Aktenzeichen 551 F 7061/12 RE
LPartG LPartG § 9 Abs. 7
GG GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz
Nach Ansicht des Gerichts liegt in der Vorschrift des § 1775 S. 1 BGB eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften (im Vergleich zu Ehepaaren), weshalb hier von einer Regelungslücke auszugehen und die Vorschrift auf eingetragene Lebenspartner analog anzuwenden ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. …
wird als Vormund entlassen.
2. Als neue gemeinschaftliche Vormünder werden ausgewählt:
…
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,- € festgesetzt.
4. Kosten werden nicht erhoben und nicht erstattet.
Gründe
Der bisherige Vormund ist auf Antrag zu entlassen, da zwei andere als Vormund geeignete Personen vorhanden sind und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht.
Die als neue Vormünder ausgewählten Personen sind zur Führung der Vormundschaft geeignet.
In seiner Stellungnahme vom 10.11.2015 hat das Stadtjugendamt M. (SBH O.) die ausgewählten Vormünder für geeignet erklärt.
Die Bestellung mehrerer Vormünder beruht auf § 1775 S. 1 BGB analog. Gem. § 1775 S. 2 BGB soll für den Mündel grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden, sofern nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen. Besondere Gründe für das Erfordernis der Bestellung mehrerer Vormünder liegen in hiesigem Fall nicht vor, beide ausgewählten Vormünder könnten die Vormundschaft auch alleine ausüben. Gemäß § 1775 S. 1 BGB kann das Familiengericht jedoch ein Ehepaar gemeinschaftlich zu Vormündern bestellen (ohne dass es hierfür besonderer Gründe bedarf). Die ausgewählten Vormünder, … haben am 22.04.2005 zu Urkunde URNr. … der Notarin … eine Lebenspartnerschaft begründet, die im Lebenspartnerschaftsregister unter Nummer … eingetragen wurde. Nach Ansicht des Gerichts liegt in der Vorschrift des § 1775 S. 1 BGB eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften (im Vergleich zu Ehepartnern). Nach der Entscheidung des BVerfG vom 19.02.2013, 1 BvL 1/11, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, „indem § 9 Abs. 7 LPartG die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption) verwehrt, wohingegen die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des Ehepartners und die Möglichkeit der Annahme eines leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners (Stiefkindadoption) eröffnet sind, werden sowohl die betroffenen Kinder als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt (Art. 3 Abs. 1 GG)“. Der Gesetzgeber hat in Folge dessen „nachgebessert“ und § 9 Abs. 7 LPartG entsprechend abgeändert, so dass es nunmehr für gleichgeschlechtliche Lebenspartner ein Sukzessivadoptionsrecht für beide Lebenspartner gibt. Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt ist nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch – wie Ehepaare – gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen. Vielmehr ist nun bei § 1775 S. 1 BGB „von einer nachträglichen Regelungslücke auszugehen und die Regelung deswegen in diesen Fällen entsprechend anzuwenden“ (s. Schulze u. a., Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Aufl. 2014, Rz. 1). Auch das Familiengericht sieht hier eine Regelungslücke des Gesetzgebers, so dass nunmehr die Vormünder gem. § 1775 S. 1 BGB analog zu bestellen waren. Die Bestellung nur einer Pflegemutter würde im Übrigen auch dem Kindeswohl widersprechen, da … seit Januar 2008 in seiner Pflegefamilie aufwächst und beide Pflegemütter gleichberechtigt und -wertig sich um ihn kümmern und ihn versorgen. Schon alleine deswegen wäre es diskriminierend, nach „Würfelmethode“ nur einen Vormund auszuwählen und hierdurch die andere Pflegemutter grundlos im Familienverband zurückzusetzen.
Das Mündel … wurde persönlich angehört. Er hat in seiner heutigen Anhörung erklärt, dass er möchte, dass beide Pflegemütter für ihn Entscheidungen treffen.
Die Kindsmutter, … konnte nicht angehört werden, da diese unbekannten Aufenthalts ist.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG, die Kostenentscheidung auf § 81 FamFG.