Aktenzeichen 13 W 101/18
GKG § 63 Abs. 2 u. 3, § 68
ZPO § 888
Leitsatz
1 Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO wird nicht ein Streitwert sondern ein Gegenstandswert gem. § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Verfolgt ein Titelgläubiger mit einem Antrag nach § 888 ZPO das Ziel, Eigentum an einem Grundstück zu erwerben, so entspricht der Gegenstandswert dem Wert des Grundstücks. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG gilt anders als bei der Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG das Verbot der reformatio in peius. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
54 O 2375/04 2017-12-14 Bes LGLANDSHUT LG Landshut
Tenor
Die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 14.12.2017, Az. 54 O 2375/04, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts des Zwangsvollstreckungsverfahrens durch das Landgericht.
Die Parteien stritten ursprünglich über wechselseitige Forderungen aus einem notariellen Bauträger- und Kaufvertrag vom 26.01.2001 (Anlage K 1).
Nachdem ein erstinstanzliches Teilurteil des Landgerichts Landshut vom 11.07.2014 durch Endurteil des Senats vom 24.06.2015 im Verfahren 13 U 3167/14 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen worden war, schlossen die Parteien sodann vor dem Landgericht im Termin vom 02.09.2015 einen unwiderruflichen Vergleich (Bl. 1462/1464 d.A.). Darin verpflichtete sich die damalige Beklagte und jetzige Beschwerdegegnerin zur Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 45.000,- € an die Klägerin, die sodann den Notar anweisen sollte, die Eigentumsüberschreibung vorzunehmen.
Die Umsetzung des Vergleichs erfolgte sodann nicht reibungslos; der sich entwickelnde Schriftverkehr der Parteien ist umfangreich. Grund war die Befürchtung der damaligen Beklagten, sie müsse „zweimal zahlen“, ohne dafür lastenfreies Eigentum zu erwerben. Sie stützte sich dabei einerseits auf die Formulierung im ursprünglichen Kaufvertrag, wonach der Kaufpreisanspruch an die „B. Landesbank …“ zu zahlen sei, andererseits darauf, dass vergessen worden sei, in den Vergleichstext aufzunehmen, dass das Eigentum lastenfrei übertragen werden solle. Daraufhin hinterlegte die damalige Beklagte am Montag, den 12.10.2015 den zu zahlenden Geldbetrag beim Amtsgericht Freising. Schließlich wurde das Geld am 16.06.2016 an die damalige Klägerin und jetzige Beschwerdeführerin ausgezahlt. Die vereinbarte Anweisung des Notars zur Eigentumsüberschreibung wurde in der Folgezeit nicht erteilt. Die damalige Klägerin berief sich auf ein Zurückbehaltungsrecht, da ihr Anwaltskosten für die Umsetzung des Vergleichs entstanden seien. Letztlich sei es die Beklagte gewesen, die Probleme „erfinde“ und eine rechtzeitige Umsetzung des Vergleichs verhindert habe. Die Beklagte selber habe sich im Verzug mit der Erteilung der Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Geldbetrages befunden.
Mit Beschluss vom 23.05.2017 erließ das Landgericht eine Anordnung gem. § 888 ZPO (Bl. 1504/507 d.A.). Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin (jetzige Beschwerdeführerin) am 30.05.2017 zugestellt. Dagegen legte sie mit Schriftsatz vom13.06.2017, per Telefax eingegangen am gleichen Tage, sofortige Beschwerde ein. Sie beantragte, den angefochtenen Beschluss des Landgerichts aufzuheben und den Antrag gem. § 888 ZPO zurückzuweisen.
Das Landgericht half mit Beschluss vom 17.07.2017 der Beschwerde nicht ab und verfügte die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerde, wo sie am 24.07.2017 eingingen. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 07.08.2017 zurück (Bl. 1526/1529 d.A.)
Anschließend setzte das Landgericht mit Beschluss vom 14.12.2017 den Streitwert des Zwangsvollstreckungsverfahrens auf 45.000,- € fest (Bl. 1535/1537 d.A.). Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin formlos übermittelt. Mit Schriftsatz vom 22.12.2017, per Telefax eingegangen am gleichen Tage, legte sie dagegen „Streitwertbeschwerde“ ein und beantragte, den Streitwert auf 550,- € festzusetzen (Bl. 1538/1539 d.A.). Sie berief sich dabei in erster Linie auf den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 07.08.2017 im Verfahren 13 W 1181/17 (Beschwerde gegen die Anordnung gem. § 888 ZPO), in dem der Streitwert des Beschwerdeverfahrens auf diesen Betrag festgesetzt worden sei.
Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 08.01.2018 nicht ab und verfügte am gleichen Tage die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerde. Dort gingen sie am 22.01.2018 ein.
Mit Beschluss vom 24.01.2018 erteilte der Senat Hinweise gem. § 139 ZPO. Die Beschwerdegegnerin nahm mit Schriftsatz vom 25.01.2018, per Fax eingegangen am gleichen Tage, Stellung (Bl.1150/1553 d.A.). Die Beschwerdeführerin nahm Stellung mit Schriftsatz vom 01.02.2018, eingegangen am gleichen Tage.
II.
1. Die vom Beschwerdeführer eingelegte Streitwertbeschwerde ist als Beschwerde gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig.
