Aktenzeichen 11 WF 534/17
Leitsatz
Bei der Genehmigung eines nicht nur einseitigenRechtsgeschäfts ist einem unter 14 Jahre alten Beteiligten zur Wahrung seinesrechtlichen Gehörs stets ein Ergänzungspfleger zu bestellen, ohne dass es aufeinen konkret festzustellenden Interessengegensatz nach § 1796 BGB ankommt. (Rn. 7) (red. LS Axel Burghart)
Verfahrensgang
052 F 41/17 2017-03-22 Bes AGKELHEIM AG Kelheim
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Kelheim vom 22.03.2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Bestellung eines Ergänzungspflegers in einem familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren.
Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der Kinder S… H…, geb. und J… H…, geb Der mit ihr verheiratete Vater der Kinder, der Landwirt S… H.., ist am 19.10.2016 bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglückt. Aufgrund gesetzlicher Erbfolge sind neben der Mutter auch die beiden Kinder Erben ihres Vaters. Zum Nachlass gehört eine Landwirtschaft mit Hopfengärten und Wiesen. Der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin hat mit mehreren Hopfenvertriebsfirmen Abnahmeverträge für Hopfen geschlossen. Da die Beschwerdeführerin jedoch außer Stande ist, die Hopfengärten zu bewirtschaften, versuchte sie die Flächen schnellstmöglich zu verpachten. Die drei Verträge wurden in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Bauernverband, der dies mit Schreiben vom 25.04.2017 bestätigt hat, erarbeitet. Die Beschwerdeführerin hat dort nach eigenen Angaben vor Abschluss der Verträge mehrfach nachgefragt und sich nach den Konditionen der Verträge erkundigt.
Im Verfahren Amtsgericht Kelheim, Az. 052 F 22/17, beantragt die Mutter die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Verträge. Das Amtsgericht vertritt die Auffassung, dass aufgrund der Regelung des § 41 Abs. 3 FamFG ein Genehmigungsbeschluss auch demjenigen bekanntzugeben ist, für den das Rechtsgeschäft bestimmt ist. Anders als in anderen Verfahren könne die Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts nicht durch den Vertreter des durch die Entscheidung in seinen Rechten Betroffenen wahrgenommen werden. Das rechtliche Gehör könne nämlich nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden solle. Das Amtsgericht hat deshalb das vorliegende Verfahren eingeleitet, mit Beschluss vom 22.03.2017 für beide Kinder Ergänzungspflegschaft angeordnet und eine Rechtsanwältin als Ergänzungspflegerin bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Vertretung bei der Eingehung eines Pachtvertrages als Verpächter.
Gegen diesen, ihrem Bevollmächtigten am 24.03.2017 zugestellten Beschluss wendet sich die Mutter mit ihrer am 30.03.2017 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Die Mutter rügt, ein Fall der Verhinderung bei der Ausübung der nunmehr von ihr allein ausgeübten elterlichen Sorge liege nicht vor. Eine Ergänzungspflegschaft nach § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Verwaltung des aufgrund Erbfalls erworbenen Vermögens sei nur dann vorgesehen, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt habe, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollten. Ein Interessengegensatz zwischen Mutter und Kindern gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB i.V.m. § 1796 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Für die Bestellung des Ergänzungspflegers fehle es deshalb an einer Rechtsgrundlage. Die Verträge seien zudem vom Landratsamt und vom Bauernverband geprüft und nicht beanstandet worden.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässig, im Ergebnis aber nicht begründet.
Der Senat hat von einer mündlichen Erörterung abgesehen, da die Beteiligten rechtliches Gehör hatten und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 69 Abs. 3, § 221 Abs. 1 FamFG).
Bei der Genehmigung eines nicht nur einseitigen Rechtsgeschäfts, hier von langfristigen Pachtverträgen nach § 1643 Abs. 1 BGB, § 1822 Nr. 5 BGB, ist einem unter 14 Jahre alten Beteiligten zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs stets ein Ergänzungspfleger zu bestellen, ohne dass es auf einen konkret festzustellenden Interessegegensatz nach §§ 1796 BGB ankommt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der auch vom Amtsgericht zitierten Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2000 – 1 BvR 321/96 -, BVerfGE 101, 397-410, Rn. 32 zu einem genehmigungsbedürftigen Grundstücksgeschäft einer Erbengemeinschaft, die durch einen Nachlasspfleger vertreten wurde) ausgeführt, die unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gebotene Anhörung der [dortigen] Beschwerdeführerin sei nicht deshalb entbehrlich, weil der Nachlasspfleger, der gesetzlicher Vertreter der endgültigen Erben sei, am Genehmigungsverfahren beteiligt gewesen sei. Im Regelfall könne das rechtliche Gehör nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln, wie hier, im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll (vgl. BVerfGE 83, 24, 36). Ob und inwieweit die Grundsätze des fairen Verfahrens eingehalten wären, wenn der Nachlasspfleger die ermittelten Erben über das Genehmigungsverfahren und den diesem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt in Kenntnis gesetzt hätte, sei nicht zu entscheiden; denn der Nachlasspfleger habe dies unterlassen.
