in die Bundesrepublik eingereist. Eine Familienzusammenführung habe stattfinden können.
Die Antragsgegnerin übermittelte am 14. Dezember 2017 ihre Akten. In der Sache äußerte sie sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt ohne Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin kann kein überwiegendes Aussetzungsinteresse geltend machen, weil die Antragsgegnerin ihren Asylantrag voraussichtlich zu Recht gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG als unzulässig abgelehnt hat, da nach Maßgabe der dort genannten Verordnung (Dublin III-VO) ein anderer Staat, nämlich Rumänien, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und sich der Bescheid vom 28. November 2017 auch sonst voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Aus Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO folgt, dass der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags eines (wie die Antragstellerin) minderjährigen Kindes zuständig ist, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz von dessen Familienangehörigen – hier: der Mutter der Antragstellerin, vgl. dazu die Verfahren Au 4 K 17.50539 und Au 4 S 17.50540 – zuständig ist. Die Regeln der Dublin III-VO sehen eine strikte Akzessorietät der Zuständigkeiten vor (vgl. BayVGH, U.v. 29.3.2017 – 15 B 16.50082 – juris Rn. 17). Zuständig für den Antrag auf internationalen Schutz der Mutter der Antragstellerin ist Rumänien. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Mutter gegen den eine Zuständigkeit der Bundesrepublik verneinenden und eine Zuständigkeit Rumäniens annehmenden Bescheid vom 27. November 2017 fristgerecht keine Rechtsbehelfe eingelegt und dieser Bescheid daher ihr gegenüber bestandskräftig geworden ist (vgl. B.v. 3.1.2018 im Verfahren Au 4 S 17.50540). Im Übrigen sind die Voraussetzungen der Dublin III-VO für eine Zuständigkeit Rumäniens für den Asylantrag der Mutter der Antragstellerin erfüllt; insbesondere wurde das Wiederaufnahmegesuch rechtzeitig gestellt (vgl. B.v. 3.1.2018 im Verfahren Au 4 S 17.50540).
Hinsichtlich der weiteren Entscheidungen des streitgegenständlichen Bescheids (2. – 4.), insbesondere bezüglich des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG, folgt das Gericht der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und nimmt hierauf Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist auszuführen, dass i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Zwar haben die rumänischen Behörden dezidiert nur die Übernahme der Mutter der Antragstellerin und ihres am 1. Januar 2014 geborenen Bruders akzeptiert (Schreiben vom 24.11.2017, Bundesamtsakte Bl. 36 f.). Die Übernahme der Antragstellerin und ihrer weiteren Geschwister wurde jedoch nicht abgelehnt; vielmehr haben die rumänischen Behörden selbst auf Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO verwiesen, der hier – wie ausgeführt – einschlägig ist. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin das minderjährige Kind der im Schreiben der rumänischen Behörden vom 24. November 2017 genannten Frau * (Klägerin zu 2 im Verfahren Au 4 K 17.50539 bzw. Antragstellerin zu 2 im Verfahren Au 4 S 17.50540) ist (vgl. Schreiben des Landratsamts * vom 28.8.2017, Bundesamtsakte Bl. 31 f.; Beschluss des AG Nördlingen vom 25.9.2017, Bundesamtsakte Bl. 40 ff.), so dass der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO und damit der Verpflichtung Rumäniens zur Übernahme ohne weiteres zu führen ist.
Der Antrag war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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