Es wurde zwar ausdrücklich „Streitwertbeschwerde“ eingelegt, allerdings liegt hier keine Streitwertbeschwerde gem. § 68 GKG vor, weil es nicht um die Festsetzung eines Streitwerts gem. § 63 Abs. 2 GKG zur Bestimmung der Höhe der Gerichtsgebühren geht. Im Zwangsvollstreckungsverfahren gem. § 888 ZPO fallen gerichtliche Festgebühren an ( Nr. 2111 KVGKG); der Rechtsanwalt erhält allerdings eine Gebühr nach Nr. 3309 VVRVG (vgl. ZöllerStöber, 31. Aufl., § 888 Rn. 20). Mithin handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluss um die Festsetzung des Gegenstandswerts gem. § 33 Abs. 1 RVG. Der dafür erforderlich Antrag liegt im Kostenfestsetzungsantrag der Beschwerdegegnerin vom 01.12.2017. Der Beschluss kann gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG von den Antragsberechtigten angefochten werden. Antragsberechtigt sind gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 RVG der Rechtsanwalt, sein Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 RVG die Staatskasse. Da die Beschwerde hier nicht ausdrücklich im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten eingelegt wurde, ist davon auszugehen, dass sie im Namen der vertretenen Partei als erstattungspflichtigem Gegner eingelegt wurde.
Die 2-Wochen-Frist gem. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt.
2. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG der Einzelrichter berufen.
3. Die Beschwerde ist allerdings unbegründet.
Zu Recht stellt das Landgericht bei der Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 25 Abs. 1 Nr.3 RVG ab. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat.
Nach Auffassung des Senats ist – anders als vom Erstgericht angenommen – jedoch nicht die noch ausstehende Kaufpreisrate maßgeblich. Dies kann schon deswegen nicht maßgeblich sein, weil die letzte Kaufpreisrate zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags gem. § 888 ZPO bereits bezahlt war. § 25 Abs. 1 Nr.3 RVG stellt darauf ab, welchen Wert die zu vollstreckende Handlung für den Gläubiger (also die damalige Antragstellerin und hiesige Beschwerdegegnerin) hat. Der Gläubigerin ging es um den Erwerb des Eigentums. Dieses zu erhalten, sollte im Verfahren gem. § 888 ZPO verfolgt werden.
Wie in einem solchen Fall der Streitwert festzusetzen ist, ist umstritten und im Übrigen eine Frage der Umstände des Einzelfalls.
Es wird überwiegend vertreten, dass der Wert der Hauptsache maßgeblich ist (vgl. Gierl in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 25 Rn. 23 m.w.N.; OLG Naumburg, Beschluss vom 21.7.2014 – 10 W 34/14; OLG München, Beschluss vom 3.6.2015 – 29 W 885/15; OLG Hamm, Beschluss vom 21.5.2015 – 4 W 77/14; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11. 10. 2011 – 5 W 211/11; aA z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.01.2013 – I-20 W 137/12; zitiert nach beck-online).
Der Senat hält nicht mehr an seiner im Beschwerdeverfahren 13 W 1181/17 vertretenen Auffassung fest, dass der Streitwert nach der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes zu bemessen ist (so aber z.B. auch OLG Celle, Beschluss vom 04.04.2014, 4 W 55/14, zitiert nach beck-online).
Soweit der Beschwerdeführer seine nunmehrige Auffassung, der Gegenstandswert sei nach dem von ihm geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht zu bemessen, mithin nach der Höhe der Gegenforderung in Höhe von 1.709,94 €, u.a. auf den Beschluss des OLG Hamm vom 30.01.2013 (Az. 12 W 37/12, I-12 W 37/12; zitiert nach juris) stützen möchte, ist dem entgegenzuhalten, dass das den Besonderheiten des hiesigen Falles nicht gerecht wird. Anders als in der zitierten Entscheidung des OLG Hamm geht es hier nicht um eine Restkaufpreisforderung, sondern um eine behauptete Forderung, die weder durch den notariellen Kaufvertrag noch durch den später abgeschlossenen Vergleich entstanden ist, sondern durch Streitigkeiten, die erst nach Vergleichsschluss entstanden. Im Übrigen war die Kaufpreisforderung bereits bezahlt; lediglich die behaupteten, später entstandenen Anwaltsgebühren wurden der Eigentumsübertragung entgegengehalten.
Das, was die Gläubigerin im Wege der Zwangsvollstreckung begehrte, war die Erlangung des Eigentums. Daher ist der Wert der Wohnung maßgeblich (Kaufpreis 475.000,- DM), nicht aber die Höhe der letzten Kaufpreisrate.
Allerdings ist es dem Beschwerdegericht im konkreten Fall verwehrt, den Gegenstandswert höher festzusetzen als das Landgericht. Im Falle des § 33 RVG gibt es – anders als gem. § 63 Abs. 3 GKG – nicht die Möglichkeit, den Wert von Amts wegen zu ändern. Deshalb gilt im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG – anders als bei der Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG – das Verbot der reformatio in peius (so auch Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.03.2013, Az. 3 So 126/12; zitiert nach juris). Daher bleibt es im Beschwerdeverfahren bei dem vom Landgericht festgesetzten Betrag von 45.000,- €.
III.
Eine Kostenentscheidung und eine Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren sind nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG.
IV.
Einer Entscheidung über die Zulassung der weiteren Beschwerde bedarf es nicht, wenn das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht entschieden hat, § 33 Abs. 6 S.1 RVG.