Aktenzeichen 13 T 4145/19
Leitsatz
1. Der Betreuer kann (ebenso wie der Vorsorgebevollmächtigte) gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen, § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG (Rn. 19). (redaktioneller Leitsatz)
2. Trotz der Gesetzesformulierung, dass der Betreuer und der Vorsorgebevollmächtigte Beschwerde „auch“ im Namen des Betroffenen einlegen könne, folgt daraus nicht, dass der Vorsorgebevollmächtigte im eigenen Namen Beschwerde einlegen kann (Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen einer Person seines Vertrauens zu, wenn diese im ersten Rechtszug an dem Verfahren beteiligt worden ist, § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG; ist sie im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden, steht ihr nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung das Recht der Beschwerde unabhängig davon nicht zu, aus welchen Gründen die Beteiligung im ersten Rechtszug unterblieben ist (Rn. 23). (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Beschwerdebefugnis kann sich auch aus § 59 Abs. 1 FamFG ergeben, wenn eigene Rechte beeinträchtigt sind; eine unmittelbare Beeinträchtigung eigener Rechte ist bei einem (ehemaligen) Vorsorgebevollmächtigten nicht gegeben, da er durch die Anordnung der Betreuung wird nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt wird (Rn. 32). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
403 XVII 465/19 2019-06-06 Bes AGFUERTH AG Fürth
Tenor
1. Die Beschwerde der ehemals durch den Betroffenen bevollmächtigten Frau U… B… gegen den Beschluss des Amtsgerichts F… vom 06.06.2019 (Anordnung der Betreuung), Az. 403 XVII 465/19, wird verworfen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Anordnung der Betreuung des Betroffenen.
Der Betroffene hatte der Beschwerdeführerin sowie deren Tochter am 13.04.2017 jeweils eine Generalvollmacht samt Vorsorgevollmacht ausgestellt.
Am 18.04.2019 ging bei der Betreuungsstelle des Landratsamtes F… eine Email in CC ein, welche die Beschwerdeführerin an zwei Personen gesendet hatte. Inhalt dieser Email waren offensichtlich Streitigkeiten zwischen der Beschwerdeführerin und den Adressaten über Mietangelegenheiten. Die Beschwerdeführerin hatte offenbar in Vertretung des Betroffenen dessen Wohnanwesen an die Adressaten vermieten wollen. Da die Beschwerdeführerin in der Email angedeutet hatte, dass an dem Mietverhältnis auch die Betreuungsstelle beteiligt sei, diese jedoch den Inhalt der Email nicht zuordnen konnte, nahm sie (die Betreuungsstelle) Ermittlungen von Amts wegen auf.
Nachdem die Betreuungsstelle den Betroffenen am 09.05.2019 und 16.05.2019 im Heim besucht hatte, bat dieser die Betreuungsstelle mit Schreiben vom 16.05.2019 selbst um die Bestellung eines Betreuers. Gleichzeitig übermittelte er der Betreuungsstelle schriftliche Widerrufe der o.g. Vollmachten.
Mit Fax vom 17.05.2019 teilte die Betreuungsstelle dem Amtsgericht F… mit, dass sie den Wunsch des Betroffenen, eine Betreuung einzurichten, unterstütze.
Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens ordnete das Amtsgericht F… am 22.05.2019 durch einstweilige Anordnung, befristet bis 21.11.2019, die vorläufige Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages, Gesundheitssorge einschließlich damit verbundener Aufenthaltsbestimmung, Haus- und Grundstücksangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten, dabei insbesondere die Prüfung und ggf. Geltendmachung von Regressansprüchen und etwaigen sonstigen Forderungen gegen die bisherigen Vollmachtnehmerinnen.
Auf Antrag der Betreuerin vom 28.05.2019 erweiterte das Amtsgericht F… mit Beschluss vom 03.06.2019 durch einstweilige Anordnung, befristet bis 21.11.2019 die Aufgabenkreise der Betreuung um den des Widerrufs von Vollmachten, dabei insbesondere an die Beschwerdeführerin und deren Tochter erteilte Vollmachten.
Nach persönlicher Anhörung des Betroffenen am 06.06.2019 ordnete das Amtsgericht F… mit (hier angegriffenem) Beschluss vom selben Tag die langfristige Betreuung in den bisherigen Aufgabenkreisen an.
Mit Fax vom selben Tag legte der Betroffene, vertreten durch die Beschwerdeführerin, diese vertreten durch eine Verfahrensbevollmächtigte, gegen den Beschluss vom 22.05.2019 Beschwerde ein. Sie legte hierbei u.a. einen von dem Betroffenen unterzeichneten „Widerruf vom Widerruf der Generalvollmacht vom 16.05.2019“ vor.
Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens erweiterte das Amtsgericht F… mit Beschluss vom 26.06.2019 durch einstweilige Anordnung, befristet bis 25.12.2019, die Betreuung um den Aufgabenkreis der Regelung des Umgangs mit der Beschwerdeführerin und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt an.
Mit Fax vom 28.06.2019 legte die Beschwerdeführerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigte gegen den Beschluss vom 06.06.2019 Beschwerde ein.
Mit Beschluss vom 03.07.2019 half das Amtsgericht F… der Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.06.2019 nicht ab und legte sie dem Landgericht N…-F. zur Entscheidung vor.
Mit Verfügung vom 09.07.2019 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass ihre Beschwerde nach Ansicht der Kammer unzulässig sei.
Am 11.07.2019 wurde der Betroffene durch das Betreuungsgericht zur vorläufigen Erweiterung der Betreuung (Beschluss vom 26.06.2019) angehört. Im Rahmen dieser Anhörung erklärte der Betroffene, die eingelegten Beschwerden entsprächen weder seinen Wünschen noch seinen Interessen. Zur Beschwerdeführerin wolle er keinen Kontakt haben.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 23.07.2019 zur Verfügung der Kammer vom 09.07.2019 Stellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerdeführerin nicht, insbesondere nicht gemäß § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG, § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG oder § 59 Abs. 1 FamFG, beschwerdebefugt ist.
1. Eine Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin ergibt sich nicht aus § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG.
Hiernach kann der Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
Die Voraussetzungen des § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG sind vorliegend nicht erfüllt. Ausweislich des Inhalts des Beschwerdeschreibens vom 28.06.2019 hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde im eigenen Namen und nicht im Namen der Betroffenen eingelegt.
Trotz der Gesetzesformulierung, dass der Betreuer und der Vorsorgebevollmächtigte Beschwerde „auch“ im Namen des Betroffenen einlegen kann, folgt daraus nicht, dass der Vorsorgebevollmächtigte im eigenen Namen Beschwerde einlegen kann. Von der Einführung eines eigenständigen Beschwerderechts des Bevollmächtigten hat der Gesetzgeber nämlich abgesehen (vgl. BGH NJW 2015, 407 zu den Einzelheiten der Begründung der Ablehnung eines eigenständigen Beschwerderechts, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt; vgl. auch Keidel/Budde, FamFG, 19. Auflage 2017, § 303 Rn. 11 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
2. Auch eine Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist nicht gegeben.
Nach dieser Vorschrift steht das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen einer Person des Vertrauens des Betroffenen zu, wenn diese im ersten Rechtszug an dem Verfahren beteiligt worden ist. Ist diese im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden, steht ihr nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung das Recht der Beschwerde unabhängig davon nicht zu, aus welchen Gründen die Beteiligung im ersten Rechtszug unterblieben ist (vgl. BGH NJW 2015, 1180 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Für die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 FamFG kommt es somit entscheidend darauf an, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich im ersten Rechtszug beteiligt worden ist. Dabei kann die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Die Nichterwähnung im Rubrum stünde einer tatsächlichen Hinzuziehung zum Verfahren im Sinne des § 7 FamFG nicht entgegen (vgl. BGH NJW 2015, 1180).
Wie der Bundesgerichtshof (NJW 2015, 1180) weiter ausgeführt hat, müssen Angehörige des Betroffenen, wenn sie nicht von Amts wegen zu dem Verfahren hinzugezogen werden (§ 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG), durch die Stellung eines entsprechenden Antrags gem. § 7 Abs. 3 FamFG während des ersten Rechtszugs vorgreiflich auf ihre Verfahrensbeteiligung hinwirken und, sollte der Antrag abgelehnt werden, das hierfür vorgesehene Rechtsmittel einlegen. Erst wenn auf diesem Weg die Verfahrensbeteiligung erreicht wurde, erhält der Angehörige die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 FamFG gegen die betreuungsrechtliche Entscheidung. Die damit verbundene starke Einschränkung der Befugnis, das Beschwerdeverfahren in Gang zu setzen, entspricht der vom Gesetzgeber in § 303 FamFG getroffenen Differenzierung. Anders als dem privilegierten Personenkreis des § 303 Abs. 2 FamFG steht der Betreuungsbehörde gem. § 303 Abs. 1 FamFG die Beschwerde gegen die Anordnung einer Betreuung oder deren Umfang auch dann zu, wenn sie mangels eigenen Antrags (§ 274 Abs. 3 FamFG) im ersten Rechtszug nicht beteiligt war.
Die Beschwerdeführerin ist vor Erlass der die erste Instanz abschließenden Endentscheidung im angegriffenen Beschluss über die Betreuungsanordnung weder ausdrücklich noch konkludent zum Verfahren hinzugezogen worden. Insbesondere wurden ihr keine Schriftstücke oder eine Ladung zum Anhörungstermin übersandt. Etwaige Kontaktaufnahmen im Rahmen der Ermittlungen der Betreuungsstelle zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen stellen keine Hinzuziehung der Beschwerdeführerin durch das Amtsgericht dar. Eine solche Beteiligung der Beschwerdeführerin im ersten Rechtszug ergibt sich auch nicht aus der Einlegung der Beschwerde vom 06.06.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts F. vom 22.05.2019 (einstweilige Anordnung die Betreuung), die sie nicht selbst, sondern im Namen des Betroffenen eingelegt hatte.
Ferner kommt vorliegend auch eine nachträgliche Erlangung der Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer durch deren Hinzuziehung nach Abschluss des ersten Rechtszugs durch die Endentscheidung über die Anordnung der Betreuung im Beschluss vom 06.06.2019 – im Rahmen des Abhilfeverfahrens – nicht in Betracht.
Nach dem Wortlaut des § 303 Abs. 2 FamFG kommt es auf die tatsächliche Beteiligung der Angehörigen im ersten Rechtszug an. Dieser endet jedoch mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses durch das Amtsgericht. Das sich auf eine Beschwerde anschließende Abhilfeverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG gehört nicht mehr zum ersten Rechtszug, sondern schließt an diesen an. Bereits aus der systematischen Stellung des § 68 Abs. 1 FamFG ergibt sich, dass das Abhilfeverfahren zum Gang des Beschwerdeverfahrens gehört (vgl. zum Ganzen BGH NJW 2015, 1180 mit weiteren Nachweisen).
Im Übrigen handelt es sich bei der Beschwerdeführerin auch nicht um eine Person des Vertrauens des (geschäftsfähigen) Betroffenen. Dieser hatte am 11.07.2019 ausdrücklich erklärt, zur Beschwerdeführerin keinen Kontakt haben zu wollen. Er befürwortet das durch die Betreuerin mittlerweile gegenüber der Beschwerdeführerin ausgesprochene Kontaktverbot.
3. Eine Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin ergibt sich schließlich auch nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG, da ihre Rechte nicht beeinträchtigt sind.
Nach dieser Bestimmung steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Hierunter fällt ein durch Gesetz verliehenes oder durch die Rechtsordnung anerkanntes und von der Staatsgewalt geschütztes, dem Beschwerdeführer zustehendes materielles Recht. Wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige Interessen genügen hingegen nicht, ebenso wenig wie eine moralische Berechtigung oder eine sittliche Pflicht (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Auflage 2017, § 59 Rn. 6). Der Begriff der Beeinträchtigung verlangt, dass die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingreift, indem sie dessen Recht aufhebt, beschränkt oder mindert, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert (vgl. BayObLGZ 2003, 106).
Eine unmittelbare Beeinträchtigung eigener Rechte ist bei der Beschwerdeführerin als (ehemaliger) Vorsorgebevollmächtigten jedoch nicht gegeben. Durch die Anordnung der Betreuung wird der Vorsorgebevollmächtigte nämlich nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt (vgl. BGH NJW 2015, 407). Bei der Vollmacht handelt es sich nicht um ein subjektives Recht in diesem Sinne (BGH NJW 2015, 407; BayObLG, FGPrax 2003, 171). Die Vollmacht verleiht als die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (§§ 166 Abs. 2 BGB) dem Bevollmächtigten die Legitimation, durch rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen (Vollmachtgebers) unmittelbar für und gegen diesen Rechtswirkungen herbeizuführen. Sie schränkt die eigene Rechtsmacht des Vollmachtgebers aber nicht ein und begründet dementsprechend kein eigenes subjektives Recht des Bevollmächtigten. Insbesondere mit der Vorsorgevollmacht soll der Bevollmächtigte in die Lage versetzt werden, im Interesse des Vollmachtgebers, nicht im eigenen Interesse zu handeln (vgl. BGH NJW 2015, 407 mit weiteren Nachweisen; BayObLG, FGPrax 2003, 171). Auch ein der Vollmacht zugrunde liegendes Rechtsverhältnis begründet schließlich kein eigenes subjektives Recht, in das durch die Betreuerbestellung unmittelbar eingegriffen worden wäre. Der Vorsorgebevollmächtigte hat insoweit keine andere Stellung als sonstige Vertragspartner des Betroffenen, die durch Maßnahmen des Betreuers (etwa der Vermieter durch die Kündigung eines Wohnungsmietvertrags) Änderungen ihrer vertraglichen Rechte hinnehmen müssen, ohne dass sie deswegen gegen eine Betreuungsanordnung beschwerdeberechtigt wären (vgl. BGH NJW 2015, 407).
4. Daher war die Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer als unzulässig zu verwerfen.