Familienrecht

Anspruch auf Gewährung von Witwenrente an den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Aktenzeichen  L 6 R 695/14

Datum:
7.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 114955
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 6
LPartG § 1 Abs. 1 S. 3
SGB VI § 46 Abs. 2, § 46 Abs. 4, § 99 Abs. 2
SGG § 143, § 144, § 151

 

Leitsatz

1. Zu den Voraussetzungen der Gewährung von Witwenrente.
2. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sieht keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente an den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor.
3. Dies gilt auch dann, wenn die Lebenspartner gemeinsame Kinder haben.
4. In diesem Ausschluss liegt kein Verstoß gegen Art. 6 GG (BVerfG vom 17.11.2010, Az.: 1 BvR 1883/10).

Verfahrensgang

S 12 R 20/14 2014-04-08 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.04.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Der Senat konnte durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden angehört.
Das Sozialgericht hat die Verwaltungsentscheidung der Beklagten zu Recht bestätigt, weil keine gesetzliche Grundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenrente existiert.
Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches dürfen nur begründet bzw. festgestellt werden, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt (vgl. § 31 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil – SGB I -). Diese konkrete Ausgestaltung des verfassungsrechtlich geregelten „Vorbehalt des Gesetzes“ ist sowohl für die vollziehende Gewalt wie für die Rechtsprechung bindend (vgl. hierzu Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (- GG -).
Das Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch – SGB VI – Gesetzliche Rentenversicherung, regelt die Ansprüche auf „Renten wegen Todes“ in den Vorschriften der §§ 46 bis 49 und – für Altfälle – in den Bestimmungen der §§ 242 a bis 243 a SGB VI. Hiernach stehen Hinterbliebenenrenten den ausdrücklich aufgeführten Personengruppen, d. h. Witwen, früheren Ehegatten, überlebenden Lebenspartnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie Kindern zu, sofern die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen, nicht dagegen der Anspruch auf Erziehungsrente gemäß § 47 SGB VI aus der eigenen Versicherung der Klägerin. Denn diesbezüglich liegt weder eine Entscheidung des Sozialgerichts noch der Beklagten vor.
Die Klägerin hat keinen Anspruch nach §§ 46, 99 Abs. 2 SGB VI auf Witwenrente aus der Versicherung ihres am 22.03.2013 verstorbenen nichtehelichen Partners. Denn sie ist weder Witwe noch überlebende Lebenspartnerin des verstorbenen Versicherten.
Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie
1.ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.erwerbsgemindert sind.
Nach Abs. 4 des § 46 gelten für einen Anspruch auf Witwenrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe auch eine überlebende Lebenspartnerin und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft. Sind allein diese Voraussetzungen, nicht jedoch die in Ziff. 1 bis 3 des § 46 Abs. 2 SGB VI qualifizierenden Tatbestandsmerkmale erfüllt, so wird nach § 46 Abs. 1 SGB VI sog. „kleine Witwenrente“ gewährt.
Der Begriff der Witwe setzt voraus, dass mit der versicherten Person bis zu deren Tod eine rechtsgültige Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bestanden hat. Ob im Zeitpunkt des Todes der versicherten Person eine rechtswirksame Ehe oder Lebenspartnerschaft mit der die Witwenrente begehrende Person bestanden hat, ist nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht zu beurteilen. Das Sozialversicherungsrecht bietet insoweit keinen Ansatzpunkt für eine eigenständige Ausgestaltung. Soweit es familienrechtliche Begriffe ohne nähere Umschreibung verwendet oder an Tatbestände dieses Rechtsgebietes anknüpft, folgt es dem Bürgerlichen Recht (vgl. Hauck/Noftz – Kommentar zum SGB VI, zu § 46 SGB VI – juris Rdn. 5). Die Begründung einer Lebenspartnerschaft erfolgt nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) durch die Abgabe entsprechender Erklärungen vor der zuständigen Behörde. Erforderlich ist hierbei eine Erklärung der Lebenspartner über ihren Vermögensstand (§§ 1 Abs. 1 Satz 4, 6 Abs. 1 LPartG). Die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft muss beim Tod des versicherten Ehegatten bzw. Lebenspartner noch Bestand haben. Dies ist zu verneinen, wenn die Ehe gemäß § 1564 Satz 2 BGB rechtskräftig geschieden oder die Lebenspartnerschaft nach § 15 Abs. 1 LPartG aufgehoben worden ist. Ohne Bedeutung ist, ob die Eheleute bzw. Lebenspartner im Zeitpunkt des Todes des versicherten Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebten oder sich vorher getrennt hatten. Ist ein die Auflösung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft aussprechendes Urteil bereits verkündet, aber im Zeitpunkt des Todes des Versicherten noch nicht rechtskräftig, hat auch dann noch eine rechtsgültige Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bestanden (§ 619 ZPO, § 29 Satz 2 EheG, § 661 ZPO – vgl. Hauck/Noftz a.a.O. Rdn. 5, 6, 16).
