Familienrecht

Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen

Aktenzeichen  4 W 1/18

Datum:
10.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BauR – 2018, 1030
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 42, § 404a Abs. 1, Abs. 3, § 406 Abs. 1, § 411 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

1. Hat eine Partei in einem umfangreichen Schriftsatz sowohl Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten erhoben als auch weiteren und unter Zeugenbeweis gestellten Sachvortrag unterbreitet, jedoch keine konkreten Beweisfragen zum Gutachten selbst gestellt, so verletzt das Gericht seine Anleitungspflicht gegenüber dem Sachverständigen, wenn es ihn lediglich mit einem ergänzenden Gutachten „zu den Fragen“ der Partei beauftragt. (Rn. 11 – 12)
2. In einem solchen Fall erweckt der Sachverständige nicht bereits dadurch den Eindruck der Befangenheit, dass seine Stellungnahme lediglich auf die Einwände gegen seine fachliche Kompetenz eingeht, ohne sich zugleich mit den weiteren Beanstandungen auseinanderzusetzen. (Rn. 13)
3. Auch Entgegnungen eines Sachverständigen auf persönliche Vorwürfe einer Partei sind stets im jeweiligen Kontext zu würdigen; der Gutachter darf auf persönliche Angriffe gegen seine fachliche Kompetenz auch mit einer zugespitzten Wortwahl – bis hin zu einer gewissen Schärfe – reagieren, solange sich seine Formulierungen im Rahmen dessen bewegen, was angesichts der Vorwürfe der Partei noch angemessen und vertretbar erscheint (Anschluss an OLG München, Beschl. v. 18.11.2011, 1 W 1768/11).

Verfahrensgang

34 O 301/15 2017-11-16 Bes LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 16.11.2017, Az. 34 O 301/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 112.995,50 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie die Eigentümerin von im Besitz der Beklagten befindlichen Orientteppichen ist und verlangt deren Herausgabe. Die Teppiche waren Gegenstand eines Sicherungsübereignungsvertrags aus dem Jahr 1993, der nach Auffassung der Klägerin wegen Übersicherung nichtig ist.
Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 21.07.2016 (Bl. 548 ff.) die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zum Wert der Teppiche angeordnet und mit weiterem Beschluss vom 05.09.2016 den von der IHK W. zum Sachverständigen für Orientteppiche bestellten A. zum gerichtlichen Sachverständigen bestimmt (Bl. 569, 570 d.A.). Dieser hat sein schriftliches Gutachten am 25.01.2017 erstattet (Bl. 598 – 611). Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.03.2017 (Bl. 659 – 680) Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hatte, hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.04.2017 den Sachverständigen beauftragt, ein ergänzendes Gutachten „zu den Fragen der Klagepartei im Schriftsatz vom 13.03.2017“ zu erstatten. Hierauf hat der Sachverständige am 30.06.2017 eine einseitige Stellungnahme vorgelegt (Bl. 719), die mit der Schlussfolgerung endet, es bleibe beim Gutachten vom 25.01.2017. Diese Stellungnahme ist der Klägerin am 10.07.2017 unter Gewährung einer Stellungnahmefrist von zwei Monaten zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 06.09.2017 hat die Klägerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch mit Beschluss vom 16.11.2017 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 751 ff.).
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 05.12.2017 (Bl. 782 – 789). Sie ist weiter der Auffassung, es lägen mehrere Ablehnungsgründe vor. Der Sachverständige weigere sich, sein Gutachten zu erläutern oder zu hinterfragen. Er habe sich unsachlich geäußert. Das Gutachten weise zudem schwerwiegende Fehler auf. Jedenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung erweise sich das Ablehnungsgesuch als begründet. Die Stellungnahme des Sachverständigen im Ablehnungsverfahren vom 29.09.2017 belege ebenfalls den Vorwurf der Befangenheit.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 790, 791).
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Eine Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Erforderlich ist jedoch das Vorliegen objektiver Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, Beschluss vom 11.04.2013, VII ZB 32/12, Tz. 10 -zitiert, wie auch die weiteren Entscheidungen, nach juris).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dabei kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung sowie im Nichtabhilfebeschluss verwiesen werden. Der Senat schließt sich den dort angeführten Gründen, warum ein Ablehnungsgrund nicht gegeben ist, in vollem Umfang an.
2. Allerdings ist ergänzend Folgendes auszuführen:
Gemäß § 404a Abs. 1 ZPO hat das Gericht die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten. Dies rührt zunächst daher, dass das Gericht Herr des Verfahrens ist, der Sachverständige dagegen weisungsgebundener Gehilfe, auch wenn er sein Gutachten eigenverantwortlich und in wissenschaftlicher Unabhängigkeit erstattet (Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 9. Aufl., § 404a, Rn. 1; Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 404a, Rn. 1). Ihren sachlichen Grund hat die Vorschrift aber auch darin, dass der Gutachter als juristischer Laie nicht mit allen Details des dem Rechtsstreit jeweils zugrunde liegenden materiellen Rechts und des Prozessrechts vertraut ist. Es ist Aufgabe des Gerichts, den Sachverständigen in den Inhalt und den Zweck des Gutachtensauftrags einzuweisen und ihm die von ihm selbst zuvor ermittelten Anknüpfungstatsachen mitzuteilen, § 404a Abs. 3 ZPO. Eine Folge hiervon ist etwa, dass es bei streitigem Sachvortrag nicht genügt, dem Sachverständigen einfach die Akten zu überlassen. Vielmehr muss klargestellt werden, von welchem Sachverhalt er auszugehen hat (BGH, Urt. v. 29.11.1995, IV ZR 233/94, Tz. 13; MüKo-Zimmermann, ZPO, 5. Aufl., § 404a, Rn. 5; Katzenmeier a.a.O., Rn. 3, 5).
Diese Grundsätze gelten auch, wenn das Gericht gemäß § 411 Abs. 3 S. 2 ZPO nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens aufgrund von Einwendungen einer Partei eine ergänzende schriftliche Begutachtung anordnet. Zwar kann es im Einzelfall zulässig und sachgerecht sein, dem Sachverständigen die Akten zuzuleiten und ihn lediglich um eine schriftliche Beantwortung der von der Partei gestellten Fragen zu bitten. Zu denken ist hier an Fälle, in denen die Partei selbst ergänzende Fragen formuliert, die sich im Rahmen des bisherigen Beweisthemas bewegen. Trägt die Partei ihre Einwendungen jedoch – wie hier – in einem umfangreichen Schriftsatz vor, der unter Zeugenbeweis gestellte Tatsachenbehauptungen enthält und in dem keine konkreten Fragen gestellt werden, so wird das Gericht seiner Anleitungspflicht nicht gerecht, wenn es den Sachverständigen lediglich beauftragt, ein Gutachten „zu den Fragen“ der Partei in dem betreffenden Schriftsatz zu erstatten. Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen, umfangreiche Schriftsätze erstmalig aufzubereiten, um herauszufinden, auf welches Vorbringen er eingehen und welchen Sachverhalt er hierbei zugrunde legen soll.
Geht der Sachverständige in einem derartigen Fall in seiner Stellungnahme überwiegend auf die erhobenen Einwendungen gegen seine fachliche Kompetenz ein, ohne sich detailliert mit dem Vorbringen der Partei zu beschäftigen, so ist dies zunächst eine Folge der unzureichenden Anleitung durch das Gericht. Nur beim Vorliegen besonderer Umstände wird man aus einem derartigen Verhalten ausnahmsweise Gründe für die Annahme einer Voreingenommenheit ableiten können.
Derartige Umstände liegen hier nicht vor.
a) Gründe für die Annahme einer Befangenheit können sich etwa dann ergeben, wenn der Sachverständige nach einer Konkretisierung des Gutachtensauftrags durch das Gericht bei seiner Haltung bleibt und ein inhaltliches Eingehen auf die aufgeworfenen Fragen verweigert. Das Landgericht hat bislang jedoch noch nicht präzisiert, zu welchen von der Klägerseite vorgebrachten Einwendungen der Sachverständige im einzelnen Stellung nehmen soll. Von einer Weigerung des Sachverständigen, seine eigenen Feststellungen zu hinterfragen oder überhaupt auf Einwendungen der Klägerseite einzugehen, kann daher – auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 29.09.2017 – zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesprochen werden.
b) Es ist auch nicht der Fall gegeben, dass sich aus unsachlichen Äußerungen des Sachverständigen Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit ergeben. Äußerungen eines Sachverständigen sind immer im jeweiligen Kontext zu beurteilen. So darf er auf persönliche Angriffe gegen seine Kompetenz auch mit zugespitzten Worten reagieren, solange sich seine Reaktion in den Grenzen dessen bewegt, was angesichts des Verhaltens der Partei noch angemessen und vertretbar erscheint (OLG München, Beschluss vom 08.11.2011, 1 W 1768/11, Tz. 8; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., S. 145, 145a). Diese Grenze wird durch die Äußerungen des Sachverständigen in seinem ergänzenden Gutachten vom 30.06.2017 nicht überschritten. Soweit er in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch vom 29.09.2017 ausführt, der Klägervertreter versuche „in seinen so vielseitigen Ausführungen immer neue Fragen zu den streitgegenständlichen Teppichen in den Raum zu werfen, die dann über das eigentlich Gefragte und auch das Wichtigste nämlich den „WERT“ um das Jahr 1993 und den heutigen zu erzielenden „WERT“ komplett aus den Augen verliert“ (Bl. 748), so ist dies als Reaktion auf den Vorwurf der Klägerseite zu sehen, er sei fachlich nicht kompetent, blocke pauschal ab und lasse die gebotene Sachlichkeit vermissen (Bl. 730 d.A.). Eine überzogene Reaktion, die den notwendigen Sachbezug völlig zurücktreten lässt und hierdurch die Befürchtung weckt, eine neutrale Begutachtung sei nicht mehr zu erwarten, ist in dieser Äußerung nicht zu sehen.
c) Was den Vorwurf schwerwiegender inhaltlicher Mängel des Gutachtens und die Begründetheit einer Ablehnung aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände anbelangt, wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Das Beschwerdegericht kann sich nicht der Bewertung der Klägerseite in der Beschwerdebegründung anschließen, es lägen derart gravierende Fehler vor, dass ein berechtigtes Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen erzeugt werde. Dagegen spricht bereits, dass eine detaillierte Erörterung der fachlichen Einwendungen der Klägerseite unter Einbeziehung der von ihr vorgelegten Privatgutachten im Rahmen der Beweisaufnahme mangels eines konkreten Auftrags bislang noch nicht stattgefunden hat. Zudem gilt weiter der Grundsatz, dass inhaltliche Mängel des Gutachtens oder eine mangelnde Sorgfalt nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betreffen. Vielmehr sehen sich der mangelnden Sorgfalt eines Sachverständigen beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt (BGH, Beschluss vom 15.03.2005, VI ZB 74/04, Tz. 14).
3. Hinreichende Umstände, die bei einer verständigen Partei den Eindruck erwecken könnten, beim Sachverständigen liege eine einseitige Parteinahme zu Lasten der Klägerseite vor, sind daher im Ergebnis nicht gegeben.
Die sofortige Beschwerde ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens (112.995,50 €) entspricht einem Drittel des Wertes der Hauptsache (BGH, Beschluss vom 15.12.2003, II ZB 32/03), der entsprechend der Angaben in der Klageschrift mit 338.986,51 € anzusetzen ist (Bl. 46).

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