Der Gesetzgeber hat unter ausdrücklichem Verweis auf die genannte Entscheidung die Regelung des § 41 Abs. 3 FamFG geschaffen (BT-Drs. 16/6308 S. 197). Die Regelung bestimme, so die Begründung des Regierungsentwurfs, dass Beschlüsse, die die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hätten, auch demjenigen selbst bekanntzugeben seien, für den das Rechtsgeschäft genehmigt werden solle. Dem Beteiligten müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, bei einer Entscheidung, die seine Rechte beträfe, zu Wort zu kommen (BVerfGE 101, 397, 405). Anders als in anderen Verfahren könne die Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts nicht durch den Vertreter des durch die Entscheidung in seinen Rechten Betroffenen wahrgenommen werden. Denn das rechtliche Gehör könne nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden solle (BVerfGE 101, 397, 406). Mit der Vorschrift des Absatzes 3 werde nunmehr gewährleistet, dass der Rechtsinhaber selbst von der Entscheidung frühzeitig Kenntnis erlange.
Mit Beschluss vom 11.02.2014 (FamRZ 2014, 640 mit krit. Anm. Zorn 641 f.) hat der Bundesgerichtshof für das Verfahren der Genehmigung einer Erbausschlagung entschieden, dass dem minderjährigen Kind nur dann ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB vorlägen. Aus § 41 Abs. 3 FamFG folge nicht (BGH a.a.O. Rn. 13 ff.), dass das Vertretungsrecht des Vormunds gemäß § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB über die in § 1796 BGB bezeichneten Fälle hinaus zu entziehen sei. Nach § 1796 Abs. 2 BGB solle die eine Ergänzungspflegschaft auslösende Entziehung des Vertretungsrechts nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht. Eine solche Entscheidung setzt mithin voraus, dass der Tatrichter entsprechende Feststellungen getroffen hat. Ein Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen jenseits des hier nicht einschlägigen § 1795 BGB oder des § 1796 BGB komme nicht in Betracht. Für eine generelle Entziehung des Vertretungsrechts ohne Betrachtung der Umstände des Einzelfalls fehle es daher bereits an einer gesetzlichen Grundlage. Im Übrigen bestehe hierfür auch kein Bedürfnis. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens habe das Amtsgericht von Amts wegen die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, insbesondere ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Erbausschlagung zum Wohle des Kindes vorlägen. Erhalte das Gericht im Rahmen dieser Ermittlungen Kenntnis von einem möglichen Interessenwiderstreit, sei die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1796 Abs. 2 BGB immer noch möglich. Daraus werde zudem ersichtlich, dass der gesetzliche Vertreter in Fällen der vorliegenden Art bereits durch das Gericht kontrolliert werde. Dem stehe auch die vom Beschwerdegericht zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen. Die Genehmigung einer Erbschaftsausschlagung unterscheide sich von der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fallgestaltung darin, dass dort der – zugleich als Vertreter tätige – Nachlasspfleger an dem später zu genehmigenden Erbauseinandersetzungsvertrag aktiv beteiligt war. Dagegen begehre der Vormund [in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall] allein die Genehmigung der Erbausschlagung für das minderjährige Kind; es gehe also nicht um die Genehmigung einer vertraglichen Gestaltung, an der der gesetzliche Vertreter aktiv mitgewirkt hat, sondern lediglich um die Genehmigung einer einseitigen, gegenüber dem Nachlassgericht vorzunehmenden Erklärung (vgl. § 1945 Abs. 1 BGB).
Aufgrund dieser Einschränkung wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für die vorliegende Fallgestaltung unterschiedlich interpretiert. Während einige aufgrund der genannten zuvor zitierten Begründung davon ausgehen, dass auch bei einer vertraglichen Gestaltung ein konkreter Interessenwiderstreit festzustellen sei, um die Bestellung eines Ergänzungspflegers zu rechtfertigen (Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 19. Aufl., § 41 FamFG Rn. 4; Oberheim in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 5. Aufl., § 41 FamFG Rn. 16; zuvor schon Ulrici in MünchKomm-FamFG, 2. Aufl., § 41 FamFG Rn. 15), gehen andere von der generellen Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers aus und machen hiervon lediglich für einseitige Erklärungen unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Ausnahme (Harders in Bumiller/Schwamb/Harders, FamFG, 11. Aufl., § 41 FamFG Rn. 8; Feskorn in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 41 FamFG Rn. 7; Borth/Grandel in Musielak/Borth, 5. Aufl., § 41 FamFG Rn. 11; wohl auch Cirullies in Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 41 FamFG Rn. 10).
Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich in dem von ihm entschiedenen Fall nicht um die Genehmigung einer vertraglichen Gestaltung handle und hierin das wesentliche Abgrenzungskriterium zur auch vom Gesetzgeber zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichts gesehen. Will man der Entscheidung des Verfassungsgerichts deshalb Rechnung tragen, wird man in Fällen vertraglicher Gestaltungen doch einen (vom Gesetzgeber gewollten) Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen (hierzu auch Zorn a.a.O.) jenseits der §§ 1795, 1796 BGB annehmen müssen. Die Vorschrift des § 41 Abs. 3 FamFG und der dahinter stehende Wille des Gesetzgebers liefe andernfalls bei unter 15-jährigen Beteiligten weitgehend ins Leere.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
IV.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wurde gemäß §§ 40, 46, 42 Abs. 3 FamGKG auf den allgemeinen Auffangwert festgesetzt.
V.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 1 FamFG).