Eine von zwei Personen gleichen Geschlechts wirksam begründete Lebenspartnerschaft im Sinne des am 01.08.2001 in Kraft getretenen Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft (BGBl. 2001 I S. 266) stand hinterbliebenenrentenrechtlich nach der zum 31.12.2004 geltenden Rechtslage einer Ehe nicht gleich. Der persönliche Geltungs- und Anwendungsbereich des Rechts der Renten wegen Todes beschränkte sich auf Witwer, Witwen, Waisen, Halbwaisen und sog. geschiedene Ehegatten. Die Anwendung des Hinterbliebenenrechts auf eingetragene Lebenspartner war ausgeschlossen (BSG-Urteil vom 29.01.2004 – B 4 RA 29/03 R). Für eine erweiternde Auslegung der Begriff Witwe, Witwer und Ehegatte zur Erfassung des eingetragenen Lebenspartners war kein Raum, weil die Rechtsbegriffe „Ehegatte“ und „Lebenspartner“ sich ausschlossen (so BVerfGE 105, 313, 347).
Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl. 2004 I S. 3396) mit Wirkung zum 01.01.2005 geändert. Nach § 46 Abs. 4 SGB VI gelten nunmehr als Witwe oder Witwer auch ein überlebender Lebenspartner. Der Überlebende einer „eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ erfüllt die Witweneigenschaft im Sinne des § 46 SGB VI jedoch nicht. § 46 SGB VI ist nicht verfassungswidrig. Für eine analoge Anwendung des § 46 SGB VI in Fällen nicht ehelicher Lebensgemeinschaft fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Auch der Hinterbliebene einer gleichgeschlechtlichen, nicht eingetragenen Lebenspartnerschaft hat keinen Anspruch gemäß § 46 SGB VI (vgl. insgesamt Hauck/Noftz, a.a.O., Rdn. 16).
Eine Lebenspartnerschaft im Sinne von § 1 Lebenspartnerschaftsgesetz bestand zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen bereits mangels Gleichgeschlechtlichkeit nicht. Eine erweiterte Auslegung des Begriffes der Lebenspartnerschaft ist angesichts der klaren Definition des § 1 LPartG nicht möglich. Die Klägerin beruft sich letztlich darauf, dass die von ihr begründete nicht eheliche Lebensgemeinschaft einer Ehe in den Fällen gleichzustellen sei, in denen aufgrund der Erziehung eines Kindes eine besondere Partnerschaftsbeziehung bestehe. Diese Rechtsauslegung findet keine Bestätigung durch das BVerfG. Insoweit wird u.a. auf den Nichtannahmebeschluss des ersten Senats, 3. Kammer des BVerfG vom 17.11.2010 (1 BvR 1883/10) verwiesen. Auch in diesem Fall entstammte der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft ein Kind. Die Verfassungsbeschwerde wurde – ungeachtet der Beantwortung weiterer Zulässigkeitsfragen – vom BVerfG als unbegründet beurteilt, da es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, Witwenrente nach § 46 SGB VI nur dem/der Überlebenden einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zu gewähren. Im Nichtannahmebeschluss wurde ausgeführt, das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt bereits entschieden, dass es dem Gesetzgeber wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe, den Art. 6 Abs. 1 GG anordne, nicht verwehrt ist, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Dies gelte insbesondere im Verhältnis der Ehe zu nicht ehelichen Lebensgemeinschaften; diese fallen nicht unter den Begriff der Ehe. Daher ist es gerechtfertigt, die Partner im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod besserzustellen, als Menschen, die in weniger verbindlichen Paarbeziehungen zusammenleben (BVerfG a.a.O. unter Hinweis auf BVerfGE 124, 199, 225). Dem entspricht die Nichteinbeziehung von Überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten in die Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 bzw. Abs. 5 GG, deren Verletzung dort von der Beschwerdeführerin gerügt worden war. Art. 6 Abs. 4 GG betrifft nur Situationen, in denen die Mütter Nachteile erleiden, die auf ihre Mutterschaft zurückzuführen sind, nicht aber Regelungen für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen. Der Ausschluss nichtehelicher Partner von der Hinterbliebenenrente in § 46 SGB VI knüpft aber weder an die Mutterschaft an noch betrifft er ausschließlich Mütter. Art. 6 Abs. 5 GG – auf den sich die Klägerin ausdrücklich beruft – schließlich begünstigt nur nichteheliche Kinder, nicht aber deren Eltern (vgl. BVerfG, a.a.O., m.w.N.).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der 1. Senat des BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss vom 02.05.2012 (1 BvL 20/09) für die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente ausdrücklich darauf abgestellt hat, inwieweit die formellen Voraussetzungen für den Bestand und die Auflösung von Lebensgemeinschaften durch konstitutive Rechtsakte nach zivilrechtlichen Bestimmungen (d.h. Eheschließung und Scheidung) erfüllt waren bzw. sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bestehen für den erkennenden Senat nicht die geringsten Zweifel daran, dass diese konstitutiven Rechtsetzungsakte Voraussetzung für die begehrte Sozialleistung sein müssen.
Für die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte bestehe rechtsdogmatisch damit kein Raum und der Berufung ist der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen